TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/17 W185 2239402-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.09.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

17.09.2021

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch


W185 2239402-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Jemen, vertreten durch Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.01.2021, Zl. 1267660809-200758470, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 idgF und § 61 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger aus dem Jemen, stellte nach irregulärer Einreise in das Bundesgebiet am 22.08.2020 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz. Es liegt eine Eurodac-Treffermeldung der Kategorie „2“ mit Griechenland vom 14.08.2019 vor.

Im Zuge der Erstbefragung am 22.08.2020 gab der Beschwerdeführer vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Wesentlichen an, der Einvernahme ohne Probleme folgen zu können und keine Medikamente zu benötigen. Einer seiner Brüder sei in Schweden aufhältig, die übrigen Familienmitglieder befänden sich alle im Süd-Jemen. Sein Zielland sei, wegen seines Bruders, Schweden gewesen. Im Mai 2019 sei der Beschwerdeführer über Jordanien in die Türkei gereist, wo er sich etwa 3 Monate aufgehalten habe. Anschließend sei er nach Griechenland gereist, wo er Behördenkontakt und eine ED-Behandlung gehabt habe; in Griechenland sei er etwa einen Monat lang geblieben. Im Anschluss sei er über Albanien und den Kosovo nach Serbien gelangt, wo er sich 8 Monate lang aufgehalten habe. In weiterer Folge sei er über Rumänien, erneut Serbien, Ungarn und die Slowakei nach Österreich gelangt. In Ungarn und in der Slowakei habe der Beschwerdeführer weder Behördenkontakt noch eine erkennungsdienstliche Behandlung gehabt. Griechenland sei ein schönes Land, aber er habe dort „nichts“. Der Beschwerdeführer habe außer in Österreich in keinem anderen Land um Asyl angesucht. Er wolle nicht nach Griechenland, Ungarn oder die Slowakei zurückkehren, sondern zu seinem Bruder nach Schweden.

Am 31.08.2020 ergingen Informationsersuchen nach Art 34 Dublin III-VO an Ungarn, Rumänien, die Slowakei und Griechenland.

Mit Schreiben vom 10.09.2020 gab die ungarische Dublin-Behörde bekannt, dass der Beschwerdeführer nach illegalem Grenzübertritt von Kroatien kommend am 04.03.2020 aufgegriffen worden sei. Der Genannte habe sich nicht ausweisen können und sei am 05.03.2020 aufgrund eines Rücknahmeübereinkommens an die kroatischen Behörden übergeben worden (AS 71).

Am 01.10.2020 teilten die slowakischen Behörden mit, dass der Beschwerdeführer in der Slowakei nicht bekannt sei; es lägen weder Fingerabdrücke noch ein Asylantrag des Genannten vor.

Rumänien teilte am 02.10.2020 mit, dass der Beschwerdeführer in Rumänien nicht bekannt sei.

In der Folge richtete das Bundesamt am 08.10.2020 ein auf Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO gestütztes Aufnahmeersuchen an Kroatien. Dies unter Hinweis auf die Antwort der ungarischen Dublin-Behörde, wonach der Beschwerdeführer von Kroatien kommend in Ungarn aufgegriffen und am 05.03.2020 nach Kroatien rücküberstellt worden sei.

Am 12.10.2002 erging seitens des Bundesamtes ein Reminder an die griechischen Behörden.

Mit Schreiben vom 07.12.2020 lehnte Kroatien die Aufnahme des Beschwerdeführers mit dem Hinweis ab, dass eine Rücknahme des Beschwerdeführers aus Ungarn in den Akten nicht registriert sei. Es werde ersucht, allfällige Aliasdaten des Beschwerdeführers zu übermitteln, um eine weitere Überprüfung zu ermöglichen (AS 123).

Am 16.12.2020 schickte das Bundesamt ein Remonstrationsschreiben an Kroatien und nahm erneut auf die Antwort Ungarns vom 10.09.2020 Bezug.

Mit Schreiben vom 30.12.2020 stimmte Kroatien dem Aufnahmegesuch gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO ausdrücklich zu. In dem Schreiben wurde mitgeteilt, dass nach neuerlicher Prüfung die Registrierung der Rücknahme des Beschwerdeführers am 05.03.2020 gefunden worden sei.

Dem Beschwerdeführer wurden am 15.01.2021 die Ladung für den 21.01.2021, das LIB zu Kroatien, die VAOen gem. § 29 und § 52 AsylG und das COVID-19-Infoblatt übermittelt.

Mit E-Mail des Bundesamtes vom 15.01.2021 wurden der BBU GmbH die Ladung für den 21.01.2021, das LIB Kroatien, die VAO gem. § 29, die VAO gem. § 52a, die Übernahmebestätigung und das COVID-19-Infoblatt übermittelt. Dieses Schreiben enthielt folgenden Zusatz: Eine Anwesenheit bei der Einvernahme ist nur dann erforderlich, wenn der Geladene die Rechtsberatung in Anspruch nimmt oder es sich um einen unbegleiteten Minderjährigen handelt; ansonsten ist die Ladung hinfällig (§ 29 Abs 5 AsylG).

Im Zuge der Einvernahme vor dem Bundesamt am 21.01.2021 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, sich physisch und psychisch in der Lage zu fühlen, die Befragung zu absolvieren; er sei „in Ordnung“. Bei der Erstbefragung sei er übermüdet und hungrig gewesen; daher würden manche seiner damals getätigten Angaben nicht stimmen. Er habe die Befragung schnellstmöglich hinter sich bringen wollen. In Schweden sei einer seiner Brüder asylberechtigt. In Österreich habe der Beschwerdeführer keine Familienmitglieder. Auch sonst habe er keinen Bezug zu Österreich. Er sei erstmals in Österreich. Über Vorhalt der beabsichtigten Zurückweisung seines Asylantrags und der Außerlandesbringung nach Kroatien, erklärte der Beschwerdeführer, dass es richtig sei, dass er als Flüchtling in Kroatien eingereist sei. In Kroatien seien er und weitere Flüchtlinge grundlos geschlagen worden. Sie seien von Polizisten mit Stangen geschlagen worden und man habe ihnen Geld und Handys weggenommen. In der Folge seien sie gezwungen worden, die Fingerabdrücke abzugeben und man habe sie dann an die serbischen Behörden übergeben. Beim zweiten Versuch sei er in Ungarn von der Polizei aufgegriffen, einvernommen und wieder nach Kroatien zurückgeschickt worden. Von dort sei er erneut nach Serbien zurückgebracht worden. Das alles habe sich vor 8 Monaten ereignet. In Serbien sei der Beschwerdeführer dann drei bis vier Monate geblieben, bevor er über Rumänien, Ungarn und die Slowakei nach Österreich gelangt sei. Den Aufenthalt in Serbien habe er aus Geldmitteln finanziert, welche ihm sein Bruder und sein Cousin geschickt hätten.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes wurde I. der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Kroatien gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO zur Prüfung des Antrages zuständig sei, sowie II. gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG dessen Abschiebung nach Kroatien zulässig sei.

Die Länderfeststellungen wurden im Bescheid folgendermaßen zusammengefasst:

Im Jahr 2019 wurden laut Eurostat 1.265 Erstanträge gestellt (von insgesamt 1.400 Anträgen im Vergleich zu 800 Anträgen im Jahr 2018) (Eurostat 20.3.2020; vgl. Eurostat 2.4.2020). Die Zahl der mutmaßlich unbegleiteten Minderjährigen belief sich auf 35 Personen (Eurostat 21.4.2020).

Quellen:

?        AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre (HPC) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 24.4.2020

?        Eurostat (2.4.2020): Asylwerber und erstmalige Asylwerber. Jährliche aggregierte Daten, https://ec.europa.eu/eurostat/tgm/refreshTableAction.do?tab=table&plugin=1&pcode=tps00191&language=de, Zugriff 27.4.2020

?        Eurostat (21.4.2020): Asylwerber. Mutmaßlich unbegleitete Minderjährige, https://ec.europa.eu/eurostat/tgm/table.do?tab=table&init=1&language=de&pcode=tps00194&plugin=1, Zugriff 27.4.2020

?        Eurostat (20.3.2020): News Release. Asylum in the EU-Member States, https://ec.europa.eu/eurostat/documents/2995521/10554400/3-20032020-AP-EN.pdf/6ee052a9-ffb8-d170-e994-9d5107def1a8, Zugriff 24.3.2020

?        USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Croatia, https://www.ecoi.net/en/document/2027527.html, Zugriff 18.5.2020
1.         Dublin-Rückkehrer

Personen, die im Rahmen der Dublin-VO nach Kroatien zurückkehren (dies waren im Jahr 2019 insgesamt 99 Personen), haben prinzipiell vollen Zugang zum kroatischen Asylsystem. Wenn Rückkehrer Kroatien vor dem Ende ihres ursprünglichen Verfahrens verlassen haben und das Verfahren daher suspendiert wurde, müssen sie bei Rückkehr gemäß Art. 18(2) der Dublin-III-VO neuerlich einen Asylantrag stellen. Wer hingegen vor Verlassen des Landes seinen Antrag explizit zurückgezogen hat bzw. eine Zurückweisung erhalten hat, gilt in solch einem Fall als Folgeantragsteller (AIDA 22.4.2020).

Die Überstellung von Dublin-Rückkehrern nach Kroatien wurde von europäischen nationalen Gerichten nicht infrage gestellt. Dies wurde vom Gerichtshof der Europäischen Union bestätigt (AIDA 22.4.2020).

In einer im Februar 2019 veröffentlichten Studie der Organisation "Médecins du Monde" wird festgestellt, dass es Dublin-Rückkehrern in Kroatien an psychosozialer Unterstützung fehle (MdM 2.2019). (Siehe dazu auch Abschnitt 6.3. Medizinische Versorgung, Anm.)

Quellen:

?        AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 24.4.2020

?        MdM – Medecins du Monde (2.2019): Nearing a point of no return, https://medecinsdumonde.be/system/files/publications/downloads/Mental%20health%20of%20asylum%20seekers%20in%20Croatia_0.pdf, Zugriff 24.3.2020
2.         Unbegleitete minderjährige Asylwerber / Vulnerable

Als vulnerabel gelten unmündige Personen, Minderjährige, unbegleitete Minderjährige, alte und gebrechliche Personen, ernsthaft Kranke, Behinderte, Schwangere, AlleinerzieherInnen mit minderjährigen Kindern, psychisch Kranke, Opfer von Menschenhandel, Folter, Vergewaltigung oder anderen Formen psychologischer, physischer und sexueller Gewalt. Für Vulnerable gibt es spezielle Verfahrens- und Unterbringungsgarantien. Im Hinblick auf ihre persönlichen Umstände ist ihnen geeignete – auch medizinische - Unterstützung zu bieten. Speziell geschulte Beamte sollen Vulnerable identifizieren; ein institutionalisiertes Früherkennungssystem gibt es nicht (AIDA 22.4.2020). Als "unbegleitete Minderjährige" gelten Drittstaatsangehörige bzw. staatenlose Personen, die jünger als 18 Jahre alt sind und ohne Begleitung verantwortlicher erwachsener Personen in die Republik Kroatien eingereist sind (HPC o.D.).

In Gesetz und Praxis wird die Identifizierung spezieller Bedürfnisse als kontinuierlicher Prozess während des Verfahrens gesehen. Die frühzeitige Erkennung von Vulnerabilität erfolgt durch speziell ausgebildete Polizeibeamte, die dann das Aufnahmezentrum für Asylwerber je nach Bedarf entsprechend informieren. Die weitere Ermittlung besonderer Schutzbedürftigkeit erfolgt in der Unterbringung durch Sozialarbeiter oder Mitarbeiter von NGOs in Kooperation mit dem Innenministerium (AIDA 22.4.2020; vgl. HPC o.D.). NGOs und das Innenministerium arbeiten zwar zusammen, ein systematischer Informationsaustausch findet jedoch nicht statt. Weniger offensichtliche Vulnerabilität wie z.B. im Zusammenhang mit Traumatisierten oder Opfern von Folter oder Menschenhandel oder auch von LGBTI-Personen werden in der gegenwärtigen Praxis viel seltener erkannt. Das Rehabilitationszentrum für Stress und Trauma berichtete, dass es noch immer keinen geeigneten Mechanismus zur Identifizierung von Folteropfern gibt (AIDA 22.4.2020).

Mit einem am 30. August 2018 verabschiedeten Protokoll über die Behandlung unbegleiteter Minderjähriger soll die Stellung dieses Personenkreises verbessert werden. Das Protokoll bietet einen detaillierten Überblick über alle Verfahren und enthält Leitlinien für alle relevanten Akteure, die mit unbegleiteten Minderjährigen in Kontakt kommen und mit ihnen arbeiten. Nach Angaben des Innenministeriums wurde eine ressortübergreifende Kommission eingerichtet, um die Zusammenarbeit zwischen Organen der staatlichen Verwaltung und anderen am Schutz unbegleiteter Minderjähriger beteiligten Akteuren zu verbessern. Diese Kommission ist 2019 zweimal zusammengetreten, allerdings ohne spezielle Resultate zu erzielen. Am 1. Januar 2019 trat ein neues Pflegeelterngesetz in Kraft, das die Möglichkeit des Aufenthalts unbegleiteter Minderjähriger in einer Pflegefamilie vorsieht (AIDA 22.4.2020).

Die Anträge unbegleiteter minderjähriger Asylwerber (UMA) werden bei der Entscheidungsfindung vorrangig behandelt. Sofern letztere den Wunsch nach Asyl erkennen lassen, ist ihnen vom Zentrum für soziale Wohlfahrt noch vor Antragstellung ein geeigneter Vormund zur Seite zu stellen. Laut Angaben des Ministeriums gab es auch im Jahr 2018 in der Praxis Verzögerungen bei der Bestellung eines gesetzlichen Vormunds. Vormunde sind in der Regel Mitarbeiter des zuständigen Zentrums für soziale Wohlfahrt, üblicherweise Juristen, Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen. Überlastung und Verständigungsprobleme können dazu führen, dass die Rolle der Vormunde eher formal bleibt und sie nicht aktiv im Sinne ihrer Schutzbefohlenen tätig werden. Der Vormund hat im besten Interesse des Kindes alle notwendigen Abklärungen mit Behörden, NGOs, usw. zu treffen. Ist ein UMA über 16 Jahre alt und verheiratet, ist kein Vormund zu bestellen (AIDA 22.4.2020; vgl. HPC o.D.). Die Ombudsperson für Kinder hat festgestellt, dass es in der Praxis beim Vormundsystem Probleme gibt (HPC o.D.) und die Vormünder oft nicht verfügbar sind bzw. nicht in regelmäßigem Kontakt mit dem Kind stehen. Besuche finden in bestimmten Fällen nur dann statt, wenn diese vom Innenministerium oder anderen Institutionen/Organisationen angesetzt werden (AIDA 22.4.2020).

Bei Zweifeln am Alter einer Person sollen zuerst die vorhandenen Informationen, inklusive der Meinung der Experten, die mit dem Minderjährigen täglich arbeiten, bewertet werden. Wenn dies nicht genügt, ist mit schriftlichem Einverständnis des Minderjährigen und des Vormunds eine medizinische Altersfeststellung möglich. Diese besteht aus einer allgemeinen medizinischen Untersuchung und einem Röntgen der Zähne und/oder der Hand. Im Zweifel ist Minderjährigkeit anzunehmen. Wird die Zustimmung zur Altersfeststellung verweigert, ist der Antragssteller als Erwachsener zu behandeln, der Antrag darf aber (nur) deswegen nicht abgelehnt werden. Im Zweifel wird zunächst eine zweite Meinung eingeholt, sofern die Zweifel fortbestehen, ist von der Minderjährigkeit auszugehen. Nach Angaben des Innenministeriums wurde das Altersfest-stellungsverfahren in den Jahren 2017 und 2018 nicht durchgeführt. Für 2019 liegen diesbezüglich keine Informationen vor (AIDA 22.4.2020).

UMA unter 14 Jahren werden in Kinderheimen und jene über 14 Jahren in Jugendunterkünften untergebracht. Die Mitarbeiter dieser Unterkünfte sind jedoch nicht speziell auf den Umgang mit UMA vorbereitet. Verschiedene NGOs haben Bedenken insbesondere hinsichtlich der Unterbringung von Kindern in Kinderbetreuungseinrichtungen geäußert, da dort hauptsächlich Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten betreut werden. Die Eignung dieser Einrichtungen für den Aufenthalt von UMA kann in Zweifel gezogen werden, insbesondere wenn man die besonderen Bedürfnisse dieser Minderjährigen sowie die Nichtverfügbarkeit von Dolmetschern in diesen Einrichtungen berücksichtigt. Ein neues Gesetz über Pflegefamilien, das am 1. Januar 2019 in Kraft getreten ist, eröffnet die Möglichkeit, unbegleitete Minderjährige in Pflegefamilien unterzubringen. Die Angaben zur Zahl unbegleiteter minderjähriger Asylwerber, die 2019 internationalen Schutz in Kroatien beantragt haben, divergieren laut der Ombudsperson für Kinder beträchtlich; Während das Innenministerium deren Zahl mit 70 angibt, haben die Zentren für Sozialfürsorge über die Ernennung von Vormündern für 281 unbegleitete Minderjährige entschieden (AIDA 22.4.2020).

Quellen:

?        AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 18.5.2020

?        HPC - Croatian Law Centre (o.D.): Legal representation of unaccompanied children - Croatia, http://www.asylumineurope.org/reports/country/croatia/age-assessment-and-legal-representation-unaccompanied-children-0, Zugriff 27.3.2020
3.         Non-Refoulement

Seit 2016 gibt es eine Liste von zehn sicheren Herkunftsstaaten. Diese sind Albanien, Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien, Kosovo, Montenegro, Serbien, Marokko, Algerien, Tunesien und die Türkei. Auf letztere wird das Konzept des sicheren Herkunftsstaates in der Praxis nicht angewandt. Im Jahr 2018 wurde das Konzept in insgesamt 76 Fällen umgesetzt, die sich wie folgt verteilen: bei Algeriern (39), Marokkanern (13), Tunesiern (13), Kosovaren (5), Serben (4) und Bosniern (2). Entsprechende Zahlen für 2019 liegen nicht vor. Laut Gesetz kann ein Land dann als sicherer Drittstaat eingestuft werden, wenn ein Antragsteller dort sicher ist vor Verfolgung oder dem Risiko, ernsten Schaden zu erleiden, wenn das Non-Refoulement-Prinzip beachtet und effektiver Zugang zum Asylverfahren gewährt wird. Ob dies zutrifft, ist eine Einzelfallentscheidung. Wenn ein Antragsteller bereits in einem anderen Staat Schutz erhalten hat oder Refoulement-Schutz genießt, kann sein Antrag in Kroatien als unzulässig zurückgewiesen werden (AIDA 22.4.2020).

Eines der zentralen Themen in Kroatien war in den vergangenen Jahren der eingeschränkte Zugang zum Asylsystem für Personen, die via Serbien oder Bosnien und Herzegowina einreisen wollten (AIDA 22.4.2020). Internationale und kroatische NGOs sowie internationale Organisationen außerhalb des Landes wie das Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) berichteten über polizeiliche Pushbacks von Migranten, die versuchten, über die Grenze zu Serbien und insbesondere zu Bosnien und Herzegowina illegal in das Land einzureisen (USDOS 11.3.2020; vgl. HRW 8.11.2019, SRF 28.9.2019; AI 2019). Es gab auch Berichte über Polizeigewalt (FH 4.2.2019). Durch die erwähnten Pushbacks werden die Migranten von materieller und medizinischer Hilfe ausgeschlossen bzw. sogar ihre Besitztümer (Kleidung, Schlafsäcke, Rucksäcke, Zelte) verbrannt bzw. auch andere Gegenstände wie Mobiltelefone, Powerbanks oder persönliche Dokumente ins Visier genommen (ECRE 30.8.2019).

Es gibt Berichte über einen fortgesetzten und unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt und eine erniedrigende und unmenschliche Behandlung von Asylwerbern (ECRE 31.1.2020).

Seitens der Ombudsperson wurde nach Eingang einer anonymen Beschwerde eines Grenzpolizisten, wonach die illegale Misshandlung von Migranten von den Vorgesetzten der Polizei angeordnet worden sei, schließlich das Parlament informiert. Das Innenministerium wies diese Behauptungen als unbegründet und ungenau zurück. Die Regierung arbeitete in den meisten Fällen mit dem UNHCR und anderen humanitären Organisationen zusammen, um Flüchtlingen, Asylsuchenden, Staatenlosen und anderen Betroffenen Schutz und Hilfe zu gewähren. Die Regierung hat bedeutende Schritte unternommen, um Personen, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben, strafrechtlich zu verfolgen und zu bestrafen (USDOS 11.3.2020). Auch die Europäische Kommission beurteilt die Einrichtung eines Kontrollregimes für das Verhalten der kroatischen Grenzbeamten sowie das Versprechen der kroatischen Regierung, allen Vorwürfen nachzugehen, positiv. Es gebe ausreichende Belege dafür, dass das Land bemüht ist, seine Verpflichtungen zum Schutze der Menschenrechte zu erfüllen (HRW 8.11.2019).

Quellen:

?        AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 24.4.2020

?        AI – Amnesty International (2019): Pushed to the edge. Violence and abuse gainst refugees and migrants along the Balkan route, https://www.amnesty.org/download/Documents/EUR0599642019ENGLISH.PDF, Zugriff 13.3.2020

?        ECRE - European Council on Refugees and Exiles (30.8.2019): Report on Illegal Pushback and Border Violence, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Report%20on%20Illegal%20Pushback%20and%20Border%20Violence%20_%20European%20Council%20on%20Refugees%20and%20Exiles%20%28ECRE%29.pdf, Zugriff 17.1.2020

?        ECRE - European Council on Refugees and Exiles (31.1.2020): New Report on Torture of Asylum Seekers by Authorities, https://www.ecre.org/croatia-new-report-on-torture-of-asylum-seekers-by-authorities/, Zugriff 17.4.2020

?        FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Croatia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2015957.html, Zugriff 13.1.2020

?        HRW – Human Rights Watch (8.11.2019): EU: Push-Backs an kroatischer Grenze beenden, https://www.hrw.org/de/news/2019/11/08/eu-push-backs-kroatischer-grenze-beenden, Zugriff 23.3.2020

?        SRF - Schweizer Rundfunk (28.9.2019): lllegale Push-Backs - SEM bei Kroatien-Rückführungen zurückgepfiffen, https://www.srf.ch/news/schweiz/illegale-push-backs-sem-bei-kroatien-rueckfuehrungen-zurueckgepfiffen, Zugriff 24.3.2020

?        USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Croatia, https://www.ecoi.net/en/document/2027527.html, Zugriff 23.03.2020
4.         Versorgung

Asylwerber in Kroatien haben das Recht auf materielle Versorgung während des Asylverfahrens. Dieses Recht gilt ab dem Zeitpunkt, an dem die betreffenden Personen den Willen zur Asylantragsstellung erkennen lassen und umfasst Unterbringung in einem Aufnahmezentrum, Verpflegung, Kleidung und finanzielle Unterstützung sowie Refundierung der Fahrtkosten in öffentlichen Verkehrsmitteln. Die monatliche finanzielle Unterstützung wird ab der Unterbringung in einem Aufnahmezentrum gewährt und beläuft sich per 31.12.2019 auf 100 Kuna (EUR 13,40) pro Person. Auch wenn sich der Betrag bei abhängigen Familienmitgliedern erhöht, gilt er doch als sehr gering bemessen. Asylwerber, deren Verfahren nach neun Monaten noch nicht entschieden ist, haben das Recht zu arbeiten. Der faktische Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylwerber wird jedoch durch die Sprachbarriere und die hohe Arbeitslosigkeit behindert. Asylwerber haben keinen Zugang zu Jobtrainings, sie können aber auf freiwilliger Basis innerhalb der Aufnahmezentren mitarbeiten. Auch können sie bei gemeinnützigen Tätigkeiten oder bei der Arbeit humanitärer Organisationen mitwirken (AIDA 22.4.2020).

Quellen:

?        AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 24.4.2020

4.1.    Unterbringung

Gemäß Asylgesetz haben Asylwerber während des Asylverfahrens das Recht auf Unterbringung in entsprechenden Aufnahmezentren. Auf Antrag können sie auf eigene Kosten außerhalb eines Zentrums wohnen. Kroatien verfügt über zwei offene Aufnahmezentren für Asylwerber, in Zagreb im „Hotel Porin“ (Kapazität: 600 Plätze) und in Kutina (Kapazität: 100 Plätze). Beide Zentren werden vom kroatischen Innenministerium geführt. Das Zentrum in Kutina zielt auf die Unterbringung vulnerabler Antragsteller ab, auch wenn 2019 dort hauptsächlich umgesiedelte Personen beherbergt wurden, bis diese am Ende des Jahres in anderen Städten mit bezahlten Wohnungen ausgestattet wurden. Der Plan, in Mala Gorica ein neues Aufnahmezentrum zu bauen, wurde nach Protesten der lokalen Bevölkerung wieder verworfen und das veranschlagte Geld in die Renovierung der bestehenden Zentren investiert (AIDA 22.4.2020).

Das „Hotel Porin“, offizielle Bezeichnung „Reception Center for Asylum Seekers Zagreb“, ist ein ehemaliges Hotel, das nach der Schließung nunmehr im Eigentum der Polizei steht. Das Zentrum wird von Polizei und Regierung mit Unterstützung zahlreicher NGOs wie Croatian Baptist Aid, MSF, dem Roten Kreuz und IOM betrieben (BGAV 13.5.2019). Eine umfassende Renovierung 2019 hat die Lebensbedingungen für die Asylwerber wesentlich verbessert (AIDA 22.4.2020).

Die Bewohner können sich frei bewegen, müssen aber – sofern keine Sondergenehmigung vorliegt – bis 23 Uhr wieder im Haus sein. In Kutina teilen sich Familien ein Zimmer, unbegleitete Minderjährige und alleinstehende Frauen werden getrennt untergebracht. In Zagreb werden maximal vier Personen pro Zimmer untergebracht; Familien mit mehr als fünf Mitgliedern werden nach Möglichkeit zwei Zimmer zur Verfügung gestellt. Die Ausstattung mit Duschen und Toiletten ist ausreichend und die Einrichtungen werden regelmäßig gereinigt (AIDA 22.4.2020).

In beiden Zentren erhalten die Bewohner drei Mahlzeiten pro Tag und schwangere Frauen, Wöchnerinnen und Minderjährige bis 16 Jahre erhalten zusätzlich eine Nachmittagsjause. In vom Roten Kreuz ausgestatteten Küchen können sich die Asylwerber außerdem selbst Mahlzeiten zubereiten (AIDA 22.4.2020).

Das Personal des Innenministeriums in den Aufnahmezentren ist ausreichend. Es werden soziale und pädagogische Aktivitäten organisiert wie etwa Sportaktivitäten, Sprach- und EDV-Kurse und verschiedenste Workshops beispielsweise über kroatische Kultur und über Sitten und Gebräuche. Auch Kinderspielzimmer, Bibliothek, Friseur und ähnliches stehen zur Verfügung. Die meisten Asylwerber bleiben nicht lange in den Aufnahmezentren, da sie sich auf der Durchreise befinden (AIDA 22.4.2020).

Der Jesuitische Flüchtlingsdienst JRS organisiert zahlreiche Freizeitaktivitäten und Sprachkurse. Zudem können die Bewohner der Aufnahmezentren eine asylrechtliche Beratung und psychosoziale Unterstützung in Anspruch nehmen (JRS o.D.).

UNICEF setzt sich besonders dafür ein, dass bei der Organisation und Planung der Dienste in den Aufnahmezentren den Bedürfnissen der Kinder besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird (AIDA 22.4.2020). Für Familien mit Kindern stellt UNICEF die medizinische Versorgung von Müttern und Kindern sowie Unterstützung für schwangere und stillende Mütter bereit. Weiters organisiert UNICEF abgeschlossene Bereiche, in denen die Kinder spielen und informell lernen können (UNICEF o.D.).

Antragsteller können bis zum Ende ihres Verfahrens in den Unterbringungszentren bleiben. Wenn eine rechtskräftig negative Entscheidung vorliegt und die postulierte Frist zur freiwilligen Ausreise verstrichen ist, muss das Zentrum verlassen werden (AIDA 22.4.2020).

Kroatien verfügt zurzeit über drei Schubhaftzentren mit einer Gesamtkapazität von insgesamt 219 Personen: das geschlossene (Schubhaft-) Zentrum (Center for Foreigners) in Jezevo mit 95 Plätzen und die Transitzentren in Trilj und in Torvarnik mit jeweils 62 Plätzen. 2018 wurden gemäß kroatischen Innenministerium insgesamt 928 Migranten inhaftiert, davon 535 in Jezevo, 109 in Tovarnik und 284 in Trilj. Diese Zahl umfasst nicht die von der Polizei angeordneten Inhaftierungen, sondern nur jene, die von Aufnahmezentren für Asylwerber oder den Asylbehörden angeordnet wurden. Es liegen keine Daten über die Inhaftierung von Migranten und Bewerbern um internationalen Schutz im Laufe des Jahres 2019 vor (AIDA 22.4.2020).

Quellen:

?        AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 24.4.2020

?        BGAV - Baptist General Association of Virginia (13.5.2019): Via Will Cumbia, Venturer: Partnering with Croatian Baptists in Ministry with Refugees in Bosnia, https://bgav.org/partnering-with-croatian-baptists-in-ministry-with-refugees-in-bosnia/, Zugriff 7.1.2020

?        JRS – Jesuit Refugee Service (o.D.): Activities in Organisation. Activities in the detention, http://www.jrs.hr/en/activities-in-organization/, Zugriff 27.4.2020

?        UNICEF - Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (o.D.): Helping child refugees and migrants, https://www.unicef.org/croatia/en/helping-child-refugees-and-migrants, Zugriff 27.4.2020

4.2.    Unterbringung Vulnerabler/UMA

Für Vulnerable gelten spezielle Verfahrens- und Unterbringungsgarantien. Sie werden im allgemeinen Unterbringungssystem versorgt. So dient das Zentrum Kutina primär der Unterbringung vulnerabler Asylwerber. Dort wurden spezielle Bereiche für Frauen und Vulnerable eingerichtet. Familien werden gemeinsam, alleinstehende Frauen, unbegleitete Minderjährige und Traumatisierte in getrennten Räumen untergebracht. In manchen Fällen wurden Kinder gemeinsam mit erwachsenen Asylwerbern untergebracht (AIDA 22.4.2020).

UNICEF berichtete, dass Ende 2019 ein kurzfristiger Vertrag mit dem JRS (gültig bis April 2020) unterzeichnet wurde, der die Finanzierung der Wiederherstellung eines kinderfreundlichen Raums vorsieht (AIDA 22.4.2020). Ziel ist es, einen sicheren Ort für die Kinder zu schaffen, an dem sie lernen, spielen und Spaß haben können. Weiters soll den Kindern Schutz, psychosoziales Wohlbefinden und nicht-formale Bildung geboten werden. Dem Alter der Kinder entsprechend werden altersgerechte Spiele, Lerntechniken und pädagogische Inhalte verwendet (JRS o.D.).

Sozialarbeiter bieten tägliche psychosoziale Betreuung und organisieren soziale und kulturelle Events. Unbegleiteten Minderjährigen, psychisch beeinträchtigten Personen und potentiellen Traumaopfern wird besondere Beachtung geschenkt. Wenn nötig, werden die Betroffenen zu medizinischer bzw. psychologischer Spezialbehandlung überwiesen. Um geschlechtsspezifische Gewalt zu verhindern und Kinder vor Erwachsenen zu schützen, führen die in den Empfangszentren tätigen Mitarbeiter des kroatischen Roten Kreuzes Workshops durch und organisieren auch individuelle Beratungen über mögliche Risiken sexueller Gewalt, Ausbeutung und des Menschenhandels. Weiters gibt es Sprachkurse, Arbeitsvermittlung usw. Mehrere NGOs sind in den Zentren präsent und bieten Unterstützungsmaßnahmen an. Es existieren in Kroatien keine Monitoringmechanismen bezüglich der Einhaltung der Unterbringungsgarantien für Vulnerable. Sozialarbeiter des kroatischen Innenministeriums und des Roten Kreuzes sind aber täglich in den Zentren anwesend und können unterstützend tätig werden. In der Praxis können die Mitarbeiter des Kroatischen Roten Kreuzes während ihrer regelmäßigen Arbeit und der Kommunikation mit Asylsuchenden sowie bei der Einzel- und Gruppenunterstützung die Bedürfnisse anfälliger Gruppen beobachten und, wenn erforderlich, Änderungen in der Unterbringung vorschlagen. Bei Bedarf können Vulnerable auch anderweitig untergebracht werden. Laut Innenministerium werden spezielle Unterbringungsbedürfnisse meist auf Empfehlung des Arztes nach dem ersten Gesundheitscheck festgestellt (z.B. spezielle Diät, psychosoziale Unterstützung, spezielle Unterkunft) (AIDA 22.4.2020).

Quellen:

?        AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 24.4.2020

?        JRS – Jesuit Refugee Service (o.D.): Child Friendly Space in the Reception Center for International Protection seekers in Zagreb, http://www.jrs.hr/en/causes/child-friendly-space-in-the-reception-center-for-international-protection-seekers-in-zagreb/, Zugriff 17.4.2020

4.3.    Medizinische Versorgung

Asylwerber haben das Recht auf medizinische Notversorgung und notwendige medizinische und psychologische Behandlung. Diese Behandlung ist in den Aufnahmezentren Zagreb und Kutina verfügbar. Zudem wurde in beiden Zentren eine Ambulanz für chronische und lebensbedrohliche Krankheiten eingerichtet. Das Kroatische Rote Kreuz bietet ein breites Spektrum verschiedenster Leistungen an. Dazu gehören eine permanente psychologische und psychosoziale Unterstützung sowie eine besondere Betreuung potentieller Opfer von Folter und Traumata (AIDA 22.4.2020).

Zur spezialisierteren Behandlung werden die betroffenen Personen an das Spital in Kutina überwiesen, das unter anderem über Ambulanzen in den Bereichen Kinderheilkunde, Gynäkologie und Neuropsychiatrie verfügt. Im Spital in Zagreb sind Suchtbehandlung, eine Zahnambulanz sowie eine Psychiatrie verfügbar. Darüber hinaus werden Antragsteller an lokale Krankenhäuser überwiesen, d.h. in Sisak für diejenigen, die in Kutina untergebracht sind, und an das Krankenhaus von Zagreb. Auch wurden für die Asylwerber zuständige Apotheken, jeweils eine in Zagreb und Kutina, festgelegt. Ein Ärzteteam von MdM war jeden Werktag von 9 bis 15 Uhr im Aufnahmezentrum in Zagreb und je nach Bedarf im Aufnahmezentrum in Kutina anwesend (AIDA 22.4.2020).

Vulnerable Antragsteller, insbesondere Opfer von Folter, Vergewaltigung oder sonstigen schwerwiegenden Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt, sind entsprechend medizinisch zu behandeln. In der Praxis ist diese zusätzliche Gesundheitsversorgung jedoch nicht regelmäßig zugänglich. Ein Mechanismus zur Identifizierung Vulnerabler existiert nicht, sie werden oft an den Arzt im Unterbringungszentrum verwiesen. Seit 2010 betreibt das Croatian Law Centre das Projekt “Protection of Victims of Torture among Vulnerable Groups of Migrants”. 24 Personen wurden 2019 im Rahmen dieses Projekts betreut (AIDA 22.4.2020).

Teams von Medecins du Monde - bestehend aus Allgemeinmedizinern, einer Krankenschwester, einem Psychologen und einem Dolmetscher - bieten bei Bedarf medizinische und psychologische Unterstützung an. MdM arbeitet täglich mit diesen Menschen, von denen die meisten Opfer von multiplen Traumata sind, zusammen und kümmert sich – sofern erforderlich - auch um den Transport und die Begleitung in Krankenhäuser. Weiters wird Asylwerbern auch eine spezialisierte Betreuung angeboten. Zweimal im Monat sind ein Psychiater, ein Kinderarzt und ein Gynäkologe bei den Konsultationen anwesend. Sie ermöglichen Frauen und Kindern eine fachärztliche Betreuung. Schließlich wird auch die Impfung von Kindern gefördert, indem diese zu den entsprechenden Einrichtungen begleitet werden (MdM o.D.; vgl. MdM 6.2018). Im Jahr 2019 führte das Ärzteteam von MdM 3.556 ärztliche Konsultationen durch, hiervon 1.360 Erstuntersuchungen neu eingetroffener Asylwerber, weiters 1.200 psychologische Einzelberatungen und 110 psychiatrische Fachuntersuchungen (AIDA 22.4.2020).

Darüber hinaus bietet als Teil des MdM-Teams ein Sozialarbeiter Informationen, Anleitungen und praktische Unterstützung für Asylwerber (z.B. Begleitung von Patienten in Gesundheitseinrichtungen, Begleitung von Kindern von Asylwerbern zur Impfung). Auch Schutzberechtigte werden entsprechend unterstützt, damit sie ihre Rechte geltend machen können. Durch Workshops oder individuelle Beratung informiert das medizinische Team von MdM über Prävention von Infektionskrankheiten, Hygiene, Zugang zur Gesundheitsversorgung und Familienplanung (MdM 6.2018).

Außerdem hat das "Zentrum für Kinder, Jugend und Familie“ (Modus) seit März 2015 mit der Bereitstellung von kostenloser Beratung und Psychotherapie für Antragsteller und Flüchtlinge begonnen. 2019 wurde die Beratung nicht in den Aufnahmezentren selbst, sondern in den Räumlichkeiten der Organisation angeboten und von drei Psychologen und zwei Dolmetschern für Farsi und Arabisch unterstützt. Eine Sitzung dauert zwischen 45 und 60 Minuten und beinhaltet die üblichen Regeln für die Gewährung psychologischer Unterstützung, wie z.B. Vertraulichkeit und die Möglichkeit, sich auf die zu behandelnden Themen zu einigen (AIDA 22.4.2020).

MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).

Quellen:

?        AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 27.4.2020

?        MdM - Médecins du Monde (o.D.): Soigner et soutenir les demandeurs d'asile à Zagreb & Kutina. Croatie, https://medecinsdumonde.be/projets/soigner-et-soutenir-les-demandeurs-dasile-a-zagreb-kutina#Notreaction, Zugriff 27.4.2020

?        MdM - Médecins du Monde (6.2018): Croatia – Hidden (human) faces of European Union’s Dublin regulation from a health perspective, https://medecinsdumonde.be/system/files/publications/downloads/MdM-BE%20-%20Croatia%20Hidden%20human%20faces%20Dublin%20-%20June%202018.pdf, Zugriff 27.4.2020

?        MedCOI – Medical Country of Origin Information (14.12.2016): Auskunft MedCOI, per E-Mail
5.         Schutzberechtigte

Anerkannte Flüchtlinge erhalten eine Aufenthaltserlaubnis für fünf Jahre, subsidiär Schutzberechtigte eine solche für drei Jahre. Die Kosten für die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung trägt der Staat; eine etwaige Verlängerung hingegen verursacht Kosten, die vom Betreffenden selbst zu tragen sind. Alle Schutzberechtigten dürfen sich im Land frei bewegen. Wer fünf Jahre ununterbrochen legal im Land aufhältig war, kommt für eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis infrage, wenn gewisse Bedingungen erfüllt werden. Sowohl anerkannte Flüchtlinge als auch subsidiär Schutzberechtigte haben grundsätzlich ein Recht auf Familienzusammenführung (AIDA 22.4.2020), wenngleich ein im Jahr 2020 veröffentlichter Bericht des Croatian Law Centers besagt, dass de facto zahlreiche unter anderem auch administrative Hindernisse wie z.B. die Notwendigkeit, verschiedene ins Kroatische übersetzte Dokumente zu erhalten, die Ausübung des Rechts auf Familienzusammenführung behindern (BalkanInsight 13.3.2020).

Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte, die nicht über die Mittel verfügen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, haben das Recht auf Unterbringung für einen Zeitraum von zwei Jahren ab Statuszuerkennung. Dazu ist ein Antrag bei der zuständigen Sozialfürsorgestelle nötig. Nach der zweijährigen Integrationsphase wird die Unterbringung nach dem Gesetz über Sozialleistungen geregelt. In der Praxis dürfen Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz in den entsprechenden Aufnahmezentren bleiben, bis eine angemessene Unterkunft bzw. Wohnung für sie gefunden ist. Alle Schutzberechtigten haben denselben Anspruch auf Sozialhilfe wie kroatische Bürger. Berichten zufolge ist die Sozialhilfe jedoch nicht ausreichend, um den eigenen Lebensunterhalt zu decken. Somit bleibt diese Personengruppe weiterhin von der Unterstützung durch zivile Organisationen abhängig (AIDA 22.4.2020).

2018 wurden ca. 60 Wohnungen für Schutzberechtigte renoviert. Diese Wohnungen befinden sich jedoch nicht in Zagreb, sondern in der Region Sisak/Karlovac (VB 20.4.2018). Vor Ort werden die Flüchtlinge in ihren Integrationsbemühungen von NGOs wie beispielsweise „Welcomm“ unterstützt (Welcomm o.D.).

Es wird davon ausgegangen, dass die Schutzberechtigten in den zwei Jahren der Integrationsphase Kroatisch gelernt und eine Arbeit gefunden haben werden. Das Haupthindernis hierbei ist das Erlernen der kroatischen Sprache, deren Beherrschung eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration und den Zugang zum Arbeitsmarkt ist. Das Ministerium für Wissenschaft und Bildung organisierte hierzu in Kooperation mit dem Innenministerium ein Integrationsprojekt mit Sprachkursen in Zagreb, Slavonski Brod und in Sisakand Karlovac (AIDA 22.4.2020). Anerkannte Flüchtlinge profitieren von einem soliden Integrationsprogramm, wobei aber das Erlernen der Sprache eine der größten Herausforderungen darstellt. Obwohl die Regierung Sprachkurse anbietet, ist dieses Angebot unzureichend und überdies nicht überall verfügbar (Euractiv 27.12.2019).

Schutzberechtigte werden in der Integrationsphase von Sozialarbeitern betreut, die auch bei der Arbeitsvermittlung und Ausbildungsmaßnahmen helfen, zum Teil auch in Zusammenarbeit mit NGOs. In der Praxis sind Schutzberechtigte nach zwei Jahren, in denen sie auf Staatskosten gewohnt haben, oft nicht in der Lage, eine eigene Unterkunft zu finden und zu bezahlen. Die Gründe dafür sind vor allem Sprachbarrieren und Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt, obwohl Schutzberechtigte denselben Zugang zum Arbeitsmarkt haben wie kroatische Bürger. Daneben zögern Vermieter oft, Wohnungen an diese Personengruppe zu vermieten. Das Kroatische Rote Kreuz betreibt Programme und ein sogenanntes „Integrationshaus“ als Anlaufstelle für Schutzberechtigte. Auch viele andere NGOs (z.B. Jesuitischer Flüchtlingsdienst, Centre for Peace Studies, Rehabilitation Centre for Stress and Trauma) bieten Unterstützung bei der Integration. Das kroatische Arbeitsamt (Croatian Employment Service - CES) ist für die Umsetzung von Maßnahmen für den Arbeitsmarktzugang von Schutzberechtigten zuständig (AIDA 22.4.2020; vgl. CoE-ECRI 15.5.2018). Laut Informationen des Arbeitsamts waren im Jahr 2019 146 anerkannte Flüchtlinge, 12 Personen unter subsidiärem Schutz und 13 Familienangehörige von Personen mit internationalem Schutzstatus als arbeitslos registriert. Die Mehrheit der registrierten Personen stammte aus Syrien (117) und dem Irak (24). Das Arbeitsamt hebt die mangelnden Kenntnisse der kroatischen und/oder englischen Sprache sowie die geringe Motivation zum Erlernen der Sprache und zur Teilnahme an anderen Programmen, die die Chancen auf eine Beschäftigung erhöhen können, als Haupthindernis für die Integration von Schutzberechtigten hervor. Als zusätzliche Herausforderung für die Integration hebt CES außerdem die Arbeitseinstellung und die kulturellen Unterschiede, insbesondere bei Frauen, hervor (AIDA 22.4.2020).

Schutzberechtigte sind zwar keine krankenversicherte Personengruppe, sie haben jedoch vollen Zugang zu medizinischer Versorgung, wobei der kroatische Staat analog zu Pflichtversicherten die Kosten zu tragen hat. Sie müssen dazu bloß ihre Identitätskarte vorlegen. Trotzdem gibt es in der Praxis Zugangshindernisse: zum einen die Sprachbarriere und zum anderen Unwissenheit seitens des medizinischen Personals über die Rechte von Schutzberechtigten (AIDA 22.4.2020).

Quellen:

?        AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 27.4.2020

?        BalkanInsight (13.3.2020): BIRN Fact-check: Will Croatia Have to Accept ‘20 Relatives’ of Unaccompanied Refugee Children?, https://balkaninsight.com/2020/03/13/birn-fact-check-will-croatia-have-to-accept-20-relatives-of-unaccompanied-refugee-children/, Zugriff 28.3.2020

?        CoE-ECRI - Council of Europe - European Commission against Racism and Intolerance (15.5.2018): ECRI Report on Croatia (fifth monitoring cycle); Adopted on 21 March 2018; Published on 15 May 2018 [CRI(2018)17],

?        https://www.ecoi.net/en/file/local/1439742/1226_1533191118_hrv-cbc-v-2018-017-eng.pdf, Zugriff 27.4.2020

?        Euractiv (27.12.2019): UN official ‘concerned’ about denial of access to asylum procedures in Croatia, https://www.euractiv.com/section/justice-home-affairs/interview/un-official-concerned-about-denial-of-access-to-asylum-procedures-in-croatia/, Zugriff 14.4.2020

?        VB des BM.I für Kroatien (20.4.2018): Bericht des VB, per E-Mail

?        Welcomm (o.D.): Comunity of Practice Meeting held in Sisak, Croatia, https://welcomm-europe.eu/cop-meeting-croatia/, Zugriff 27.4.2020

Festgehalten wurde, dass der Beschwerdeführer volljährig und handlungsfähig sei. Er leide nicht an schweren oder lebensbedrohlichen Krankheiten. In Kroatien seien zum Stichtag 21.12.2020 227.326 Fälle von mit Corona infizierten Personen nachgewiesen und 4.738 Todesfälle zu verzeichnen gewesen. Die sehr schweren Krankheitsverläufe würden am häufigsten in den Risikogruppen der Personen mit Vorerkrankungen auftreten. Die Feststellungen zur Pandemie seien notorisch, die Zahlen würden von der Johns Hopkins University in Baltimore, USA, stammen. Die Feststellungen zum Virus SARS CoV-2 würden sich aus den vom BM für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz als oberste Gesundheitsbehörde veröffentlichten Informationen ergeben. Beim Beschwerdeführer handle es sich nicht um eine besonders vulnerable Person; es würden keine Anzeichen vorliegen, dass dieser aktuell in besonderem Maße auf eine medizinische Versorgung angewiesen wäre. Kroatien habe sich mit Schreiben vom 30.12.2020 gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO zur Führung des Asylverfahrens des Beschwerdeführers für zuständig erklärt. Der Beschwerdeführer sei allein nach Österreich eingereist; private Anknüpfungspunkte zu in Österreich aufenthaltsberechtigten Personen hätten nicht festgestellt werden können. Ein Bruder des Beschwerdeführers lebe in Schweden. In Kroatien seien nach den Länderberichten insbesondere auch die Versorgung und die medizinische Behandlung von Asylwerbern gewährleistet. Es lägen in Kroatien keine systemischen Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen vor. Es könne nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass ein Asylwerber im Falle einer Überstellung nach Kroatien konkret Gefahr laufen würde, dort einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung unterworfen zu werden. Asylwerber könnten sich im Zuge der Feststellung des für das Asylverfahren zuständigen Dublin-Staat nicht jenen Mitgliedstaat aussuchen, in dem sie bestmögliche Unterbringung und Versorgung erwarten könnten. Schwierige Lebensbedingungen, wie etwa regional bestehende Engpässe bei den Aufnahmekapazitäten, würden selbst im Falle ihres Zutreffens keine die Schwelle des Art 3 EMRK übersteigende Eingriffsintensität aufweisen. Aus den Angaben des Beschwerdeführers seien keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden, dass dieser tatsächlich konkret Gefahr laufen würde, in Kroatien Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass diesem eine Verletzung seiner durch Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte. Die Regelvermutung des § 5 Abs 3 AsylG treffe zu; ein zwingender Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts des Art 17 Abs 1 Dublin III-VO habe sich nicht ergeben. Auch die aktuelle COVID-19-Pandemie erfordere nicht einen Selbsteintritt Österreichs. Der Beschwerdeführer gehöre keiner Risikogruppe an und sei nicht immungeschwächt. Ein „real risk“ einer Verletzung des Art 3 EMRK drohe dem Beschwerdeführer aufgrund der Pandemie nicht.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht eine von der BBU GmbH verfasste Beschwerde erhoben und darin im Wesentlichen vorgebracht, dass der Beschwerdeführer über Griechenland in das Gebiet der Mitgliedstaaten eingereist sei. In Kroatien sei der Beschwerdeführer von Polizisten geschlagen worden und seien ihm Geld und Handy abgenommen worden. Unter Gewaltanwendung sei er in der Folge illegal nach Serbien zurückgeschoben worden. Später sei der Beschwerdeführer dann von der ungarischen Polizei aufgegriffen und nach Kroatien zurückgeschickt worden, von wo aus er erneut illegal nach Serbien zurückgebracht worden sei. In weiterer Folge habe sich der Beschwerdeführer dann 3 bis 4 Monate in Serbien aufgehalten und sei über Rumänien, Ungarn und die Slowakei nach Österreich gereist. Der belangten Behörde sei insbesondere vorzuwerfen, dass sie den maßgeblichen Sachverhalt zur Feststellung der Zuständigkeit gemäß der Dublin-VO sowie die Situation in Kroatien vor dem Hintergrund des Vorbringens des Beschwerdeführers sowie der Berichte über Misshandlungen und illegale Push-backs nicht hinreichend ermittelt habe. Die Behörde habe überhaupt keine Ermittlungen und keine Beweiswürdigung durchgeführt. Der Beschwerdeführer habe angegeben, von der kroatischen Polizei misshandelt, beraubt und Opfer illegaler Push-backs geworden zu sein. Nach dem 2. Push-back habe er sich seinen Angaben zufolge mehr als 3 Monate in Serbien aufgehalten zu haben, was zu einem Erlöschen der Zuständigkeit Kroatiens geführt hätte. Das Konsultationsverfahren sei insofern mangelhaft gewesen, als Kroatien nicht über die Reisebewegungen des Beschwerdeführers informiert worden sei; ansonsten hätte Kroatien seien Zuständigkeit ablehnen müssen. Im Bescheid sei überhaupt keine Beweiswürdigung durchgeführt worden; die Behörde habe ausschließlich Textbausteine verwendet und sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in keinster Weise auseinandergesetzt. Aus dem Bescheid gehe nicht hervor, ob das Vorbringen des Beschwerdeführers geglaubt werde und ob die notwendigen Ermittlungen zum Vorbringen, dass der Beschwerdeführer mehr als 3 Monate in Serbien aufhältig gewesen sei und somit eine Zuständigkeit Kroatiens nicht bestehen könne, durchgeführt worden seien. Die Behörde hätte jedenfalls Feststellungen hiezu treffen müssen. Es gebe ausreichend Hinweise darauf, dass Kroatien die Grundrechte nicht einhalte und sohin die Regelvermutung des § 5 Abs 3 AsylG nicht angewendet werden könne. Die Behörde hätte die individuellen Umstände prüfen müssen, um beurteilen zu können, ob eine Verletzung des Art 3 EMRK drohe bzw ein Selbsteintritt erforderlich gewesen wäre. Es bestehe gegenständlich auch die Gefahr einer Kettenabschiebung und damit ein Verstoß gegen das Refoulement-Verbot. Die Länderfeststellungen zu Kroatien seien unvollständig und teils veraltet. Es sei nicht gesichert, dass der Beschwerdeführer nach einer Rückkehr in Kroatien einen Asylantrag stellen könne und ordnungsgemäß untergebracht werde. Eine individuelle Zusicherung Kroatiens, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr adäquat untergebracht und versorgt würde sowie Zugang zum Asylverfahren erhalte, fehle.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.02.2021, GZ W185 2239402-1/4Z, wurde der Beschwerde gemäß § 17 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger aus dem Jemen, reiste über Griechenland in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ein, wurde am 14.08.2019 erkennungsdienstlich behandelt (GR“2“………) und hielt sich etwa einen Monat lang dort auf. Weitere Eurodac-Treffer liegen nicht vor.

Seinen Angaben zufolge gelangte der Beschwerdeführer in der Folge über Albanien und den Kosovo nach Serbien, wo er sich für etwa 8 Monate aufgehalten hätte. In weiterer Folge sei er über Rumänien, Serbien, Ungarn und die Slowakei nach Österreich gelangt.

Weder in Rumänien noch in Ungarn oder der Slowakei wurde der Beschwerdeführer registriert. Im Rahmen des Konsultationsverfahrens richtete das Bundesamt Informationsersuchen an Griechenland, Rumänien, Ungarn und die Slowakei. Dies jeweils unter Hinweis auf den Eurodac-Treffer der Kategorie „2“ mit Griechenland und den vom Beschwerdeführer getätigten Angaben zu seinem Reiseweg und den Aufenthalten in den durchreisten Ländern.

Die slowakischen und rumänischen Behörden teilten jeweils mit, dass der Beschwerdeführer dort nicht bekannt sei; es lägen weder Fingerabdrücke noch ein Asylantrag des Genannten vor. Die griechischen Behörden erteilten keine Antwort.

Die ungarische Dublin-Behörde teilte mit, dass der Beschwerdeführer nach illegalem Grenzübertritt von Kroatien kommend am 04.03.2020 aufgegriffen und am 05.03.2020 aufgrund eines Rücknahmeübereinkommens an die kroatischen Behörden übergeben worden sei.

In der Folge richtete das Bundesamt am 08.10.2020 ein auf Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO gestütztes Aufnahmeersuchen an Kroatien. Dies unter Hinweis auf die Antwort der ungarischen Dublin-Behörde, wonach der Beschwerdeführer von Kroatien kommend in Ungarn aufgegriffen und am 05.03.2020 von Ungarn nach Kroatien rücküberstellt worden sei.

Nach einer Ablehnung und einer darauffolgenden Remonstration Österreichs stimmte Kroatien der Übernahme des Beschwerdeführers nach Art 13 Abs 1 Dublin III-VO am 30.12.2020 auch ausdrücklich zu.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Reiseweg in der Erstbefragung, insbesondere das Verschweigen eines Aufenthalts in Kroatien, entsprechen nicht den Tatsachen. Der tatsächliche Reiseweg des Beschwerdeführers nach seiner Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten über Griechenland bis zur Asylantragstellung in Österreich konnte nicht zweifelsfrei festgestellt werden. Erwiesen ist jedenfalls ein Aufenthalt in Kroatien und Ungarn. Es gibt keinerlei Nachweise dafür, dass sich der Beschwerdeführer nach dem Verlassen Kroatiens für mehr als 3 Monate in Serbien bzw außerhalb des Hoheitsgebietes der Mitgliedstaaten aufgehalten hätte.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Kroatien an.

Konkrete, in den Personen des Beschwerdeführers gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, liegen nicht vor.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Überstellung nach Kroatien Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Der Beschwerdeführer ist nicht lebensbedrohlich erkrankt. Es wurden keine gesundheitlichen Probleme releviert und gehört der Genannte auch keiner Covid-19-Risikogruppe an. In Kroatien sind (bei Bedarf) alle Krankheiten behandelbar und alle gängigen Medikamente erhältlich. Es besteht ausreichende medizinische Versorgung für Asylwerber in Kroatien, welche auch in der Praxis zugänglich ist.

Die aktuelle Situation hinsichtlich der Covid-19-Pandemie begründet keine Unmöglichkeit einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Kroatien. Sehr schwere Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck), auf. Mit Stichtag 14.09.2021 hat es in Kroatien insgesamt 385.058 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen, 5.820 aktive Fälle und 8.456 Todesfälle gegeben.

In Österreich hat der Beschwerdeführer keine familiären Anknüpfungspunkte. Ein Bruder des Beschwerdeführers lebt als Asylberechtigter in Schweden.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen hinsichtlich der persönlichen und privaten Situation des Beschwerdeführers sowie zu dessen Gesundheitszustand basieren auf dessen eigenen insoweit plausiblen Angaben; dem Akteninhalt ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Der Beschwerdeführer ist nicht immungeschwächt. Es wurde diesbezüglich kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren.

Die getroffenen Feststellungen zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ergeben sich aus unbedenklichen tagesaktuellen Berichten und Informationen (www.bing.com/covid/kroatien) . Es ist notorisch, dass die Mitgliedstaaten allesamt - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - vom Ausbruch der Pandemie betroffen sind und hier vor großen Herausforderungen im Gesundheitsbereich stehen. Diesbezüglich wurden und werden in den einzelnen Ländern tagesaktuell entsprechende Maßnahmen gesetzt (beispielsweise die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie teilweise die Vornahme von Grenzschließungen und Einschränkungen im Personen- und Warenverkehr), welche die Ausbreitung von Covid-19 hintanhalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Bevölkerung - seien es nun eigene Staatsbürger oder dort ansässige Fremde - möglichst sicherstellen sollen. Für den Anwendungsbereich der Dublin III-VO bedeutet dies konkret, dass zahlreiche Mitgliedstaaten die Durchführung von Überstellungen temporär ausgesetzt haben. Es ist davon auszugehen, dass Überstellungen dann (wieder) durchgeführt werden, wenn sich die einzelnen Mitgliedstaaten wieder dazu im Stande sehen, die von ihnen übernommenen Dublin-Rückkehrer potentiell auch medizinisch zu versorgen. Die Situation aufgrund der COVID-19-Pandemie erfordert keinen Selbsteintritt Österreichs. Ein „real risk“ einer Art 3 EMRK Verletzung ist in diesem Zusammenhang nicht zu erkennen.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das Bundesamt hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Kroatien auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin-VO) samt dem jeweiligen Rechtschutz im Rechtsmittelweg getroffen.

Aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderinformationen ergeben sich keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass das kroatische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die medizinische Versorgung sowie die Sicherheitslage von Asylsuchenden in Kroatien den Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidung zu folgen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substantiell widersprechen würden, hat der Beschwerdeführer nicht dargetan. Eine den Beschwerdeführer konkret treffende Bedrohungssituation in Kroatien wurde nicht ausreichend substantiiert vorgebracht (siehe auch unten).

Die

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten