Entscheidungsdatum
20.09.2021Norm
AsylG 2005 §35Spruch
W240 2241047-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Richterin Mag. FEICHTER nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 23.02.2021,
Zl. Islamabad-OB/KONS/0013/2020, aufgrund des Vorlageantrags von XXXX , StA. Afghanistan, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 03.08.2020, Zl. Islamabad-ÖB/KONS/0013/2020, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin, eine afghanische Staatsangehörige, stellte am 19.12.2019 bei der Österreichischen Botschaft Islamabad (kurz: „ÖB Islamabad“) einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 AsylG 2005.
Begründend führte sie aus, dass sie mit der Bezugsperson, XXXX , StA. Afghanistan, seit XXXX verheiratet sei und ihrem Ehemann mit Bescheid vom 27.02.2015, Zl. 811187107/1412919, subsidiärer Schutz in Österreich zuerkannt wurde.
Dem Antrag beigelegt waren folgende Dokumente:
- Reisepasskopie der BF
- Afghanische ID
- Marriage Certificate
Die Bezugsperson betreffend:
- Afghanische ID
- Kopie der Karte für subsidiär Schutzberechtigte gem. § 52 AsylG
- Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.02.2018
- Mietvertrag vom 21.07.2018
- Reisepasskopie
- Österreichische Meldebestätigung
- Versicherungsdatenauszug
- E-card
- Lohnzettel Oktober/November 2019
- Kontaktinformationszettel
Die Beschwerdeführerin wurde im Zuge der Antragstellung am 19.12.2019 einer Befragung unterzogen.
1.2. In seiner Mitteilung nach § 35 Abs. 4 AsylG vom 03.06.2020 führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass die Gewährung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da die Erfüllungsvoraussetzungen (§ 60 Abs. 2 Z 1 AsylG) nicht nachgewiesen werden konnten und da die vorgebrachte Eheschließung den Grundsätzen der ordre public widersprechen würden (Kinderehe). Die Angaben der Beschwerdeführerin zur Angehörigeneigenschaft gemäß § 35 AsylG widerspreche in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben.
In der beiliegenden Stellungnahme wurde ausgeführt, dass die Bezugsperson durch den Bescheid des BFA vom 27.02.2015 (rechtskräftig seit 24.03.2015) den Status des subsidiär Schutzberechtigten habe. Die BF könne jedoch keinen Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft bescheinigen, da neben der Bezugsperson eine weitere erwachsene Person in der 45m2 großen Mietwohnung lebe und die Bezugsperson lediglich einen Nebenwohnsitz in Österreich habe. Zudem widerspräche die Eheschließung (Kinderehe) den Grundsätzen der ordre public, da die BF bei Eheschließung erst 16 Jahre alt war, weshalb das behauptete Familienverhältnis nicht bestehe und die Voraussetzungen nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005 nicht vorlägen.
1.3. Mit Schreiben vom 08.06.2020, wurde der Beschwerdeführerin die Möglichkeit zur Stellungnahme (Parteiengehör) eingeräumt und ihr mitgeteilt, dass eine ausführliche Begründung der beiliegenden Mitteilung und Stellungnahme des BFA vom 05.06.2020 zu entnehmen sei.
1.4. In der Stellungnahme vom 16.06.2020 führte die Beschwerdeführerin aus, dass es sich bei der BF um die rechtmäßige Ehefrau der subsidiär schutzberechtigten Bezugsperson handle. Der Mietvertrag der Bezugsperson weise den Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft nach. Die Bezugsperson lebe alleine in der Wohnung, die Abmeldung der weiteren gemeldeten Person werde in die Wege geleitet. Die Familienangehörigeneigenschaft sei nicht in Abrede zu stellen. Die Eheschließung sei nach dem Personalstatut jedes der Verlobten (Afghanistan) zu beurteilen und gemäß den Vorschriften des Herkunftslandes rechtsgültig zu Stande gekommen. Die Eltern der BF wären bei der Eheschließung anwesend gewesen und hätten somit zugestimmt. Es gäbe jedenfalls keinen Verstoß des Grundsatzes des ordre public.
1.5. Nach Übermittlung der von der Beschwerdeführerin eingebrachten Stellungnahme teilte mit Schreiben vom 04.12.2020 das BFA mit, dass an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose festgehalten werde.
1.6. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 09.12.2020, verweigerte die ÖB Islamabad die Erteilung des Einreisetitels gem. § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005 mit der Begründung, dass das Stattgeben des Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, zumal die Voraussetzungen nach § 35 Abs. 4 AsylG 2005 nicht vorlägen.
1.7. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde, in welcher im Wesentlichen das Vorbringen der Stellungnahmen wiederholt wurde. Die Ehe wäre zwar von den Eltern arrangiert worden, die BF hätte sich jedoch ohne Einschränkung ihrer Willensfreiheit für die Eheschließung ausgesprochen.
Der Beschwerde beigelegt waren folgende Unterlagen:
- Geburtsurkunde der BF
- Trauschein
1.8. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 23.02.2021 wies die ÖB Islamabad die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG ab.
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH seien österreichische Vertretungsbehörden bezüglich der Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich der Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gebunden. Eine Nachprüfung dieser Wahrscheinlichkeitsprognose nach negativer Mitteilung des Bundesamtes durch die Botschaft komme daher nicht in Betracht.
Jenseits und unabhängig von der oben angeführten Bindungswirkung teile die belangte Behörde die Ansicht des BFA, dass die Erfüllung der Erteilungsvoraussetzungen gem.
§ 60 Art. 2 Z 1 AsylG 2005 nicht nachgewiesen worden wäre und die Einreise der BF zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geboten erschiene. Es hätten sich zahlreiche Widersprüche zwischen den Aussagen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson ergeben.
1.9. Am 05.03.2021 wurde bei der ÖB Islamabad ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht.
1.10. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 31.03.2021, am 06.04.2021 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt, wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die am XXXX geborene Beschwerdeführerin, eine afghanische Staatsangehörige, stellte am 19.12.2019 bei der Österreichischen Botschaft Islamabad einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 AsylG 2005.
Als Bezugsperson führte sie ihren angeblichen Ehemann, XXXX , StA. Afghanistan, an. Diesem wurde mit Bescheid des BFA 27.02.2015,
Zl. 811187107/1412919, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.
Der Beweis des Vorliegens einer Ehe, bzw. eines rechtlich relevanten Verwandtschaftsverhältnisses der Beschwerdeführerin mit der Bezugsperson vor dessen Ausreise konnte im gegenständlichen Verfahren nicht erbracht werden.
Das Bestehen eines berücksichtigungswürdigen Familienlebens der Beschwerdeführerin mit der Bezugsperson vor dessen Ausreise konnte im gegenständlichen Verfahren nicht glaubhaft gemacht werden.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen betreffend den Verfahrensgang ergeben sich zweifelsfrei aus dem Akt der ÖB Islamabad und wurden von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.
Die Feststellung hinsichtlich des Nichterbringens eines Beweises betreffend das Vorliegen eines rechtlichen relevanten Verwandtschaftsverhältnisses der Beschwerdeführerin mit der Bezugsperson vor dessen Ausreise aus Afghanistan gründet sich auf die Tatsache, dass der vorgelegte Heiratsnachweis und damit die staatliche Anerkennung und Registrierung jedenfalls erst mit 09.07.2019, also nachweislich über acht Jahre nach der Ankunft der Bezugsperson in Österreich im Oktober 2011, erfolgt ist. Die Nachregistrierung der Ehe selbst wurde auf Antrag der Beschwerdeführerin allerdings in Abwesenheit der Bezugsperson durchgeführt. Es wird lediglich darauf hingewiesen, dass zwei Zeugen anwesend waren. Das Vorliegen einer staatlich anerkannten Ehe der Bezugsperson mit der Beschwerdeführerin hat somit jedenfalls nicht vor der Ausreise der Bezugsperson bestanden, bzw. konnte durch die Vorlage des Heiratsnachweises der Nachweis des Bestehens einer Ehe vor der Ausreise der Bezugsperson mit der Beschwerdeführerin, nicht erbracht werden. Hinzuweisen ist auch darauf, dass bei der vorgelegten Heiratsurkunde im Feld „Particulars oft he Bride and Bridegroom“/„Identifizierung von Ehefrau und Ehemann“, lediglich die Daten der Beschwerdeführerin vermerkt sind. In Zusammenschau mit den vagen Angaben der Beschwerdeführerin bei ihrer Befragung zur Hochzeit (siehe unten), kann eine rechtsgültige Ehe nicht festgestellt werden.
Die beschwerdeführende Partei hat in Visaverfahren den vollen Beweis hinsichtlich sämtlicher verfahrensrelevanter Tatsachen zu liefern, bzw. hat die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren den vollen Beweis hinsichtlich des Bestehens eines Verwandtschaftsverhältnisses vor der Ausreise der Bezugsperson zu führen. Dies ist der Beschwerdeführerin durch die in Vorlage gebrachten Beweismittel nicht gelungen. Auch ist darauf hinzuweisen, dass bei den Angaben der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson folgende Ungereimtheiten und Widersprüche festzustellen sind:
Vorweg ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin bei ihrer Befragung im Zuge der Antragstellung zahlreiche Angaben über ihren vermeintlichen Ehemann, der auch ihr Cousin ist, nicht geben konnte. So kannte sie sein Alter nicht und wusste nur, dass er älter sei als sie. Sie konnte zwar angeben, dass der vor etwa acht Jahren Afghanistan verlassen habe, ob er im Winter oder im Sommer floh, konnte sie nicht sagen (“When did your husband leave Afghanistan?“ „vor 8 Jahren“; „Did he leave Afghanistan in winter or summer time?“ „Ich weiß es nicht“). Auch die Fluchtgründe der Bezugsperson konnte sie nicht näher ausführen, was insofern wesentlich ist, als dieser in seinem Verfahren von einer explodierten Bombe, die seinen Bruder verletzte, in einem anlässlich der Hochzeit erhaltenen Geschenk berichtete („Why did your husband leave Afghanistan?“ „Er hatte Feinde und musste das Land verlassen. Ich weiß aber nicht war ihn bedroht hat und warum.“). Zudem habe die Beschwerdeführerin – laut eigenen Angaben - zwar wöchentlich Kontakt zu ihm, in welcher Stadt dieser lebe und wie er seine Freizeit und Wochenenden verbringe, konnte sie jedoch nicht schildern auf Nachfrage. Im Allgemeinen entstand der Eindruck, dass die Beschwerdeführerin nichts Näheres über die Bezugsperson, mit der sie behaupteter Maßen verheiratet ist und vier Monate zusammengewohnt haben will, weiß.
Zur Hochzeit selbst konnte die Beschwerdeführerin ebenfalls keine konkreten Angaben tätigen („Can you give us details about the wedding?“ „1 Tag und 1 Nacht“). Sie konnte nicht angeben, wie viele Gäste anwesend waren („How many guests were at the ceremony?“ „Ich weiß es nicht“).
Die Beschwerdeführerin gab weiters zu Protokoll, dass sie lediglich vier Monate im gemeinsamen Haushalt mit der Bezugsperson gelebt habe, bevor die Bezugsperson ausgereist sei. Bezüglich des Wohnortes der Beschwerdeführerin liegen ebenfalls widersprüchliche Angaben vor. So gab die Bezugsperson in dessen Verfahren bei der Einvernahme am 30.12.2011 an, dass die Beschwerdeführerin nach der Hochzeit vier Monate im Heimatdorf seiner Eltern mit diesen Personen zusammengelebt habe bevor sie nach XXXX in Pakistan gezogen seien, während die Familie der Beschwerdeführerin in Jalalabad lebe. Die Beschwerdeführerin gab wiederum an, vier Monate lang mit der Bezugsperson und nun mit ihrer Schwiegermutter in Jalalabad gelebt zu haben („Where do you currently live and who else is living with you?“ „In Jalalabad mit meiner Schwiegermutter“; „Where have you been living bevor?“ „Am gleichen Ort“; „Where and for how long have you beenliving together with your husband?“ „In Jalalabad für ca. 4 Monate“). Im Zusammenhang damit, dass die Beschwerdeführerin mit der Bezugsperson jahrelang kaum Kontakt hatte und zur angeblich im gemeinsamen Haushalt verbrachten Zeit zahlreiche Widersprüche vorliegen, ist der belangten Behörde zu folgen, wenn diese keine Familieneigenschaft iSd Art. 8 EMRK feststellen konnte.
Ferner wurden im gegenständlichen Verfahren auch keine nachvollziehbar glaubwürdigen Ausführungen erstattet, wonach im gegenständlichen Verfahren vom Vorliegen eines besonders zu berücksichtigungswürdigen Familienlebens auszugehen wäre. Auch diesbezüglich hat die Beschwerdeführerin entsprechend nachvollziehbare Ausführungen substantiiert zu erstatten und ein diesbezügliches Vorbringen entsprechend substantiiert darzulegen. Der Beschwerdeführerin wurde im erstinstanzlichen Verfahren nachweislich die Möglichkeit eingeräumt hierzu ein entsprechendes Vorbringen zu erstatten. Hiervon hat die Beschwerdeführerin innerhalb offener Frist jedoch keinen Gebrauch gemacht. Auch hat die gewillkürt vertretene Beschwerdeführerin im fortgesetzten Beschwerdeverfahren keinerlei diesbezüglich substantiierten und nachvollziehbaren Ausführungen erstattet. Aufgrund der Allgemeinheit und Unbestimmtheit sämtlicher diesbezüglicher Angaben konnte das Vorliegen eines berücksichtigungswürdigen Familienlebens nachweislich glaubhaft nicht dargelegt werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Zu I.) Abweisung der Beschwerde:
3.1. § 2 Abs. 1 Z 22 Asylgesetz 2005 (AsylG) idF BGBl. I Nr. 56/2018 lautet:
„§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist
22. Familienangehöriger: wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat;
§ 34 AsylG idF BGBl. I Nr. 56/2018 lautet:
34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3. einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist und
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist;
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und
4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:
1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;
2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;
3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).“
§ 35 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 lautet:
„§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.
(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.
(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.
(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn
1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),
2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und
3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.
(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat."
§ 75 Abs. 24 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 lautet:
„(24) Auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 zuerkannt wurde und auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15. November 2015 gestellt haben, sind die §§ 2 Abs. 1 Z 15, 3 Abs. 4 bis 4b, 7 Abs. 2a und 51a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 nicht anzuwenden. Für diese Fremden gilt weiter § 2 Abs. 1 Z 15 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016. §§ 17 Abs. 6 und 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 sind auf Verfahren, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, nicht anzuwenden. Auf Verfahren gemäß § 35, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, ist § 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 weiter anzuwenden. Handelt es sich bei einem Antragsteller auf Erteilung des Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 um den Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 rechtskräftig zuerkannt wurde, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 nicht zu erfüllen, wenn der Antrag auf Erteilung des Einreisetitels innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 gestellt wurde. § 22 Abs. 1 gilt für Verfahren, die mit Ablauf des 31. Mai 2018 bereits anhängig waren, auch noch nach dem 31. Mai 2018 weiter.“
§ 11 Abs. 1 bis 3 und § 11a und § 26 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 56/2018 lauten:
„Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11. (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. In Verfahren zur Erteilung eines Visums gemäß § 20 Abs. 1 Z 9 sind Art. 9 Abs. 1 erster Satz und Art. 14 Abs. 6 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.
(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.
(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.“
„Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11a. (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.
(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.
(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.
(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.“
Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005
„§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen."
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. das im Beschwerdefall im ersten Rechtsgang ergangene Erkenntnis VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034 unter Hinweis auf VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152; VwGH 19.06.2008, 2007/21/0423).
Nach dieser Rechtsprechung ist zur Frage des Prüfungsumfangs der österreichischen Vertretungsbehörde bei der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels im Sinne des § 35 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 auf die Gesetzesmaterialien zur Stammfassung der Vorgängerbestimmung (§ 16 AsylG 1997) zurückzugreifen.
Danach sollten die bei den österreichischen Berufsvertretungsbehörden im Ausland gestellten Asylanträge an die Durchführung eines Vorverfahrens gebunden sein. Bei diesem speziellen Sichtvermerksantrag sollte nämlich ein relativ formalisiertes Ermittlungsverfahren betreffend eine mögliche Asylgewährung stattfinden, in welches das Bundesasylamt einzubinden sei. Treffe das Bundesasylamt die Prognose, dass eine Asylgewährung wahrscheinlich sei, habe die Berufsvertretungsbehörde ohne Weiteres einen entsprechend befristeten Sichtvermerk zur Einreise zu erteilen, worauf das eigentliche Asylverfahren stattzufinden habe. Dieser Mechanismus solle auf der Ebene eines Sichtvermerksverfahrens dazu dienen, die im Hinblick auf eine potentielle Schutzbedürftigkeit heiklen Fälle aus der Vielzahl der Asylanträge im Ausland herauszufiltern, ohne zugleich – im Hinblick auf das relativ formalisierte Verfahren vor der österreichischen Vertretungsbehörde – durch eine negative Asylentscheidung res iudicata zu bewirken und den Asylwerber für immer von einem ordentlichen Asylverfahren auszuschließen. Werde ein Sichtvermerk nicht erteilt, sei der betreffende Asylantrag als gegenstandslos abzulegen (RV 686 BlgNR 20.GP 23).
Schon diese Ausführungen lassen erkennen, dass die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Visumserteilung an die Mitteilung des (nunmehr) Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Prognose einer Schutzgewährung gebunden ist. Das Gesetz stellt nur klar, dass es bei einer positiven Mitteilung über die voraussichtliche Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten keiner weiteren Voraussetzungen für die Visumserteilung bedarf, somit die Erteilungsvoraussetzungen und Versagungsgründe des FPG diesfalls unbeachtet zu bleiben haben. Daraus kann nicht abgeleitet werden, dass die Vertretungsbehörde im Falle einer negativen Mitteilung des Bundesamtes noch einmal eine eigene Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer Asylgewährung vorzunehmen hätte und zu einem gegenteiligen Ergebnis als die zur Entscheidung über Asylanträge sachlich zuständige Behörde kommen könnte. Für diese Auffassung gibt das Gesetz keine ausreichenden Anhaltspunkte. Es würde auch dem Zweck der Erteilung dieses Einreisetitels zuwiderlaufen, dem Familienangehörigen einer schutzberechtigten Ankerperson im Hinblick auf die voraussichtliche Gewährung von Asyl bzw. subsidiären Schutz die Einreise zu ermöglichen, wenn das zur Beurteilung des Schutzantrages zuständige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Stattgebung unter diesem Titel nicht für wahrscheinlich erachtet (siehe zu dem ganzen BVwG 12.01.2016, W184 2112510-1ua).
Soweit es innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz – FNG, BGBl. I Nr. 87/2012 geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems allerdings dem Bundesverwaltungsgericht nunmehr offen steht, auch die Einschätzung des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002), so führt diese Überprüfung im Beschwerdefall insgesamt zu keinem anderen Ergebnis, weil die Prognose des Bundesamtes nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes zutreffend ist:
Der Annahme der belangten Behörde, dass es sich im vorliegenden Fall um eine dem Grundsatz der ordre public widersprechende Kinderehe handle, kann jedoch nicht gefolgt werden. Zu den Erwägungen in der Beschwerdevorentscheidung, wonach schon aufgrund der Minderjährigkeit der Beschwerdeführerin von einer in Österreich nicht gültigen Kinderehe ausgegangen werden kann, ist auf die Entscheidung des VwGH vom 03.07.2020 zu verweisen.
„Aus der Bestimmung des § 1 EheG, die es einem Minderjährigen, der das 16. Lebensjahr vollendet hat, nicht gänzlich verwehrt, eine Ehe einzugehen, ergibt sich, dass der Gesetzgeber nicht jede Eheschließung eines Minderjährigen als eine verpönte Kinderehe ansieht. Als wesentlich ist allerdings hervorzuheben, dass der Gesetzgeber zum einen ein Alter festlegt, das der Minderjährige jedenfalls überschritten haben muss, und zum anderen der minderjährige Ehepartner "für diese Ehe reif" sein muss. Zudem bedarf es (neben dem – im Fall der ungerechtfertigten Weigerung durch Gerichtsentscheidung ersetzbaren – Einverständnis des gesetzlichen Vertreters zur Eheschließung) einer Entscheidung des Gerichts, den minderjährigen Ehepartner für ehefähig zu erklären. Sind hingegen beide Ehepartner minderjährig oder hat einer von ihnen das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet, ist eine Erklärung für ehefähig und sohin auch die Eheschließung nicht möglich.“
Die Ehe zwischen einer Person, die das 16. Lebensjahr vollendet hat, und einer volljährigen Person ist somit auch nach österreichischem Recht nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Folglich widerspricht eine mit 16 Jahren eingegangene Ehe mit einem Volljährigen nicht jedenfalls gegen den Grundsatz der ordre public.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seiner Entscheidung zur Zl. Ra 2015/21/0230 bis 0231-3 unter anderem mit dem Begriff Familienangehöriger nach § 35 Abs. 5 AsylG 2005 näher auseinandergesetzt und insbesondere dargelegt, dass aus den ErläutRV zum FNG-AnpassungsG 2014 eine restriktive Tendenz in Bezug auf den zu erfassenden Personenkreis zu erkennen sei.
Der im gegenständlichen Verfahren anwendbare § 35 Abs. 5 AsylG 2005 bestimmt, dass der Ehegatte als Familienangehöriger eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, im Sinne des Abs. 1 leg cit zu betrachten ist, sofern die Ehe bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat. Der Nachweis, dass die Ehe zwischen einem Antragsteller und seiner Bezugsperson bereits vor der Einreise bestanden hat, ist daher zwingend geboten.
Sämtliche von der Beschwerdeführerin im Verfahren vorgelegten Dokumente wurden im gegenständlichen Fall jedoch lange Zeit nach der angeblichen Eheschließung erstellt.
Vor dem Hintergrund, dass die weite Verbreitung afghanischer Personenstandsurkunden unwahren Inhalts offenkundig ist, ist der Schluss des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, dass der Wahrheitsgehalt der vorgelegten Dokumente zu bezweifeln ist, in Zusammenhang mit den zahlreichen dargelegten Widersprüchen und Ungereimtheiten in den Angaben der Beschwerdeführerin zu ihrem Ehemann und ihrer angeblichen Eheschließung sowie Ehe zulässig und wird diese Einschätzung von der erkennenden Einzelrichterin geteilt.
Mangels unbedenklicher Urkunden, die geeignet sind die behauptete Eheschließung und somit das rechtsgültige Bestehen der Ehe bereits vor der Einreise der Bezugsperson zweifelsfrei zu beweisen und aufgrund der widersprüchlichen Angaben der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson und der Unkenntnis der Beschwerdeführerin über zahlreiche Details ihres angeblichen Ehemannes, wird der Behauptung, die Beschwerdeführerin ist die Ehefrau der angegebenen Bezugsperson, kein Glaube geschenkt. Im gegenständlichen Verfahren ist die notwendige Eigenschaft der Beschwerdeführerin als Familienangehörige der angegebenen Bezugsperson nicht gegeben.
Die belangte Behörde kam in Anlehnung an die zutreffende Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, dass die Zuerkennung des Status der Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, zu Recht zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen zur Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Abs. 1 AsylG nicht gegeben sind.
Soweit im Verfahren das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach
Art. 8 EMRK zu beachten ist, ist auszuführen, dass Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nur ein Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 AsylG 2005 ist, worüber die Botschaft in einem relativ formalisierten Ermittlungsverfahren zu entscheiden hat, und dass die Tatbestandsvoraussetzungen nach dieser Gesetzesbestimmung, die vom Verfassungsgerichtshof nicht beanstandet wurden, im gegenständlichen Fall – wie bereits dargelegt wurde – nicht vorliegen.
Die Regelung des Art. 8 EMRK schreibt auch keineswegs vor, dass in allen Fällen der Familienzusammenführung jedenfalls der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren wäre. Vielmehr wird im Regelfall ein Aufenthaltstitel nach den fremdenrechtlichen Bestimmungen in Betracht kommen. Die Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) stellen in Österreich den gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige dar, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen.
Gegen die Entscheidung der zuständigen Einwanderungsbehörde stehen letztlich auch noch Rechtsbehelfe an ein Verwaltungsgericht sowie an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof offen.
Der gegenständliche Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels wurde am 09.10.2019 und damit nicht innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des § 35 AsylG idF BGBl. I
Nr. 24/2016 am 01.06.2016 eingebracht. Gemäß § 75 Abs. 24 AsylG ist der gegenständliche Sachverhalt grundsätzlich anhand der neuen Rechtslage, insbesondere im Hinblick auf die Erfüllung der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG zu beurteilen.
Fallbezogen konnte jedoch bereits aufgrund der Verneinung der Familienangehörigeneigenschaft eine Prüfung nach § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG unterbleiben. Weshalb auf den Einwand der belangten Behörde, dass die Bezugsperson überdies über keinen Hauptwohnsitz in Österreich verfüge, nicht weiter eingegangen werden musste.
Der Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung steht der klare Wortlaut des
§ 11a Abs. 2 FPG entgegen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im den vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidungen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei obigen Erwägungen wiedergegeben.
Schlagworte
Ehe Einreisetitel Familienverfahren Glaubwürdigkeit mangelnder Anknüpfungspunkt österreichische Botschaft VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W240.2241047.1.00Im RIS seit
15.11.2021Zuletzt aktualisiert am
15.11.2021