TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/8 W169 2243644-1

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Veröffentlicht am 08.10.2021
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Entscheidungsdatum

08.10.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §53
FPG §55
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W169 2243644-1/8E


IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.05.2021, Zl. 1273148306-210055000, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.08.2021, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 57 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Im Übrigen werden in Erledigung der Beschwerde die Spruchpunkte II. – V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 10 Abs. 2 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 52, 53, 55 FPG idgF behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, reiste erstmals am 16.11.2014 mit einem litauischen D-Visum, gültig vom 16.11.2014 bis 15.11.2015, in Litauen ein.

2. Ab dem Jahr 2015 hielt sich der Beschwerdeführer in Polen auf, wo ihm am 24.02.2016 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 01.12.2019 ausgestellt wurde, die am 04.03.2019 bis zum 01.04.2022 verlängert wurde.

3. Der Beschwerdeführer reiste am 24.12.2020 legal in Österreich ein.

4. Der Beschwerdeführer wurde am 07.01.2021 im Zuge einer Hausdurchsuchung im Zusammenhang mit dem Verdacht auf Betrieb einer Cannabisplantage festgenommen und am selben Tag polizeilich als Beschuldigter vernommen. Der Beschwerdeführer gab in der Beschuldigtenvernehmung zu seiner Person an, aus der Stadt Ludhiana zu stammen und ledig zu sein. Er habe in Indien zwölf Jahre die Grundschule besucht. Er sei kurz in Litauen gewesen, um dort zu studieren, aber da dort kaum jemand Englisch gesprochen habe, sei er 2014 oder 2015 nach Polen gezogen. Zuletzt habe er in Polen als Küchenhelfer gearbeitet und ein Nettoeinkommen von EUR 1.000,- lukriert. Er wohne in Warschau, eine genaue Adresse könne er jedoch nicht angeben. Er sei auch nicht gemeldet, verfüge aber über einen Aufenthaltstitel. Der Beschwerdeführer sei seit 2015 immer wieder für wenige Tage nach Österreich gekommen, um seine Freunde zu besuchen. Er habe dann bei einem Freund namens XXXX oder bei dessen Eltern gewohnt. Diesen habe er 2017 kennengelernt. Seitdem sei der Beschwerdeführer vier bis fünf Mal in Österreich gewesen und jeweils zwischen einem Tag und eineinhalb Monate geblieben. Seit 24.12.2020 habe der Beschwerdeführer wieder in der Wohnung seines Freundes geschlafen, weil er aufgrund der COVID-19-Pandemie in Polen keine Arbeit mehr habe.

5. Mit Beschluss des Landesgerichts XXXX vom 09.01.2021 wurde über den Beschwerdeführer die Untersuchungshaft verhängt.

6. Mit Schreiben vom 15.01.2021 verständigte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführer vom Ergebnis der Beweisaufnahme und gewährte ihm Parteiengehör binnen sieben Tagen. Dem Beschwerdeführer wurde mitgeteilt, dass gegen ihn ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet worden sei, und ihm wurde Gelegenheit gegeben, diverse Fragen zu seiner Identität und seinem Privat- und Familienleben zu beantworten. Der Beschwerdeführer machte hiervon keinen Gebrauch.

7. Am 12.05.2021 wurde der Beschwerdeführer – zusammen mit weiteren Mittätern – vom Landesgericht XXXX zur XXXX wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 erster Fall, Abs. 2 Z 2 und Abs. 4 Z 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, wovon 20 Monate für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden, rechtskräftig verurteilt.

Die Mittäter des Beschwerdeführers hätten im Zeitraum September 2020 bis 07.01.2021 – der Beschwerdeführer im Zeitraum 24.12.2020 bis 07.01.2021 – an einem näher bestimmten Ort im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung vorschriftswidrig Suchtgift in einer das etwa 58-fache der Grenzemenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich Blüten- und Fruchtstände von Cannabispflanzen, beinhaltend zumindest 2.064g THCA (das 51-fache der Grenzmenge) sowie zumindest 158g Delta-9-THC (das 7-fache der Grenzmenge) erzeugt, indem sie eine Cannabisplantage betrieben, Cannabispflanzen nach der Aufzucht abgeerntet und die Blüten- und Fruchtstände getrocknet sowie einen Teil davon abgepackt hätten.

Der Beschwerdeführer habe sich konkret ab dem 24.12.2020 an der Pflege und anschließenden Ernte und Weiterverarbeitung der etwa Anfang Jänner in voller Blüte stehenden Cannabispflanzen beteiligt. Er hätte dafür einen entsprechenden Anteil an der Ernte zur eigenen Verwendung bekommen sollen. Der Beschwerdeführer habe gewusst und sich zumindest billigend damit abgefunden, dass er sich auf diese Weise an einem auf längere Zeit angelegten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen beteilige, der daraus ausgerichtet gewesen sei, entgegen bestehender Vorschriften eine sehr große Menge Cannabis mit zumindest durchschnittlichem Gehalt von Delta-9-THC und THCA zu erzeugen. Der Beschwerdeführer habe gewusst und gewollt, dass es sich bei dem erzeugten bzw. zu erzeugenden Suchtgift um eine enorme („übergroße“) Menge gehandelt habe.

Bei der Strafbemessung wurden der bisherige ordentliche Lebenswandel, das reumütige Geständnis, die Sicherstellung des Suchtgifts, eine zumindest gewisse Suchtmittelabhängigkeit sowie der untergeordnete Tatbeitrag des Beschwerdeführers mildernd berücksichtigt. Erschwerend hingegen sei die die strafsatzbestimmende 25-fache Grenzmenge um mehr als das Doppelte übersteigende erzeugte Suchtgiftmenge gewesen.

8. Der Beschwerdeführer wurde aufgrund der bereits eingetretenen Verbüßung der Haftstrafe am selben Tag unter Anordnung von Bewährungshilfe aus der (Untersuchungs-)Haft entlassen.

9. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.05.2021 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), weiters festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen ihn ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V.) und schließlich einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).

10. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und führte im Wesentlichen aus, dass die belangte Behörde mangelhafte Feststellungen getroffen habe, die Gefährdungsprognose zugunsten des Beschwerdeführers ausfalle und er über ein schützenswertes Privat- und Familienleben in Österreich verfüge. Beantragt wurde die zeugenschaftliche Einvernahme der „Ersatzfamilie“, der „Lebensgefährtin“ und eines Freundes des Beschwerdeführers, weiters die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Der Beschwerde beigelegt wurde ein Konvolut an den Beschwerdeführer betreffenden Unterlagen.

11. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.06.2021 wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

12. Am 11.08.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche, mündliche Verhandlung statt, an welcher der Beschwerdeführer und seine Rechtsvertretung teilnahmen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist entschuldigt ferngeblieben. Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung wurde der Beschwerdeführer ausführlich zu seiner Identität, seiner Straftat und seinem Privat- und Familienleben befragt (s. Verhandlungsprotokoll). Der Beschwerdeführer legte einen Auszug aus dem Protokoll der strafgerichtlichen Hauptverhandlung vor (Beilage ./A). Dem Beschwerdeführer wurden die ihm mit der Ladung zur Verhandlung zugestellten aktuellen Länderberichte zur Lage in Indien vorgehalten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Identität des Beschwerdeführers steht fest.

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien aus dem Bundesstaat Punjab. Er spricht die Sprachen Hindi, Punjabi und Englisch. Im Herkunftsstaat besuchte er zwölf Jahre die Grundschule und ging keiner Arbeit nach. Der Beschwerdeführer hat in einem großen Haus mit seinen Eltern, seiner Schwester, den Großeltern väterlicherseits und einem Onkel väterlicherseits mit dessen Familie gelebt. Der Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos und gesund.

Der Beschwerdeführer steht im erwerbsfähigen Alter. Seine Eltern, die Großeltern väterlicherseits und der Onkel väterlicherseits leben weiterhin im Heimatort und der Beschwerdeführer hat täglichen Kontakt zu seiner Familie. Seine Familie besitzt Ländereien und eine Fabrik und ist finanziell gut gestellt. Die Schwester des Beschwerdeführers lebt und arbeitet in einem Labor in Kanada. Ein Onkel und eine Tante des Beschwerdeführers leben in Deutschland und betreiben dort drei Pizzerien.

Der Beschwerdeführer reiste am 16.11.2014 aufgrund eines litauischen D-Visums, gültig vom 16.11.2014 bis 15.11.2015, von Indien nach Litauen ein. Ab 2015 lebte der Beschwerdeführer in Polen, wo ihm am 24.02.2016 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 01.12.2019 ausgestellt wurde, die am 04.03.2019 bis zum 01.04.2022 verlängert wurde. Der Beschwerdeführer arbeitete zuletzt als Koch in einem indisch-chinesischen Restaurant in Warschau und verdiente rund PLN 4.000,-. Der Beschwerdeführer hat ein oder zwei Freunde in Polen. Im Übrigen bestehen keine Bindungen zu Polen.

Der Beschwerdeführer war seit 2015 bis zu seiner letztmaligen Einreise am 24.12.2020 immer wieder für einige Tage in Österreich, wo er Freunde und Verwandte besuchte. Der Beschwerdeführer reiste zuletzt ein, um dauerhaft in Österreich zu bleiben und einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Seit 24.12.2020 befindet sich der Beschwerdeführer durchgängig im Bundesgebiet. Es kann nicht festgestellt werden, wo der Beschwerdeführer zwischen dem 24.12.2020 und seiner Festnahme am 07.01.2021 wohnte. Der Beschwerdeführer war vom 09.01.2021 bis zu seiner Entlassung am 12.05.2021 in der Justizanstalt XXXX in Untersuchungshaft. Der Beschwerdeführer war vom 14.05.2021 bis zum 06.08.2021 bei seinem XXXX aufhältig. Der Beschwerdeführer lebt seit 06.08.2021 in der Wohnung seiner Freundin und deren Mutter in Wien. Der Beschwerdeführer möchte nicht nach Polen ausreisen.

Der Beschwerdeführer lernte seine Freundin, eine österreichische Staatsbürgerin, Anfang 2019 kennen und führt seit 05.07.2019 eine Beziehung mit ihr. Seine Freundin ist erwerbstätig. Der Beschwerdeführer hat Freunde in Wien sowie eine Tante, einen Onkel und zwei Cousins, die in Baden wohnen und mit denen er sich aktuell alle zwei Wochen trifft. Er ist nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation. Er geht keiner Erwerbstätigkeit nach und ist folglich nicht selbsterhaltungsfähig. Er verfügt über eine Einstellungszusage als Koch zu einem Bruttonettolohn von EUR 1.700,-. Er verbringt die meiste Zeit in der Wohnung seiner Freundin, wo er mit ihrem Hund spielt, fernschaut und Xbox spielt. Er hat keinen Deutschkurs besucht und spricht nicht Deutsch. Er hat Bewährungshilfe.

Am 12.05.2021 wurde der Beschwerdeführer – zusammen mit weiteren Mittätern – vom Landesgericht XXXX zur XXXX wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 erster Fall, Abs. 2 Z 2 und Abs. 4 Z 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, wovon 20 Monate für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden, rechtskräftig verurteilt.

Die Mittäter des Beschwerdeführers erzeugten im Zeitraum September 2020 bis 07.01.2021 – der Beschwerdeführer im Zeitraum 24.12.2020 bis 07.01.2021 – an einem näher bestimmten Ort im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung vorschriftswidrig Suchtgift in einer das etwa 58-fache der Grenzemenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich Blüten- und Fruchtstände von Cannabispflanzen, beinhaltend zumindest 2.064g THCA (das 51-fache der Grenzmenge) sowie zumindest 158g Delta-9-THC (das 7-fache der Grenzmenge), indem sie eine Cannabisplantage betrieben, Cannabispflanzen nach der Aufzucht abernteten und die Blüten- und Fruchtstände trockneten sowie einen Teil davon abpackten.

Der Beschwerdeführer beteiligte sich konkret ab dem 24.12.2020 an der Pflege und anschließenden Ernte und Weiterverarbeitung der etwa Anfang Jänner in voller Blüte stehenden Cannabispflanzen. Er sollte dafür einen entsprechenden Anteil an der Ernte zur eigenen Verwendung bekommen. Der Beschwerdeführer wusste und fand sich zumindest billigend damit ab, dass er sich auf diese Weise an einem auf längere Zeit angelegten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen beteiligte, der daraus ausgerichtet war, entgegen bestehender Vorschriften eine sehr große Menge Cannabis mit zumindest durchschnittlichem Gehalt von Delta-9-THC und THCA zu erzeugen. Der Beschwerdeführer wusste und wollte, dass es sich bei dem erzeugten bzw. zu erzeugenden Suchtgift um eine enorme („übergroße“) Menge handelte.

Bei der Strafbemessung wurden der bisherige ordentliche Lebenswandel, das reumütige Geständnis, die Sicherstellung des Suchtgifts, eine zumindest gewisse Suchtmittelabhängigkeit sowie der untergeordnete Tatbeitrag des Beschwerdeführers mildernd berücksichtigt. Erschwerend hingegen war die die strafsatzbestimmende 25-fache Grenzmenge um mehr als das Doppelte übersteigende erzeugte Suchtgiftmenge. Es bedurfte nicht des Vollzugs der gesamten Freiheitsstrafe, um den Beschwerdeführer von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten, da er unbescholten ist, grundsätzlich in geordneten Verhältnissen lebt und sich in der Hauptverhandlung glaubhaft einsichtig zeigte, zumal das Strafverfahren beim Beschwerdeführer erkennbar einen ernüchternden Eindruck hinterließ. Eine gänzlich bedingte Strafnachsicht kam beim Beschwerdeführer aber angesichts der enormen finanziellen Lukrativität der Erzeugung von und des Handels mit Suchtgift aber aus generalpräventiven Gründen nicht in Betracht.

2. Beweiswürdigung:

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund des vorgelegten indischen Reisepasses fest.

Die Feststellungen zur Herkunft, zu den Sprachkenntnissen, der Schulbildung und mangelnden Erwerbstätigkeit im Herkunftsland, zum gemeinsamen Haushalt mit seiner Familie und, dass der Beschwerdeführer ledig, kinderlos und gesund ist, folgt seinen plausiblen und gleichlautenden Angaben im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung vom 07.01.2021 und der mündlichen Verhandlung im gegenständlichen Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht am 11.08.2021.

Ebenso beruhen die Feststellungen über den nunmehrigen Aufenthalt seiner Angehörigen in Indien und deren finanzieller Lage, den Aufenthalt seiner Schwester und die Feststellungen zu seiner Verwandtschaft in Deutschland dem glaubhaften Vorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Feststellung über die Einreise des Beschwerdeführers in Litauen beruht auf der im Beschwerdeschriftsatz vorgelegten Kopie des Reisepasses des Beschwerdeführers mit dem darin enthaltenen litauischen Visum sowie dem darüberliegenden Einreisestempel in den Schengenraum (erster Aktenteil, AS 153). Die in weiterer Folge gefassten Feststellungen über den Aufenthalt des Beschwerdeführers in Polen ergeben sich wiederum zum einen aus den vorgelegten polnischen Aufenthaltstiteln (erster Aktenteil, AS 163 ff), zum anderen aus den Angaben des Beschwerdeführers in seiner Beschuldigtenvernehmung und der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, zumal sich keine dem entgegenstehenden Anhaltspunkte ergaben.

Dass der Beschwerdeführer seit 2015 mehrmals in Österreich Freunde und Verwandte besuchte, ergibt sich aus seinen Angaben in seiner Beschuldigtenvernehmung und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Ein genauer Aufenthalt des Beschwerdeführers nach seiner letztmaligen Einreise am 24.12.2020 blieb unklar. So gab der Beschwerdeführer in seiner Beschuldigtenvernehmung an, seit diesem Tag bei seinem XXXX gewohnt zu haben (zweiter Aktenteil, AS 37). Die ebenso damals Beschuldigte XXXX gab jedoch in ihrer Beschuldigtenvernehmung vom selben Tag zu Protokoll, dass ihr bekannt sei, dass der Beschwerdeführer normalerweise in Wien bei seiner Freundin wohnhaft gewesen sei, ihr aber auch bekannt sei, dass der Beschwerdeführer „ein paar Mal“ in Gänserndorf (am Ort der betriebenen Cannabisplantage) gewesen sei, als er „Streit“ mit seiner Freundin gehabt habe (zweiter Aktenteil, AS 50). In der strafgerichtlichen Hauptverhandlung sagte der Beschwerdeführer aus, nach seiner letztmaligen Einreise zwei Tage lang bei seiner Freundin gewohnt zu haben. Da dies jedoch „nicht so gut“ funktioniert habe, da es „nicht so familiär“ für den Beschwerdeführer gewesen sei, sei er zu seinem Freund XXXX gezogen (Beilage ./A). Gleichzeitig gab der Beschwerdeführer aber in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zu Protokoll, dass er vom 24.12.2020 bis zu seiner Inhaftierung immer bei seiner Freundin gewohnt habe (Verhandlungsprotokoll S. 7). Letztlich war somit aufgrund dieses höchst widersprüchlichen Vorbringens nicht feststellbar, wo der Beschwerdeführer tatsächlich vom 24.12.2020 bis zum 07.01.2021 wohnhaft war.

Dass der Beschwerdeführer zuletzt einreiste, um dauerhaft in Österreich zu bleiben und eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, ergibt sich aus einer Gesamtbetrachtung seiner – teils widersprüchlichen – Aussagen. Gab er in seiner Beschuldigtenvernehmung noch an, dass er nach Österreich gekommen sei, weil er aufgrund der COVID-19-Pandemie in Polen keine Arbeit mehr gehabt habe (zweiter Aktenteil, AS 37), führte er in der strafgerichtlichen Hauptverhandlung als gänzlich anderen Grund ins Feld, dass er seine Freundin in Wien besuchen habe wollen (Beilage ./A) bzw. brachte dazu in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wiederum vor, dass er und seine Freundin entschieden hätten, dass sie in Wien zusammenleben wollten und er in Wien arbeiten solle, da sein Arbeitsvertrag in Polen im Februar 2021 abgelaufen wäre. Hauptzweck der Einreise sei gewesen, dass der Beschwerdeführer mit seiner Freundin zusammenleben und in weiterer Folge hier arbeiten könne (Verhandlungsprotokoll S. 6). In weiterer Folge befragt, weshalb er keine entsprechende Meldung vorgenommen habe, meinte der Beschwerdeführer aber wiederum, dass nur ein zweiwöchiger Aufenthalt in Österreich geplant gewesen sei und er danach nach Polen zurückkehren habe wollen, um dort noch bis zu seinem Vertragsende zu arbeiten (Verhandlungsprotokoll S. 7). Im Beschwerdeschriftsatz gab der Beschwerdeführer wiederum unmissverständlich an, dass der Beschwerdeführer sich entschlossen habe, dauerhaft in Wien zu bleiben, um seine Freundin zu unterstützen (erster Aktenteil, AS 141). Insgesamt war vor dem Hintergrund dieser Aussagen und dem Verhalten des Beschwerdeführers, der am 07.01.2021 festgenommen wurde, ohne dass sich dabei Anzeichen ergeben hätten, dass der Beschwerdeführer eine baldige Ausreise geplant hatte, zumal er sich am Betrieb einer Cannabisplantage beteiligte, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass der Beschwerdeführer schon damals geplant hatte, dauerhaft in Österreich zu bleiben und hier eine Arbeit aufzunehmen. Insoweit gab er auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht an, kein Interesse an einer Ausreise nach Polen zu haben (Verhandlungsprotokoll S. 10).

Aufgrund des Akteninhaltes unzweifelhaft fest steht, dass der Beschwerdeführer in weiterer Folge vom 09.01.2021 bis zum 12.05.2021 in Untersuchungshaft verbrachte. Zu seinem Aufenthalt seit seiner Entlassung gab der Beschwerdeführer im gegenständlichen Beschwerdeschriftsatz vom 11.06.2021 an, derzeit bei seinem Freund XXXX zu wohnen und er erst später mit seiner Freundin zusammenziehen zu wollen (erster Aktenteil, AS 140 f). Soweit der Beschwerdeführer hingegen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht behauptete, bereits seit seiner Entlassung bei seiner Freundin zu wohnen und er lediglich nicht an eine Meldung gedacht habe (Verhandlungsprotokoll S. 7), ist dies im Vergleich zum eindeutigen Vorbringen im Beschwerdeschriftsatz nicht glaubhaft, sondern wird in Zusammenschau mit dem schon weiter oben gewürdigten Vorbringen des Beschwerdeführers offenkundig, dass er in der mündlichen Verhandlung bestrebt war, die Bindung zu seiner Freundin enger darzustellen, als es der Wahrheit entspricht. Es ist nämlich auch kein Grund ersichtlich, weshalb der Beschwerdeführer im Beschwerdeschriftsatz eine falsche Wohnadresse angegeben hätte, die ihm keinen Verfahrensvorteil einbringen würde. Dass der Beschwerdeführer allerdings seit 06.08.2021 im gemeinsamen Haushalt mit seiner Freundin und deren Mutter wohnt, ergibt sich aus einem entsprechenden Melderegisterauszug.

Die Feststellungen zur Beziehung des Beschwerdeführers, seiner Verwandtschaft und seinen weiteren Lebensverhältnissen in Österreich sowie seinen mangelnden Deutschkenntnissen folgen seinen glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie den im Beschwerdeschriftsatz vorgelegten Unterlagen. Insoweit konnte von den im Beschwerdeschriftsatz beantragten zeugenschaftlichen Einvernahmen abgesehen werden, da die zu beweisenden Tatsachen als wahr festgestellt wurden.

Die Feststellungen über die Straffälligkeit des Beschwerdeführers, der Urteilsbegründung und den Milderungs- und Erschwerungsgründen stützen sich auf das zitierte, im Akt befindliche rechtskräftige Strafurteil des LG XXXX vom 12.05.2021.

3. Rechtliche Beurteilung:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Zum Spruchteil A)

3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

Gemäß § 31 Abs. 1 Z 3 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind bis zu drei Monaten (Artikel 21 SDÜ gilt), sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen.

Mit einem Aufenthaltstitel eines anderen Vertragsstaates ist zwar ein Kurzaufenthalt von 90 Tagen im Halbjahr möglich, jedoch keine – selbständige oder unselbständige, vorübergehende oder dauernde – Erwerbstätigkeit. Das gemäß Art. 21 SDÜ gegebene Aufenthalts- und Bewegungsrecht innerhalb der Vertragsstaaten soll auf private oder touristische Zwecke eingeschränkt sein. Mit von vornherein beabsichtigter oder später aufgenommener Erwerbstätigkeit liegt ein unrechtmäßiger Aufenthalt vor (Szymanski in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht § 31 FPG 2005).

Der im Besitz eines gültigen polnischen Aufenthaltstitels befindliche Beschwerdeführer hält sich – und hielt sich bereits zum Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlichen Bescheides – länger als drei Monate und somit unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Darüber hinaus war vor dem Hintergrund seines Vorbringens, in Österreich dauerhaft verweilen und einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu wollen, davon auszugehen, dass seine Einreise nicht zu touristischen oder privaten Zwecken, sondern – zumindest auch – zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erfolgte, wodurch sich auch in jener Hinsicht sein Aufenthalt in Österreich als unrechtmäßig gestaltet.

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit Dezember 2020 im Bundesgebiet und sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war somit abzuweisen.

3.2. Zur Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. – V. des angefochtenen Bescheides:

Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, so ist gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung gegen einen Drittstaatsangehörigen zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

§ 52 Abs. 6 FPG normiert: „Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.“

Die gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich im Besitz eines Aufenthaltstitels eines anderen Mitgliedstaates befindet, gerichtete Erlassung einer auf den unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gegründeten Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 FPG (und damit auch eines Einreiseverbotes) hat nach § 52 Abs. 6 FPG in seiner ersten Alternative zur Voraussetzung, dass der Fremde (erfolglos) aufgefordert worden ist, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaates zu begeben (VwGH 27.08.2020, Ra 2020/21/0172). Nur dann, wenn ein solcher Drittstaatsangehöriger seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommt oder wenn seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 FPG zu erlassen (VwGH 16.07.2020, Ra 2020/21/0146). Im Kontext des § 52 Abs. 6 FPG kommt es dabei nicht schlichtweg auf eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit an, sondern darauf, ob angesichts einer solchen Gefährdung die sofortige Ausreise (!) des Drittstaatsangehörigen aus dem Bundesgebiet erforderlich ist (VwGH 03.07.2018, Ro 2018/21/0007). Es genügt nicht, dafür auf eine – die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende – Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort – ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens – zu erfolgen hat. Dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren. Es ist das Vorliegen besonderer Umstände erforderlich. Es ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (VwGH 27.08.2020, Ro 2020/21/0172).

Im gegenständlichen Fall forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer nicht auf, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet Polens zu begeben, sodass die erste Alternativvoraussetzung des § 52 Abs. 6 FPG nicht erfüllt ist.

Soweit das Bundesamt aber offenkundig – dies jedenfalls in Zusammenschau mit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG – davon ausging, dass im Sinne der zweiten Alternativvoraussetzung des § 52 Abs. 6 FPG aufgrund einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers notwendig sei, kann dem auf Grundlage des Akteninhaltes, insbesondere des rechtskräftigen, Bindungswirkung entfaltenden Strafurteils, nicht gefolgt werden. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat bei seiner Gefährdungsbeurteilung nämlich unberücksichtigt gelassen, dass es in diesem Zusammenhang auf eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit iSd Art 6 Abs. 2 der Rückführungs-RL (Richtlinie 2008/115/EG) ankommt, also darauf, ob das persönliche Verhalten des betreffenden Drittstaatsangehörigen eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. dazu VwGH 27.08.2020, Ra 2020/21/0172, Rn 13/14, mwN aus der Judikatur des Gerichtshofs der Europäischen Union).

Nun erfordert der im vorliegenden Fall anzuwendende – dem § 67 Abs. 1 FPG („tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“) entsprechende – Gefährdungsmaßstab nach § 52 Abs. 6 FPG einen höheren Gefährdungsgrad als § 53 Abs. 3 FPG („schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit“). (vgl. jüngst VwGH vom 02.09.2021, Ra 2021/21/0103).

Stellen Verstöße, wie der hier vorliegende, einen für die Bejahung einer Gefährdung nach § 53 Abs. 3 FPG ausreichenden Tatbestand dar, so gilt dies aufgrund der Abstufung der Gefährdungsmaßstäbe nicht automatisch für die Annahme einer Gefährdung iSd § 67 Abs. 1 bzw. § 52 Abs. 6 FPG.

Soweit das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in seiner rechtlichen Beurteilung unter Verweis auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs insbesondere die Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität und die inhärente besonders ausgeprägte Wiederholungsgefahr begründend heranzieht, so kann dies doch nicht ausblenden, dass auch in diesen Fällen eine Beurteilung anhand des Einzelfalls vorzunehmen ist (vgl. VwGH 01.03.2018, Ra 2018/19/0014). Wiewohl der Beschwerdeführer zwar wegen des unbestritten schweren Delikts des Suchtgifthandels zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren – hiervon jedoch nur vier Monte unbedingt – verurteilt wurde, ist doch das reumütige Geständnis und der offenkundig untergeordnete Tatbeitrag des Beschwerdeführers ebenso zu würdigen, wie die Feststellung des Strafgerichts, dass die Haft beim Beschwerdeführer erkennbar einen ernüchternden Eindruck hinterließ und lediglich aus generalpräventiven Gründen von einer zur Gänze bedingten Strafnachsicht abzusehen war. Eine erhebliche Wiederholungsgefahr lässt sich aus dieser Urteilsbegründung nicht ableiten, sondern ging das Strafgericht vielmehr offenkundig vom Gegenteil aus. Entgegen der Ansicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl geht aus der Urteilsbegründung auch nicht hervor, dass der Beschwerdeführer aus finanziellen Gründen jene Straftat begangen hätte, sondern sich an der Pflege, Ernte und Weiterverarbeitung der Cannabispflanzen beteiligte, um einen entsprechenden Anteil an der Ernte zur eigenen Verwendung zu erhalten. Im Ergebnis kann daher unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer, der zur Zeit über eine Unterkunft und Versorgung (wenn auch nicht aus Eigenem) verfügt, und Bewährungshilfe in Anspruch nimmt, eine „tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“, darstellt, sodass seine sofortige Ausreise erforderlich ist.

Die in § 52 Abs. 6 FPG normierte zweite Alternative für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 FPG lag somit auch nicht vor, weshalb in Stattgabe der Beschwerde Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides zu beheben war. In weiterer Folge waren die darauf aufbauenden Spruchpunkte III. bis V. ebenso zu beheben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt, sondern ausschließlich tatsachenlastig ist. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben. Zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist die zur asylrechtlichen Ausweisung ergangene zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs übertragbar.

Schlagworte

Ausreise Gefährdungsprognose Geständnis öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Rückkehrentscheidung behoben strafrechtliche Verurteilung Suchtgifthandel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W169.2243644.1.00

Im RIS seit

15.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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