TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/14 W142 2104560-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.10.2021
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Entscheidungsdatum

14.10.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch


W142 2104560-4/8E

W142 2104558-4/5E

W142 2209892-3/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

I. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.02.2020, Zl. 1000601508/191240524, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.04.2021 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 55 Abs. 1 und 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.02.2020, Zl. 1046932206/191240648, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.04.2021 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 55 Abs. 1 und 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

III. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.02.2020, Zl. 1205928908/191240605, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.04.2021 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 55 Abs. 1 und 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Zu den früher geführten Verfahren:

1.1. Die Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF1) ist die Mutter der in Österreich geborenen minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführer (im Folgenden: BF2 und BF3). Alle drei Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) sind Staatsangehörige von Indien.

Die BF1 ist seit dem Jahr 2009 mit dem indischen Staatsbürger XXXX verheiratet, welcher der Vater der minderjährigen BF2 und BF3 ist. Der Gatte der BF1 reiste im Jahr 2011 nach Österreich ein und stellte hier am 02.06.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.06.2011, Zl. 1105.369-BAT, gemäß §§ 3 und 8 AsylG 2005 abgewiesen wurde. Zudem wurde der Gatte der BF1 gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen. Die Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 29.08.2011, Zl. C14 419877-1/2011/8E, gemäß §§ 3, 8, 10 AsylG 2005 abgewiesen.

1.2. Die BF1 selbst reiste am 17.01.2014 illegal und schlepperunterstützt in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Anlässlich der erfolgten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte sie vor, in XXXX , Distrikt Hoshinarpur, im Bundesstaat Punjab, geboren worden zu sein. Sie sei verheiratet und gehöre der Volksgruppe der Punjabi und der Religionsgruppe der Sikh an. In ihrem Heimatort habe sie von 1991-2003 die Grundschule besucht. Sie habe am 14.01.2014 Indien illegal und schlepperunterstützt verlassen und sei nach Italien geflogen. Von dort aus wäre sie illegal per PKW über eine unbekannte Route in das österreichische Bundesgebiet eingereist.

Zu ihrem Fluchtgrund brachte sie vor, dass ihr Ehegatte vor ca. zweieinhalb Jahren nach Österreich geflüchtet sei, weil er in Indien Angst um sein Leben gehabt hätte. Er bekomme in Österreich keine Dokumente und könne deshalb nicht nach Indien zurückkehren. Sie selbst hätte in dieser Zeit bei ihren Eltern gelebt und ihr Leben als Frau ohne Mann sei nicht einfach gewesen. Nachdem ihr Mann Indien verlassen hätte, habe die Polizei auch nach ihrem Mann gesucht und sei öfters bei ihr gewesen. Sie möchte bei ihrem Mann leben, sonst habe sie keine Fluchtgründe. Bei einer Rückkehr nach Indien müsste sie wieder alleine leben, dies sei sehr schwierig für sie.

1.3. Am XXXX wurde die BF2 im Bundesgebiet geboren. Die BF1 stellte für diese am 02.12.2014 ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.4. Am 16.02.2015 wurde die BF1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen.

Sie brachte vor, in ihrem Heimatort in einer Mietwohnung mit ihrem Bruder und den Eltern gewohnt zu haben. Sie habe im Jahr 2009 gerichtlich geheiratet und hätte nach der Hochzeit weiter bei ihren Eltern gewohnt, da ihr Mann immer wieder Streit gehabt und Drohungen erhalten hätte. Ihr Gatte habe für den Lebensunterhalt auf einer Tankstelle gearbeitet.

Sie stützte sich auf die Fluchtgründe ihres Mannes und gab an, sie habe keine eigenen Fluchtgründe. Sie habe als Gattin Angst, dazu führte sie aus: „ ..... vielleicht kommen sie eines Tages drauf, dass es seine Frau gibt, die weiß, was mit dem Mann ist! Deswegen hatte ich Angst!“. Diese „Leute“, mit denen ihr Mann Streit gehabt hätte, wären zwei- bis dreimal zu ihr nachhause gekommen und hätten sie beschimpft. Sie wisse nichts über diese Leute, diese wären, nachdem ihr Mann Indien verlassen hätte (August 2011) gekommen. Es seien drei Leute gewesen und sie hätten gefragt, wo ihr Mann sei. Sie hätten gedroht, sie zu entführen. Nach einem Monat wären diese Leute wiedergekommen: ein Polizist und ein Mann. Sie hätten sie gefragt, wo sich ihr Mann aufhalte und der Polizist habe ihr angedroht, sie zu beschuldigen und etwas zu erfinden. Der Polizist sei sicher bestochen gewesen. Sie selbst sei nie konkret verfolgt worden. Auf die Frage, wie oft sie insgesamt bedroht worden wäre, brachte sie vor, dass diese Leute zweimal zu ihren Eltern gekommen wären. Sie hätte sich dann eine Zeit lang bei den Eltern ihres Mannes aufgehalten, dort wären sie dann drei Mal erschienen. Zweimal wäre sie aber nicht zuhause gewesen. Sie wäre bei der Polizei gewesen, die aber keine Anzeige aufgenommen hätte. Sie habe Angst gehabt, nochmals bedroht zu werden, deshalb hätte sie ihr Heimatland verlassen, sie wolle bei ihrem Mann sein. Diese Leute würden sich als wichtige Personen ausgeben. Der Mann, der bei ihr gewesen sei, sei immer mit den Abgeordneten zusammen.

Zu ihrem Leben in Österreich gab sie an, sie lebe mit ihrem Ehemann zusammen und habe hier Freunde aus der Heimat. In ihrer Freizeit passe sie auf das Baby auf und gehe in den Tempel, wo sie zu essen bekomme. Sie habe in Österreich keine Kurse oder Ausbildungen absolviert, sei in keinem Verein tätig und nehme auch nicht auf andere Weise am sozialen bzw. kulturellen Leben teil. Sie könne auch sonst keine für ihre Integration sprechenden Gründe nennen. Sie sei für die BF2 obsorgeberechtigt, dieser habe keine eigenen Fluchtgründe. Sie wollten zusammen mit ihrem Ehegatten in Österreich leben.

1.5. Am 06.02.2015 brachte die BF1 eine Stellungnahme ein, worin zusammengefasst ausgeführt wurde, dass für die BF1 als alleinerziehende Mutter ein Leben in Indien unerträglich wäre. Das Kind brauche beide Elternteile und ein geeignetes Umfeld zum Aufwachsen. In Indien wäre die Befriedung beider Bedürfnisse nicht möglich. Gegenwärtig herrsche in Indien de facto ein Klima der weitgehenden Straflosigkeit bei Gewalt gegen Frauen. In nachvollziehbarer Weise wolle die BF1 gemeinsam mit Kind und Ehemann leben, was nur in Österreich möglich sei. Die Prognose bezüglich des künftigen Aufenthaltes in Österreich müsse als sehr positiv bezeichnet werden.

1.6. Mit Bescheiden des BFA vom 04.03.2015, Zlen. 1000601508-140332620 und 1046932206-140239122, wurden die Anträge der BF1 und BF2 auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Der BF1 und BF2 wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei. Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage. Gegen diese Bescheide wurde fristgerecht eine Beschwerde eingebracht.

1.7. Am 09.06.2015 führte das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) eine öffentlich mündliche Verhandlung durch, in welcher die BF1 einer umfassenden Befragung unterzogen wurde.

Diese gab zu ihren persönlichen Verhältnissen ergänzend an, sie sei in XXXX geboren, in XXXX sei sie wohnhaft gewesen. Sie gehöre der Volksgruppe der Lubane und der Religionsgruppe der Sikh an. Sie sei verheiratet und habe in ihrem Herkunftsstaat 10 Jahre die Grundschule besucht. Die Matura habe sie nicht und habe sie auch keinen Beruf ausgeübt. Ihr Mann habe in Indien an einer Tankstelle gearbeitet.

Ein Bruder der BF1 lebe seit 2008 in Österreich. Dieser sei Asylwerber bzw. habe er einen Antrag auf Niederlassungsbewilligung gestellt. Ob Der Bruder anerkannter Flüchtling sei, wisse sie nicht.

Zu ihrem Leben in Österreich gab die BF1 an, sie habe einen Deutschkurs besucht, einer regelmäßigen Beschäftigung sei sie nicht nachgegangen. Sie wolle einen A2-Kurs besuchen. Sie habe mit ihren Eltern sporadisch telefonischen Kontakt. Auch mit der Schwiegermutter habe sie ab und zu Kontakt, zum Beispiel einmal im Monat. Die BF1 lebe mit ihrer Tochter und ihrem Mann in Österreich in einem gemeinsamen Haushalt.

Zu ihren Fluchtgründen befragt, gab die BF1 wie folgt an:

[..]

„Sind Ihnen diese Angaben noch erinnerlich und, wenn ja, halten Sie diese Angaben vollinhaltlich und unverändert aufrecht, oder wollen Sie zur Ihren Fluchtgründen noch etwas ergänzen oder berichtigen, das Ihnen wichtig erscheint? Sie haben dafür nun ausreichend Zeit und auch die Gelegenheit, allfällige Beweismittel vorzulegen.

BF: Die Angaben sind mir no ch erinnerlich und ich halte die Angaben aufrecht. Ich habe keine neuen Beweismittel vorzulegen.

VR: Wann hat Ihr Mann Indien verlassen?

BF: 2011.

VR: Er hat am 29.08.2011 einen negativen Bescheid des AsylGH (§§ 3,8,10 AsylG 2005) erhalten. Der Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

BF: Davon weiß ich nichts.

VR: Wo haben Sie zuletzt bis zu Ihrer Ausreise gelebt?

BF: Ich war im Dorf XXXX im Bezhirk Hoshiarpur, Punjab.

VR: Ist das das Dorf, das Sie zuvor angegeben haben?

BF: Ja.

VR: Bei wem haben Sie gelebt? Ihr Mann war ja nicht da.

BF: Ich habe nach der Ausreise meines Mannes nur kurzzeitig gemeinsam mit meiner Schwiegermutter an dieser Adresse gelebt, aber die Leute, mit denen mein Mann die Streitereien hatte, haben uns auch schikaniert. Deswegen bin ich zu meinen Eltern gezogen.

VR: Wann hat Ihr Mann Indien verlassen?

BF: Im Jahr 2011.

VR: Wann genau, wissen Sie nicht?

BF: Nein, das weiß ich nicht.

VR: War das Anfang, Mitte oder Ende des Jahres?

BF: Ich glaube, Mai oder Juni.

VR: Wohin sind Sie dann gezogen?

BF: Zu meinen Eltern nach XXXX .

VR: Wo hat Ihre Schwiegermutter gelebt?

BF: In XXXX .

VR: Wie weit sind die beiden Orte entfernt?

BF: Ca. 45 km.

VR: Sind das sehr große Orte? Wie viele Leute wohnen dort?

BF: Das sind nicht sehr große Ortschaften. XXXX ist eine Stadt und XXXX ist ein Dorf mit ca. 150 Familien. In der Stadt wohnen ca. 200 bis 250 Familien.

VR: Haben Sie je einen Reisepass besessen?

BF: Ja.

VR: Sind Sie schlepperunterstützt gereist?

BF: Ja.

VR: Was haben Sie für die Reise bezahlt, und wer hat bezahlt?

BF: Er hat 5.000,-- Euro bekommen. Meine Mutter hat ein Grundstück dafür verkauft.

VR: Wann genau haben Sie Ihr Heimatland verlassen?

BF: Ich habe Indien im Jänner 2014 verlassen und bin zunächst nach Italien gereist.

VR: Von wo aus sind Sie denn geflohen?

BF: Von Neu-Delhi.

VR: Wann haben Sie den Entschluss gefasst, Ihr Heimatland zu verlassen?

BF: Das war ca. ein, zwei Monate vor meiner Ausreise.

VR: Sie haben also bis zu Ihrer Ausreise bei den Eltern gewohnt? Hat Ihr Bruder da auch gewohnt?

BF: Nein.

VR: Nur Ihre Eltern waren an dieser Wohnadresse?

BF: Ja, nur meine Eltern und ich.

VR: In welchem Dorf?

BF: In XXXX .

VR: Warum haben Sie am 16.02.2015 angegeben, dass Sie mit Ihren Eltern und dem Bruder gewohnt haben?

BF: Wie gesagt, ich habe damals bezüglich meines Bruders nicht die Wahrheit angegeben, weil der Schlepper mir gesagt hat, dass ich diesbezüglich lügen soll. Mein Bruder war bereits in Österreich und ich habe angegeben, dass er in Indien war.

VR: Sie sind zweimal danach gefragt worden und Sie haben zweimal gelogen.

BF: Ja, in Traiskirchen habe ich wegen dem Schlepper gelogen und bei der zweiten Einvernahme wollte ich diesen Fehler berichtigen, aber dann bekam ich Angst, dass ich als Lügnerin dastehen würde. Vor dieser Einvernahme habe ich entschieden, dass ich die Wahrheit angeben werde.

VR: Wie heißt Ihr Bruder?

BF: XXXX .

VR: Sie haben am 17.01.2014 auf AS 9 angegeben, dass er XXXX heißt. Am 16.02.2015 haben Sie angegeben, dass er XXXX heißt, und zwar auf AS 77. Wie heißt er jetzt richtig?

BF: XXXX . Ich möchte mich dafür entschuldigen.

VR: Sie haben am 17.01.2014 auf AS 13, befragt nach Ihren Fluchtgründen angegeben, dass Sie bei Ihrem Mann leben möchten. Sie haben, nachdem Sie Indien verlassen haben, von der Polizei wegen Ihres Mannes Besuch bekommen. Ist das richtig?

BF: Ja.

VR: Wie oft ist die Polizei gekommen?

BF: In meiner Anwesenheit ist die Polizei zweimal gekommen. Danach bin ich zu meinen Eltern gezogen. Ich weiß nicht, wie oft dann die Polizei zum Haus der Schwiegereltern gekommen ist.

VR: Sie haben am 16.02.2015 angegeben, und zwar auf AS 71, dass Sie Ihre Fluchtgründe auf die Fluchtgründe Ihres Ehemannes XXXX stützen. Sie hätten keine eigenen Fluchtgründe. Als Frau von XXXX hätten Sie Angst, vielleicht kämen sie eines Tages drauf, dass es auch eine Frau gibt, die wisse, was mit dem Mann sei. Deswegen hätten Sie Angst.

BF: Ja, das ist richtig. Die Feinde meines Mannes haben mich verfolgt, weil ich seine Frau bin.

VR: Sie haben gesagt, die Polizei war bei Ihnen. Wie oft war Sie bei Ihnen?

BF: In meiner Anwesenheit ist die Polizei ein bis zweimal zu meinen Schwiegereltern gekommen.

VR: Wann war das?

BF: Ich kann mich an die genauen Daten nicht erinnern.

VR: Was wollten sie von Ihnen?

BF: Sie wollten, dass ich die Adresse meines Mannes preisgebe und sie haben mir gedroht, dass, falls ich das nicht tun würde, würden sie mich mitnehmen und mich misshandeln.

VR: Sie haben ja nichts gemacht. Was hat Ihr Mann gemacht, dass die Polizei bei Ihnen war?

BF: Mein Mann hat in Indien an einer Tankstelle gearbeitet. Eines Abends wollten einige betrunkene Männer, dass er ihr Auto auftankt, ohne dass sie bezahlen. Als mein Mann sich weigerte, dies zu tun, haben sie eine Pistole gezogen und wollten ihn erschießen. Um sich zu schützen, hat mein Mann einen der Männer am Kopf mit einem Gegenstand geschlagen. Daraufhin hat dieser vom Kopf geblutet und mein Mann ist geflüchtet. Vielliechtz ist der Mann nach diesem Vorfall gestorben.

VR: Wann war der Vorfall?

BF: 2011, vielleicht im April oder Mai.

VR: Sie wissen das Datum nicht genau?

BF: Nein.

VR: Ihr Mann ist daraufhin gleich nach Europa geflohen?

BF: Ja.

VR: Im April oder Mai?

BF: Im Juni.

VR: Das genaue Datum wissen Sie nicht?

BF: Nein, er hat mir nicht gesat.

VR: Die Polizei war zwei Mal bei Ihnen?

BF: Ja.

VR: Wie viele Leute waren da von der Polizei?

BF: Drei Polizisten und noch die Männer, mit denen mein Mann den Streit hatte.

VR: Und die waren jedes Mal mit?

BF: Ja,.

VR: Es waren drei Polizisten. Wieviele Leute waren noch dabei?

BF: Drei oder vier.

VR: Das heißt, es waren jedes Mal 6 oder 7 Leute bei Ihnen?

BF: Ja.

VR: Sie wissen nicht, wann das war?

BF: Nein, das Datum weiß ich nicht.

VR: Wie Sie dann bei Ihren Eltern im Dorf waren, sind Sie nicht mehr belästigt worden?

BF: Doch, sie waren auch bei meinen Eltern. Daraufhin bin ich mit meinem Vater zur Polizei gegangen, um eine Anzeige zu erstatten.

VR: Wer war bei Ihnen?

BF: Die Männer, mit denen mein Mann diesen Streit hatte und zwei Polizisten.

VR: Wie viel Männer waren da bei Ihren Eltern?

BF: 6 Leute waren da, zwei Polizisten und vier Leute, mit denen mein Mann Schwierigkeiten hatte.

VR: Wieso gehen Sie zur Polizei, wenn die Polizei eh bei Ihnen war?

BF: Wir wollten uns beschweren, dass diese Leute uns schikanieren.

VR: Wenn eh die Polizei schon dabei war?

BF: Wir wollten uns gegen die Polizisten beschweren.

VR: Gegen die Polizisten oder gegen den Polizisten?

BF: Gegen diese, die zu uns gekommen sind.

VR: Warum haben Sie denn dann am 16.02.2015 auf AS 73 angegeben, dass 3 Leute gekommen sind?

BF: Drei Polizisten habe ich gemeint. Drei Polizisten sind ins Haus der Schwiegereltern gekommen und zwei zu meinen Eltern.

VR: Wie viel Leute waren noch bei Ihren Eltern dabei, außer den Polizisten?

BF: 4.

VR: Das heißt, es waren dann insgesamt 6 Personen.

BF: Ja.

VR: Warum haben Sie dann am 16.02.2015 auf AS 73 gesagt, dass es 3 Personen waren?

BF: Ich habe von den Polizisten gesprochen. Die waren unifomiert.

VR: Es ist ein Widerspuch. Können Sie den aufklären?

BF: Ich habe die Wahrheit gesagt. Sonst hätte ich mein Heimatland nicht verlassen.

VR: Sind Sie konkret verfolgt worden?

BF: Ja.

VR: Warum haben Sie dann auf diesele Fragbe am 16.02.2015 auf AS 75 mit Nein geantwortet? Sie hatten dort ausgesagt, Sie hatten nur Angst und wollten bei Ihrem Manns ein.

BF: Ich hatte damals Angst und habe nicht gewusst, was ich sagen soll.

VR: Das zweite Mal sind auch wieder 6 Personen gekommen?

BF: Wo meinen Sie?

VR: Zu Ihren Eltern?

BF: Ja.

VR: Sie haben am 16.02.2015 auf AS 75 angegeben, dass die Leute das erste Mal gegangen sind und dann wieder gekommen sind. Wie viel Zeit lag dazwischen?

BF: Ich kann mich nicht erinnern.

VR: Waren es drei Wochen, vier Wochen, fünf Wochen?

BF: Vielleicht ein Monat.

VR: Wissen Sie es nicht genau?

BF: Beim zweiten Mal haben Sie mich bedroht und beschimpft.

VR: Danach habe ich Sie nicht gefragt. Wie viel Zeit lag dazwischen? Können es auch zwei Monate gewesen sein?

BF: Ich kann mich nicht so genau erinnern.

VR: Wie viele Leute waren dann da?

BF: Dieselben.

VR: Wie viele Leute?

BF: 6 Personen.

VR: Wie viele Polizisten, wie viele Leute bei Ihren Eltern im Dorf?

BF: Zwei Polizisten und vier Personen.

VR: Beim zweiten Mal?

BF: Ja, auch beim zweiten Mal.

VR: Beim ersten Mal waren auch so viele Personen dabei?

BF: Ja.

VR: Warum sagen Sie dann am 16.02.2015 auf AS 75, dass ein Polizist gekommen ist und ein Mann?

BF: Nein, ich glaube nicht, dass ich das gesagt habe.

VR: Was würde Ihnen konkret passieren, wenn Sie jetzt wieder in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?

BF: Diese Leute sind sehr mächtig und reich. Sie können alles machen, vielleicht uns töten.

VR: Das ist eine Vermutung. Es ist Ihnen nichts passiert. Sie haben ja selber gesagt, dass Sie nicht bedroht worden sind.

BF: Doch, ich wurde bedroht.

VR: Wie denn?

BF: Sie haben mich bedroht, wenn ich die Adresse meines Mannes nicht preisgebe, werden sie mich einsperren oder misshandeln. Diese Angst hat dazu geführt, dass ich geflüchtet bin.

VR: Sind Sie alleine bei der Polizei gewesen, um Anzeige zu erstatten?

BF: Nein, mit meinem Vater.

VR: Wann war das?

BF: Ich glaube, im Jahr 2012.

VR: Genau wissen Sie es nicht?

BF: Nein.

VR: Wovor haben Sie konkret Angst?

BF: Ich habe Angst vor diesen Leuten. Sie haben mich bedroht, dass sie mich nackt durch die ganze Stadt jagen würden, falls ich die Adresse meines Mannes nicht preisgebe.

VR: Das haben Sie bislang nie vorgebracht. Sie sagen einerseits, Sie hätten keine Fluchtgründe, dass Sie nur bei Ihrem Mann sein wollen und auf der anderen Seite sagen Sie, Sie sind verfolgt.

BF: Aus Scham habe ich das nicht erwähnt.

VR: Wer sind die Leute, die angeblich die Polizei begleitet hätten?

BF: Das sind die Männer, mit denen damals mein Mann diesen Streit hatte.

VR: Kennen Sie diese Männer?

BF: Ja, ich kenne deren Namen, und ich habe sie auch gesehen. Aber mehr weiß ich nicht.

VR: Wie heißen die Männer?

BF: XXXX , er ist ein Politiker und der ist derjenige, der das Ganze betreibt.

VR: Sie haben gerade gesagt, Sie kennen die Männer und ihre Namen. Dann nennen Sie mir die Namen.

BF: Von den anderen weiß ich keine Namen. Ich weiß nur den Namen von XXXX .

VR: Besuchen Sie jetzt einen Deutschkurs?

BF: Ich werde in diesem Monat mit A2 anfangen.

VR: Haben Sie in Österreich Freunde?

BF: Nein.

VR: Gibt es irgendwelche Gründe, die für eine Integration in Österreich sprechen?

BF: Wir möchten uns hier integrieren, arbeiten und die Steuern zahlen. Ich will nicht zurück, weil ich Angst vor einer Vergewaltigung habe.

VR: Warum haben Sie jetzt Angst vor einer Vergewaltigung?

BF: Weil sie dies gedroht haben.

VR: Das haben Sie auch noch nie vorgebracht.

BF: Aus Scham.

VR: Hat Ihr Kind eigene Fluchtgründe?

BF: Meine Fluchtgründe sind mit meine Mann verknüpft. Mein Kind hat keine eigenen Fluchtgründe. Ich vertrete mein Kind.

[…]

Anschließend wurden der BF1 die Länderberichte zu ihrem Heimatland vorgehalten, wobei diese dazu angab, dass in Indien nur die Reichen und Mächtigen das Sagen hätten. Die Armen und jene, die keine Kontakte hätten, würden sich alles gefallen lassen müssen. Ergänzend gab sie noch an, sie würden als Familie nicht nach Indien zurückkehren wollen. Sie würden hier arbeiten und sich versorgen wollen. Sie hätten Angst, dass die Leute sie bei einer Rückkehr töten werden. Sie würden auch nicht in einer anderen größeren Stadt in Indien sicher sein, da diese Leute sehr gute Kontakte hätten.

Im Zuge der Verhandlung brachte die BF1 eine Heiratsurkunde sowie die Rechnung für die Prüfungstaxe eines Sprachkurses (Niveau A1) in Vorlage.

1.8. Mit Erkenntnissen vom 28.07.2015, Zlen.: W160 2104560-1/9E und W160 2104558-1/4E, wurden die Beschwerden der BF1 und der BF2 gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005 idgF., § 9 BFA-VG idgF., und §§ 52, 55 FPG idgF. als unbegründet abgewiesen. Die Revisionen wurden gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

Betreffend die Nichtzuerkennung des Status von Asylberechtigten führte das erkennende Gericht beweiswürdigend wie folgt aus:

[…]

Hinsichtlich der im gegenständlichen Verfahren konkret geltend gemachten Ausreismotive der Erstbeschwerdeführerin (die mangels eigener Fluchtgründe auch für die Zweitbeschwerdeführerin gelten) gelangt auch das erkennende Gericht in Übereinstimmung mit der diesbezüglichen Beurteilung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zum Ergebnis, dass eine bestehende Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention nicht glaubhaft gemacht werden konnte.

Wie schon seitens des Bundesamtes zutreffend ausgeführt, stellten sich die Angaben der Erstbeschwerdeführerin als geradezu durchgehend uneinheitlich und widersprüchlich dar.

Eingangs ist anzumerken, dass die Beschwerdeführerin bei der mündlichen Verhandlung keinen glaubwürdigen Eindruck hinterließ. So versuchte sie immer wieder, den an sie gestellten Fragen auszuweichen und Hinweise auf Mängel, Unwahrheiten und Widersprüche dahin gehend zu entkräften als sie vorbrachte, nicht danach gefragt worden zu sein. Vor diesem Hintergrund ist auszuführen, dass die Beschwerdeführerin erst anlässlich der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 09.06.2015 angab, einen Bruder in Österreich zu haben. Auch hier führte sie aus, dass ihr „irgendjemand“ gesagt haben solle, diesbezüglich nicht die Wahrheit anzugeben. Ihren jetzigen Angaben nach hält sich der Bruder schon seit dem Jahr 2008 in Österreich auf. Unglaubwürdig ist auch ihr Vorbringen, nicht zu wissen, ob er anerkannter Flüchtling sei.

In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass die Beschwerdeführerin eingangs behauptete, keine eigenen Fluchtgründe zu haben. In ihrem Vorbringen stellte sie allein auf das Fluchtvorbringen ihres Ehegatten ab. Auffällig ist aber, dass sie nicht in der Lage war, ausführlich zu schildern, weshalb ihr Gatte Indien verlassen hat. Dazu führte sie aus, nur Angst zu haben, dass „…irgendwann jemand kommen könnte der wisse, dass sie die Frau ihres Gatten wäre die wisse, wo er sich aufhalte“.

Gleichfalls widersprüchlich stellt sich ihr Vorbringen am 16.02.2015 vor dem BFA dar, wo sie angab, dass sie mit ihren Eltern und dem Bruder gemeinsam bis zu ihrer Ausreise gewohnt hätte. Anlässlich der mündlichen Verhandlung am 09.06.2015, Seite 9, bringt sie vor, nur mit den Eltern gewohnt zu haben. Ihr Bruder wäre damals bereits in Österreich gewesen.

Auch bezüglich des Namens des Bruders brachte sie zwei Versionen vor: Anlässlich der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 09.06.2005, Seite 9, brachte sie vor, dass der Bruder „ XXXX heiße. Am 17.01.2014, Aktenseite 9, brachte sie hingegen vor, dass er „ XXXX hieße. Auf den Widerspruch hingewiesen führte sie nur lakonisch aus, sich dafür entschuldigen zu wollen.

Bezüglich des Besuches durch die Polizei führte sie vor dem Bundesverwaltungsgericht am 09.06.2015, aus, dass in ihrer Anwesenheit die Polizei zweimal zu den Schwiegereltern gekommen sei. Sie wisse nicht wie oft dann die Polizei zum Hause der Schwiegereltern gekommen wäre (erster Absatz, Seite 10). Weiters führt sie aus, dass drei Polizisten und noch drei oder vier Männer, mit denen ihr Mann Streit gehabt hätte, gekommen wären (Seite 11 der Niederschrift vom 09.06.2015). Auf Seite 10 der Niederschrift führt sie widersprüchlich dazu aus, dass die Polizei ein- oder zweimal zu den Schwiegereltern gekommen sei. Auffällig und fern jeder Lebenserfahrung stellt sich dazu die Tatsache dar, dass sie sich nicht an die genauen Daten des Besuches durch die Polizei, die sie dadurch durch die angeblichen Drohungen zu Ausreise bewogen haben, erinnern kann.

Ihren Angaben bei der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wären jedes Mal sechs oder sieben Personen bei ihr gewesen. Bei der Niederschrift vor dem BFA am 16.02.2014, Aktenseite 73, bringt sie hingegen vor, dass sie bei den Eltern von drei Leuten besucht worden sei. Nach einem Monat seien dann noch einmal ein Mann und ein Polizist gekommen (Aktenseite 75). Sie sei nach dem zweiten Mal zu Polizei gegangen. Auf den Hinweis, dass sie am 16.02.2015, Aktenseite 73, angegeben hat, dass drei Leute gekommen sind brachte sie vor, dass sie drei Polizisten gemeint habe. Drei Polizisten wären ins Haus der Schwiegereltern gekommen und zwei zu den Eltern.

Bei der Niederschrift vor dem Bundesverwaltungsgericht am 09.06.2015,Seite 12, führt sie aus, dass das zweite Mal, als sie sich bei ihren, Eltern aufgehalten hätte, wieder sechs Personen gekommen wären. Bei der Niederschrift am 16.02.2014, Aktenseite 75, führte hingegen aus, dass nur ein Mann und zur Unterstützung ein Polizist gekommen sei. Auf Vorhalt am 09.06.2015, Seite 13 der Niederschrift vor dem Bundesverwaltungsgericht, führt sie dagegen aus, nicht zu glauben, das gesagt zu haben. Es war ihr auch nicht möglich anzugeben, wie viel Zeit zwischen den zwei Besuchen gelegen sei.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Erstbefragung und die weitere Einvernahme durch die belangte Behörde im zeitlich kurzen Abstand stattgefunden haben, so dass aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung davon ausgegangen werden kann, dass die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall grundsätzlich in der Lage sein müsste, umfassende und inhaltlich übereinstimmende Angaben zu den konkreten Umständen und dem Grund der Ausreise aus dem Herkunftsstaat zu machen, zumal eine Person, die aus Furcht vor Verfolgung ihren Herkunftsstaat verlassen hat, gerade in ihrer ersten Einvernahme auf konkrete Befragung zu ihrer Flucht die ihr gebotene Möglichkeit wohl kaum ungenützt lassen wird, die Umstände und Gründe ihrer Flucht in umfassender und in sich konsistente Weise darzulegen, um dem beantragten Schutz vor Verfolgung möglichst rasch erhalten zu können. Auch entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass eine mit Vernunft begabte Person, die behauptet, aus Furcht vor Verfolgung aus ihrem Herkunftsstaat geflüchtet zu sein, über wesentliche Ereignisse im Zusammenhang mit ihrer Flucht, die sich im Bewusstsein dieser Person einprägen, selbst nach einem längeren Zeitraum noch ausreichend konkrete, widerspruchsfreie und nachvollziehbare Angaben machen kann.

Aus einer Gesamtschau der oben angeführten Angaben der Erstbeschwerdeführerin im gesamten Verfahren ergibt sich jedoch, dass sie im Verfahren trotz der zahlreichen Gelegenheiten nicht im Stande war, eine im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bestehende Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen. Gleiches gilt für die Zweitbeschwerdeführerin, die keine eigenen Fluchtgründe hat, sondern für die die gleichen wie für die Erstbeschwerdeführerin gelten.

Es konnte weder eine konkret gegen die Person der Erst- und Zweitbeschwerdeführerin gerichtete asylrelevante Verfolgung festgestellt werden, noch sind im Verfahren sonst Anhaltspunkte hervorgekommen, die eine mögliche Verfolgung im Herkunftsstaat für wahrscheinlich erscheinen lassen hätten.

In diesem Zusammenhang ist noch auszuführen, dass auch dem Gatten der Erstbeschwerdeführerin mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 29.08.2011, GZ: C14 419.877-1/2011/8E, bezüglich seiner Fluchtgründe die Glaubwürdigkeit versagt und die von ihm erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen wurde.

Zusammengefasst spricht es gegen die Glaubwürdigkeit des Vorbringens, wenn die Aussagen der Beschwerdeführerin unnachvollziehbar, widersprüchlich und unplausibel sind bzw. die Erstbeschwerdeführerin zu wesentlichen Punkten keine konkreten Angaben machen kann. Die Erstbeschwerdeführerin erweckte dadurch den Eindruck, nicht über ein tatsächlich selbst erlebt das Geschehen berichtet zu haben, zumal sie diesfalls in der Lage wäre, detaillierte und genaue Angaben zu machen. Sie hat auch nicht dargelegt, warum sie dazu nicht in der Lage sein sollte.

In Zusammenfassung der dargelegten Erwägungen und der umfassenden, nicht weiter zu bemängelten Beweiswürdigung der belangten Behörde war daher von der fehlenden Asylrelevanz des Vorbringens der Beschwerdeführerin zu behaupteten Furcht vor Verfolgung im Herkunftsstaat auszugehen. Vielmehr ist anzunehmen, dass die Erstbeschwerdeführerin ihren Herkunftsstaat wegen ihrer zum damaligen Zeitpunkt bestehenden persönlichen Situation (der Gatte befand sich bereits in Österreich) sowie in der Absicht, im Ausland bessere Lebensbedingungen anzutreffen, verlassen hat.“

[…]

Selbst wenn man vom Vorbringen der BF1 ausgehe, sei es möglich, etwaigen Repressionen durch die Inanspruchnahme einer Innerstaatlichen Fluchtalternative (IFA) auszuweichen. Eine IFA sei den BF auch zumutbar. Die BF1 sei in Indien aufgewachsen, habe eine gute Schulbildung, sei gesund, arbeitsfähig und verfüge in Indien über Familienangehörige. Der BF1 sei es zumutbar, den notwendigen Unterhalt für sich und die BF2 zu sichern, weshalb die BF1 und die BF2 bei einer Rückkehr nicht in eine lebensbedrohliche Notlage geraten werden. Zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung wurde ausgeführt, dass der Ehegatte der BF1 im selben Umfang von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme betroffen sei und auch hinsichtlich des Bruders keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen einer ausreichenden Beziehungsintensität vorliegen würden, weshalb kein Eingriff in das Familienleben vorliege. Die beiden BF würden sich erst seit 1,5 Jahren in Österreich aufhalten. Bei der BF2 könnten aufgrund ihres jungen Alters von acht Monaten keine integrationsrelevanten Aspekte und keine Bindung zu Österreich festgestellt werden. Die BF1 spreche kein Deutsch, sei nicht selbsterhaltungsfähig und nicht legal erwerbstätig gewesen, weshalb insgesamt keine hinreichende Integration festgestellt werden konnte und die Erlassung einer Rückkehrentscheidung zulässig sei.

1.9. Am 29.02.2016 beantragte der Ehegatte der BF1 für sich selbst, für die BF1 und die BF2 jeweils die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005. Im diesbezüglichen Verfahren wurden ua. eine Geburtsurkunde der BF1, eine Heiratsurkunde sowie ein ÖSD-Zertifikat für das Niveau A2 betreffend die BF1 in Vorlage gebracht.

1.10. Am XXXX wurde der BF3 im Bundesgebiet geboren. Für diesen wurde am 11.09.2018 ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 gestellt.

1.11. Mit Mandatsbescheiden des BFA vom 06.09.2018 wurde gegen die BF eine Wohnsitzauflage gemäß § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG erlassen. Gegen diese Mandatsbescheide wurde jeweils eine Vorstellung erhoben.

1.12. Mit Bescheiden des BFA, jeweils vom 11.10.2018, wurden die Anträge der BF1-BF3 sowie jener des Gatten der BF1 auf Mängelheilung vom 12.09.2018 gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 und Z 3 AsylG-DV iVm § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG-DV abgewiesen (Spruchpunkte I.) und die Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 55 Abs. 2 AsylG 2005 gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 zurückgewiesen (Spruchpunkte II.). Unter einem erließ das BFA gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 3 FPG (Spruchpunkte III.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung jeweils gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkte IV.) und gewährte jeweils gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkte V.). Gegen diese Bescheide brachten die BF1-BF3 sowie der Gatte der BF1 jeweils fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde ein.

1.13. Mit Mandatsbescheiden des BFA vom 15.11.2018 wurde den BF gemäß § 57 Abs. 1 VBG iVm § 57 Abs. 1 AVG aufgetragen bis zu ihrer Ausreise durchgängig Unterkunft in einer bestimmten Betreuungseinrichtung zu nehmen. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diese Bescheide wurde ausgeschlossen. Gegen diese Mandatsbescheide wurden fristgerecht Beschwerden erhoben.

1.14. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.12.2018, Zlen.: W222 2104560-3/3E (BF1), W222 1419877-4/3E (Gatte der BF1), W222 2104558-3/3E (BF2) und W222 2209892-2/3E, wurde den Beschwerden gegen die Mandatsbescheide vom 15.11.2018 Folge gegeben und die angefochtenen Bescheide ersatzlos behoben. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

1.15. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.02.2019, Zlen.: W222 1419877-3/2E (Gatte der BF1), W222 2104560-2/2E (BF1), W222 2104558-2/2E (BF2) und W222 2209892-1/2E (BF3), wurden die Beschwerden gegen die Bescheide des BFA vom 11.10.2018 jeweils gemäß §§ 4 Abs. 1 und 8 Abs. 1 AsylG-DV, §§ 10 Abs. 3, 55, 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, §§ 46, 52 Abs. 3 und Abs. 9, 55 Abs. 1 bis Abs. 3 FPG als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

Begründend wurde ausgeführt, dass keine gültigen Reisedokumente vorgelegt worden seien und sei auch nicht nachweislich darlegen worden, dass die Erlangung von Reisedokumenten unmöglich oder unzumutbar wäre. Es seien auch keine Bestätigungen über eine Kontaktaufnahme mit der indischen Botschaft vorgelegt worden, obwohl die Einholung einer solchen Bestätigung bei der indischen Botschaft in Wien leicht möglich und zumutbar gewesen sei. Zur Erlassung von Rückkehrentscheidungen wurde ausgeführt, dass die BF als Kernfamilie im selben Umfang von aufenthaltsbeendenen Maßnahmen betroffen seien, weswegen kein Eingriff in das Recht auf Achtung des Familienliebens vorliege. Zum Bruder der BF1 könne kein besonderes Naheverhältnis oder Abhängigkeitsverhältnis erkannt werden, weshalb nicht von einem Familienleben auszugehen sei. Die BF1 halte sich seit rund fünf Jahren in Österreich auf, habe jedoch die seit dem rechtskräftig negativen Ausgang des Asylverfahrens im Juli 2015 bestehende Ausreiseverpflichtung missachtet und sei ihr Aufenthalt sohin zum überwiegenden Teil unrechtmäßig gewesen. Die BF1 habe zwar Deutschprüfungen für die Niveaus A1 und A2 absolviert und verfüge über einen am 18.12.2016 abgeschlossenen Arbeitsvorvertrag, sie beziehe jedoch seit August 2014 durchgehend Leistungen im Rahmen der Grundversorgung, gehe keiner regelmäßigen Erwerbstätigkeit nach und stamme die Arbeitsplatzzusage aus dem Jahr 2016, weswegen dieser keine wesentliche Bedeutung zukomme. Wie sich aus den einigen wenigen Unterstützungsschreiben erschließen lasse, hätten die BF zwar einige Freundschaften knüpfen können, die BF1 sei aber keiner ehrenamtlichen Tätigkeit nachgegangen und engagiere sich auch nicht in Vereinen. Da die BF1 den überwiegenden und prägenden Teil ihres Lebens in Indien verbracht habe, dort sozialisiert worden sei und zur Schule gegangen sei, sei davon auszugehen, dass nach wie vor Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen, zumal dort auch noch familiäre Anknüpfungspunkte vorhanden seien. Die BF2 und der BF3 seien zwar in Österreich geboren, abgesehen vom Kindergartenbesuch der BF2 und der laufenden logopädischen Therapie seien keine weiteren Anhaltspunkte für integrationsbegründende Umstände hervorgekommen. Die Interessen der minderjährigen Kinder würden sich hauptsächlich auf ihre Eltern, von deren Unterstützung die abhängig seien, beschränken und würden sich die BF2 und BF3 in einem mit einer hohen Anpassungs- und Lernfähigkeit verbundenen Alter befinden. Durch die gemeinsame Rückführung aller BF würden sich die privaten Interessen der Minderjährigen am Verbleib in Österreich wesentlich relativieren. Auch die Kinder würden in Indien über familiäre Anknüpfungspunkte verfügen, die ihnen bei ihrer sozialen Eingliederung unterstützend zur Seite stehen könnten. Unüberwindliche Schwierigkeiten oder unzumutbare Härten im Falle einer Rückkehr nach Indien seien daher nicht zu erblicken und sei die Erlassung von Rückkehrentscheidungen daher insgesamt zulässig.

2. Verfahren über den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz:

2.1. Am 03.12.2019 brachte die BF1 für sich und ihre beiden minderjährigen Kinder, die BF2 und den BF3 jeweils einen (weiteren) Antrag auf internationalen Schutz ein.

2.2. Am 04.12.2019 fand dazu eine Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt.

Dabei gab die BF1 an, sie sei in XXXX (Indien) geboren. Ihre Muttersprache sei Punjabi, sie spreche auch Hindi und gehöre der Volksgruppe der Lubana sowie der Religion des Sikhismus an. Sie habe im März oder April 2019 das letzte Mal finanzielle Unterstützung von der Caritas bekommen. Die Caritas habe ihr gesagt, sobald sie einen Asylantrag einbringe, werde sie wieder Geld bekommen. Seit der ersten negativen Asylentscheidung habe sie Österreich nicht verlassen.

Auf die Frage, was sich nun seit der Rechtskraft der letzten Asylentscheidung – in persönlicher Hinsicht und im Hinblick auf die Gefährdungslage im Herkunftsstaat – verändert habe, gab die BF1 an, sie habe nach dem negativen Asylbescheid in Österreich überhaupt keine Unterstützung bekommen. Sie und ihre Kinder seien nicht versichert gewesen. Sie und ihre Tochter hätten einen Reisepass gehabt. Die BF1 habe zu ihrem Mann gesagt, dass es besser sei, nach Indien zurückzukehren. Dieser habe vor kurzem erfahren, dass ihr Leben dort weiterhin in Gefahr sei und sie nicht nach Indien zurückkehren können. Sie hätten einen großen Streit gehabt, danach sei ihr Mann verschwunden. Er habe ihre Dokumente mitgenommen. Sie könne wegen ihrer alten Fluchtgründe nicht nach Indien zurück. Außerdem werde ihre Tochter hier in Österreich von den Ärzten behandelt. Diese könne Anweisungen nicht folgen und höre nicht zu. Dazu habe sie Unterlagen bei der Caritas und in Traiskirchen abgegeben. Zurzeit werde ihre Tochter nicht ärztlich behandelt, sie brauche aber eine Behandlung. Die BF2 und der BF3 würde keine eigenen Fluchtgründe haben.

Befragt, was sie bei einer Rückkehr in ihre Heimat befürchte, gab die BF1 an, sie könne jetzt ohne ihren Ehemann nicht zurück nach Indien. Eine alleinstehende Frau mit zwei Kindern habe dort kein Leben. Konkrete Hinweise, dass ihr bei einer Rückkehr unmenschliche Behandlung, Strafe oder die Todesstrafe drohe oder sie mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen habe, gebe es nicht. Ihr Ehemann sei seit ca. 2 Monaten verschwunden.

2.3. Am 04.02.2020 führte das BFA eine niederschriftliche Einvernahme der BF1 durch.

Zu ihren persönlichen Verhältnissen gab die BF1 ergänzend an, sie sei in XXXX geboren. Sie habe seit der Geburt ihres Sohnes hohen Blutdruck und nehme deshalb Medikamente ein. Sie könne keine Befunde besorgen, da ihre E-Card nicht funktioniere. Den Namen der Medikamente könne sie nicht angeben. Der BF1 wurde aufgetragen binnen einer Frist von einer Woche aktuelle ärztliche Befunde dazu vorzulegen.

Zu ihren Kindern befragt, gab die BF1 an, ihre Tochter sei fünf Jahre alt, spreche aber nicht. Sie werde diesbezüglich seit 2017 behandelt. Sie mache eine Therapie, wo ein Dolmetscher bestellt werde und gehe die BF1 auch mit. Dort werde gefragt, was die BF2 zu Hause mache, ob sie spreche, usw. Die BF2 werde in der Therapie beobachtet und werde notiert, wie die BF2 reagiere. Medikamente nehme die BF2 nicht ein. Zur Krankheit der BF2 habe sie bereits beim letzten Verfahren alle Befunde und Dokumente eingebracht, sie könne diese – wenn gewünscht – erneut einbringen. Auf die Frage, ob sich seit dem letzten Verfahren in Bezug auf den Gesundheitszustand der Tochter eine Änderung ergeben habe, gab die BF1 an, dass es sich ein wenig verbessert habe, die BF2 sage schon ein paar Wörter wie etwa „Hallo“. Neuere medizinische Befunde habe sie nicht, weil ihre E-Card nicht funktioniere. Nach Vorhalt, dass sie angebe mit ihrer Tochter in Therapie zu sein und dies daher so nicht stimmen könne, gab die BF1 an, dass die Therapie nicht fortgesetzt worden sei, weil die E-Card nicht funktioniert habe. Die Caritas habe ein Schreiben beim Arzt vorgelegt, wonach die Behandlung der BF2 so schnell wie möglich fortgesetzt werden solle.

Auf dem Einvernahmeprotokoll wurde vermerkt, dass die BF2 während der Verhandlung spreche, aber weder die BF1, noch die Dolmetscherin dazu in der Lage seien, die BF2 zu verstehen. Die BF1 gebe weiters an, dass die BF2 die Wörter nur nachspreche, sie diese aber nicht verstehe.

Zudem führte die BF1 aus, sie sei mit der BF2 am 01.07.2019 zum Psychologentermin gegangen, die Ärztin habe aber gesagt, dass sie die BF2 nicht behandeln könne, weil die E-Card nicht funktioniere. Die BF1 sei dann mehrmals zur Caritas gegangen, ihr sei vorgeschlagen worden nach Tirol zu gehen, dies habe sie aber nicht gewollt, weil die Behandlung in Wien begonnen worden sei und sich die BF2 an die Ärzte in Wien gewöhnt habe. Nach Vorhalt, ob ihr keine Behandlung lieber sei, führte die BF1 aus, die BF2 werde seit 1,5 Jahren in Wien behandelt und habe sie nicht gewusst, wie sie dorthin kommen solle. Nach weiterem Vorhalt, dass ihr dies wohl die Caritas erklärt hätte, gab die BF1 an, der Arzt habe der Caritas gesagt, die Behandlung der Tochter solle so schnell wie möglich fortgesetzt werden, weshalb die Caritas für sie einen Folgeantrag gestellt habe.

Anschließend wurde der BF1 zur Vorlage aktueller ärztlicher Befunde der BF2 eine Frist von einer Woche gewährt. Weiters bejahte die BF1, dass die Krankheit der BF2 schon vor der rechtskräftigen Entscheidung des Vorverfahrens bestanden habe und sich das Befinden der BF2 seither verbessert habe. Diese verstehe jetzt mehr. Sie wisse jetzt, dass sie ihre Mutter sei, früher habe sie nicht einmal den Vater gekannt und nicht gewusst, wo sie wohne.

Zum BF3 befragt, gab die BF1 an, dass es diesem derzeit gut gehe. Er sei einmal krank gewesen und habe im August letzten Jahres ins Spital müssen. Jetzt gehe es gut.

Ihr Bruder, XXXX , lebe nach wie vor in Österreich.

Zu ihrem Reisepass befragt, gab die BF1 wie folgt an:

[…]

F: Wo befindet sich Ihr Reisepass?

A: Mein Mann ist im Oktober mit unseren Reisepässen weggegangen, ich weiß nicht wohin er gegangen ist.

F: Warum ist er mit Ihrem Reisepass weggegangen?

A: Mein Mann hat mir gesagt, dass wir nach Indien nicht zurückkehren können, weil wir dort ermordet werden können. Als die Behandlung meiner Tochter nicht fortgesetzt werden konnte, machte ich mir große Sorgen und ging zur Caritas, weil ich zurück nach Indien wollte. Mein Mann ist strengstens dagegen. Er ist der Meinung, dass wir dort getötet werden.

F: Sie sind der Meinung, dass Sie nach Indien zurückkehren können?

A: Ich wollte zurückkehren mit meinen Kindern, damit meine Kinder in Indien behandelt werden können, aber mein Mann ist mit meinem Reisepass weggegangen.

F: Ihr Mann hat Ihnen den Reisepass weggenommen und ist einfach gegangen?

A: Ich habe mit ihm immer gestritten, weil ich nach Indien zurückkehren wollte, weil alle Entscheidungen negativ waren. Als wir schliefen ist mein Gatte mit seinen Sachen und mit unseren Dokumenten verschwunden. Seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört, sein Telefon ist abgeschaltet.

F: Wann war das?

A: Am 05.10.2019.

[…]

Weiters gab die BF1 an, es sei in Indien - vor ihrer Einreise ins österreichische Bundesgebiet - ein, zweimal zu einem Angriff gekommen und habe sie eine Anzeige erstattet.

Auf die Fragen, warum sie jetzt neuerlich einen Asylantrag stelle und was sich seit Rechtskraft konkret gegenüber dem bereits entschiedenen Verfahren (in persönlicher Hinsicht und im Hinblick auf die Gefährdungslage im Herkunftsstaat) verändert habe, gab die BF1 wie folgt an:

[…]

A: Wir haben einen Aufenthaltstitel in Österreich beantragt, der wurde neg. entschieden. Wir erhoben Beschwerde, aber die Entscheidung änderte sich nicht. Wir hatten kein Recht mehr in Österreich zu leben, da unser Asylverfahren rechtskräftig neg. war und wir keinen Aufenthaltstitel erhalten haben. Mittlerweile verschwand mein Gatte mit meinem Reisepass. Die Behandlung meiner Tochter wurde abgebrochen. Das sind die Gründe warum ich den Folgeantrag gestellt habe.

F: Sind das alle Ihre Folgeantragsgründe?

A: Ja. Ich möchte nicht nach Indien zurückkehren mit meinen zwei kleinen Kindern, ich habe Angst um ihr Leben. Ich möchte hier ein friedliches und gesundes Leben führen. Ich kann und möchte nicht nach Indien zurückkehren.

F: Was befürchten Sie konkret im Falle einer Rückkehr nach Indien?

A: Ich habe Angst um meine Tochter, wenn ich nach Indien zurückkehre. Wir könnten ermordet werden. Die Lage in Indien ist sehr schlecht. Meine Tochter könnte vergewaltigt werden und könnte mir das nicht einmal sagen. Ich als alleinstehende Mutter mit einer Tochter bin in Indien nicht sicher.

Aufforderung

Sie erstatten bloß ein abstraktes Vorbringen. Im Asylverfahren ist das Aufstellen von allgemeinen Behauptungen nicht ausreichend. Sie müssen Ihr Vorbringen glaubhaft machen. Glaubhaft können Sie Ihr Vorbringen nur machen, indem Sie in allen Einzelheiten von Vorfällen berichten. Machen Sie konkrete Angaben. Einerseits behaupten Sie nach Indien zurückkehren zu wollen, andererseits geben Sie an, dass Sie nicht nach Indien zurückkehren können, weil Sie befürchten Ihre Tochter würde vergewaltigt werden und könnte Ihnen das nicht einmal erzählen.

A: Ich wollte ja mit meinem Mann zurückkehren.

Vorhalt: Was würde das in Bezug auf die angeblich befürchtete Vergewaltigung Ihrer Tochter ändern. Ihre Tochter könnte eine vermeintliche Vergewaltigung wohl auch Ihrem Gatten nicht erzählen! Was sagen Sie dazu?

A: Mein Mann würde arbeiten gehen und ich könnte mich um meine Kinder gehen und ich könnte auf meine Kinder aufpassen. Wenn ich arbeiten gehe könnte ich nicht auf meine Kinder aufpassen.

[…]

Nach weiterer Befragung gab die BF1 an, sie habe 10 Jahre die Schule besucht und sei auf einer High-School gewesen, die Matura habe sie aber nicht abgeschlossen. Sie habe keine Berufsausbildung, ihr Gatte habe sie finanziert. Nach Vorhalt, dass der Gatte bereits in Österreich gewesen sei, gab die BF1 an, sie habe bei ihrer Mutter gelebt und habe diese sie finanziert. Zu Familienmitgliedern im Heimatland befragt, nannte die BF1 ihre Eltern. Zudem würden auch drei Tanten und drei Onkel mütterlicherseits sowie vier Tanten väterlicherseits und vier Onkel väterlicherseits in Indien leben. Diese hätten jeweils 2-3 Kinder.

Zu ihrem Gatten habe sie seit dem Verschwinden im Oktober 2019 keinen Kontakt gehabt, sie habe sehr oft angerufen, aber sein Telefon sei abgeschaltet. Sie wisse auch nicht, wo dieser aufhältig sei. Nach Vorhalt, dass sie in der Erstbefragung angegeben habe, dass ihr Mann verschwunden sei, dieser aber vor Kurzem erfahren habe, in Indien noch weiter verfolgt zu werden und befragt, wie dies möglich sei, wenn sie seit Oktober bzw. seit seinem Verschwinden keinen Kontakt mehr zum Gatten gehabt habe, gab die BF1 an, dies sei vor seinem Verschwinden gewesen. Da hätten sie täglich gestritten, weil sie nach Indien habe zurückkehren wollen. Ihr Mann sei am Ende sogar einverstanden gewesen. Aber genau da habe er die Nachricht bekommen, dass ihr Leben in Indien in Gefahr sei und sie dort jederzeit ermordet werden können.

Befragt, wovon ihre Familienangehörigen im Heimatland leben würden, gab die BF1 an, dass diese Grundstücke hätten, welche verpachtet werden würden. Davon würden sie leben. Ihre Schwiegereltern seien beide verstorben, ihr Mann habe aber fünf Schwestern. Die Frage, ob sie im Heimatland über Haus- oder Grundbesitz verfüge, bejahte die BF1 und gab sie an, es sei verpachtet, sie hätten kein Haus, nur ein kleines Zimmer. Dies sei schon immer so gewesen, sie hätten nur dieses kleine Zimmer gehabt, wo sie vor ihrer Ausreise mit dem Bruder und den Eltern gewohnt habe. Sie habe 1 oder 2 Mal pro Monat telefonischen Kontakt ins Heimatland.

Befragt, von wem der Gatte von der aktuellen Verfolgung in Indien erfahren habe, führte die BF1 aus, als sie gestritten hätten, habe er gesagt, dass er einen Anruf bekommen habe. Da sei ihm gesagt worden, dass sie nach wie vor bedroht werden würden. Er habe ihr aber nicht gesagt von wem. Auf die Frage, ob sie nicht nachgefragt, sondern dies einfach akzeptiert habe, gab die BF1 an, sie habe schon nachgefragt, er habe ihr aber keine Antwort gegeben. Nach Vorhalt, sie habe angegeben, dass der Gatte bis auf die Schwestern keine Familie mehr in Indien habe und befragt, wer ihm so etwas dann sagen würde, gab die BF1 an, sie wisse es nicht, aber sie befürchte, dass es ein Freund gewesen sei.

Nach weiterer Befragung gab die BF1 an, es sei nicht möglich, dass sie in einer anderen Stadt in Indien lebe und arbeite. Sie sei eine alleinerziehende Mutter und könne sich dann keiner um die Kinder kümmern. Auf die Frage, was sie bei einer Rückkehr nach Indien zu befürchten habe, führte die BF1 aus, sie würde ebenso von den Gegnern des Mannes bedroht werden und habe sie Angst von diesen getötet zu werden. Sie wisse nicht, wo die Schwestern ihres Mannes leben würden, sie hätten keinen Kontakt zu ihnen. Auf Nachfrage gab die BF1 an, sie meine damit, dass sie und ihre Kinder keinen Kontakt zu ihnen hätten. Als sie früher in Indien gewesen sei, hätten sie Kontakt gehabt, jetzt nicht mehr. Nach Vorhalt, dass sie dann wissen müsste, wo die Schwägerinnen leben, gab die BF1 an, dass diese früher in der Stadt Mukerian gelebt hätten. Ihre Tanten und Onkeln würden alle im Heimatdorf XXXX leben. Einige würden aber wo anders leben. Einige Kinder der Onkel und Tanten würden in Kanada studieren, alle anderen würden im Dorf leben. Die Frage, ob sie demzufolge mindestens 15-20 Verwandte im Dorf habe bejahte die BF1.

Das BFA hielt am Einvernahmeprotokoll fest, dass die BF1 die ihr auf Deutsch gestellten Fragen zur Integration in Österreich kaum verstehen bzw. kaum auf Deutsch beantworten habe können, sie nur wenig Deutsch spreche und eine Konversation au

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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