TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/19 W232 2183932-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.10.2021
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Entscheidungsdatum

19.10.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §15b
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55

Spruch


W232 2183932-3/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Simone BÖCKMANN-WINKLER über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geboren am XXXX , alias XXXX , StA. Kenia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.02.2020, Zl. 1104123601-190704883, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheids wird gemäß § 68 AVG als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte III., IV., V., VI. und VII. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 57 AsylG 2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005, § 52 Abs. 9 FPG 2005 iVm § 46 FPG 2005, § 55 Abs. 1a FPG 2005 und § 15b Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

III. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 1 iVm § 53 Abs. 2 Z 6 FPG 2005 auf zwei Jahre herabgesetzt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1. Vorverfahren:

1.1. Der Beschwerdeführer reiste im November 2015 mit einem Visum der österreichischen Botschaft Nairobi, das von 05.11.2015 bis 15.02.216 Gültigkeit hatte, in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 01.02.2016 erstmals in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Am 02.02.2016 fand die niederschriftliche Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass die Al Shabaab Anfang 2015 begonnen habe Moslems zu radikalisieren. Der Beschwerdeführer sei von Freunden angesprochen worden, warum er noch immer zur Kirche gehe und warum er sich nicht bekehren lasse. Er sei Christ und habe eine „Bekehrung“ abgelehnt. Eines Tages habe er seinen Esel mit durchgeschnittener Kehle vorgefunden. Auch sein Wasserbehälter sei durchlöchert gewesen. Der Beschwerdeführer habe den Vorfall einer Sicherheitsgruppe und der Polizei gemeldet, jedoch keine Hilfe erhalten. Die Situation habe sich dann verschärft. Anfang Mai 2015 sei der Beschwerdeführer am Heimweg von einer Al Shabaab Gruppe bedroht und geschlagen worden. Sie hätten ihm gesagt, dass dies nur eine Warnung sei und er die Stadt so schnell wie möglich verlassen solle.

1.3. Bei seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 29.11.2017 gab der Beschwerdeführer nach seinen Fluchtgründen befragt im Wesentlichen an, dass er wie alle Leute in seiner Gegend religiöse Probleme gehabt habe. Einige Leute seien zur Al Shabaab gegangen, weil dies zu dieser Zeit modern gewesen sei. Es habe auch Leute gegeben, die aufgrund dessen, dass der Beschwerdeführer kein Moslem gewesen sei, nicht mit ihm hätten zusammenarbeiten wollen. Der Beschwerdeführer sei aufgefordert worden, die Stadt zu verlassen, wenn er nicht konvertieren wolle. Eines Tages sei der Wasserkübel des Beschwerdeführers kaputt gemacht worden. Die Polizei habe ihm nicht geholfen. In der Nacht seien dann Männer zum Beschwerdeführer gekommen und hätten ihn geschlagen.

Nach einer Pause gab der Beschwerdeführer an, dass er falsche Angaben gemacht habe. Richtig sei, dass er in Nairobi einen Visumsantrag gestellt habe und auch in Nairobi geboren worden sei. Die Geschichte, die er zu seinen Fluchtgründen erzählt habe, würde nicht der Wahrheit entsprechen. Der Beschwerdeführer gab schließlich an, dass er Kenia verlassen habe, weil er einfach ein besseres Leben gewollt habe.

1.4. Mit Bescheid vom 18.12.2017, Zl. 1104123601/160165425, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Es erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Kenia zulässig sei (Spruchpunkt V.) Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.) und ein befristetes Einreiseverbot auf die Dauer von 5 Jahren erlasen (Spruchpunkt VII.).

1.5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Mit Erkenntnis vom 30.01.2018, W252 2183932-1/2E, wurde die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis VII. als unbegründet abgewiesen und der Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Einreiseverbots auf 12 Monate herabgesetzt wurde.

1.6. Am 14.01.2019 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung – Folgeantrag Asyl – vom selben Tag gab der Beschwerdeführer auf die Frage, was sich konkret seit der Rechtskraft des Erstverfahrens in persönlicher Hinsicht und im Hinblick auf die Gefährdungslage im Herkunftsstaat verändert habe, an:

„Die Bedrohung aus dem ersten Asylverfahren erhalte ich nach wie vor aufrecht. Ich fragte bei einer Organisation namens „The Family Organization for empowerment“ nach ob es für mich sicher wäre nach Hause zurückkehren zu können und erhielt am 09.01.2019 einen Brief, in welchem mir mitgeteilt wurde, dass es für mich nach wie vor nicht sicher wäre, da viele „Al Shabab-Anhänger“ immer noch frei wären.“

Als Rückkehrbefürchtung gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er um sein Leben fürchte, weil diese Menschen ihn persönlich kennen würden. Die jungen Jihadisten seien von allen Gruppen in Kenia rekrutiert. Es gebe keinen Teil des Landes, wo er sicher wäre.

1.7. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.01.2019, ZI 1104123601/190042848, wurde der Folgeantrag vom 14.01.2019 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkte I. und II.) sowie ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.).

1.8. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.03.2019, W205 2183932-2/2E, gemäß § 68 Abs. 1 AVG, § 57 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

2. Gegenständliches Verfahren:

2.1. Am 10.07.2019 stellte der Beschwerdeführer einen dritten Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung am 11.07.2019 – Folgeantrag Asyl – gab der Beschwerdeführer auf die Frage, was sich konkret seit der Rechtskraft des Zweitverfahrens in persönlicher Hinsicht und im Hinblick auf die Gefährdungslage im Herkunftsstaat verändert habe, an:

„Ich habe diese Gründe zuvor noch nicht genannt, da ich Angst um mein Leben hatte. Ich betrieb in meinem Heimatland einen Transporthandel. Eine Gruppe bot mir finanzielle Hilfe an. Ich nahm das Angebot an. Als mir diese Gruppe sagte, dass ich bestimmte Tätigkeiten durch meinen Transporthandel ausüben soll, verneinte ich dies. Ich habe im nach hinein erfahren, dass es sich um eine terroristische Organisation namens „Arshabab“ handelt. Da ich die Tätigkeiten ablehnte, wurde ich mit dem Tod bedroht. Bevor ich zu meiner letzten Einvernahme in Traiskirchen, wurde ich zu einem Psychologen geschickt. Ich wurde dort befragt. Ich habe dort über meine Ängste gesprochen. Der Arzt sagte mir, dass ich Depressionen habe. Das wusste ich zuvor nicht. Der Arzt gab mir auch Hinweise wie ich damit umgehen soll. Er gab mir auch einige Tipps wie ich mit meinem Ängsten umgehen soll, aber ich konnte es nicht ganz umsetzen. Diese Fluchtgründe waren mir schon vorher bekannt. Ich hatte nur große Angst sie zu nennen, weil ich dachte ich würde alle in meiner Umgebung in Gefahr bringen. Das ist alles.“

Als Rückkehrbefürchtung brachte der Beschwerdeführer vor, dass er Angst um sein Leben habe, die terroristische Gruppe „Arshabab“ sei überall in seinem Land und könne ihn überall finden.

2.2. Bei seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 29.07.2019 brachte der Beschwerdeführer zunächst vor, dass er in der Vergangenheit an Depressionen gelitten habe und noch in medizinischer Behandlung sei. Zu seinen Gründen für die Antragstellung gab er im Wesentlichen an, dass er in Kenia in einem Geschäft gearbeitet habe, das von einer bestimmten Gruppe finanziert worden sei. Diese Gruppe habe ihn dazu verleiten wollen, Jugendliche nach Somalia zu bringen, damit sich diese der Al Shabaab anschließen.

2.3. Am 06.12.2019 fand eine weitere Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt. Dabei brachte der Beschwerdeführer zunächst vor, dass er noch in medizinischer Behandlung sei und die entsprechenden Befunde einbringen werden. Befragt darüber was sich seit den letzten beiden rechtskräftig abgewiesenen Verfahren an seiner Situation geändert habe, brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass einige junge Männer, die für ihn gearbeitet hätten, der Gruppe Al Shabaab beigetreten seien. Auch der Beschwerdeführer sei aufgefordert worden der Gruppe beizutreten, habe jedoch aufgrund seines christlichen Glaubens abgelehnt. Nun sei er in deren Augen ein Verräter und würde im Falle einer Rückkehr getötet werden. Befragt darüber welche konkreten neue Fluchtgründe er nun habe, gab der Beschwerdeführer an: „Meine neuen Gründe sind folgende. Die Situation wäre noch immer gefährlich für mich wenn ich zurückkehren müsste.“ Ergänzend brachte der Beschwerdeführer am Ende der Einvernahme zusammengefasst weiter vor, dass er der Al Shabaab ungefähr 80.000 kenianische Schilling schulde. Das Geld hätte ursprünglich ratenweise zurückgezahlt werden sollen, doch als er sich geweigert habe der Gruppe beizutreten, hätten sie das gesamte Geld zurückverlangt.

2.4. Mit nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.02.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 10.07.2019 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkte I. und II.) sowie ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Kenia zulässig sei (Spruchpunkt V.) und dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 15b Absatz 1 Asylgesetz 2005 wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen von 11.07.2019 bis 06.12.2019 in folgendem Quartier Unterkunft zu nehmen: BS Ost Otto Glöckel-Straße 24-26 2514 Traiskirchen (Spruchpunkt VII.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 und iVm Abs. 2 Z 6 FPG, wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.).

Zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zusammengefasst fest, dass schwere psychische Störungen und schwere oder ansteckende Krankheiten hätten nicht festgestellt werden können, daher sei die Überstellung nach Kenia zulässig. Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer nicht derart erkrankt sei, dass die Überstellung nach Kenia unzulässig wäre. Aus den Länderberichten gehe hervor, dass die medizinische Versorgung in Kenia - wenn auch nicht kostenlos - gewährleistet sei und nach aktueller Rechtsprechung im Allgemeinen kein Fremder ein Recht habe, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden. Betreffend die Spruchpunkte I. und II. wurde im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass weder im Hinblick auf die persönliche Situation des Beschwerdeführers noch im Hinblick auf die allgemeine Lage in seinem Heimatland, neuen Sachverhaltsaspekte hervorgekommen seien. Bereits im Erstverfahren sei festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer nicht von Mitgliedern der Al Shabaab konkret und individuell mit der Ausübung von psychischer und/oder physischer Gewalt bedroht worden sei. Der Beschwerdeführer habe im gegenständlichen Verfahren vielmehr die ursprüngliche Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und sich auf diese bezogen, weshalb kein wesentlich geänderter Sachverhalt gemäß § 68 Abs. 1 AVG vorliege. Des Weiteren wurde ausgeführt, dass eine Integrationsverfestigung im Bundesgebiet nicht festgestellt habe werden können und dass der Beschwerdeführer – abgesehen von einer Stiefschwester, von der er nicht abhängig sei – keine Familienangehörigen im Bundesgebiet habe. Die Anordnung zur Unterkunftnahme liege im öffentlichen Interesse und sei aus Gründen der zügigen Bearbeitung und wirksamen Überwachung des Antrags geboten, da der Beschwerdeführer bereits im Erstverfahren der Frist zur freiwilligen Ausreise nicht nachgekommen sei. Zum Einreiseverbot wurde darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer mehrmalig seiner Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen sei und seinen Unterhalt nicht aus Eigenem bestreiten könne.

2.5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Situation im Herkunftsland des Beschwerdeführers aufgrund der Al Shabaab Miliz wesentlich verschlechtert habe. Der Beschwerdeführer habe Probleme mit den Al Shabaab, weil er sich geweigert habe ihnen beizutreten und weil er ihnen Geld schulde. Dies habe er schon Mitte 2014 gewusst, jedoch habe er es erst nach einem psychologischen Gespräch mit einem Arzt in Traiskirchen gewagt, seine Fluchtgründe umfassend zu schildern. Das Bundesamt habe sich nicht ausreichend mit den neu vorgebrachten Problemen und den Länderberichten befasst. Da der Beschwerdeführer unbescholten sei und lediglich von seinem Recht, einen Folgeantrag zu stellen, Gebrauch gemacht habe, sei ein Einreiseverbot ungerechtfertigt. Abschließend wurde die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt.

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, das Zentrale Fremdenregister und Strafregister werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.       Feststellungen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers, den bisherigen Verfahren und den Gründen für die neue Asylantragstellung:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Seine Identität steht fest. Er ist volljährig und ledig. Er ist kenianischer Staatsangehöriger und gehört der Religion der Pentcost Church an.

Die Eltern und ein Bruder des Beschwerdeführers leben noch in Kenia. Der Beschwerdeführer hat Kontakt zu seiner Familie.

Der Beschwerdeführer verfügt weder über Verwandte noch über sonstige enge soziale Bindungen in Österreich. Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer an keinen schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankungen leidet, die einer Rückführung in den Herkunftsstaat entgegensteht. Dem Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr nach Kenia kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen. Bei einer Rückkehr nach Kenia und einer Ansiedelung in der Stadt Nairobi kann der Beschwerdeführer jedoch grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen.

Trotz zwei rechtskräftigen Entscheidungen, welche dem Beschwerdeführer die Verpflichtung auferlegten, das Bundesgebiet zu verlassen und nach Kenia zurückzukehren, verblieb dieser in Österreich und stellte am 10.07.2019 den gegenständigen (dritten) Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer machte seit Rechtskraft seines Erstverfahrens kein neues entscheidungsrelevantes individuelles Vorbringen im gegenständlichen Verfahren geltend. Eine maßgebliche Änderung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat seit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens über den ersten Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers kann ebensowenig festgestellt werden, wie eine maßgebliche Änderung der vom Beschwerdeführer bereits im Erstverfahren vorgebrachten Fluchtgründe.

1.2. Hinsichtlich der aktuellen Lage in Kenia wird auf die im gegenständlich angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl getroffenen Länderfeststellungen verwiesen, die wie folgt wiedergegeben werden:

Politische Lage

Kenia ist gemäß Verfassung von 2010 eine Präsidialrepublik. Der Staatspräsident verfügt über weitreichende Exekutivvollmachten. Ihm unterstehen sowohl die Regierung als auch die Streitkräfte (AA 1.2017a). Allerdings wurde die Macht des Präsidenten mit der neuen Verfassung eingeschränkt und die Legislative gestärkt (BS 2018; vgl. GIZ 6.2017a). Durch die Bildung von Blöcken und die Polarisierung der Politik konnte sich die Regierung aber substanzielle Kontrolle erhalten (BS 2018). Kenia ist eine Mehrparteiendemokratie mit regelmäßig abgehaltenen Wahlen. Die politischen Rechte und bürgerlichen Freiheiten werden aber durch die umfassende Korruption und die Brutalität der Sicherheitskräfte schwer unterminiert (FH 2018).

Die Verfassung von 2010 sieht auch eine umfassende Dezentralisierung des Landes vor (GIZ 6.2017a). Seit den allgemeinen Wahlen vom 4.3.2013 ist Kenia ein dezentral aufgebautes und verwaltetes Land, das in 47 Counties gegliedert ist. Neben dem Präsidenten und Vizepräsidenten wurden erstmals Gouverneure und Parlamente auf dieser Ebene gewählt (AA 1.2017a; vgl. BS 2018). Die Counties entsenden jeweils einen Vertreter in den neu geschaffenen Senat, welcher die zweite Kammer des Parlaments darstellt (GIZ 6.2017a). Diese Transformation eines hochgradig zentralisierten Staates in eine dezentralisierte Verwaltungsform ist weltweit eines der ambitioniertesten Projekte seiner Art. Signifikante Exekutiv- und Steuerrechte werden den Counties übertragen. Bis auf die Bereiche Sicherheit und Bildung wurde die Verantwortung vom Zentralstaat an die Counties übertragen. Die Dezentralisierung genießt große Popularität in der Bevölkerung (BS 2018), diese erhält derart mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten (GIZ 6.2017a).

Generell ist die politische Lage stabil. Die Zahl der Kenianer, welche ihr Land als vollwertige Demokratie sehen, hat sich von 47 Prozent im Jahr 2012 auf 31,5 Prozent im Jahr 2015 verringert (BS 2018).

Bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen am 8.8.2017 standen sich die Jubilee-Partei des amtierenden Staatspräsidenten Uhuru Muigai Kenyatta und das oppositionelle Parteienbündnis National Super Alliance (NASA) des ehemaligen Regierungschefs Raila Odinga gegenüber (AI 23.5.2018). Am 11.8.2017 hatte die unabhängige Wahlkommission (IEBC) den Kandidaten der Jubilee Coalition Party, Uhuru Kenyatta, zum Sieger der Präsidentenwahl erklärt und seine Wiederwahl bestätigt. Der Oppositionskandidat Raila Odinga focht die Wahl vor Gericht an, und der Oberste Gerichtshof hat die Wahl am 1.9.2017 auch tatsächlich aufgrund von Unregelmäßigkeiten bei der Übertragung von Ergebnissen der einzelnen Wahllokale annulliert. Das Gericht setzte eine Neuwahl für 26.10.2017 an. Odinga zog sich am 10.10.2017 von der Wahl zurück und rief zum Boykott der Wahl auf. Kenyatta gewann die Neuwahl, die Resultate wurden am 20.11.2017 vom Obersten Gerichtshof bestätigt (USDOS 20.4.2018; vgl. EDA 25.6.2018, AI 23.5.2018, FH 2018). Demnach gewann Präsident Kenyatta die Wahl mit 98 Prozent der abgegebenen Stimmen, die Wahlbeteiligung lag unter 40 Prozent. Im August 2017 war sie mehr als doppelt so hoch gewesen (AI 23.5.2018; vgl. FH 2018). Raila Odinga rief am 31.10.2017 zu einer „nationalen Widerstandsbewegung“ und zur Bildung einer „Volksversammlung“ auf, die zivilgesellschaftliche Gruppen vereinen solle, um die „Demokratie wiederherzustellen“ (AI 23.5.2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (1.2017a): Kenia – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kenia-node/-/208078, Zugriff 25.6.2018

-        AI - Amnesty International (23.5.2018): Amnesty International Report 2017/18 – Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Kenia, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/kenia, Zugriff 16.7.2018

-        BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Kenya, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kenya.pdf, Zugriff 16.7.2018

-        EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (25.6.2018): Reisehinweise für Kenia, https://www.eda.admin.ch/content/eda/de/home/laender-reise-information/kenia/reisehinweise-kenia.html, Zugriff 25.6.2018

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2017a): Kenia – Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/kenia/geschichte-staat/, Zugriff 25.6.2018

-        USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430126.html, Zugriff 25.6.2018

Sicherheitslage

Nach wie vor ist die Kriminalität in Kenia Besorgnis erregend hoch, belastbares statistisches Material hierzu ist aber kaum zu bekommen (GIZ 6.2017d). Außerdem besteht weiterhin die Gefahr terroristischer Anschläge. Es gibt Drohungen der somalischen Terrororganisation al Shabaab mit Vergeltungsaktionen als Reaktion auf die Beteiligung der kenianischen Streitkräfte an der AMISOM-Mission in Somalia. Mehrere Anschläge haben in der Vergangenheit auch schon stattgefunden oder sind vereitelt worden (AA 25.6.2018; vgl. BMEIA 25.6.2018, EDA 25.6.2018).

Auch die politischen Spannungen bleiben hoch. Es muss weiterhin mit politisch bedingten Demonstrationen und Gewalttaten gerechnet werden (EDA 25.6.2018). Demonstrationen aus politischen oder sozialen Gründen können unvorhersehbar eskalieren (AA 25.6.2018). Lokal begrenzte Unruhen und Gewaltausbrüche sind möglich, vor allem nach Gewalttaten, die religiös motiviert sind oder als solche wahrgenommen werden. Auch politisch und wirtschaftlich motivierte Zusammenstöße zwischen ethnischen Gruppen haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Todesopfer gefordert. Diese finden jedoch hauptsächlich in abgelegenen Gebieten statt. Im Grenzgebiet zu Äthiopien kommt es ebenfalls zu vereinzelten Kampfhandlungen (EDA 25.6.2018).

Das deutsche Auswärtige Amt rät von Reisen in das Grenzgebiet (80km-Streifen) zu Somalia sowie in den Festlandbereich von Lamu ab (AA 25.6.2018). Das österreichische Außenministerium gibt eine Reisewarnung für das Grenzgebiet zu Somalia. Außerdem warnt es vor Reisen in die Provinzen Mandera, Wajir und Garissa. Abgeraten wird von Reisen in die nördliche Küstenprovinz (v.a. Lamu). Zu Vorsicht wird insbesondere für Mombasa sowie die Counties Kwale und Kilifi, wo in der Vergangenheit politisch und religiös bedingte Krawalle und Unruhen stattfanden, geraten. Aufgrund der verstärkten Präsenz der kenianischen Sicherheitskräfte in den genannten Gebieten hat sich die Sicherheitslage in den vergangenen Monaten allerdings etwas gebessert (BMEIA 25.6.2018). Ähnliche Informationen liefert auch das schweizerische Außenministerium (EDA 25.6.2018).

Al Shabaab führt gegen vereinzelte Gemeinden an der Grenze zu Somalia Guerilla-Angriffe durch, bei welchen sowohl Sicherheitskräfte als auch Zivilisten zum Ziel werden (USDOS 20.4.2018). Die Grenzen zu Somalia, Äthiopien und dem Sudan sind porös, und es kommt zur Proliferation von Kleinwaffen und zum Einsickern von Kämpfern der al Shabaab. Auch lokale Milizen haben die Defizite der staatlichen Sicherheitskräfte ausgenutzt. Dies betraf in der Vergangenheit die mittlerweile zersplitterte und größtenteils ausgelöschte Mungiki-Sekte und betrifft heute kleinere Gruppen in den Slums von Nairobi und Kisumu. Dort ersetzen die Milizen de facto die Polizei und regieren mit Gewalt. In ländlichen Gebieten ist die Polizei nicht in der Lage, das bewaffnete Banditentum in den Griff zu bekommen. Und auch dort – speziell in der ehemaligen Central Province und im Rift Valley – treiben Gangs und Milizen ihr Unwesen. Sie agieren semi-autonom und werden in Wahlzeiten von Politikern angeworben (BS 2018).

Regelmäßig zu gewaltsamen Zusammenstößen kommt es bei Ressourcenkonflikten in den Bereichen Tana River, Laikipia und Samburu – z.B. zwischen Pokot und Turkana (BS 2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (25.6.2018): Kenia – Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/keniasicherheit/208058, Zugriff 25.6.2018

-        BMEIA - Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (25.6.2018): Reiseinformationen – Kenia, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/kenia/, Zugriff 25.6.2018

-        BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Kenya, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kenya.pdf, Zugriff 16.7.2018

-        EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (25.6.2018): Reisehinweise für Kenia, https://www.eda.admin.ch/content/eda/de/home/laender-reise-information/kenia/reisehinweise-kenia.html, Zugriff 25.6.2018

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2017d): Kenia – Alltag, https://www.liportal.de/kenia/alltag/, Zugriff 25.6.2018

-        USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430126.html, Zugriff 25.6.2018

Rechtsschutz/Justizwesen

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor (USDOS 20.4.2018) und diese wird auch generell als unabhängig erachtet (FH 2018).

Das Rechtssystem Kenias ist an das britische angelehnt. Schon in der Kolonialzeit wurden jedoch vor allem im Zivilrecht auch traditionelle Rechtssysteme angewandt. Die Rechtsquellen des sogenannten Customary Law basieren auf afrikanischen Traditionen (mit großem Spielraum für Interpretationen) oder in den islamisch geprägten Gemeinden an der Küste auf dem islamischen Recht (GIZ 6.2017a). Das kenianische Gerichtswesen gliedert sich in Magistrates Courts, High Courts, Court of Appeal und den neu geschaffenen Supreme Court (AA 1.2017a). Daneben sprechen Kadi-Gerichte Recht in Erb- und Familienrechtsangelegenheiten muslimischer Kenianer nach islamischem Recht (AA 1.2017a; vgl. USDOS 15.8.2017) – etwa bei Heiraten, Scheidungen oder Erbschaften (BS 2018). Gegen ein Urteil eines Kadi-Gerichts kann vor einem formellen Gericht berufen werden (USDOS 15.8.2017). Daneben gibt es keine anderen traditionellen Gerichte. Die nationalen Gerichte nutzen das traditionelle Recht einer Volksgruppe aber als Leitfaden für persönliche Angelegenheiten, solange dieses Recht nicht im Widerspruch zum formellen Recht steht (USDOS 20.4.2018).

Generell besteht die Möglichkeit einer Berufung vor einem High Court, in weiterer Folge beim Berufungsgericht und in einigen Fällen auch beim Obersten Gericht (USDOS 20.4.2018).

Das Gesetz sieht ein faires öffentliches Verfahren vor, dieses Recht wird generell auch in der Praxis gewährt. Außerdem gilt die Unschuldsvermutung, das Recht auf die Mitteilung der Anklagepunkte, auf Zeugenstellung und Zeugeneinvernahme durch die Verteidigung und auf einen Rechtsbeistand. Diese Rechte werden generell respektiert. Viele Angeklagte können sich aber keinen Rechtsbeistand leisten. Im Jahr 2016 wurde das National Legal Aid Service geschaffen, um Verteidiger kostenfrei zur Verfügung stellen zu können. Kostenlose Verteidiger gibt es bisher v.a. in Nairobi und anderen größeren Städten (USDOS 20.4.2018).

Die Arbeitsweise der Justiz ist ineffizient (FH 2018). Die mangelnde Rechtssicherheit und mangelnde Rechtsstaatlichkeit ist von langen Gerichtsverfahren, einer generell überlasteten Justiz, korrupten Richtern und einem Chaos bei Landbesitztiteln gekennzeichnet (GIZ 6.2017a). Unprofessionelle Ermittlungen und Korruption unterminieren die Strafverfolgung. Die durchschnittliche Verurteilungsrate bei Strafverfahren liegt bei 13-16 Prozent. Schuld daran sind auch die Einschüchterung von Zeugen und die Angst vor Racheakten. Es wird berichtet, dass Bestechlichkeit, Erpressung und politische Überlegungen den Ausgang von Zivilverfahren beeinflussen (USDOS 20.4.2018). Andererseits demonstriert die Strafjustiz Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Integrität (USDOS 20.4.2018; vgl. BS 2018). Trotz der weitverbreiteten Meinung, wonach die Justiz korrupt ist, gibt es keine glaubhaften Vorbringen oder Untersuchungen hinsichtlich einer signifikanten Korruption bei Richtern, Staatsanwälten oder Verteidigern (USDOS 20.4.2018). Die Justiz ist weiterhin in der Lage, die Tätigkeit der Regierung zu kontrollieren und hat auch einige Urteile gegen die Exekutive gefällt, um unterschiedliche Rechte – wie etwa das Versammlungsrecht – zu verteidigen. Allerdings hat die Justiz aufgrund einiger Korruptionsfälle an öffentlicher Glaubwürdigkeit verloren (BS 2018). Das Parlament ignoriert außerdem manchmal richterliche Entscheidungen. Die Behörden hingegen respektieren im Allgemeinen Gerichtsbeschlüsse, und die Ergebnisse der Prozesse scheinen nicht vorbestimmt zu sein (USDOS 20.4.2018).

Der Oberste Staatsrichter Willy Mutunga, ein ehemaliger Dissident und Menschenrechtler (GIZ 6.2017a) wurde gegen David Maraga ausgetauscht. Dieser verfügt nicht über die moralische Autorität, wie sein Vorgänger (BS 2018).

Früher galt die Justiz als eine der korruptesten und am wenigsten vertrauenswürdigen Institutionen Kenias. Durch die Justizreform unter Chief Justice Mutunga hat hier eine bemerkenswerte Korrektur stattgefunden (BS 2018). Die Justizreform wird auch weiterhin fortgesetzt, wenn auch mit geringerem Tempo (BS 2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Das Office of the Director of Public Prosecution (ODPP) hat die Zahl der Staatsanwälte von 200 im Jahr 2013 auf 627 im Jahr 2017 mehr als verdreifacht. Damit ging auch eine Beschleunigung der Verfahren einher (USDOS 20.4.2018). Der Rückstau wurde substanziell reduziert (BS 2018; vgl. USDOS 20.4.2018), auch wenn immer noch viele Fälle anhängig sind (FH 2018). Seit Mai 2016 läuft ein Programm der Justiz, um die Rechtsprechung effizienter und leistbarer zu machen (USDOS 20.4.2018). Die Justiz ist für Bürger nach der Schaffung neuer Gerichte besser zugänglich. Zusätzlich erfolgte der Aufbau von Ausbildungsstrukturen. Richter und Amtsmänner wurden überprüft und bewertet, zahlreiche davon entlassen (BS 2018).

Generell verfügt der kenianische Staat über das Gewaltmonopol, dies wird aber nicht immer und in vollem Umfang in allen Landesteilen durchgesetzt. Vor allem in den ariden und semi-ariden Gebieten im Norden und Nordosten sind Fähigkeit und Willen zur Durchsetzung der Rechtstaatlichkeit minimal (BS 2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (1.2017a): Kenia – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kenia-node/-/208078, Zugriff 25.6.2018

-        BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Kenya, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kenya.pdf, Zugriff 16.7.2018

-        FH - Freedom House (2018): Freedom in the World 2018 - Kenya, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/kenya, Zugriff 16.7.2018

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2017a): Kenia – Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/kenia/geschichte-staat/, Zugriff 25.6.2018

-        USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430126.html, Zugriff 25.6.2018

-        USDOS - US Department of State (15.8.2017): 2016 Report on International Religious Freedom - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/1407519.html, Zugriff 25.6.2018

Sicherheitsbehörden

Für die Sicherheit innerhalb des Landes ist die dem Innenminister unterstehende Polizei zuständig. Das Kenya Police Service erfüllt die generelle Polizeiarbeit und verfügt über spezialisierte Untereinheiten. Das Administration Police Service kümmert sich um die Grenzsicherheit, erfüllt aber teils auch normale Polizeiarbeit. Daneben gibt es noch die Kriminalpolizei (USDOS 20.4.2018). Die Polizei verfügt mit ihren 70.000 Mann über ca. 160 Polizisten pro 100.000 Einwohner. Damit liegt die Rate weit unter den UN-Empfehlungen von 220 Polizisten pro 100.000 Einwohnern (BS 2018).

Der National Intelligence Service ist der innere und äußere Nachrichtendienst und untersteht direkt dem Präsidenten (USDOS 20.4.2018).

Die Polizei ist schlecht ausgerüstet, wird nicht sehr gut bezahlt und agiert manchmal wenig professionell. Gegen die wachsende Gewaltkriminalität gibt sich die Polizei zumeist machtlos. Selbst Morde werden selten aufgeklärt, und wenn, dann fehlen gerichtsfeste Beweismittel. Aufgrund der schlechten Bezahlung sehen es zudem viele Polizisten als ihr gutes Recht an, kleine Geschenke zu verlangen (GIZ 6.2017a). Manchmal entgleitet den zivilen Aufsichtsbehörden die effektive Kontrolle über die Sicherheitskräfte (USDOS 20.4.2018). Die Polizeireform ist ins Stocken geraten (BS 2018).

Die Independent Policing Oversight Authority (IPOA) soll als zivile Aufsicht die Arbeit der Polizei kontrollieren. Sie hat in zahlreichen Fällen von Fehlverhalten durch Sicherheitskräfte Untersuchungen angestellt. In einigen Fällen extra-legaler Tötungen wurden Anklagen eingebracht. Trotzdem bleibt Straffreiheit ein ernstes Problem, ist bei Korruptionsvorwürfen sogar üblich. Erst einmal ist es im Fall eines von IPOA vorgebrachten Falles zur Verurteilung zweier Polizisten wegen Mordes gekommen (USDOS 20.4.0218). Insgesamt ist die Polizei von Korruption und Kriminalität durchsetzt (FH 2018).

Kenia verfügt über eine Berufsarmee mit rund 24.000 Soldaten, wobei eine Stärke von 31.000 Soldaten angestrebt wird (AA 1.2017a). Die dem Verteidigungsministerium unterstehende Armee ist für die äußere Sicherheit verantwortlich, erfüllt aber auch einige Aufgaben der inneren Sicherheit (USDOS 20.4.2018). Die kenianische Armee gilt als professionell und schlagkräftig. Sie genießt seit Jahrzehnten Förderung u.a. durch Großbritannien und die USA – auch in Form von Ausbildung und Training. Sie ist innenpolitisch zurückhaltend und in der jüngeren Vergangenheit öffentlich bislang erst zwei Mal im Landesinneren in Erscheinung getreten: 1982 und 2008 (GIZ 6.2017a).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (1.2017a): Kenia – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kenia-node/-/208078, Zugriff 25.6.2018

-        BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Kenya, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kenya.pdf, Zugriff 16.7.2018

-        FH - Freedom House (2018): Freedom in the World 2018 - Kenya, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/kenya, Zugriff 16.7.2018

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2017a): Kenia – Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/kenia/geschichte-staat/, Zugriff 25.6.2018

-        USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430126.html, Zugriff 25.6.2018

Folter und unmenschliche Behandlung

Im April 2017 trat der Prevention of Torture Act in Kraft, mit welchem Folter nunmehr strafrechtlich verfolgt werden kann. Damit ist es möglich, bereits bestehende Vorgaben in der Verfassung auch umzusetzen. Es gibt Berichte darüber, dass die Polizei bei Einvernahmen aber auch zur Bestrafung von Untersuchungshäftlingen und Gefangenen Folter anwendet. Die Täter gingen dabei straffrei. Dies gilt auch für die Anwendung willkürlicher Gewalt durch Polizisten – etwa bei Demonstrationen oder Hausdurchsuchungen (USDOS 20.4.2018).

Es gibt zahlreiche Berichte über willkürliche und ungesetzliche Tötungen durch Sicherheitskräfte. Opfer sind meist Verdächtige bei Kriminalverbrechen (inkl. Terrorismus-Verdächtige). Im ersten Halbjahr 2017 wurden 80 Fälle von getöteten Personen dokumentiert, davon mindestens 33 standrechtliche Exekutionen. Die Dunkelziffer könnte weit höher sein (USDOS 20.4.2018). Nach anderen Angaben hat die Polizei im Zeitraum Jänner-Oktober 2017 214 Menschen erschossen (FH 2018). Generell steigt die Zahl extra-legaler Tötungen durch Sicherheitskräfte. Der Fokus liegt hierbei auf Personen, die einer Straftat verdächtigt werden – i.d.R. junge Männer in informellen Siedlungen (BS 2018).

Im Zuge der Proteste nach den Wahlen im August 2017 sind 100 Personen schwer verletzt und mindestens 33 getötet worden. Die Sicherheitskräfte hatten exzessive Gewalt angewendet (USDOS 20.4.2018) – v.a. gegen Anhänger der Opposition. Auch nach der Wahlwiederholung im September 2017 gab es Tote, als die Polizei mit scharfer Munition auf Demonstranten schoss (AI 23.5.2018). Auch der Armee werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen; dies vor allem in den Counties Mandera, Garissa und Wajir an der somalischen Grenze. Generell bleibt die Straflosigkeit ein großes Problem (USDOS 20.4.2018).

Sicherheitskräften wird vorgeworfen, dass sie Personen verschwinden haben lassen (USDOS 20.4.2018).

Personen werden von der Polizei willkürlich angehalten oder Inhaftiert, um von ihnen Bestechungsgelder zu lukrieren. Manchmal werden Personen geschlagen, wenn sie kein Schmiergeld bezahlen können. Bei illegalen Aktivitäten der Sicherheitskräfte, aber auch bei der Erfüllung der Polizeiarbeit kommt es zu wiederrechtlicher Haft, zu Erpressung, physischer Gewalt und zur Erfindung von Haftgründen (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

-        AI - Amnesty International (23.5.2018): Amnesty International Report 2017/18 – Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Kenia, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/kenia, Zugriff 16.7.2018

-        BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Kenya, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kenya.pdf, Zugriff 16.7.2018

-        FH - Freedom House (2018): Freedom in the World 2018 - Kenya, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/kenya, Zugriff 16.7.2018

-        USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430126.html, Zugriff 25.6.2018

Korruption

Generell ist Korruption in Kenia strafbar. Allerdings werden die entsprechenden Gesetze nicht effektiv vollzogen. Viele Behördenmitarbeiter sind korrupt und bleiben straffrei (USDOS 20.4.2018). Korruption ist auf allen Ebenen der Verwaltung endemisch (USDOS 28.6.2018; vgl. FH 2018). Durch die Dezentralisierung des Staates erfolgte auch eine Dezentralisierung der Korruption in Richtung der Counties (BS 2018; vgl. FH 2018). Das Land wurde am Korruptionswahrnehmungsindex 2017 auf Platz 143 von 180 Ländern eingestuft (TI 2.2018).

Präsident Kenyatta führt auch nach seiner Wiederwahl die Kampagne gegen Korruption fort. Allerdings gibt es bei der Korruptionsbekämpfung nur geringe Fortschritte (USDOS 20.4.2018). Seit ihrer Einrichtung im Jahr 2011 wurde die Ethics and Anti-Corruption Commission (EACC) willkürlich geschwächt und desavouiert (BS 2018). Sowohl die EACC als auch das Office of the Director of Public Prosecutions (ODPP) sind unterfinanziert (USDOS 20.4.2018). Der EACC fehlen Strafverfolgungsbefugnisse (FH 2018). Das Problem der Straflosigkeit in Korruptionsfällen konnte nicht gelöst werden (BS 2018). Folglich stellt Straflosigkeit weiterhin ein Problem dar, und so auch die Korruption innerhalb der Polizei (USDOS 20.4.2018). Diese zählt zu den korruptesten Behörden des Landes (GIZ 6.2017a). Selbst gegen die Anti-Korruptionsinstitutionen EACC und ODPP bestehen Korruptionsvorwürfe. Dabei ist insgesamt Bestechung das üblichste Korruptionsmittel. Bei einer Umfrage gaben 38 Prozent der Befragten an, im Jahr 2016 Bestechungsgeld bezahlt zu haben (USDOS 20.4.2018). Die zunehmende Korruption ist für die Bevölkerung auch eine Quelle für Frustration und Zorn. Demonstrationen und Streiks waren die Folge (BS 2018).

Quellen:

-        BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Kenya, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kenya.pdf, Zugriff 16.7.2018

-        FH - Freedom House (2018): Freedom in the World 2018 - Kenya, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/kenya, Zugriff 16.7.2018

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2017a): Kenia – Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/kenia/geschichte-staat/, Zugriff 25.6.2018

-        TI - Transparency International (21.2.2018): CPI - Corruption Perceptions Index 2017, https://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2017, Zugriff 17.7.2018

-        USDOS - US Department of State (28.6.2018): Trafficking in Persons Report 2018 - Country Narratives - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/1437564.html, Zugriff 16.7.2018

-        USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430126.html, Zugriff 25.6.2018

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

In Kenia sind mehr als 10.000 NGOs aktiv (AA 1.2017a). Es gibt traditionell eine sehr lebendige Szene von nationalen NGOs und Gruppen, die sich thematisch vor allem um Fragen der Demokratie, Korruption, Frauenrechte und Menschenrechte kümmern, gefolgt von Umweltschutz oder kulturellen Anliegen. Viele dieser Organisationen gelten als Wegbereiter der Demokratisierung, die in den Mehrparteienwahlen von 2002 ihren Ausdruck fand (GIZ 6.2017a). Inländische und internationale Menschenrechtsgruppen arbeiteten im Allgemeinen ohne staatliche Beschränkung, obwohl einige Gruppen berichteten, dass sie im Laufe des Jahres 2017 zunehmend staatliche Schikanen erlebt haben. Beamte sind manchmal kooperativ, aber die Regierung ignoriert Empfehlungen von Menschenrechtsgruppen, wenn diese sich gegen ihre Politik richtet. V.a. weniger etablierte NGOs in ländlichen Gebieten berichten, dass sie von lokalen Behördenmitarbeitern oder Polizisten schikaniert oder bedroht werden (USDOS 20.4.2018). Die Behörden bedienen sich rechtlicher und administrativer Maßnahmen, um die Aktivitäten zivilgesellschaftlicher Organisationen, die sich mit Menschenrechten und Regierungsführung beschäftigten, zu behindern (AI 23.5.2018). Menschenrechtsaktivisten, die sich sehr exponieren, werden bis zu einem gewissen Grad als gefährdet eingeschätzt (ÖB 20.12.2016).

Die (rechtlichen) Versuche der Regierung, Aktivitäten von zivilgesellschaftlichen Organisationen einzuschränken, waren bisher allerdings erfolglos (BS 2018). Im Mai 2017 entschied das Hohe Gericht in Nairobi, dass die Regierung das Gesetz über gemeinnützige Organisationen von 2013 (Public Benefit Organization [PBO] Act 2013) veröffentlichen müsse. Sollte das Gesetz Rechtskraft erlangen, könnte es die Arbeitsbedingungen von zivilgesellschaftlichen Organisationen und NGOs verbessern (AI 23.5.2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (1.2017a): Kenia – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kenia-node/-/208078, Zugriff 25.6.2018

-        AI - Amnesty International (23.5.2018): Amnesty International Report 2017/18 – Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Kenia, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/kenia, Zugriff 16.7.2018

-        BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Kenya, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kenya.pdf, Zugriff 16.7.2018

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2017a): Kenia – Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/kenia/geschichte-staat/, Zugriff 25.6.2018

-        ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (20.12.2016): Antwort der ÖB Nairobi, per E-Mail

-        USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430126.html, Zugriff 25.6.2018

Wehrdienst und Rekrutierungen

Der Wehrdienst in Kenia ist freiwillig. Freiwillige 18-26jährige kenianische Staatsbürger beiderlei Geschlechts können sich rekrutieren lassen (CIA 12.7.2018).

Quellen:

-        CIA - Central Intelligence Agency (12.7.2018): The World Factbook – Kenya, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ke.html, Zugriff 17.7.2018

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Menschenrechtssituation ist vergleichsweise gut. Die Verfassung enthält einen Grundrechtekatalog (Bill of Rights), seine Verwirklichung in der Praxis bleibt gleichwohl eine Herausforderung. Wichtigste Menschenrechtsthemen bleiben Menschenrechtsverletzungen durch Sicherheitsorgane und gewaltsame Zusammenstöße zwischen einzelnen Ethnien (AA 1.2017a). Seitens der Sicherheitskräfte kommt es zu willkürlichen und ungesetzlichen Tötungen, zu Folter, zur Anwendung exzessiver Gewalt und zu willkürlichen Verhaftungen. Meist herrscht hierbei Straffreiheit (USDOS 20.4.2018; vgl. BS 2018). Unverhältnismäßige Gewalt, mit der die Polizei nach den Wahlen im August und im Oktober 2017 gegen Protestierende vorging, führte zum Tod zahlreicher Menschen (AI 23.5.2018), alleine in den Wochen vor der Wahlwiederholung sollen bei – teils gewalttätigen – Demonstrationen in Nairobi und Kisumu dutzende Menschen von der Polizei getötet worden sein (FH 2018).

Gesellschaftlich weitgehend akzeptierte Mob-Gewalt ist üblich und führt zu zahlreichen Todesopfern. Grund dafür ist ein Vertrauensmangel gegenüber Polizei und Justiz. Die Polizei ist in zahlreichen Fällen nicht in der Lage, Schutz vor Mob-Gewalt zu bieten. In manchen Fällen greift sie schützend ein (USDOS 20.4.2018).

Mit der Kenya National Commission on Human Rights (KNCHR), deren Rolle in der neuen Verfassung verankert ist, verfügt Kenia über eine aktive, unabhängige staatliche Organisation zur Überwachung der Menschenrechte (AA 1.2017a; vgl. USDOS 20.4.2018). Die bereits während des Moi-Regimes sehr aktive (NGO) Kenya Human Rights Commission versteht sich als Anwalt der Rechtlosen gegenüber staatlicher Willkür. Hervorzuheben ist auch People against Torture (PAT), welche Folteropfer vertritt (GIZ 6.2017a).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (1.2017a): Kenia – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kenia-node/-/208078, Zugriff 25.6.2018

-        AI - Amnesty International (23.5.2018): Amnesty International Report 2017/18 – Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Kenia, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/kenia, Zugriff 16.7.2018

-        BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Kenya, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kenya.pdf, Zugriff 16.7.2018

-        FH - Freedom House (2018): Freedom in the World 2018 - Kenya, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/kenya, Zugriff 16.7.2018

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2017a): Kenia – Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/kenia/geschichte-staat/, Zugriff 25.6.2018

-        USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430126.html, Zugriff 25.6.2018

Meinungs- und Pressefreiheit

Meinungs- und Pressefreiheit sind gesetzlich gewährleistet, werden aber manchmal durch die Regierung eingeschränkt. Auch mehrere Gesetze schränken die Möglichkeiten der Medien ein (USDOS 20.4.2018; vgl. BS 2018). Diese Gesetze kommen zwar kaum zur Anwendung, doch alleine ihre Existenz führt bei gewissen Themenbereichen (z.B. Berichterstattung über Korruptionsfälle) zu Selbstzensur (BS 2018). Allerdings wurde im August 2016 das Access of Information Bill verabschiedet, welches als Fortschritt gesehen wird (USDOS 20.4.2018).

Generell sind die Freiheiten der Presse jedenfalls substanziell. Ebenso gibt es eine substanzielle Diversität an publizierten Meinungen (BS 2018). Kenia hat eine lebendige und qualitativ hochwertige Printpresse (GIZ 6.2017a) und eine der aktivsten Medienlandschaften in Afrika (FH 2018). Kenias Medien gelten als die besten der Region, ihre Verbreitung reicht weiter als in den Nachbarstaaten (GIZ 6.2017a). Das bedeutendste Medium war und ist immer noch das Radio. Alle nationalen TV-Sender haben auch Radiostationen. Hinzu kommt eine Vielzahl privater Radiosender (GIZ 6.2017a). Das von mehr als 80 Prozent der Bevölkerung genutzte Internet ist ohne Einschränkungen zugänglich (USDOS 20.4.2018).

Die meisten Medien berichten über eine breite Palette an politischen und sozialen Themen, viele Zeitungen publizieren auch Kritik an der Regierung. Viele Medien sind unabhängig (USDOS 20.4.2018). In den TV- und Printmedien ist grundsätzlich eine freie und regierungskritische Berichterstattung möglich. Die Medien gehören zu den wenigen, im afrikanischen Kontext vergleichsweise gut funktionierenden Institutionen in Kenia. Seit langem übernehmen sie die Rolle der Opposition als kritischer Beobachter der kenianischen Politik. Dennoch bleibt der Einfluss einzelner Führungspersönlichkeiten des Landes im Medienbereich deutlich sichtbar (AA 1.2017c).

Es kommt zur Drangsalierung von Journalisten durch Regierung und Sicherheitskräfte – und in der Folge zu Selbstzensur (FH 2018). In einigen Fällen wurden Journalisten von Polizisten während der Einvernahme geschlagen und Blogger für die Veröffentlichung von Informationen über Terrorismus inhaftiert (BS 2018). Von 2013 bis 2017 wurden 23 Vorfälle dokumentiert, bei welchen Journalisten oder Blogger angegriffen wurden. V.a. vor den Wahlen im August 2017 kam es zu einer wachsenden Zahl an Einschüchterungen gegen Journalisten (USDOS 20.4.2018). Reporter ohne Grenzen sieht Kenia 2018 im Ranking der Pressefreiheit stabil auf Platz 96 (Vorjahr: 95) unter 180 verglichenen Ländern (ROR 2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (1.2017c): Kenia – Kultur und Bildung, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kenia-node/-/208080, Zugriff 17.7.2018

-        BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Kenya, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kenya.pdf, Zugriff 16.7.2018

-        FH - Freedom House (2018): Freedom in the World 2018 - Kenya, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/kenya, Zugriff 16.7.2018

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2017a): Kenia – Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/kenia/geschichte-staat/, Zugriff 25.6.2018

-        ROR - Reporter ohne Grenzen (2018): Rangliste der Pressefreiheit 2018, https://www.reporter-ohne-grenzen.de/uploads/tx_lfnews/media/Rangliste_der_Pressefreiheit_2018_-_Reporter_ohne_Grenzen_01.pdf, Zugriff 25.6.2018

-        USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430126.html, Zugriff 25.6.2018

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Obwohl Verfassung und Gesetze Versammlungsfreiheit vorsehen, wird dieses Recht manchmal von der Regierung eingeschränkt. Versammlungen müssen vorangemeldet werden (USDOS 20.4.2018).

Den Staatsbürgern steht es frei, politische Parteien zu organisieren. Kenianische Parteien repräsentieren v.a. ideologische, regionale und ethnische Interessen. Sie sind aber notorisch schwach. Parteien bilden oft nur für die Wahlen Koalitionen (FH 2018).

Die Polizei ging im August 2017 nach den Wahlen mit exzessiver Gewalt gegen Demonstranten der Opposition vor (mindestens 31 Tote), während Demonstrationen von Regierungsanhängern unbehelligt blieben (AI 23.5.2018; vgl. FH 2018). Es gibt keine Berichte über politische Gefangene (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

-        AI - Amnesty International (23.5.2018): Amnesty International Report 2017/18 – Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Kenia, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/kenia, Zugriff 16.7.2018

-        FH - Freedom House (2018): Freedom in the World 2018 - Kenya, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/kenya, Zugriff 16.7.2018

-        USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430126.html, Zugriff 25.6.2018

Haftbedingungen

Die Bedingungen in Gefängnissen und Haftanstalten sind hart. Grund dafür sind überbelegte Zellen, Mangel an Wasser und Lebensmitteln, unangemessene Hygienebedingungen und medizinische Versorgung. Die 105 Gefängnisse des Landes (87 für Männer, 18 für Frauen) haben eine Kapazität von 26.837 Insassen. Allerdings betrug die Zahl der Häftlinge im Oktober 2017 50.572, starke Überbelegung ist die Norm. Die zuständige Behörde versucht, die Situation durch die Freilassung Kleinkrimineller zu entschärfen. Die Behörde meldete im Jahr 2016 eine deutlich geringere Zahl an in Haft – meist eines natürlichen Todes – Verstorbenen, als in den Jahren zuvor (USDOS 20.4.2018).

Üblicherweise werden die Geschlechter getrennt gehalten, in kleineren Haftanstalten oder in Untersuchungshaft gilt dies manchmal nicht. Es kommt zu sexueller Belästigung weiblicher Häftling durch Sicherheitskräfte. Üblicherweise werden Minderjährige separat von Erwachsenen in Haft gehalten (USDOS 20.4.2018).

Die Nationale Menschenrechtskommission (KNCHR) überwacht die Menschenrechtsstandards in Haftanstalten, die Commission on the Administration of Justice dient als Ombudsmann. Gefangene haben ausreichend Zugang zu Rechtsberatung und unabhängigen Beobachtern wird der Zugang zu Gefängnissen gestattet (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

-        USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430126.html, Zugriff 25.6.2018

Todesstrafe

Die Todesstrafe wird in Kenia seit 1987 nicht mehr vollzogen, ist allerdings seit der Kolonialzeit in der Verfassung verankert (TA 25.10.2016). Am 24.10.2016 hat Präsident Uhuru Kenyatta alle Todesurteile in lebenslange Haftstrafen umgewandelt. Betroffen waren 2.655 Männer und 92 Frauen (AI 25.10.2016; vgl. TA 25.10.2016).

Kenia hat die verpflichtende Todesstrafe für Mord abgeschafft. Insgesamt wurde die Todesstrafe im Jahr 2017 in Kenia mindestens 21mal verhängt, mindestens 23 zum Tode verurteilte befanden sich in Haft. Die Todesstrafe wurde im Jahr 2017 nicht vollstreckt. Von Amnesty International wird Kenia als „Abolitionist in Practice“ geführt, also als Staat, welcher zwar für bestimmt Verbrechen die Todesstrafe vorsieht, wo aber binnen der vergangenen zehn Jahre die Todesstrafe nicht vollstreckt worden ist (AI 12.4.2018).

Quellen:

-        AI - Amnesty International, Koordinationsgruppe gegen die Todesstrafe (25.10.2016): Kenia wandelt sämtliche Todesurteile um, http://www.amnesty-todesstrafe.de/index.php?id=770, Zugriff 25.6.2018

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Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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