Entscheidungsdatum
20.10.2021Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W169 2247366-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.10.2021, Zl. 1285550804-211396816, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 33 Abs. 1 Z 2 iVm §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer hat am 24.09.2021 am Flughafen Wien-Schwechat im Zuge einer Identitätsfeststellung gemäß § 12a des Grenzkontrollgesetzes (GrekoG) durch Organe der Bundespolizei einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt. Begründet hat er diesen damit, dass er aufgrund seiner politischen Orientierung von der indischen Regierung verfolgt werde. Diese würden ihn umbringen wollen.
Am 25.09.2021 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes des Stadtpolizeikommandos Schwechat die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei führte dieser aus, dass er aus Indien stamme, ledig sei und im Heimatland zehn Jahre die Grundschule besucht habe. In Indien würden seine Eltern und sein Bruder leben. Zu seinen Fluchtgründen brachte der Beschwerdeführer vor, dass er eine Beziehung mit einem Mädchen geführt habe. Der Vater sei ein hoher Polizeioffizier gewesen. Als ihre Familie von der Beziehung erfahren hätte, sei die Familie dagegen gewesen. Seine Freundin sei von der eigenen Familie gefoltert worden, da sie mit dem Beschwerdeführer eine Beziehung geführt habe und er zu einer unteren Kaste gehören würde. Seine Freundin habe ihm gesagt, dass er nach Europa fliehen solle und sie sich dort treffen würden. Ihr Vater habe Rauschmittel bzw. Alkohol in ihrem Haus „abgelegt“ und der Polizei glauben lassen, dass sie damit handeln würden. Daraufhin sei seine Familie von der Polizei festgenommen worden. Er sei dann zu seiner Tante geflüchtet, welche die Ausreise organisiert habe. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst, vom Vater seiner Freundin getötet zu werden.
2. Nachdem die Einreise des Beschwerdeführers nicht gestattet worden war, wurde dieser am 29.09.2021 im Rahmen eines Flughafenverfahrens vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Flughafen, niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der Beschwerdeführer an, dass er ledig und gesund sei. Er habe im bisherigen Verfahren einen falschen Namen und ein falsches Geburtsdatum angegeben. Er heiße XXXX und sei am XXXX geboren. Er habe deshalb falsche Angaben zu seiner Identität gemacht, zumal ihm der Schlepper dazu geraten habe. Er gehöre der Volksgruppe der Lubana an, bekenne sich zum Sikhismus, sei in der Stadt Karnal, im Bundesstaat Haryana, geboren und habe dort mit seinen Eltern und seinem Bruder in einer Mietwohnung in einem Dorf gelebt. Sein Vater sei Tagelöhner und sein Bruder Mechaniker. Er habe in Indien zehn Jahre die Grundschule besucht und nicht gearbeitet. Sein Vater habe als Bauarbeiter gearbeitet und so den Lebensunterhalt finanziert. Gelegentlich sei er mit seinem Vater mitgegangen. Er habe sich seinen Reisepass vor ca. eineinhalb Monaten in Delhi ausstellen lassen, sonst besitze er keine Dokumente mehr im Heimatland; auch keinen Personalausweis. Er habe den Entschluss gefasst, aus Indien auszureisen, als die Polizei seine Familienangehörigen festgenommen habe. Dies sei vor ca. eineinhalb bis zwei Monaten gewesen. Seine Tante mütterlicherseits habe die Kosten der Schleppung bezahlt. Er werde in seiner Heimat nicht gesucht; auch bestehe kein Haftbefehl gegen ihn.
Zu seinen Fluchtgründen brachte der Beschwerdeführer Folgendes vor (VP: nunmehriger Beschwerdeführer; LA: Leiter der Amtshandlung):
„(…)
LA: Kommen wir bitte jetzt nochmals zu allen Ihren Fluchtgründen. Sie haben schon etwas dazu angegeben. Warum haben Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen? Nennen Sie nun bitte detailliert und in Ihren eigenen Worten alle Ihre Fluchtgründe, sodass ich mir ein Bild davonmachen kann? Sie haben hierzu ausreichend Zeit.
VP: Ich war verliebt in ein Mädchen. Der Vater von dem Mädchen hat über unsere Beziehung erfahren, er hat meine Freundin gefoltert. Weshalb sie von zu Hause weggelaufen ist. Mich hat der Vater 1-2 Mal bedroht und 2 Mal angegriffen. Er sagte zu mir, ich gehöre zu einer unteren Kaste und ich soll nicht mehr zu seiner Tochter laufen. Es sei besser für mich, wenn ich die Beziehung beende und er würde sonst meine ganze Familie festnehmen. Eines Tages war ich mit meinem Fahrrad unterwegs und wurde angegriffen, sie sind mir mit dem Auto von hinten reingefahren. Ich bin durch den Aufprall in ein Weizenfeld gefallen. Ich war auch verletzt. Der 2. Angriff, da war ich mit jemanden auf dem Weg zu einem Fest und wurde von 3 Personen angegriffen. Es waren sehr viele Leute dort und es ist mir gelungen, von dort zu flüchten. Ich war nicht zu Hause, ich habe bei meiner Tante übernachtet. An diesem Abend wurden meine Familienangehörigen festgenommen. Nach einigen Tagen nach dem Vorfall hat mich meine Tante nach Delhi gebracht und hat meine Ausreise organisiert. Ich habe mich in Delhi einen Monat lang aufgehalten, bis meine Dokumente fertig waren. Ich habe mit meiner Mutter telefoniert, ich soll das Land verlassen. Meine Familie bekommt noch immer Drohungen, dass sie mich umbringen werden. Das ist alles.
LA: Wie lange war Ihre Beziehung? Zu welcher Kaste gehört Ihre Freundin?
VP: Seit 2-3 Jahren. Die sind Jat.
LA: Wie ist die Stellung zu Ihrer Kaste?
VP: Höher, auf Nachfrage, viel höher.
LA: Wie konnten Sie eine Beziehung von 2-3 Jahren führen, ohne dass dies jemand merkt?
VP: Wir haben es versteckt gehalten. Wir haben uns am XXXX getroffen, das ist ein Touristenort. Auf Nachfrage, der ist nur 3-4 km entfernt von mir zu Hause.
LA: Wann hätte es die beiden Angriffe gegen Sie gegeben?
VP: Vor ca. 1 ½ bis 2 Monaten.
LA: Wann hätte der Vater von Ihrer Freundin von der Beziehung erfahren?
VP: Vor ca. 2 Monaten.
LA: Was macht die Familie von, dem Mädchen?
VP: Der Vater ist ein SHO. Auf Nachfrage, er ist ein höherer Polizeioffizier. Auf Nachfrage, in der Stadt Kurukshetra. Auf Nachfrage, meine Freundin, wohnte damals im selben Dorf wie ich, Kirmach.
LA: Warum haben Sie Ihre Freundin nicht mitgenommen? Wo befindet sich diese?
VP: Ich habe mit dem Schlepper gesprochen, ohne sie zu heiraten ist es schwierig sie mitzunehmen. Sie ist bei einer Freundin, dessen Adresse ist mir unbekannt. Nur ein bis zwei Mal habe ich in letzter Zeit mit ihr telefoniert. Das letzte Mal vor ca. 1 ½ Monate.
LA: Haben Sie keine Kontaktdaten zu Ihr?
VP: Nein.
LA: Wie wollen Sie die Freundin in Paris finden?
VP: Wenn sie in Paris ist, wird sie mich über Instagram oder Facebook kontaktieren und mir Bescheid geben.
LA: Wann wäre Ihre Familie festgenommen worden?
VP: Vor ca. 1 ½ Monate.
LA: Wer und warum hat diese festgenommen? Grund? Wo waren diese in Haft? Wie kamen Sie frei und wann?
VP: Sie wurden angezeigt, wegen Alkohol und Suchtgift, es gibt in der Nähe eine Polizeiinspektion namens XXXX , nach 2-3 Tagen durch Intervention vom Dorfrat wurden meine Familie, freigelassen. Auf Nachfrage, es wurde mein Bruder und meine Eltern mitgenommen.
LA: Gibt es eine schriftliche Anzeige?
VP: Ja. Auf Nachfrage, vielleicht hat es meine Familie. Auf Nachfrage, ich habe keinen Kontakt zu meiner Familie und kann es nicht schicken lassen.
LA: Wann haben Sie Ihr Heimatdorf verlassen? Genaues Datum bitte.
VP: Genaues Datum weiß ich nicht, aber im August habe ich mein Heimatdorf verlassen.
LA: Als Sie Ihren Reisepass in Delhi ausstellen haben lassen, waren Sie da schon von zu Hause fix weg und lebten nur noch in Delhi und kehrten nicht nach Hause zurück?
VP: Ich habe mich da schon in Delhi aufgehalten und kehrte nicht mehr zurück nach Hause.
LA: Wie lange ist der indische Reisepass gültig?
VP: Ich glaube 10 Jahre.
LA: Ab Ausstellungsdatum?
VP: Ja.
LA: Ihre Reisepassdaten liegen der Behörde auf, d.h. wir wussten im Vorfeld bereits Ihren richtigen Namen, das richtige Geburtsdatum, sowie die Passnummer und die Gültigkeitsdauer Ihres Passes.
Ihr Pass wurde am 05.07.2021 ausgestellt – gültig bis 05.07.2031.
D.h. Sie waren bereits Anfang Juli in Delhi aufhältig und nicht wie von Ihnen angegeben August, somit sind die Angaben zu Ihrer Verfolgung – den Übergriffen, welche Sie ins Treffen führten, zeitlich nicht einordenbar.
Was sagen Sie dazu?
VP: Entweder Juli oder August, da bin ich nach Delhi gekommen.
LA: Sie führten aus, dass die beiden Angriffe gegen Ihre Person, vor 1 ½ bis 2 Monaten gewesen wären. Wir haben nun Ende September, es geht sich zeitlich nicht aus, da haben wir Anfang Juli und da waren Sie bereits in Delhi.
VP: Ich kann mich nicht genau erinnern, wann die Angriffe gegen mich stattgefunden haben.
LA: Eine Person, welche von anderen angegriffen worden wäre, würde sich daran erinnern.
VP: Ich kann mich leider nicht erinnern.
LA: Wer hätte Sie angegriffen?
VP: Beim 1. Mal war es das Auto vom Vater des Mädchens, beim 2. Mal waren es 3 Personen, die mir unbekannt sind.
LA: Beim 1. Mal kam das Auto von hinten und stieß Sie in das Weizenfeld. Ist dies korrekt?
VP: Ja.
LA: Wie war das, als Sie im Feld lagen?
VP: Ich habe mich am Brustbereich verletzt. Auf Nachfrage ich fiel auf den Bauch, Oberkörper voran. Ich erlitt aber keine schweren Verletzungen.
LA: Wie konnten Sie dann sehen, wenn Sie mit dem Oberkörper voran in einem Weizenfeld lagen, dass das Auto vom Vater des Mädchens war?
VP: Als ich zu Boden gestürzt bin, stand ich auf und sah das Auto und erkannte es.
LA: Das sind Ihre Fluchtgründe, weshalb Sie nun einen Asylantrag gestellt haben?
VP: Ich möchte gar nicht hierbleiben, ich möchte nach Paris.
LA: Wie lange haben Sie auf die Ausstellung vom Pass gewartet in Delhi, nach Antragstellung?
VP: Wir haben es sehr schnell bekommen. Auf Nachfrage, innerhalb von 4-5 Tagen.
LA: Dann hätten Sie Ende Juni/Anfang Juli 2021 den Passantrag gestellt in Delhi.
VP: Ja, könnte sein.
LA: Ist Ihre Freundin schon in Paris?
VP: Nein, ich habe aber auch gar keinen Kontakt mit ihr.
LA: Gibt es sonst noch ein Vorbringen oder Vorfälle zu Ihrem Fluchtgrund?
VP: Nein.
LA: Es hätte diese beiden Übergriffe gegen Sie gegeben? Sonst noch welche Vorfälle?
VP: Nein, nur die Zwei.
LA: Sie befinden sich im Sondertransitbereich. Es besteht für Sie jederzeit die Möglichkeit freiwillig auszureisen.
VP: Okay.
LA an Rechtsberatung: Gibt es von Ihrer Seite noch offene Fragen oder Anträge?
RB: Sie haben gesagt, Ihre Freundin wurde auch gefoltert. Was soll das bedeuten? Wie wurde sie gefoltert?
VP: Sie wurde von ihren Familienangehörigen geschlagen, sie haben auch versucht sie umzubringen. Aus diesem Grund hat sie das Elternhaus verlassen.
RB: Ist Sie vor Ihnen ausgereist Ihre Freundin? Oder nach Ihnen?
VP: Ich weiß nicht, ob sie Indien verlassen hat.
RB: Warum haben Sie beide nicht geheiratet?
VP: Wir hatten nicht so viel Zeit. Hätten wir in Indien geheiratet, hätte der Vater das Mädchen umgebracht.
RB: Wie hätte der Vater Sie und das Mädchen finden können in Indien?
VP: Wir sind nicht zusammen geflüchtet und haben nach der Ausreise aus zu Hause jemals zusammengewohnt. Wir hatten über Whats App Kontakt.
RB: Haben Sie noch Kontakt über Instagram oder sehen Sie jeden Tag rein?
VP: Ich schaue nach, aber ich habe derzeit keinen Kontakt über Instagram.
RB: Haben Sie den Reisepass selbst ausstellen lassen? Oder der Schlepper organisiert?
VP: Ich war gemeinsam mit dem Schlepper am Passamt.
LA: Als Ergebnis der heutigen Einvernahme wird Ihnen mitgeteilt, dass Ihnen die Einreise in das Bundesgebiet NICHT gestattet wird.
Anmerkung: In einem allgemeinen Rechtsgespräch wird für die VP der weitere mögliche Ablauf eines Flughafenverfahrens erörtert, d.h. Einbindung von UNHCR – Zustimmung von UNHCR - Abweisung des Antrages mit Bescheid des BFA im Flughafenverfahren – Beschwerdemöglichkeit an Bundesverwaltungsgericht – abweisendes Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes – Zurückweisung der VP durch LPD - aber auch die jeweiligen Chancen für die VP im Flughafenverfahren - keine Zustimmung von UNHCR – Einreisegestattung – Weiterführung des Verfahrens im Inland – oder Stattgebung der Beschwerde durch Bundesverwaltungsgericht - Einreisegestattung - Weiterführung des Verfahrens im Inland.
VP wird in allgemeinem Rechtsgespräch auch über die Dauer der einzelnen Verfahrensschritte, die Umstände der Konfinierung, Möglichkeit der Unterstützung durch BBU, SWB des Wachzimmers, ärztliche Betreuungsmöglichkeiten, Telefonkontakte usw. – abermals in Kenntnis gesetzt.
LA: Haben Sie diese beabsichtigte Vorgehensweise verstanden?
VP: Ja. Ich möchte nicht nach Serbien.
LA: Wollen Sie am Ende dieser Einvernahme irgendetwas ergänzen?
VP: Nein.
LA: Wie haben Sie die Dolmetscherin verstanden?
VP: Ich habe die Dolmetscherin gut verstanden.
VP: Könnten Sie mir einen Landesverweis geben und ich reise dann nach Paris weiter?
LA: Nein, das geht leider nicht.
LA: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.
VP: Ja.
LA: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst, wurde alles richtig und vollständig protokolliert?
VP: Es hat alles gepasst.
(…)“
3. Am 30.09.2021 wurde das Büro des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge in Österreich (in der Folge UNHCR) gemäß § 33 Abs. 2 AsylG 2005 um Erteilung der Zustimmung zur Abweisung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz ersucht.
4. Mit Schreiben vom 04.10.2021 wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mitgeteilt, dass eine Zustimmung gemäß § 33 Abs. 2 AsylG 2005 erteilt werde, da das Vorbringen in Einklang mit Beschluss Nr. 30 des UNHCR-Exekutivkomitees als offensichtlich unbegründet eingestuft werden könne.
5. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 33 Abs. 1 Z 2 iVm § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Unter Spruchpunkt III. wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die vom Beschwerdeführer behaupteten Fluchtgründe offensichtlich nicht den Tatsachen entsprochen hätten. Diese Ansicht der Behörde sei letztlich auch vom UNHCR geteilt worden, was sich aus dem im Akt befindlichen Schreiben vom 04.10.2021 ergebe. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Zu Spruchpunkt III. wurde ausgeführt, dass eine Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG an dem Umstand scheitere, dass sich der Beschwerdeführer nicht im Bundesgebiet aufhalte.
6. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben und auf seine bisher im Verfahren getätigten Angaben verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien aus dem Bundesstaat Haryana, gehört der Religionsgemeinschaft des Sikhs und der Volksgruppe der Lubana an. Er reiste am 24.09.2021 via Flug OS 738 aus Belgrad kommend am Flughafen Wien-Schwechat an und stellte den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer besuchte im Heimatland zehn Jahre die Grundschule. Er lebte mit seinen Eltern und seinem Bruder in einem Dorf im Bundesstaat Haryana in einer Mietwohnung. Sein Vater arbeitete als Bauarbeiter und sein Bruder als Mechaniker. Der Beschwerdeführer ging in Indien keiner Arbeit nach, gelegentlich hat er seinem Vater geholfen. In Indien leben die Eltern des Beschwerdeführers, sein Bruder und eine Tante mütterlicherseits. Der Beschwerdeführer ist ledig, gesund und im erwerbsfähigen Alter.
Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen sind nicht glaubwürdig und werden dem Verfahren nicht zugrunde gelegt.
1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:
COVID-19
? Letzte Änderung: 21.05.2021
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie verhängte die indische Regierung am 25. März 2020 eine Ausgangssperre über das gesamte Land, die nur in Einzelfällen (Herstellung lebensnotwendiger Produkte und Dienstleistungen, Einkaufen für den persönlichen Bedarf, Arztbesuche, usw.) durchbrochen werden durfte. Trotz der Ausgangssperre sanken die Infektionszahlen nicht. Seit der ersten Aufsperrphase, die am 8. Juni 2020 begann, schießt die Zahl der Infektionen noch steiler als bisher nach oben. Größte Herausforderung während der Krise waren die Millionen von Wanderarbeitern, die praktisch über Nacht arbeitslos wurden, jedoch auf Grund der Ausgangssperre nicht in ihre Dörfer zurückkehren konnten (ÖB 9.2020; vgl. HRW 13.1.2021). Viele von ihnen wurden mehrere Wochen in Lagern unter Quarantäne gestellt (also de facto eingesperrt), teilweise mit nur schlechter Versorgung (ÖB 9.2020). Menschen mit Beeinträchtigungen sind von coronabedingten Maßnahme wie Abriegelungen und sozialen Distanzierungen besonders betroffen. Der Zugangs zu medizinischer Versorgung und lebenswichtigen Gütern und der Ausübung sozialer Distanzierung, insbesondere für diejenigen, die persönliche Unterstützung für Aufgaben des täglichen Lebens erhalten (HRW 13.1.2021). Während der ersten Wochen der COVID-19 Pandemie, wurden Muslime für die Verbreitung des Coronavirus, auch von Vertretern der Regierungsparteien verantwortlich gemacht (FH 3.3.2021; vgl. HRW 13.1.2021).
Nach Angaben des indischen Gesundheitsministeriums vom 11. Oktober 2020 wurden seit Beginn der Pandemie mehr als sieben Millionen Infektionen mit COVID registriert. Die täglichen offiziellen Fallzahlen stiegen zwar zuletzt weniger schnell als noch im September, die Neuinfektionen nehmen in absoluten Zahlen jedoch schneller zu als in jedem anderen Land der Welt. Medien berichten in einigen Teilen des Landes von einem Mangel an medizinischem Sauerstoff in Krankenhäusern (BAMF 12.10.2020).
Die Lage in Indien, dass mit Bezug auf das Infektionsgeschehen (neben den USA und Brasilien) zu den am schwersten von der COVID-19-Pandemie betroffenen Ländern weltweit zählt, hat sich sich gegenüber dem Sommer 2020 mit damals fast 100.000 Neuinfektionen pro Tag inzwischen etwas entspannt. Es erkranken offiziellen Angaben zufolge nach wie vor etwa 40.000 Menschen täglich am Virus. In den Ballungszentren kann die medizinische Versorgung weitestgehend aufrecht erhalten werden (GTAI 3.12.2020). Indiens Wirtschaft wurde durch die COVID-19-Pandemie stark beeinträchtigt (DFAT 10.12.2020; vgl. GTAI 3.12.2020). Das Land rutschte im zweiten Quartal des Geschäftsjahres 2020-21 erstmals in eine wirtschaftliche Rezession (PRC 18.3.2021). Es wird allgemein erwartet, dass das Land ab 2021 zu einem nachhaltigen Wachstum zurückkehren wird (DFAT 10.12.2020; vgl. GTAI 3.12.2020). Nach dem zweimonatigen harten Lockdown im Frühjahr 2020 hat die indische Regierung das öffentliche Leben im Rahmen ihrer Unlock-Strategie schrittweise wieder hochgefahren. Die Bundesstaaten und Unionsterritorien haben dabei weitreichendere Entscheidungsbefugnisse, welche Lockerungen sie umsetzen und welche nicht. Mit den bestehenden Einschränkungen sollen vor allem Superspreader-Events wie religiöse Großveranstaltungen und Hochzeiten eingedämmt werden. Massentests, Kontaktnachverfolgung, Isolierung von Infizierten und die Abschottung von Gebieten mit hohen Fallzahlen (Containment Zones) sollen helfen, das Virus zurückzudrängen (GTAI 3.12.2020; vgl. WKO 13.1.2021). Es kann daher vereinzelt und regional sowie zeitlich begrenzt zu erneuten Lockdowns kommen. Eine Skizzierung in „Red Zone“, „Orange Zone“ und „Green Zone“ wird von der Regierung des Bundesstaates/Unionsterritoriums in Absprache mit dem Gesundheitsministerium und der nationalen Regierung entschieden (WKO 13.1.2021).
Gegen regierungskritische Äußerungen, auch im Zusammenhang mit Maßnahmen der Regierung im Umgang mit der COVID-19 Pandemie wurden mittels aus der Kolonialzeit stammenden Gesetzen zur Staatsverhetzung und dem im Jahr 2000 erlassenen IT-Gesetz vorgegangen (FH 3.3.2021). Medienvertreter sehen sich Drohungen, Verhaftungen, Strafverfahren oder körperlichen Angriffen durch Mobs oder der Polizei wegen der Berichterstattung über die Pandemie ausgesetzt (HRW 13.1.2021). Mehrere von der Regierung zur Eindämmung einer Verbreitung der Pandemie getroffenen Maßnahmen wurden von Menschenrechtsanwälten als invasiv angesehen (FH 3.3.2021).
Im ersten Quartal 2021 wird Indien mit einem Anstieg der Fallzahlen vor einer zweiten COVID-19 Welle erfasst (TOI 21.3.2021; vgl. TFE 20.3.2021) und verzeichnete im Zeitraum ab April/Mai 2021 die höchsten Zahlen an täglichen Todesfällen wegen des Coronavirus seit Beginn der Pandemie (BAMF 3.5.2021). Kritik äußert sich aus dem Umstand heraus, dass Indien, ob seiner Pharmaindustrie, als "Apotheke der Welt" durch die Lieferung von Covid-19-Impfstoffen an viele Länder der Welt genießt (FE 20.3.2021; vgl. TOI 21.3.2021), gleichzeitig jedoch bei der Durchimpfung der eigenen Bevölkerung landesweit lediglich einen Wert von rund zwei Prozent erreicht (HO 28.4.2021).
Auch der Umstand, dass im Zuge der Regionalwahlen in einigen Bundesstaaten große Kundgebungen mit zum Teil Zehntausender Besucher abgehalten wurden, wie auch die Durchführung des hinuistischen Festes Kumbh-Mela in Haridwar im nördlichen Bundesstaat Uttarakhand, an dem im Zeitraum von Jänner 2021 bis zum 27. April knapp 25 Millionen Hindus vor Ort teilgenommen haben, attestieren der indischen regierung eine "praktizierte Sorglosigkeit". Die Aussage der BJP bei einer Wahlveranstaltung im Bundestaat Assam in der verkündet wurde, "Wahlveranstaltungen und religiöse Zusammenkünfte tragen nicht zur Verbreitung von Covid-19 bei", wird kritisiert (BAMF 3.5.2021; vgl. HO 28.4.2021).
Seit Mai 2021 sind alle Erwachsenen impfberechtigt, davor nur über 45-Jährige. In mehreren Bundesstaaten des Landes ist der Impfstoff ausgegangen, Hilfsgüter aus mehreren Ländern wie Beatmungsgeräte, Anlagen zur Sauerstofferzeugung, Medikamente und Impfstoff werden Indien von der internationalen Staatengemeionschaft zur Verfügung gestellt. Medienberichten zufolge will Indien die eigene Impfstoffproduktion bis Juni 2021 erhöhen, von der staalichen indischen Eisenbahngesellschaft gab bekannt, 4.000 Waggons mit einer Kapazität von 64.000 Betten als provisorische Stationen für Corona-Patienten bereitzustellen (BAMF 3.5.2021).
Alle Experten davon aus, dass kurzfristig die Fallzahlen wie auch die Zahlen der Toten weiter ansteigen werden, da das staatliche Gesundheitssystem in vielen Landesteilen schon jetzt an seine Grenzen gestoßen ist. Eine mittelfristige Prognose ist noch unklar. Eine Hoffnung stellt, bedingt durch den bereits erfolgten sehr breiten Ansteckung der Bevölkerung das Erreichen einer Herdenimmunität dar (HO 25.4.2021).
Quellen:
? BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (3.5.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw18-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Zugriff 7.5.2021
? BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (12.10.2020): https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2020/briefingnotes-kw42-2020.pdf;jsessionid=91E533F0FC7A0F35C0751A9F00F3D711.internet572?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 12.10.2020
? DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (10.12.2020): DFAT Country Information Report India, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043026/country-information-report-india.pdf, Zugriff 18.1.2021
? FE – Financial Express (20.3.2021): Coronavirus Lockdown 2021 News Highlights: Only partial relaxation from lockdown in Nagpur from Monday, https://www.financialexpress.com/lifestyle/health/coronavirus-lockdown-2021-live-news-coronavirus-india-latest-march-20-updates-narendra-modi-covid-lockdown-night-curfew-maharashtra-mumbai-pune-nagpur-uttar-pradesh-delhi-bengaluru-hyderabad-punjab-gu/2216571/, Zugriff 22.3.2021
? FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046516.html, Zugriff 22.3.2021
? GTAI – German Trade & Invest [Deutschland] (3.12.2020): Indien sieht erste Anzeichen einer Konjunkturbelebung, https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/indien/indien-sieht-erste-anzeichen-einer-konjunkturbelebung-234424, Zugriff 18.1.2021
? HO – Heise Online (25.4.2021): Telepolis: Corona in Indien: Sorglosigkeit, Mutanten und himmelschreiende Ungleichheit, https://www.heise.de/tp/features/Corona-in-Indien-Sorglosigkeit-Mutanten-und-himmelschreiende-Ungleichheit-6030218.html, Zugriff 7.5.2021
? HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043608.html, Zugriff 18.1.2021
? ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht Indien
? PRC – Pew Research Center (18.3.2021): In the pandemic, India’s middle class shrinks and poverty spreads while China sees smaller changes, https://www.pewresearch.org/fact-tank/2021/03/18/in-the-pandemic-indias-middle-class-shrinks-and-poverty-spreads-while-china-sees-smaller-changes/, Zugriff 22.3.2021
? TOI – Times of India (21.3.2021): Government failed to control Covid spread, must vaccinate all within months: Congress,
http://timesofindia.indiatimes.com/articleshow/81618736.cms?utm_source=contentofinterest&utm_medium=text&utm_campaign=cppst, Zugriff 22.3.2021
? WKO – Wirtschaftskammer Österreich [Österreich] (13.1.2021): Coronavirus: Situation in Indien, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-infos-indien.html, Zugriff 18.1.2021
Allgemeine Menschenrechtslage
? Letzte Änderung: 31.05.2021
Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 23.9.2020). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 9.2020). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 23.9.2020). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u.a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden. Es gibt glaubhafte Berichte über extralegale Tötungen (AA 23.9.2020).
Die Menschenrechtslage ist in Indien regional sehr unterschiedlich (BICC 1.2021). Eine verallgemeinernde Bewertung der Menschenrechtslage ist für Indien kaum möglich: Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 23.9.2020). Während die Bürger-und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, dort wo es interne Konflikte gibt teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatisti-sche Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsver-letzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entfüh-rungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hin-richtungen vorgeworfen. Es gibt Befürchtungen, dass die neue, drakonische Anti-Terror-Gesetzgebung die Menschenrechtslage verschlimmern wird und dass diese Gesetze gegen politische Gegner missbraucht werden. Frauen, Mitglieder ethnischer undreligiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert. Den Sicherheitskräften wird Parteilichkeit vorgeworfen, besonders hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten. Die Stimmung wird durch hindu-nationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 1.2021 vgl. USDOS 30.3.2021, FH 3.3.2021, ÖB 9.2020).
Menschenrechtsprobleme umfassen unter anderem Hinweise auf willkürliche Hinrichtungen, Verschleppung, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet. Gesellschaftliche Gewalt auf der Grundlage von Konfession und Kaste gibt nach wie vor Anlass zur Sorge. Muslime und Dalit-Gruppen aus den unteren Kasten sind auch weiterhin am stärksten gefährdet (USDOS 30.3.2021). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tief verwurzelte soziale Praktiken, nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 23.9.2020).
In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein (USDOS 10.6.2020), Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 30.3.2021).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 16.10.2020
? BICC – Bonn International Centre for Conversion (1.2021): Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien, http://www.ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2020_Indien.pdf, Zugriff 11.5.2021
? FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046516.html, Zugriff 11.5.2021
? ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020: Asylländerbericht Indien
? USDOS – US Department of State [USA] (10.6.2020): 2019 Report on International Religious Freedom: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2031372.html, Zugriff 22.7.2020
? USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048124.html, Zugriff 11.5.2021
Bewegungsfreiheit
? Letzte Änderung: 31.05.2021
Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 23.9.2020), allerdings verlangen Zentralregierung und die Bundesstaatenregierungen vor Reiseantritt von indischen Staatsbürgern spezielle Genehmigungen, um bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen betreten zu dürfen (USDOS 30.3.2021). Darüber hinaus wird von Einschränkungen der Bewegungsfreiheit für Angehörige der Dalits berichtet. Auch sind die Regierungen der Bundesstaaten angewiesen, die Bewegungsfreiheit der Rohingya auf bestimmte Orte zu beschränken (USDOS 30.3.2021).
Die Regierung kann jedem Antragsteller per Gesetz die Ausstellung eines Reisepasses verweigern, wenn der Antragsteller an Aktivitäten außerhalb des Landes teilnimmt, "die der Souveränität und Integrität der Nation abträglich sind". Der Trend, die Ausfertigung und Aktualisierung von Reisedokumenten für Bürger aus Jammu und Kaschmir zu verzögern, hält weiterhin an. Eine Bearbeitung kann bis zu zwei Jahre dauern. Berichten zufolge unterziehen die Behörden in Jammu und Kaschmir geborene Antragsteller, einschließlich der Kinder von dort stationierten Militäroffizieren, zusätzliche Sicherheitsüberprüfungen, bevor sie entsprechende Reisedokumente ausstellen (USDOS 30.3.2021).
Angesichts massiv gestiegener COVID-19-Infektionszahlen können nächtliche Ausgangssperren oder Lockdowns in allen Städten/Bundesstaaten ohne lange Vorankündigung verhängt werden (BMEIA 10.5.2021). Zunehmend werden Ausgangssperren orts- und lageabhängig verhängt. Viele Bundesstaaten führen zudem oft kurzfristig Einreisebeschränkungen und Kontrollmaßnahmen sowie sonstige einschränkende Maßnahmen ein. Das Verbindungsangebot des nationalen Eisenbahn- und Flugverkehrs ist gegenwärtig stark reduziert, die Einreise auf dem Landweg ist weiterhin nicht möglich (AA 30.4.2021).
Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem (DFAT 10.12.2020), sodass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss. Die Einführung der Aadhaar-Karte im Jahre 2009 hat hieran nichts geändert, da die Registrierung nach wie vor auf freiwilliger Basis erfolgt (AA 23.9.2020). In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, sodass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. Bekannte Persönlichkeiten ("high profile" persons) können nicht durch einen Umzug in einen anderen Landesteil der Verfolgung entgehen, wohl aber weniger bekannte Personen ("low profile" people) (ÖB 9.2020).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (30.4.2021): Indien: Reise- und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung) (gültig seit 27.4.2021), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/indiensicherheit/205998, Zugriff 30.4.2021
? AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 16.10.2020
? BMEIA – Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (10.5.2021): Indien (Republik Indien) Aktuelle Hinweise (Unverändert gültig seit: 3.5.2021), https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/indien/, Zugriff 10.5.2021
? DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (10.12.2020): DFAT Country Information Report India, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043026/country-information-report-india.pdf, Zugriff 22.3.2021
? ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht Indien
? USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048124.html, Zugriff 30.4.2021
Meldewesen
? Letzte Änderung: 31.05.2021
Noch gibt es in Indien kein nationales Melderegister bzw. Staatsbürgerschaftsregister (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.9.2020, DFAT 10.12.2021). Allerdings besteht für alle Einwohner (auch ausländische StaatsbürgerInnen) die freiwillige Möglichkeit, sich umfassend mittels Aadhaar (12-stellige, individuelle Nummer) registrieren zu lassen (ÖB 9.2020). Flüchtlinge sind von dieser Möglichkeit jedoch ausgeschlossen (USDOS 30.3.2021). Als Sicherheitsmaßnahme für die Registrierung dienen ein digitales Foto, Fingerabdrücke aller 10 Finger sowie ein Irisscan. Mittels Aadhaar ist es dann möglich, Sozialleistungen von der öffentlichen Hand zu erhalten. Auf Grund der umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen (Irisscan, Fingerabrücke) ist das System relativ fälschungssicher. Mittlerweile wurden über 1,2 Mrd. Aadhaar-Registrierungen vorgenommen, womit ein Großteil der indischen Bevölkerung erfasst ist (ÖB 9.2020).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 16.10.2020
? DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (10.12.2020): DFAT Country Information Report India, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043026/country-information-report-india.pdf, Zugriff 22.3.2021
? ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht Indien
? USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048124.html, Zugriff 28.4.2021
Grundversorgung und Wirtschaft
? Letzte Änderung: 31.05.2021
Die Anzahl jener Personen, die in Indien unter der absoluten Armutsgrenze (1,90 USD/Tag Kaufkraft) leben, konnte zwischen 2012 und 2019 von 256 Mio. auf 76 Mio. reduziert werden. Gemäß Schätzungen könnten durch die COVID-Krise allerdings bis zu 200 Millionen Menschen wieder in die absolute Armut zurückgedrängt werden (ÖB 9.2020).
Im Geschäftsjahr 2020/21 (1.April 2020 – 31.März 2021) brach Indiens BIP Wachstum mit einem Minus von sieben bis neun Prozent deutlich ein. Der massivste Wachstumsrückgang seit der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1947, verdeutlicht die Auswirkungen der strengen Lockdown Maßnahmen in der ersten sechs Monaten des Vorjahres (WKO 4.2021; vgl. TIE 26.1.2021). 80 Prozent der Arbeiterschaft im informellen Sektor während des Lockdown ihre Arbeit verloren (AAAI 8.2020). Hundertausende Wanderarbeiter flohen in den Wochen danach aus den Städten. Weil auch der Zug- und Bahnverkehr von der Regierung ausgesetzt wurde, müssten viele Arbeiter zum Teil auf den Autobahnen und Gleisen Hunderte Kilometer zu Fuß in ihre Dörfer zurücklegen. Hunderte starben dabei (HO 28.4.2021). Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen sind für die Armen besonders gravierend (SZ 25.1.2021; vgl. HO 28.4.2021).
Ab Oktober 2020 konnte wieder ein starker Wachstumsanstieg verzeichnet werden. Die Investitionsförderungsprogramm der Regierung und die Erleichterung der Vergabebedingungen für Investitionskredite haben sehr wesentlich zum Wiederanspringen der Konjunktur beigetragen (WKO 4.2021). Für 2021 wird ein Wirtschaftswachstum von mehr als sieben Prozent erwartet (TIE 26.1.2021).
Der indische Arbeitsmarkt wird durch den informellen Sektor dominiert. Er umfasst Familien- und Kleinbetriebe der Landwirtschaft, des produzierenden Gewerbes sowie des Dienstleistungsbereichs und unterliegt keiner Kontrolle oder Besteuerung des Staates. Infolgedessen bestehen in diesem Bereich keine rechtsverbindlichen Bestimmungen oder formal geregelte Arbeitsverhältnisse. Annähernd 90 Prozent der Beschäftigten werden dem informellen Sektor zugerechnet – sie sind weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert, noch haben sie Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung (Wienmann 2019; vgl. AAAI 8.2020).
Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle frei ist (BAMF 2020; vgl. PIB 23.7.2018). Einige Bundesstaaten geben Arbeitssuchenden eine finanzielle Unterstützung für die Dauer von drei Jahren. Für weitere Informationen sollte die jeweilige lokale Vermittlungsagentur kontaktiert werden. Diese bieten auch Beratungen an, bei denen sie Informationen zu Verfügung stellen (BAMF 2020).
Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zumeist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an, die sich ebenfalls an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze, richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat). Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmern ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 2020).
Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz (AA 23.9.2020). Ein Programm, demzufolge 800 Mio. Menschen gratis Lebensmittelrationen erhalten (also etwa 2/3 der Bevölkerung) wurde bis November 2020 verlängert. Die Ausmaße dieses Programms verdeutlichen, wie hart Indien von der COVID-Krise und dem damit verbundenen Einbruch der Wirtschaft betroffen ist (ÖB 9.2020).
Im September 2018 bestätigte der Oberste Gerichtshof die Verfassungsmäßigkeit des biometrischen Identifikationsprojekts Aadhaar. Im Juli 2019 verabschiedete das Parlament Änderungen zum Aadhaar-Gesetz. Damit wird der Weg für den Einsatz der Daten durch private Nutzer frei. Die geplanten Änderungen gaben Anlass zur Besorgnis hinsichtlich der Privatsphäre und des Datenschutzes und wurden angesichts eines Entscheids des Obersten Gerichtshofs vom September 2018 vorgenommen, welcher eine Nutzung von Aadhaar für andere Zwecke als den Zugang zu staatlichen Leistungen und die Erhebung von Steuern beschränkt (HRW 14.1.2020). Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 rund 1,2 Milliarden indischer Bürger eine Aadhaar-ID ausgestellt (ORF 27.9.2018; vgl. DFAT 10.12.2020). Ursprünglich wurde das System eingeführt, um Steuerbetrug entgegenzuwirken. In den folgenden Jahren wurde der Umfang jedoch stark ausgeweitet: In einigen indischen Bundesstaaten werden mittels Aadhaar Pensionen, Stipendien und die Essensausgabe für arme Menschen abgewickelt (ORF 27.9.2018). Um eine Aadhaar-Karte zu erhalten, sind keine umfangreichen Unterlagen erforderlich, und es stehen mehrere Optionen zur Verfügung, wodurch sie auch für ärmere Bürger ohne Papiere zugänglich ist. Die Verwendung biometrischer Daten, einschließlich Gesichtsauthentifizierung, Iris und Fingerabdruck, soll die doppelte Vergabe von UIDs an ein und dieselbe Person reduzieren oder verhindern. Während es möglich sein kann, eine Aadhaar-Karte unter falschem Namen zu erhalten, ist es weniger wahrscheinlich, dass eine Person mit denselben biometrischen Daten eine zweite Aadhaar-Karte unter einem anderen Namen erhalten kann (DFAT 10.12.2020). Aadhaar stellt für den Großteil der Bevölkerung den einzigen Zugang zu einem staatlich anerkannten Ausweis dar. Diejenigen, die sich bei Aadhaar angemeldet haben, erhielten nach der Übermittlung ihrer Fingerabdrücke und Netzhautscans eine eindeutige zwölfstellige Identifikationsnummer (BBC 26.9.2018; vgl. DFAT 10.12.2020). Die Aadhaar-Karte selbst ist kein sicheres Dokument, da sie auf Papier gedruckt wird, und obwohl sie nicht wie ein Personalausweis behandelt werden sollte, ist sie es in der Praxis doch (DFAT 10.12.2020).
Menschenrechtsgruppen äußern Bedenken, dass die Bedingungen zur Registrierung für Aadhaar arme und marginalisierte Menschen daran hindern, wesentliche, verfassungsmäßig garantierte Dienstleistungen wie etwa Nahrung und Gesundheitsversorgung zu erhalten (HRW 13.1.2018).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 16.10.2020
? AAAI – Action Aid Association (India) (8.2020): Workers in the Time of Covid-19, https://www.actionaidindia.org/wp-content/uploads/2020/08/Workers-in-the-time-of-Covid-19_ebook1.pdf, Zugriff 7.5.2021
? BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (2020): Länderinformationsblatt Indien, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2019_India_DE.pdf, Zugriff 7.5.2021
? BBC - British Broadcasting Corporation (26.9.2018): Aadhaar: India top court upholds world's largest biometric scheme, https://www.bbc.com/news/world-asia-india-44777787, Zugriff 17.1.2019
? BICC - Bonn International Centre for Conversion (7.2020): Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2020_Indien.pdf, Zugriff 20.10.2020
? DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (10.12.2020): DFAT Country Information Report India, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043026/country-information-report-india.pdf, Zugriff 7.5.2021
? FES – Friedrich-Ebert-Stiftung (9.2019): Feminist perspectives on the future of work in India, http://library.fes.de/pdf-files/bueros/indien/15719.pdf, (Zugriff 18.3.2020
? HO – Heise Online (25.4.2021): Telepolis: Corona in Indien: Sorglosigkeit, Mutanten und himmelschreiende Ungleichheit, https://www.heise.de/tp/features/Corona-in-Indien-Sorglosigkeit-Mutanten-und-himmelschreiende-Ungleichheit-6030218.html, Zugriff 7.5.2021
? HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022689.html, Zugriff 17.1.2020
? HRW - Human Rights Watch (13.1.2018): India: Identification Project Threatens Rights, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422175.html, Zugriff 17.1.2019
? ORF - Österreichischer Rundfunk [Österreich] (27.9.2018): Indiens Form der digitalen Überwachung, https://orf.at/stories/3035121/, Zugriff 17.1.2019
? ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht Indien
? PIB - Press Information Bureau Government of India Ministry of Labour & Employment (23.7.2018): Modernisation of Employment Exchanges, http://pib.nic.in/newsite/PrintRelease.aspx?relid=180854, Zugriff 13.3.2020
? SZ – Süddeutsche Zeitung (25.1.2021): Globale Armut steigt dramatisch an, https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/armut-corona-oxfam-kinder-1.5183057, Zugriff 7.5.2021
? TIE – The Indian Express (26.1.2021): Indian economy estimated to contract by 9.6% in 2020, grow at 7.3% in 2021: UN, https://indianexpress.com/article/business/economy/indian-economy-estimated-to-contract-by-9-6-per-cent-in-2020-grow-at-7-3-per-cent-in-2021-un-7162196/, Zugriff 7.5.2021
? WKO - Aussenwirtschaft Austria [Österreich] (4.2021): Aussen Wirtschaft Wirtschaftsbereich Indien, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 11.5.2021
Rückkehr
? Letzte Änderung: 31.05.2021
Allein die Tatsache, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen Konsequenzen nach der Abschiebung (AA 23.9.2020; vgl. DFAT 10.12.2020). Abgeschobene erfahren bei der Rückkehr nach Indien von den indischen Behörden grundsätzlich keine nachteiligen Konsequenzen, abgesehen von einer Prüfung der Papiere und gelegentlichen Befragung durch die Sicherheitsbehörden. Gesuchte Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Sicherheitsbehörden rechnen (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.9.2020).
Aktivisten, die im Ausland eine in Indien verbotene terroristische Vereinigung unterstützen, werden hierfür nach ihrer Rückkehr strafrechtlich verfolgt, sofern ihre Aktivitäten den indischen Behörden bekannt geworden sind. Es ist strafbar, zu Terrorgruppen Kontakte zu unterhalten oder an Handlungen beteiligt zu sein, die die Souveränität, Integrität oder Sicherheit Indiens gefährden. Menschenrechtsorganisationen berichten über Schikanen der indischen Polizei gegen Personen, die wegen terroristischer Aktivitäten verurteilt wurden, selbst wenn diese ihre Strafe bereits verbüßt haben (ÖB 9.2020). Auslandsaktivitäten bestimmter Gruppen (Sikhs, Kaschmiris) werden von indischer Seite beobachtet und registriert (ÖB 9.2020).
Indien verfügt über kein zentrales Meldesystem, das es der Behörde ermöglicht, den Aufenthaltsort von Einwohnern im eigenen Bundesstaat zu überprüfen, geschweige denn in einem der anderen Bundesstaaten oder Unionsterritorien (DFAT 10.12.2020). Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe gibt es nicht, die Rückkehrer sind auf die Unterstützung der eigenen Familie oder von Bekannten angewiesen (ÖB 9.2020).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 15.10.2020
? DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (10.12.2020): DFAT Country Information Report India,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2043026/country-information-report-india.pdf, Zugriff 22.3.2021
? ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht Indien
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zur Herkunft des Beschwerdeführers, zu seiner Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit, zu seinen persönlichen und familiären Verhältnissen in Indien und zu seiner Einreise nach Österreich gründen sich auf die diesbezüglich glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und den im Akt aufliegenden Bericht der LPD Niederösterreich, Stadtpolizeikommando Schwechat, vom 24.09.2021.
Die Beurteilung der belangten Behörde, wonach das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht, ist zutreffend, zumal die diesbezüglichen Angaben, wie schon das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im angefochtenen Bescheid festgestellt hat, zum einen widersprüchlich und zum anderen sehr vage und nicht nachvollziehbar waren: So brachte der Beschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Befragung vor der LPD Niederösterreich, Stadtpolizeikommando Schwechat, am 24.09.2021 als Grund für seine Asylantragsstellung vor, dass er in Indien aufgrund seiner politischen Orientierung von der Regierung verfolgt werde und diese ihn umbringen wolle. Im Rahmen der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 25.09.2021 bzw. bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 29.09.2021 erwähnte der Beschwerdeführer jedoch diesen Fluchtgrund mit keinem Wort mehr, sondern führte nun erstmals aus, dass er eine Beziehung mit einem Mädchen gehabt habe, dessen Vater mit dieser Beziehung nicht einverstanden gewesen sei und er von diesem bedroht worden sei. Dass der Beschwerdeführer von der indischen Regierung aufgrund seiner politischen Orientierung verfolgt wurde, hat der Beschwerdeführer somit nicht mehr erwähnt.
Aber auch den vom Beschwerdeführer im Rahmen der Erstbefragung bzw. der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ins Treffen geführten Angaben über eine Liebesgeschichte kann – wie schon das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ausgeführt hat - kein Glauben geschenkt werden. Diesbezüglich führte der Beschwerdeführer im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass er ein bis zwei Mal aufgrund seiner Beziehung zu einem Mädchen von dessen Vater bedroht worden sei und sogar zwei Mal von ihm angegriffen worden sei. Zu den beiden Angriffen seitens des Vaters befragt, blieb der Beschwerdeführer dann aber im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sehr vage und war nicht in der Lage, konkrete und ausführliche Details dazu zu nennen. Hinsichtlich seines ersten Übergriffes führte der Beschwerdeführer lediglich aus: „Eines Tages war ich mit meinem Fahrrad unterwegs und wurde angegriffen, sie sind mir mit dem Auto von hinten reingefahren. Ich bin durch den Aufprall in ein Weizenfeld gefallen. Ich war auch verletzt.“ Weitere ausführliche Details bezüglich dieses Angriffes hat der Beschwerdeführer nicht getätigt, auch hat er nicht ausgeführt, wie es ihm gelungen sein will, vor dem Auto, das hinter ihm her gewesen ist, zu Fuß zu flüchten. Auch ist nicht nachvollziehbar, wie schon das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im angefochtenen Bescheid ausgeführt hat, wie der Beschwerdeführer sehen konnte, dass der Vater seiner Freundin ihn mit dem Auto angefahren hat, zumal er laut seinen eigenen Angaben mit dem Oberkörper voran in das Feld gefallen sein will und sich dabei im Brustbereich verletzt hätte. Wie der Beschwerdeführer sohin trotz des Sturzes erkennen konnte, dass es sich um das Auto des Vaters seiner Freundin gehandelt hätte, ist somit nicht plausibel. Auch den zweiten Angriff seitens des Vaters des Mädchens schilderte der Beschwerdeführer wiederrum nur äußerst vage. Diesbezüglich befragt, gab er lediglich an, dass er mit „jemanden“ auf dem Weg zu einem Fest gewesen sei und von „drei Personen“ angegriffen worden sei. Wer diese Personen gewesen sind, die ihn angegriffen haben bzw. wann dieser Vorfall stattgefunden hat und wie es ihm gelungen ist, zu flüchten, hat der Beschwerdeführer jedoch nicht dargelegt. Schließlich hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im ange