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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
BFA-VG 2014 §9Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher und den Hofrat Dr. Pfiel als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des A M, vertreten durch Mag. Sonja Scheed, Rechtsanwältin in 1220 Wien, Brachelligasse 16, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. März 2021, W159 2239898-1/7E, betreffend Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen und eines befristeten Einreiseverbots (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein serbischer Staatsangehöriger, ist seit seiner Geburt im Jahr 1998 in Österreich aufhältig und erhielt im Jahr 2000 eine unbefristete Niederlassungsbewilligung.
2 Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 14. November 2014 wurde er wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Mit Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 20. März 2018 wurde er wegen der Vergehen der Sachbeschädigung, der fahrlässigen Herbeiführung einer Feuersbrunst und der Gefährdung der körperlichen Sicherheit gemäß § 125, § 170 Abs. 1 und § 89 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 5. Juni 2020 wurde er schließlich wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1 und 143 StGB sowie wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von siebeneinhalb Jahren rechtskräftig verurteilt.
3 Im Hinblick darauf erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen den Revisionswerber mit Bescheid vom 22. Jänner 2021 gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung sowie gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG stellte es unter einem fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Serbien zulässig sei. Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung aberkannt und dementsprechend gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. März 2021 wurde der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde insoweit stattgegeben, als die Dauer des Einreiseverbots auf acht Jahre herabgesetzt wurde. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
5 Das Bundesverwaltungsgericht stellte zu der vom Revisionswerber zuletzt (am 14. Dezember 2019) begangenen Straftat fest, dass er gemeinsam mit seinem Cousin und seiner damaligen Verlobten deren Vater mit einer Eisenstange brutal niedergeschlagen und ihm insbesondere Bargeld in der Höhe von mehr als € 28.000,-- geraubt habe. Im Vergleich zu den Vorverurteilungen liege darin eine deutliche Steigerung seiner kriminellen Energie und der Verwerflichkeit der Tat. Darüber hinaus habe er Suchtmittel in größerem Umfang (sieben bis acht kg Marihuana) veräußert, wobei die Suchtgiftkriminalität ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstelle. Durch diese gravierende Straffälligkeit sah das Bundesverwaltungsgericht sowohl die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 5 FPG als auch ein Einreiseverbot als gerechtfertigt an. Die Interessenabwägung gemäß § 9 BFA-VG schlage im Hinblick auf die begangenen Straftaten nicht zu Gunsten des alleinstehenden Revisionswerbers aus, obwohl er schon seit seiner Geburt in Österreich aufhältig sei. Die Bindungen zu seinem Herkunftsstaat Serbien seien nicht zur Gänze abgerissen, der Revisionswerber spreche neben Deutsch auch Serbisch und verfüge in Serbien über eine Wohnmöglichkeit im Sommerhaus seiner Familie; auf Grund seiner mehrjährigen Praxis im Gastgewerbe sei ihm auch zuzumuten, in Serbien beispielsweise als Kellner zu arbeiten. Das Einreiseverbot sei aber angesichts der Bindungen des Revisionswerbers in Österreich nur in einer Dauer von acht Jahren zu bemessen gewesen.
6 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
7 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
9 In der nach Ablehnung der Behandlung und Abtretung seiner Verfassungsgerichtshofbeschwerde (vgl. den Beschluss VfGH 22.6.2021, E 1783/2021) ausgeführten Revision macht der Revisionswerber unter diesem Gesichtspunkt geltend, dass das Bundesverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei, indem es keine mündliche Verhandlung durchgeführt habe. Auch sei die Interessenabwägung mangelhaft geblieben, zumal der Revisionswerber in Österreich geboren sei, sich hier stets rechtmäßig aufgehalten habe und erst im Alter von 16 Jahren, somit zu einem Zeitpunkt, zu dem er längst zum Erlangen der österreichischen Staatsbürgerschaft berechtigt gewesen sei, die erste Straftat begangen habe.
10 Dieses Vorbringen führt nicht zur Zulässigkeit der Revision. Zwar sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gegenüber Personen, die von klein auf in Österreich aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen sind oder denen vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts die Staatsbürgerschaft hätte verliehen werden können, aufenthaltsbeendende Maßnahmen nur bei Begehung besonders verwerflicher Straftaten und einer daraus abzuleitenden spezifischen Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen zulässig; die diesbezüglichen Wertungen der ehemaligen Aufenthaltsverfestigungstatbestände des § 9 Abs. 4 BFA-VG (die durch das FrÄG 2018 aufgehoben wurden) sind im Rahmen der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG nämlich weiterhin beachtlich (vgl. etwa VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0238, Rn. 12, mwN). Angesichts der Verurteilung des Revisionswerbers sowohl wegen Suchtgifthandels als auch wegen schweren Raubes zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von siebeneinhalb Jahren und im Hinblick auf die festgestellten, auf hohe kriminelle Energie hindeutenden Tatumstände, durfte das Bundesverwaltungsgericht aber eine derart gravierende Straffälligkeit bejahen und sogar vom Vorliegen eines eindeutigen Falles ausgehen, der es ihm ausnahmsweise erlaubte, von der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks in einer mündlichen Verhandlung abzusehen (vgl. dazu etwa VwGH 27.8.2020, Ra 2020/21/0291, Rn. 9, mwN). Entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers wurden auch ausreichende Feststellungen zur Rückkehrsituation in Serbien getroffen; allfällige Schwierigkeiten bei einer Integration in den dortigen Arbeitsmarkt hätte er auf Grund des großen öffentlichen Interesses an einer Verhinderung weiterer schwerer Delinquenz in Kauf zu nehmen (vgl. idS auch VwGH 21.7.2021, Ra 2021/21/0053, Rn. 15 und 16, unter Hinweis auf VwGH 22.1.2021, Ra 2020/21/0506).
11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 7. Oktober 2021
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021210272.L00Im RIS seit
15.11.2021Zuletzt aktualisiert am
20.12.2021