TE Vwgh Beschluss 2021/10/15 Ra 2021/02/0129

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Veröffentlicht am 15.10.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

B-VG Art133 Abs4
VStG §44a Z1
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §38

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision des E in W, vertreten durch Dr. Dominik Schärmer, Rechtsanwalt in 1230 Wien, Dr. Neumann-Gasse 7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland vom 23. März 2021, E 256/08/2020.004/005, betreffend Übertretung des KFG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Oberwart), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom 23. Oktober 2020 wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, an einem konkret genannten Tatort als Lenker eines näher angegebenen Kraftfahrzeuges, welches zur Güterbeförderung im Straßenverkehr eingesetzt werde und dessen höchstzulässiges Gesamtgewicht einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger 3,5 t übersteige, obwohl er sich zu mehreren zeitlich genau angegebenen Zeiträumen nicht im Fahrzeug aufgehalten habe und nicht in der Lage gewesen sei, das in das Fahrzeug eingebaute Gerät (digitaler Fahrtenschreiber) zu betätigen, unterlassen zu haben, die in Art. 34 Absatz 5 Buchstabe b Ziffern ii, iii und iv der EG-VO 165/2014 genannten Zeiträume mittels der manuellen Eingabevorrichtung des Gerätes auf der Fahrerkarte einzutragen. Er habe dadurch § 134 Abs. 1 KFG iVm. Art. 34 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 verletzt und wurde gemäß § 134 Abs. 1 iVm. § 134 Abs. 1b KFG zu einer Geldstrafe von € 420,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage und 12 Stunden) verurteilt.

2        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Burgenland mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und bestätigte das bekämpfte Straferkenntnis mit einer für das Revisionsverfahren nicht weiter relevanten Maßgabe. Der Revisionswerber wurde zur Zahlung eines näher genannten Beitrags zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens verpflichtet und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.

3        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

5        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6        Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 1 VStG ab, weil die Angabe des Tatverhaltens im Spruch des Straferkenntnisses nicht durch bloße paragraphenweise Zitierung von Gebotsnormen ersetzt werden könne. Es fehle eine nähere Konkretisierung der angeblich nicht eingetragenen Zeiträume, der während dieser Zeiten verrichteten Tätigkeiten und die konkrete Art der falschen Bedienung des Kontrollgeräts (Hinweis auf VwGH 25.5.2018, Ra 2017/10/0013, VwGH 25.2.2003, 2003/10/0025, VwSlg. 16026 A, mit Verweis auf VwGH [verstärkter Senat] 13.6.1984, 82/03/0265, VwSlg. 11466 A). Die Tat müsse alle Tatbestandselemente umfassen und dürfe keinen Zweifel daran lassen, wofür der Täter bestraft werde (Hinweis auf VwGH 23.4.2008, 2005/03/0243). Ungenauigkeiten hätten nur dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Strafbescheides, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt werde (Hinweis auf VwGH 21.12.2001, 2000/02/0171, VwSlg. 15745 A).

7        Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss der Spruch eines Straferkenntnisses so gefasst sein, dass die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die verletzte Verwaltungsvorschrift eindeutig und vollständig erfolgt, also aus der Tathandlung sogleich auf das Vorliegen der angelasteten Übertretung geschlossen werden kann (vgl. VwGH 4.5.2020, Ra 2019/16/0214, mwN).

8        Die Umschreibung der Tat hat so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist; sie darf keinen Zweifel daran bestehen lassen, wofür der Täter bestraft worden ist. Ungenauigkeiten bei der Konkretisierung der Tat haben nur dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Strafbescheides, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt wird. Die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat hat sich am jeweils in Betracht kommenden Tatbild zu orientieren (vgl. VwGH 20.11.2018, Ra 2017/02/0242, mwN).

9        Bei mehreren unter einem einzigen gesetzlichen Tatbestand subsumierbaren Verhaltensweisen genügt die Anführung der verba legalia der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift nicht dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z 1 VStG (vgl. VwGH 24.7.2019, Ra 2018/02/0163, mwN).

10       Bei der Begehung einer Verwaltungsübertretung durch Unterlassung ist zur Konkretisierung des Tatvorwurfes die individualisierte Beschreibung jener Handlungen im Spruch erforderlich, die der Täter hätte setzen müssen und nach Ansicht der Behörde rechtswidriger Weise nicht gesetzt hat (vgl. VwGH 19.12.2005, 2003/03/0199, mwN).

11       Von dieser Rechtsprechung wich das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis nicht ab:

12       Gemäß § 134 Abs. 1 KFG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer u.a. der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 zuwiderhandelt. Nach Art. 34 Abs. 5 Buchstabe b der genannten Verordnung betätigen die Fahrer die Schaltvorrichtung des Kontrollgeräts so, dass u.a. folgende Zeiten getrennt und unterscheidbar aufgezeichnet werden: andere Arbeiten (Ziffer ii), Bereitschaftszeit (Ziffer iii), Arbeitsunterbrechungen oder Ruhezeiten (Ziffer iv).

13       Mit dem oben wiedergegebenen Spruch lastete die Bezirkshauptmannschaft dem Revisionswerber die Unterlassung an, den digitalen Fahrtenschreiber für konkret genannte Zeiträume, zu denen er sich nicht im Fahrzeug aufgehalten habe, zu betätigen und beschrieb die vom Revisionswerber geforderten Handlungen dahin, dass er Eintragungen mittels manueller Eingabevorrichtung in die Fahrerkarte vorzunehmen gehabt hätte. Damit erfolgte eine ausreichend konkrete Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat. Der vom Revisionswerber kritisierte Hinweis auf die in Art. 34 Absatz 5 Buchstabe b Ziffern ii, iii und iv der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 genannten Zeiträume diente lediglich der Wiedergabe jener Vorschrift, die eingehalten werden sollte und verletzt wurde (§ 44a Z 2 VStG).

14       Die in der Zulässigkeitsbegründung zitierte Rechtsprechung betraf davon abweichende Sachverhalte, weil dort im Spruch deliktsspezifische Tatbestandselemente nach dem LMG und nach dem LMSVG sowie die Angaben über Zeit und Ort der Verweigerung des Alkotests nach § 5 Abs. 2 StVO fehlten.

15       Da dem Revisionswerber das Unterlassen von Eintragungen in die Fahrerkarte angelastet wurde, waren die Behörde und das Verwaltungsgericht nicht gehalten, die vom Revisionswerber während der inkriminierten Zeiträume verrichteten Tätigkeiten anzugeben.

16       Die Zulässigkeitsbegründung der Revision zeigt schließlich nicht auf, inwiefern der Revisionswerber durch die Fassung des in Rede stehenden Spruchs in seinen Verteidigungsrechten verletzt oder der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt wäre.

17       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 15. Oktober 2021

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Unterlassungsdelikt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021020129.L00

Im RIS seit

15.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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