TE Vwgh Erkenntnis 2021/10/18 Ra 2018/22/0067

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Veröffentlicht am 18.10.2021
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Index

E1P
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht
61/01 Familienlastenausgleich
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

ASVG §293
BFA-VG 2014 §21 Abs7
EStG 1988 §33 Abs4 Z3 lita
FamLAG 1967 §2 Abs2
MRK Art6
MRK Art6 Abs1
NAG 2005 §11 Abs2 Z4
NAG 2005 §11 Abs5
NAG 2005 §20 Abs1
NAG 2005 §46 Abs1 Z2
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §24
VwGVG 2014 §24 Abs4
VwGVG 2014 §28
VwRallg
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, über die Revision der Landeshauptfrau von Niederösterreich gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 30. Jänner 2018, LVwG-AV-976/002-2017, betreffend Aufenthaltstitel (mitbeteiligte Partei: G Z, vertreten durch Dr. Astrid Wagner, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Himmelpfortgasse 10), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Spruchpunktes I. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Begründung

1.1. Der Mitbeteiligte, ein serbischer Staatsangehöriger, stellte am 3. Jänner 2017 bei der Revisionswerberin einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zur Familienzusammenführung mit seiner aufgrund eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt - EU“ rechtmäßig in Österreich aufhältigen Ehefrau, einer serbischen Staatsangehörigen (im Folgenden nur: Ehefrau).

1.2. Die Revisionswerberin wies den Antrag mit Bescheid vom 3. Juli 2017 ab. Der Mitbeteiligte erfülle nicht die Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 4 in Verbindung mit Abs. 5 NAG, zumal Unterhaltsmittel von monatlich € 1.993,52 (Richtsätze gemäß § 293 ASVG für ein Ehepaar von € 1.334,17 und für zwei minderjährige Kinder der Ehefrau aus einer früheren Ehe von je € 137,30, zuzüglich Wohnungsmiete von € 490,98, abzüglich Wert der freien Station von € 284,32, zuzüglich Kreditrate von € 178,09) erforderlich seien, denen lediglich ein Nettoeinkommen der Ehefrau von monatlich € 1.472,86 gegenüberstehe. Auch die (näher erörterte) Interessenabwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG führe nicht zur Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels.

1.3. Der Mitbeteiligte erhob gegen den Bescheid Beschwerde und brachte unter anderem vor, seine Ehefrau verfüge über weitere Unterhaltsmittel, indem sie auch Familienbeihilfe für die Kinder von monatlich € 408,20 beziehe und Ersparnisse von € 8.000,-- habe. Zudem verfüge der Mitbeteiligte über eine Einstellungszusage, wonach er im Fall der Erteilung des Aufenthaltstitels ein monatliches Nettoeinkommen von € 1.323,04 erzielen würde. Im Hinblick darauf lägen die erforderlichen Unterhaltsmittel vor und sei die Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 4 in Verbindung mit Abs. 5 NAG erfüllt. Der Mitbeteiligte legte zum Beweis für sein Vorbringen diverse Urkunden vor, beantragte seine Parteienvernehmung und die Vernehmung seiner Ehefrau und begehrte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Mit Schreiben vom 17. Oktober 2017 reichte der Mitbeteiligte eine weitere Einstellungszusage nach, der zufolge er ein monatliches Nettoeinkommen von etwa € 1.822,76 beziehen würde, und legte weitere Urkunden vor.

1.4. Das Verwaltungsgericht übermittelte die Beschwerde und die weitere Eingabe des Mitbeteiligten samt den angeschlossenen Urkunden an die Revisionswerberin zur allfälligen Äußerung. Die Revisionswerberin gab keine Stellungnahme ab.

2.1. Mit dem hier angefochtenen Erkenntnis vom 30. Jänner 2018 gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - der Beschwerde des Mitbeteiligten Folge, erteilte den beantragten Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 NAG für eine Gültigkeitsdauer von zwölf Monaten und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig (Spruchpunkt I.). Weiters wies es den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, als unzulässig zurück (Spruchpunkt II.).

2.2. Das Verwaltungsgericht stellte zu Spruchpunkt I. (auf den unbekämpft gebliebenen Spruchpunkt II. ist nicht weiter einzugehen) über den unstrittigen Sachverhalt (vgl. oben Punkt 1.1.) hinaus Folgendes fest:

Der Mitbeteiligte habe aus einer früheren Ehe zwei (2001 und 2002 geborene) Kinder, die unter seiner Obsorge stünden. Die Kinder seien nicht in Österreich aufhältig, für sie seien auch keine Aufenthaltstitel beantragt worden.

Die Ehefrau habe ebenso aus einer früheren Ehe zwei (2003 und 2005 geborene) Kinder, die unter ihrer Obsorge stünden. Sie erhalte vom Vater der Kinder bis zu deren Selbsterhaltungsfähigkeit Unterhaltszahlungen. Die von der Ehefrau für die Kinder bezogene Familienbeihilfe habe im Jahr 2017 € 408,20 monatlich betragen.

Die Ehefrau sei seit März 2016 auf unbestimmte Zeit Mieterin einer knapp 80 m² großen Wohnung, der Mietzins belaufe sich auf monatlich € 490,98. Bei der Wohnung handle es sich um eine ortsübliche Unterkunft.

Die Ehefrau sei seit Juni 2016 in einem Hotel vollzeitbeschäftigt und beziehe ein Nettoeinkommen von monatlich € 1.262,45 (zu ergänzen: mit Sonderzahlungen monatlich € 1.472,86) zuzüglich Trinkgelder. Der Mitbeteiligte sei bei der Ehefrau in der Krankenversicherung mitversichert.

Die Ehefrau verfüge über ein Sparguthaben von € 8.000,--. Es gebe keine Hinweise, dass das Guthaben aus illegalen Quellen herrühre. Die Ehefrau habe für eine Kreditrückzahlung monatlich € 178,09 zu leisten.

Der Mitbeteiligte sei unbescholten und habe im November 2016 die Deutschprüfung auf dem Niveau A1 bestanden. Im Zeitpunkt der Antragstellung habe ein Quotenplatz zugeteilt werden können.

2.3. In der Beweiswürdigung führte das Verwaltungsgericht unter anderem aus, das Sparguthaben von € 8.000,-- gehe aus einer mit der Beschwerde vorgelegten „Finanzübersicht“ betreffend ein Sparkonto der Ehefrau hervor. Es bestünden keinerlei Hinweise, dass das Guthaben aus illegalen Quellen herrühre, vielmehr erscheine glaubwürdig, dass das Guthaben aus Trinkgeldern resultiere, arbeite doch die Ehefrau in einem Hotel der gehobenen Preisklasse, wo sie zusätzlich zum Lohn Trinkgelder von den Gästen lukrieren könne, wie auch das Hotel schriftlich bestätigt habe.

2.4. Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, nach dem festgestellten Sachverhalt seien die (näher erörterten) besonderen Erteilungsvoraussetzungen für den beantragten Aufenthaltstitel gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 NAG erfüllt.

Was die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen betreffe, so habe der Mitbeteiligte einen entsprechenden Nachweis von Deutschkenntnissen gemäß § 21a Abs. 1 NAG erbracht. In Bezug auf die Versagungsgründe des § 11 Abs. 1 NAG seien dem festgestellten Sachverhalt keinerlei Hinweise auf die Verwirklichung eines diesbezüglichen Tatbestands zu entnehmen. Was die Erteilungsvoraussetzungen des § 11 Abs. 2 NAG anbelange, so seien nach den getroffenen Feststellungen jedenfalls die Tatbestände der Z 1 bis 3 erfüllt. Was die weitere Voraussetzung des Vorliegens ausreichender Unterhaltsmittel gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 in Verbindung mit Abs. 5 NAG betreffe, so seien fallbezogen monatliche Unterhaltsmittel von € 2.024,36 (Richtsätze gemäß § 293 ASVG für ein Ehepaar von € 1.363,52 und für zwei Kinder der Ehefrau von je € 140,32 [die nicht in Österreich aufhältigen Kinder des Mitbeteiligten blieben außer Betracht], zuzüglich Wohnungsmiete von € 490,98, abzüglich Wert der freien Station von € 288,87, zuzüglich Kreditrate von € 178,09) erforderlich. Dem stehe zwar ein Nettoeinkommen der Ehefrau von lediglich monatlich € 1.472,86 gegenüber, allerdings seien auch die für die Kinder bezogene Familienbeihilfe von monatlich € 408,20 und das Sparguthaben von € 8.000,--, welches umgelegt auf die Geltungsdauer des Aufenthaltstitels monatlich € 666,66 entspreche, in Ansatz zu bringen. Ausgehend davon überstiegen aber die verfügbaren Mittel jedenfalls die erforderlichen Unterhaltsmittel; dahingestellt bleiben könne, ob der Mitbeteiligte künftig ein Einkommen aus einer eigenen Beschäftigung erzielen werde. Es sei daher auch die Erteilungsvoraussetzung gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 in Verbindung mit Abs. 5 NAG erfüllt.

Insgesamt lägen somit sämtliche Voraussetzungen für die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels vor. Die Befristung auf zwölf Monate gründe sich auf § 20 Abs. 1 NAG.

3.1. Gegen dieses Erkenntnis (und zwar nur gegen den Spruchpunkt I.) wendet sich die - Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende - außerordentliche Amtsrevision mit einem Aufhebungsantrag.

3.2. Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die Abweisung der Revision.

4.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Die Revisionswerberin macht zur Zulässigkeit der Revision einerseits geltend, das Verwaltungsgericht habe das angefochtene Erkenntnis mit einem Verfahrensmangel belastet, indem es eine zusätzliche - die tragenden Erwägungen der Behörde nicht bloß unwesentlich ergänzende - Beweiswürdigung (zum Vorhandensein eines Sparguthabens von € 8.000,--) vorgenommen habe, ohne zuvor eine - sowohl von Amts wegen gebotene als auch vom Mitbeteiligten beantragte - mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die Revisionswerberin bringt andererseits vor, das angefochtene Erkenntnis sei mit einem Rechtsirrtum behaftet, weil das Verwaltungsgericht - entgegen der Bestimmung des § 20 Abs. 1 NAG - dem Mitbeteiligten den Aufenthaltstitel mit einer Gültigkeitsdauer von zwölf Monaten erteilt habe (Zustellung des Erkenntnisses am 6. Februar 2018), obwohl die Gültigkeit seines Reisepasses bereits davor (am 24. November 2018) ende.

4.2. Die Revision ist aus dem zweitgenannten Grund zulässig und auch begründet.

5.1. Was zunächst die Mängelrüge (wegen Absehen von einer mündlichen Verhandlung im Zusammenhang mit der Einbeziehung eines Sparguthabens von € 8.000,-- in die verfügbaren Unterhaltsmittel) betrifft, so fehlt es (bereits) an der erforderlichen Relevanzdarstellung.

5.2. Die Aufhebung eines Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften nach § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG setzt grundsätzlich voraus, dass das Verwaltungsgericht bei Einhaltung der verletzten Verfahrensvorschriften zu einer anders lautenden Entscheidung hätte gelangen können. Es reicht daher nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften bloß zu behaupten, ohne die Relevanz eines geltend gemachten Verfahrensmangels konkret darzulegen (vgl. VwGH 8.3.2021, Ra 2020/14/0341, Rn. 26; 29.4.2021, Ra 2020/20/0358, Rn. 14). Zwar ist bei behaupteter Verletzung des Rechts auf Durchführung einer Verhandlung im Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK sowie des Art. 47 GRC eine Relevanzdarstellung nicht erforderlich. Außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Bestimmungen ist es aber weiterhin Sache des Revisionswerbers, die Relevanz der unterbliebenen mündlichen Verhandlung aufzuzeigen. Dies gilt - wie hier - auch für eine Amtsrevision, in der das Unterbleiben einer Verhandlung releviert wird, weil die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde in einer von ihr nicht zugunsten des Mitbeteiligten, sondern zur Wahrung öffentlicher Interessen erhobenen Revision nicht die Verletzung subjektiver Rechte (etwa nach Art. 6 EMRK oder Art. 47 GRC), sondern bloß einen objektiven Verstoß gegen Verfahrensbestimmungen geltend macht (vgl. VwGH 30.4.2019, Ra 2018/12/0059, Rn. 22 f; neuerlich Ra 2020/14/0341, Rn. 24 ff; 29.4.2021, Ra 2020/20/0362, Rn. 15).

5.3. Vorliegend führt die Revisionswerberin zur Relevanz des gerügten Mangels lediglich aus, ohne Heranziehung des Sparguthabens (wobei in Ansehung der vorgelegten „Finanzübersicht“ auch zu klären gewesen wäre, bei welcher Bank das Konto geführt werde, ob die Ehefrau alleinige Inhaberin bzw. Verfügungsberechtigte sei und ob sie das Guthaben jederzeit abrufen könne) wären die erforderlichen Unterhaltsmittel nicht erreicht und somit die Erteilungsvoraussetzungen nicht erfüllt. Das Verwaltungsgericht hätte daher bei Durchführung einer Verhandlung zu einem anderen Ergebnis gelangen können.

Mit diesem Vorbringen legt die Revisionswerberin freilich nicht im Ansatz dar, welche konkreten Ermittlungsergebnisse das Verwaltungsgericht bei Vermeidung des behaupteten Mangels hätte erzielen können und inwiefern sich daraus andere Tatsachenfeststellungen und letztlich eine andere Entscheidung hätten ergeben können. Es fehlt daher in Bezug auf den behaupteten Verfahrensmangel bereits an der notwendigen Relevanzdarstellung.

5.4. Im Hinblick darauf kann dahingestellt bleiben, ob das Verwaltungsgericht tatsächlich eine mündliche Verhandlung hätte durchführen müssen. Nur soviel sei gesagt, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs der Gesetzgeber als Zweck der mündlichen Verhandlung die Klärung des Sachverhalts und die Einräumung des Parteiengehörs sowie darüber hinaus auch die Erörterung einer strittigen Rechtsfrage zwischen den Parteien und dem Gericht vor Augen gehabt hat, sowie dass eine ergänzende Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht regelmäßig erst nach einer mündlichen Verhandlung in Frage kommt und auch bei einem (wesentlichen) sachverhaltsbezogenen Vorbringen im Beschwerdeverfahren (im Allgemeinen) unabhängig von einem diesbezüglichen Antrag eine mündliche Verhandlung durchzuführen ist (vgl. etwa VwGH 30.9.2015, Ra 2015/06/0007; 29.3.2017, Ra 2015/05/0051, Rn. 48).

6.1. Was die Rechtsrüge (wegen Erteilung des Aufenthaltstitels für eine über die Gültigkeit des Reisepasses hinausgehende Dauer) anlangt, so erweist sich die Revision hingegen als begründet.

6.2. Gemäß § 20 Abs. 1 NAG sind befristete Aufenthaltstitel für die Dauer von zwölf Monaten oder für die in diesem Bundesgesetz bestimmte längere Dauer auszustellen, es sei denn, es wurde eine kürzere Dauer des Aufenthaltstitels beantragt oder das Reisedokument weist nicht die entsprechende Gültigkeitsdauer auf.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat das Verwaltungsgericht bei Vorliegen der Voraussetzungen den beantragten Aufenthaltstitel selbst in konstitutiver Weise zu erteilen und tritt diese Wirkung mit der Erlassung des Erkenntnisses ein. Beträgt dabei die Gültigkeit des Reisepasses weniger als die maximal mögliche für den Aufenthaltstitel gültige Aufenthaltsdauer, so ist dieser nur für die Gültigkeitsdauer des Reisepasses auszustellen (vgl. VwGH 18.4.2018, Ra 2018/22/0019, Rn. 9ff mwN).

6.3. Vorliegend geht aus den Verfahrensakten hervor, dass das angefochtene Erkenntnis dem Mitbeteiligten am 6. Februar 2018 zugestellt wurde. Nach der aufgezeigten Judikatur wurde daher mit diesem Zeitpunkt der mit einer Gültigkeitsdauer von zwölf Monaten befristete Aufenthaltstitel konstitutiv erteilt. Wie den Verfahrensakten weiters zu entnehmen ist, war der - vom Mitbeteiligten im Zuge der Antragstellung in Kopie vorgelegte - Reisepass lediglich bis zum 24. November 2018 gültig. Im Hinblick darauf wäre jedoch gemäß § 20 Abs. 1 NAG der befristete Aufenthaltstitel nicht für die maximal mögliche Dauer von zwölf Monaten, sondern lediglich für eine kürzere Dauer (längstens) bis zum Ablauf der Gültigkeit des Reisepasses zu erteilen gewesen. Indem das Verwaltungsgericht dies verkannte, hat es seine Entscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

7. Das angefochtene Erkenntnis war daher in seinem Spruchpunkt I. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

8. Mit Blick auf das fortgesetzte Verfahren ist - soweit das Verwaltungsgericht auch die Familienbeihilfe in die Unterhaltsberechnung gemäß § 11 Abs. 5 NAG einbezogen hat - ergänzend darauf hinzuweisen, dass der Grundbetrag der Familienbeihilfe zu dem Zweck gewährt wird, einen Beitrag zu den Aufwendungen zu leisten, die mit dem Kindesunterhalt im Allgemeinen verbunden sind, und dass die Familienbeihilfe ausschließlich der Versorgung, Erziehung und Berufsausbildung der Kinder dient. Demnach ist die Familienbeihilfe ausschließlich für jene Person zu verwenden, für die sie bezahlt wird. Es ist daher nicht erlaubt, bei der Prüfung des Nachweises ausreichender Unterhaltsmittel für einen Fremden die für ein Kind gewährte Familienbeihilfe zu berücksichtigen. Diese Überlegungen sollen indes nicht für den im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe zustehenden Kinderabsetzbetrag gelten (vgl. etwa VwGH 29.3.2019, Ra 2018/22/0080, Pkt. 7.2. f; 20.5.2021, Ra 2017/22/0083, Pkt. 9.2.).

Wien, am 18. Oktober 2021

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2018220067.L00

Im RIS seit

15.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

30.11.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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