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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, in der Revisionssache der F M, vertreten durch Mag. Michael Gruber, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Paris-Lodron-Straße 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Jänner 2021, W251 2162101-2/26E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin ist Staatsangehörige Somalias und stellte am 7. Dezember 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz, den sie im Wesentlichen mit einer drohenden Verfolgung durch die Al-Shabaab begründete.
2 Mit Bescheid vom 26. Mai 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag vollinhaltlich ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen die Revisionswerberin eine Rückkehrentscheidung, stellte die Zulässigkeit ihrer Abschiebung nach Somalia fest und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Beschluss vom 28. Juni 2017 statt, hob den Bescheid auf und verwies die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur neuerlichen Befragung der Revisionswerberin und Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurück.
4 Nach der Durchführung ergänzender Ermittlungen wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 2. Juli 2018 erneut zur Gänze ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen die Revisionswerberin eine Rückkehrentscheidung, stellte die Zulässigkeit ihrer Abschiebung nach Somalia fest und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
5 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG die dagegen erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz und die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen richtete, als unbegründet ab. Im Übrigen gab es der Beschwerde statt, erklärte die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig und erteilte der Revisionswerberin eine auf die Dauer von zwölf Monaten befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Abs. 2 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Der Ausspruch einer Frist für die freiwillige Ausreise wurde ersatzlos behoben und die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.
6 In seiner Begründung führte das BVwG - soweit für das vorliegende Revisionsverfahren von Relevanz - aus, dass die Revisionswerberin einen Lebensgefährten in Österreich habe, den sie in Österreich kennengelernt und nach islamischem Ritus geheiratet habe. Ihr Lebensgefährte sei in Österreich asylberechtigt. Im Jahr 2019 sei der gemeinsame Sohn zur Welt gekommen, dem abgeleitet von seinem Vater der Status eines Asylberechtigten zuerkannt worden sei. In seiner Beweiswürdigung hielt das BVwG näher begründet fest, dass sich das Fluchtvorbringen der Revisionswerberin infolge widersprüchlicher Angaben zu ihrer Clanzugehörigkeit sowie zur Entführung ihres ersten Mannes, zu ihrer angeblichen eigenen Entführung und aufgrund von näher genannten Steigerungen in den Schilderungen im Fortlauf des Verfahrens als unglaubwürdig erwiesen habe. Die Revisionswerberin habe keine Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG 2005 glaubhaft machen können. Weiters stellte das BVwG fest, dass die Revisionswerberin, die einem Mehrheitsclan angehöre, über Familienangehörige in Somalia verfüge, mit denen sie in Kontakt stehe. Die Mutter, die fünf Geschwister sowie die drei Töchter der Revisionswerberin würden in Kismayo leben, ebenso der Vater der Revisionswerberin wie auch ihr Großonkel. Auch werde die Revisionswerberin bei einer Rückkehr bei ihrem Clan und bei ihrer Familie Schutz, Unterstützung und Verpflegung vorfinden. Die Revisionswerberin sei zudem jung, arbeitsfähig und selbsterhaltungsfähig. Von 2009 bis 2014 habe die Revisionswerberin in Kismayo gelebt und sich 2012 von ihrem ersten Ehemann getrennt. Von 2013 bis 2014 habe sie in Kismayo als Putzfrau gearbeitet. In seiner rechtlichen Beurteilung dazu hielt das BVwG fest, dass die Revisionswerberin seit ihrem 14. Lebensjahr in Kismayo gelebt habe, weshalb Kismayo als ihre Herkunftsregion zu sehen sei. Diese gelte als ruhige und sichere Stadt. Die Revisionswerberin sei mit den Gepflogenheiten in ihrem Herkunftsstaat vertraut. Im Falle einer Rückkehr bekomme sie zumindest anfänglich Unterstützung durch ihre Familie und sei deshalb nicht gezwungen, ein IDP-Lager aufzusuchen. Auch könne sie Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Die Revisionswerberin sei auch gesund und verfüge über zwei nahe männliche Verwandte in Kismayo. Eine Verletzung ihrer Rechte nach Art. 2 oder 3 EMRK sei nicht zu gewärtigen, der Antrag auf Gewährung von subsidiärem Schutz abzuweisen. Schließlich erklärte das BVwG die Rückkehrentscheidung für dauerhaft unzulässig und begründete dies unter besonderer Berücksichtigung des Kindeswohls mit dem Familienleben der Revisionswerberin zu ihrem in Österreich asylberechtigten Lebensgefährten und dem gemeinsamen Sohn und dem zu gewärtigenden unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte der Revisionswerberin nach Art. 8 EMRK.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, welche zur Begründung ihrer Zulässigkeit geltend macht, es fehle an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur geschlechtsspezifischen Verfolgung einer alleinstehenden Frau in Somalia sowie zu „§§ 34ff AsylG 2005“ betreffend die asylrechtliche Stellung einer Mutter eines nachgeborenen Kindes, dem selbst der Status eines Asylberechtigten von seinem Vater abgeleitet zuerkannt worden sei. Außerdem seien dem BVwG mehrere Verfahrensfehler unterlaufen, auf die in den Revisionsgründen näher eingegangen werde.
8 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. VwGH 21.12.2020, Ra 2020/14/0422, mwN). Eine Zulassungsbegründung, die bloß pauschale Behauptungen, jedoch keine konkrete Rechtsfrage und auch keine Bezugnahme auf Judikatur enthält, entspricht diesen Anforderungen nicht (vgl. VwGH 30.11.2020, Ra 2020/20/0328, mwN).
13 Im Übrigen lässt das Vorbringen in der Revision nicht erkennen, dass das BVwG von der - entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen der Revision vorliegenden und einheitlichen - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den entscheidungswesentlichen Kriterien des § 3 AsylG 2005 (vgl. VwGH 12.3.2020, Ra 2019/01/0472; VwGH 2.9.2019, Ro 2019/01/0009; VwGH 29.1.2021, Ra 2020/01/0397, jeweils mwN) sowie zu § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 (vgl. VwGH 31.8.2015, Ra 2015/19/0154; VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0213, jeweils mwN) abgewichen wäre.
14 Soweit die Revision ebenso Verfahrensmängel hinsichtlich der Abweisung der Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten geltend macht, ist dazu Folgendes festzuhalten:
Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss in der gesonderten Zulässigkeitsbegründung auch deren Relevanz dargetan werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Dies setzt (in Bezug auf Feststellungsmängel) voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 27.1.2021, Ra 2020/18/0428, mwN). Diesen Anforderungen wird die Revision mit ihrem bloß pauschal gehaltenen Vorbringen nicht gerecht.
15 Auch geht das BVwG in seiner Begründung davon aus, dass die Revisionswerberin jung, gesund und arbeitsfähig ist, über Arbeitserfahrung in Kismayo verfügt und auf ein familiäres Netzwerk mit zumindest zwei nahen männlichen Verwandten vor Ort zurückgreifen kann. Diesen Feststellungen tritt die Revision mit ihrem pauschalen Vorbringen nur unsubstantiiert entgegen, eine Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung wird dadurch nicht dargetan (zum diesbezüglichen Maßstab für das Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vgl. etwa VwGH 11.3.2021, Ra 2021/18/0059).
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 21. Oktober 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021180070.L00Im RIS seit
15.11.2021Zuletzt aktualisiert am
13.12.2021