Index
E1PNorm
AVG §56Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der Marktgemeinde M, vertreten durch Dr. Gernot Gasser und Dr. Sonja Schneeberger, Rechtsanwälte in 9900 Lienz, Beda-Weber-Gasse 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 18. August 2021, Zl. LVwG-2021/37/1748-2, betreffend einen wasserpolizeilichen Auftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Lienz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 16. April 2021 wurde der revisionswerbenden Partei die wasser- und naturschutzrechtliche Bewilligung für die Neuerrichtung der B.-Brücke über die I. erteilt.
2 Die wasserrechtliche Bewilligung wurde (unter anderem) an die wasserbautechnische Nebenbestimmung gebunden, dass die Bauarbeiten im Flussbett nur in der Niederwasserperiode zwischen 15. September und 15. Mai eines jeden Jahres durchgeführt würden und außerhalb dieses Zeitraums sämtliche temporären Bauwerke und Lehrgerüste aus dem Flussbett der I. zu entfernen seien (Nebenbestimmung 8.).
3 In der Folge stellte die belangte Behörde am 18. Mai 2021 fest, dass im Flussbett der I. gearbeitet würde.
4 Mit (unter anderem) auf § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 gestütztem Bescheid vom 24. Mai 2021 sprach die belangte Behörde - soweit gegenständlich relevant - aus, die entgegen der wasserrechtlichen Bewilligung vom 16. April 2021 anhaltenden Bauarbeiten seien „unverzüglich (SOFORT)“ einzustellen (Spruchpunkt I.).
5 Um das aktuelle Gefährdungspotential der I. zu minieren, seien „unverzüglich (SOFORT)“ folgende Maßnahmen zu setzen (Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustands):
„1. Die Vorschüttungen sind vollständig aus dem Flussbett der [I.] zu entfernen.
2. Die Spundwandkästen sind weitgehend zu entfernen. Nur die jeweils landseitige Rückwand ist zum Schutz der Ufer zu belassen.
3. Die bereits teilweise hergestellten, nicht mehr entfernbaren Widerlager der neuen Brücke sind in Abstimmung mit der wasserrechtlichen Bauaufsicht mit vor Ort befindlichen Wasserbausteinen nach Möglichkeit ober- und unterwasserseitig lokal zu sichern, ohne dass der dazwischenliegende Abflussquerschnitt weiter eingeschränkt wird.
4. Die durchgeführten Maßnahmen sind von der von der [revisionswerbenden Partei] namhaft gemachten Bauaufsicht zu betreuen und in Wort und Bild zu dokumentieren. Die Dokumentation ist der ha. Behörde unaufgefordert vorzulegen.“ (Spruchpunkt II.)
6 Die dagegen erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Partei wies das Verwaltungsgericht - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
7 In seiner Begründung führte es im Wesentlichen aus, die Einstellung der Bauarbeiten (vgl. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids) und die Vorschreibung von Maßnahmen zur Minimierung des aktuell gegebenen Gefährdungspotenzials (vgl. Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids) seien durch § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 gedeckt.
8 Entgegen dem Vorbringen der revisionswerbenden Partei sei die mit Spruchpunkt I. verfügte Einstellung der Bauarbeiten eindeutig formuliert. Mit den Worten „unverzüglich“ und „sofort“ habe die belangte Behörde klar zum Ausdruck gebracht, dass die Bauarbeiten ohne Aufschub zu beenden seien.
9 Auch habe die belangte Behörde die Aufforderung, Vorschüttungen vollständig aus dem Flussbett der I. zu entfernen, zu Recht an die revisionswerbende Partei als Bauherrin (und nicht an die von ihr beauftragten Unternehmen) gerichtet.
10 Die Behauptung der revisionswerbenden Partei, die weiteren Aufträge - vgl. Spruchpunkt II./2., 3. und 4. des angefochtenen Bescheids - seien zu unpräzise und unbestimmt und folglich nicht vollstreckbar, seien für das Verwaltungsgericht nicht schlüssig. Spruchpunkt II./2. sei klar zu entnehmen, dass die Spundwandkästen zu entfernen seien und lediglich die jeweils landseitige Rückwand zum Schutz der Ufer zu belassen sei. Gemäß Spruchpunkt II./3. seien die bereits teilweise hergestellten, nicht mehr entfernbaren Widerlager der neuen Brücke mit Wasserbausteinen ober- und unterwasserseitig lokal zu sichern. Bei dieser Sicherung dürfe der dazwischenliegende Abflussquerschnitt nicht eingeschränkt werden. Spruchpunkt II./4. habe die revisionswerbende Partei verpflichtet, die durchgeführten Maßnahmen zu dokumentieren. Die hinreichende Bestimmtheit der vorgeschriebenen Maßnahmen mache der Umstand deutlich, dass diese vollständig hätten umgesetzt werden können und auch vollständig umgesetzt worden seien.
11 Im gegenständlichen Fall sei allerdings nicht entscheidungsrelevant, dass die in Spruchpunkt II. vorgeschriebenen Maßnahmen bereits umgesetzt worden seien. Die Herbeiführung des mit Spruchpunkt II. geforderten Zustands bilde nämlich keine für das Beschwerdeverfahren relevante Änderung des Sachverhalts. In diesem Fall sei die Sachlage nicht anders zu sehen, als ob nach Erlassung des verpflichtenden Bescheids nichts geschehen wäre.
12 Zum Entfall der mündlichen Verhandlung führte das Verwaltungsgericht aus, der festgestellte (entscheidungswesentliche) Sachverhalt sei unbestritten. Eine diesbezügliche Erörterung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung sei somit nicht erforderlich. Entgegen der wasserbautechnischen Nebenbestimmung 8. des Bescheids der belangten Behörde vom 16. April 2021 habe die revisionswerbende Partei am 18. Mai 2021 Bauarbeiten im Flussbett zur Neuerrichtung der B.-Brücke durchführen lassen. Die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 seien damit offenkundig erfüllt. Zur Einstellung der Bauarbeiten und zu den aufgetragenen Maßnahmen habe die revisionswerbende Partei lediglich mangelnde Bestimmtheit vorgebracht. Dieses Vorbringen habe schon anhand der Formulierungen in den beiden Spruchpunkten geklärt werden können.
13 Die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass es im gegenständlichen Fall zu prüfen gehabt habe, ob die Voraussetzungen für die auf § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 gestützten Anordnungen vorgelegen seien. Das Verwaltungsgericht habe diese Rechtsfrage anhand des eindeutigen Wortlauts der anzuwenden Bestimmungen beurteilt und sei insbesondere im Hinblick auf den Tatbestand des § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 vor der einheitlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung seien somit nicht zu klären gewesen.
14 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
15 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
16 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
17 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
18 In der - für die Zulässigkeit allein maßgeblichen - Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird im Wesentlichen vorgebracht, der Spruch des Bescheids der belangten Behörde vom 24. Mai 2021 sei zu unbestimmt und daher nicht vollzugstauglich. In weiterer Folge gehe es auch darum, ob - bei einem möglichen Verstoß gegen den Bescheidspruch - neuerlich ein Verwaltungsstrafverfahren gegen das nach außen hin vertretungsbefugte Organ der revisionswerbenden Partei eingeleitet werden könnte oder nicht. Das Verwaltungsgericht sei auf diese Rechtsfrage gar nicht eingegangen, sodass jedenfalls hinsichtlich der Entscheidung, dass die „ao Revision“ unzulässig sei, eine Fehlbeurteilung vorliege.
19 Zudem habe die revisionswerbende Partei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Das Verwaltungsgericht habe eine solche allerdings nicht für notwendig gehalten, obwohl vor Erlassung des Erkenntnisses eine der revisionswerbenden Partei nicht bekannte Stellungnahme des wasserbautechnischen Amtssachverständigen vom 22. Juni 2021 beim Verwaltungsgericht eingelangt sei und in das angefochtene Erkenntnis Eingang gefunden habe. Es wäre unabdingbar gewesen, die revisionswerbende Partei davon in Kenntnis zu setzen, zu hören und nicht zu übergehen.
20 Dieses Vorbringen führt nicht zur Zulässigkeit der Revision:
21 Nach der ständigen hg. Rechtsprechung stellen Bescheidauslegungen in aller Regel einzelfallbezogene Rechtsfragen dar, die nicht revisibel sind (vgl. etwa VwGH 30.5.2017, Ra 2017/07/0032, mwN). Für die Deutung eines auslegungsbedürftigen Begriffs in einem Bescheidspruch ist neben dem Wortsinn der jeweilige Bescheid als Ganzes, wie etwa der Kontext mit dem übrigen konkreten Spruchinhalt und der Bescheidbegründung, wesentlich. Die Auslegung eines Bescheidspruchs hängt somit jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. VwGH 28.7.2016, 2013/07/0078).
22 Die revisionswerbende Partei vermag in der Zulässigkeitsbegründung nicht näher zu konkretisieren, worin sie die bereits in ihrer Beschwerde behauptete Unbestimmtheit des Bescheidspruchs erblickt. Das Verwaltungsgericht hat in vertretbarer Weise anhand des Wortsinns des Bescheidspruchs sowie dessen Kontext mit dem übrigen Spruchinhalt dargelegt, dass die mit Bescheid der belangten Behörde vom 24. Mai 2021 vorgeschriebenen Maßnahmen hinreichend bestimmt sind. Auch aus der vom Verwaltungsgericht berücksichtigten - unstrittigen - Tatsache, dass die revisionswerbende Partei den wasserpolizeilichen Auftrag bereits erfüllt hat, kann auf die hinreichende Bestimmtheit der Maßnahmen geschlossen werden. Aufgrund dieser Tatsache ist auch - entgegen der Befürchtung der revisionswerbenden Partei - nicht ersichtlich, dass „neuerlich ein Verwaltungsstrafverfahren gegen das nach außen hin vertretungsbefugte Organ der revisionswerbenden Partei eingeleitet werden könnte.“
23 Verfahren betreffend behördliche Beseitigungsaufträge von baulichen Anlagen fallen unter Art. 6 MRK (VwGH 26.1.2017, Ra 2016/07/0061, mwN). Art. 6 Abs. 1 MRK und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen dem Absehen von einer Verhandlung von Seiten eines Verwaltungsgerichtes (§ 24 Abs. 4 VwGVG 2014) aber ua. dann nicht entgegen, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt feststeht und auch keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten können, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist (VwGH 2.4.2021, Ra 2018/07/0358, mwN).
24 Aus diesem Grund geht auch das Vorbringen hinsichtlich der Verletzung der Verhandlungspflicht bzw. des Rechts auf Parteiengehör in Bezug auf die Stellungnahme des wasserbautechnischen Amtssachverständigen vom 22. Juni 2021 ins Leere, weil nach der Aktenlage dieser darin lediglich die vollständige Erfüllung des wasserpolizeilichen Auftrags durch die revisionswerbende Partei bestätigte. Diese Stellungnahme hat das Verwaltungsgericht in der Beweiswürdigung des angefochtenen Erkenntnisses auch bloß im Zusammenhang mit der Feststellung dieser ohnehin unstrittigen Tatsache berücksichtigt. Ist das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung von diesem Sachverhalt ausgegangen, der in der Revision - wie im vorliegenden Fall - nicht konkret in Abrede gestellt wird, lässt sich nicht erkennen, dass eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eine weitere Klärung der Rechtssache im Sinne des § 24 Abs. 4 VwGVG 2014 hätte erwarten lassen. Damit stand der entscheidungswesentliche Sachverhalt fest, weshalb diesbezüglich weder Fragen seiner Ergänzung noch Fragen der Beweiswürdigung auftreten können (VwGH 19.12.2018, Ra 2018/03/0132, mwN).
25 Dazu kommt, dass die Erfüllung des wasserpolizeilichen Auftrags während des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht - wie dieses selbst zutreffend erkannte - nicht als relevante Änderung des Sachverhalts zu beurteilen ist (vgl. VwGH 29.9.2016, Ra 2016/07/0057, mwN). Damit kam es im vorliegenden Fall gar nicht darauf an, ob der wasserpolizeiliche Auftrag durch die revisionswerbende Partei bereits erfüllt worden war oder nicht.
26 Daher war es offenkundig, dass die mündliche Erörterung der in der Stellungnahme enthaltenen Ausführungen des Amtssachverständigen eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ. Dem Verwaltungsgericht kann folglich kein Verfahrensmangel vorgeworfen werden, wenn es zur genannten unstrittigen (und letztlich irrelevanten) Tatsache keine Verhandlung durchführte bzw. dazu der revisionswerbenden Partei kein Parteiengehör einräumte.
27 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 21. Oktober 2021
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise Spruch und BegründungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021070087.L00Im RIS seit
15.11.2021Zuletzt aktualisiert am
06.12.2021