TE Vwgh Beschluss 2021/10/22 Ra 2020/02/0180

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Veröffentlicht am 22.10.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §56
AVG §8
B-VG Art133 Abs4
VVG §1 Abs1
VVG §1a
VVG §10 Abs2
VVG §3
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision des T in W, vertreten durch Dr. Stephan Duschel und Mag. Klaus Hanten, Rechtsanwälte in 1220 Wien, St. Wendelin-Platz 6, gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 22. November 2019, VGW-031/V/053/14555/2019-2, betreffend Zurückweisung einer Säumnisbeschwerde iA Übertretungen des KFG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Am 27. Oktober 2018 wurde dem Revisionswerber die Strafverfügung der Landespolizeidirektion Wien vom 18. Oktober 2018 wegen Übertretungen des KFG zugestellt.

2        Dagegen erhob der Revisionswerber am 14. November 2018 Einspruch, den die Landespolizeidirektion mit Bescheid vom 15. November 2018 als verspätet zurückwies. Dieser Bescheid wurde dem Revisionswerber am 20. November 2018 zugestellt.

3        Mit Schriftsatz vom 26. November 2018 brachte der Revisionswerber am 30. November 2018 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist ein, er holte den Einspruch nach und erhob „in eventu“ für den Fall, dass dem Wiedereinsetzungsantrag nicht stattgegeben werden sollte, eine Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid vom 15. November 2018.

4        Mit Bescheid vom 19. Dezember 2018 wies die Landespolizeidirektion den Antrag des Revisionswerbers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab und legte den Verwaltungsakt zur Entscheidung über die Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid dem Verwaltungsgericht Wien vor.

5        Mit Beschluss vom 31. Jänner 2019 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion vom 15. November 2018 als verspätet zurück. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

6        Der Verwaltungsgerichtshof hob mit seiner Entscheidung vom 21. August 2020, Ra 2019/02/0093, diesen Beschluss wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Zum gesamten Verfahren wird auf diese Entscheidung verwiesen.

7        Mit der Begründung, dass er eine mit 1. April 2019 datierte Mahnung über die in der Strafverfügung ausgesprochenen Geldstrafen samt Kosten erhalten habe, über seine Beschwerde gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrags nicht entschieden worden und die Strafverfügung noch nicht vollstreckbar sei, stellte der Revisionswerber bei der Landespolizeidirektion mit Schriftsatz vom 10. April 2019 einen Antrag auf Erlassung einer Vollstreckungsverfügung gemäß § 10 Abs. 2 VVG.

8        Mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2019 erhob der Revisionswerber eine Säumnisbeschwerde an das Verwaltungsgericht Wien.

9        Mit dem gegenständlich angefochtenen Beschluss wies das Verwaltungsgericht die Säumnisbeschwerde als unzulässig zurück und erklärte eine Revision für nicht zulässig.

10       Das Verwaltungsgericht führte rechtlich im Wesentlichen aus, dass dem Revisionswerber kein Rechtsanspruch auf Erlassung einer Vollstreckungsverfügung zukomme. Daher könne keine Säumigkeit hinsichtlich eines Antrags auf Erlassung einer Vollstreckungsverfügung eintreten.

11       Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Nach Einleitung des Vorverfahrens wurde eine Revisionsbeantwortung nicht erstattet.

12       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

13       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).

14       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15       Der Revisionswerber macht zur Zulässigkeit der Revision zunächst geltend, die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde hätte auch ohne einen Rechtsanspruch des Antragstellers einen bekämpfbaren Bescheid über sein Begehren zu erlassen, damit er auch eine Zurückweisung seines Antrags bekämpfen könne.

16       Hier zeigt die Revision nicht auf, von welcher Rechtsprechung das Verwaltungsgericht abgewichen sei. Es kann auch nicht der hilfsweise vorgebrachten Begründung fehlender oder uneinheitlicher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gefolgt werden.

17       Vermeint die Behörde, dass keine Sachentscheidung zu fällen ist, so trifft sie nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (grundsätzlich) eine Entscheidungspflicht insofern, als sie den Antrag bescheidförmig zurückzuweisen hat (vgl. VwGH [verstärkter Senat] 15.12.1977, 0934/73 und 1223/73, VwSlg. 9458 A, u.v.a.). Dies gilt jedoch nicht in Fällen, in denen jemand ohne Rechtsanspruch und ohne rechtliches Interesse die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nimmt (vgl. VwGH 21.5.1981, 1368/79, VwSlg. 10458 A; VwGH 3.3.1989, 88/11/0193; VwGH 2.10.1990, 89/11/0282, VwSlg. 13274 A; VwGH 28.4.1993, 93/12/0091, VwSlg. 13830 A; VwGH 28.3.2003, 2002/02/0184 und 0296; VwGH 12.10.2007, 2007/05/0017). Mit Blick auf diese Rechtsprechung zeigt die Revision - soweit sie selbst von einem fehlenden Rechtsanspruch ausgeht - keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.

18       Der Revisionswerber erachtet die Revision aber (unter Hinweis auf VwGH 21.10.1991, 91/12/0037, und VwGH 22.2.2007, 2006/07/0090) auch deshalb als zulässig, weil ihm ein Rechtsanspruch auf Erlassung einer Vollstreckungsverfügung zustehe, zumal er sonst vom Beschwerderecht gemäß § 10 Abs. 2 VVG nicht Gebrauch machen könne.

19       Gemäß § 1a Abs. 1 VVG ist die Vollstreckung von Verpflichtungen, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse gelegen ist, von der Vollstreckungsbehörde von Amts wegen oder über Ersuchen der Titelbehörde einzuleiten. Abs. 2 par. cit. sieht darüber hinaus die Einleitung der Vollstreckung von Verpflichtungen, auf deren Erfüllung ein Anspruch besteht, auf Antrag des Berechtigten (betreibender Gläubiger) vor.

20       Der Revisionswerber behauptet nicht, einen Anspruch auf Erfüllung aus der Strafverfügung zu haben und somit betreibender Gläubiger zu sein. Seine Parteistellung im Titelverfahren bewirkt nicht eo ipso die Parteistellung im Vollstreckungsverfahren (VwGH 20.11.2018, Ra 2017/05/0300), sie allein legitimiert ihn jedenfalls nicht zum Antrag auf Einleitung des Vollstreckungsverfahrens. Der Revisionswerber erhielt bislang lediglich ein Mahnschreiben, dem jede normative Kraft fehlt (VwGH 28.2.1984, 83/05/0221), sodass damit weder ein Vollstreckungsverfahren eingeleitet wurde noch dagegen ein Rechtsmittel möglich oder erforderlich wäre. Die in § 10 Abs. 2 VVG genannte Beschwerde richtet sich gegen die Vollstreckungsverfügung. Dass eine solche bereits erlassen worden wäre, bringt der Revisionswerber nicht vor, weshalb nicht ersichtlich ist, wogegen sich der Revisionswerber mit einer Beschwerde gemäß § 10 Abs. 2 VVG zur Wehr setzen wolle. Mit seiner Argumentation gelingt es dem Revisionswerber nicht, im vorliegenden Verfahrensstadium einen Rechtsanspruch auf Erlassung einer Vollstreckungsverfügung zu begründen.

21       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 22. Oktober 2021

Schlagworte

Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Androhungen Aufforderung Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020020180.L00

Im RIS seit

15.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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