TE Vwgh Erkenntnis 1996/12/10 95/19/0411

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Veröffentlicht am 10.12.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AufG 1992 §1 Abs1;
AufG 1992 §1 Abs2 Z2;
AufG 1992 §13 Abs1;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §5 Abs2 idF 1996/201;
AufG 1992 §5 Abs2;
AufG 1992 §5 Abs4;
AuslBG §11;
AuslBG §4 Abs3 Z7;
AuslBG §4 Abs3;
FrG 1993 §6 Abs1 Z1;
FrG 1993 §9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Mai 1995, Zl. 301.410/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 19. Mai 1995 wies der Bundesminister für Inneres den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab.

Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid damit, daß laut Aktenlage die letzte Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers am 30. Juni 1994 abgelaufen sei und er erst am 12. Dezember 1994 einen Antrag auf Verlängerung gestellt habe. Deshalb sei die vorgelegte Bescheinigung gemäß § 20 AuslBG (richtig: § 20b AuslBG) erloschen, da diese Bescheinigung ihre Gültigkeit verliere, wenn eine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet nach dem Aufenthaltsgesetz nicht mehr vorliege. Aus diesem Grund könne der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers nicht mehr als gesichert betrachtet werden, da er keiner legalen Beschäftigung nachgehen könne.

Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Er führt die Beschwerde wie folgt aus:

"Ich reiste Anfang des Jahres 1992 in das Bundesgebiet ein und lebte hier aufgrund gültiger Sichtvermerke, wobei der letzte bis 30.06.1994 gültig war. Noch vor Ablauf von dessen Gültigkeit hat mein Dienstgeber den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung beim Arbeitsamt PDG gestellt. Im Zuge der Antragstellung habe ich auch meinen Reisepaß zunächst bei meinem Dienstgeber deponiert, und dabei aber übersehen, daß ich zu diesem Zeitpunkt bereits den Verlängerungsantrag im Sinne des AufG. hätte einbringen müssen. Erst im Zuge einer Aufforderung durch das Landesarbeitsamt Wien, habe ich am 30.11.1994 davon Kenntnis erlangt, und den Antrag gemeinsam mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei der Behörde eingebracht. In beiden Verfahren ergingen negative Bescheide, wogegen ich jeweils Berufung eingelegt habe. Die Behörde 2. Instanz gab meinen Berufungen nicht Folge, wobei sie betreffend meinen Antrag auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung ausführte, daß meine Bescheinigung gemäß § 20 b AuslBG. erloschen sei, da ich keine Aufenthaltsbewilligung habe. Aus diesem Grund sei mein Lebensunterhalt gemäß § 5 Abs. 1 AufG. nicht mehr gesichert, weil ich keiner legalen Beschäftigung nachgehen könne.

Gemäß § 45 Abs. 3 AVG. hätte mir die Behörde die Möglichkeit geben müssen, zu ihrem Stand des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Statt dessen wurde ein Bescheid des Arbeitsamtes PDG am 01.02.1995 erlassen, mit welchem mein Verfahren auf Ausstellung einer Beschäftigungsbewilligung ausgesetzt wurde. Begründend wurde darin ausgeführt, daß über meinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, sowie über meinem Verlängerungsantrag nach dem AufG. noch nicht entschieden wurde. Andererseits wird mir im Berufungsbescheid des Bundesministerium für Inneres die Aufenthaltsbewilligung verweigert, da ich keine Beschäftigungsbewilligung vorweisen kann.

Die Behörde übersieht dabei jedoch, daß zwar für die Ausstellung einer Beschäftigungsbewilligung gemäß § 4 Abs. 3 Zif. 7 AuslBG. eine Aufenthaltsbewilligung notwendig ist, daß aber im AufG. nicht normiert ist, daß Voraussetzung einer Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung eine Beschäftigungsbewilligung sei. Dies wäre im Fall eines Erstantrages auch gänzlich unmöglich und kann daher nicht die ratio legis sein."

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Behörde erster Instanz hat den gegenständlichen Antrag des Beschwerdeführers gestützt auf § 1 Abs. 1 iVm § 13 Abs. 1 AufG "zurückgewiesen", weil er nach Ablauf des letztgültigen Sichtvermerkes am 30. Juni 1994, ausgehend vom Datum der Antragstellung (12. Dezember 1994), verspätet gestellt wäre. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dient die Stellung eines Antrages nach § 13 Abs. 1 zweiter Satz AufG der Durchsetzung des materiell-rechtlichen Anspruches des Fremden auf Verlängerung seines Aufenthaltsrechtes. Die dafür vom Gesetz vorgesehene Frist "mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung" ist demnach eine materiell-rechtliche Frist, deren Nichteinhaltung zum Untergang des genannten Rechtsanspruches führt. Daraus folgt, daß ein verspätet gestellter Antrag abzuweisen und gegen die Versäumung dieser Frist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht möglich wäre (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/18/0666). In einem solchen Fall verletzt das Vergreifen der Erstbehörde im Ausdruck (Zurückstatt Abweisung) den Beschwerdeführer in seinen Rechten nicht, weshalb die Entscheidung der belangten Behörde, welche die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen und sich inhaltlich mit dem Antrag des Beschwerdeführers auseinandergesetzt hat, aus diesem Grund nicht aufzuheben ist.

Wie sich aber aus dem Verwaltungsakt und vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgebracht ergibt, war dem Beschwerdeführer zuletzt von der Bundespolizeidirektion Wien am 10. November 1993 ein Wiedereinreise-Sichtvermerk mit Gültigkeit bis 30. Juni 1994 erteilt worden. Gemäß § 13 Abs. 1 AufG bleiben jene Berechtigungen zum Aufenthalt von Fremden, auf die dieses Bundesgesetz Anwendung findet und die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, unberührt. Sie können mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2) beantragen.

Das Aufenthaltsgesetz trat mit 1. Juli 1993 in Kraft. Damit bildet der NACHHER erteilte Wiedereinreise-Sichtvermerk keinen Fall des § 13 Abs. 1 AufG. Der Beschwerdeführer konnte somit mangels einer rechtlich verlängerbaren Aufenthaltsbewilligung mit Aussicht auf Erfolg keinen Verlängerungsantrag stellen. Der gegenständliche Antrag vom 12. Dezember 1994 ist daher als neuer Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu werten.

Die belangte Behörde hatte aufgrund der Erlassung des angefochtenen Bescheides (1. Juni 1995) das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 anzuwenden. Gemäß § 5 Abs. 2 AufG in dieser Fassung darf eine Bewilligung zum Zweck der Aufnahme einer Beschäftigung gemäß § 2 Abs. 2 AuslBG nur erteilt werden, wenn die zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice auf Anfrage durch die gemäß § 6 (AufG) zuständige Behörde mitgeteilt hat, daß im Hinblick auf die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes keine Bedenken gegen die Aufnahme der vom Antragsteller angestrebten Beschäftigung bestehen. Anträge auf Erteilung solcher Bewilligungen sind unverzüglich und ohne unnötigen Aufschub zu erledigen. Der Antragsteller hat mit dem Antrag die Art der angestrebten Beschäftigung anzugeben und die hiefür erforderliche entsprechende Qualifikation glaubhaft zu machen.

Stünde dem gegenständlichen Antrag kein anderer Ausschließungsgrund (etwa des § 6 Abs. 2 AufG oder des § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG) entgegen, so wäre die Abweisung des gegenständlichen Antrages nicht in der von der belangten Behörde gewählten Form begründbar. Denn der Antrag enthält durch die Nennung der vom Beschwerdeführer bereits tatsächlich ausgeübten unselbständigen Beschäftigung (an dieser Stelle ist es gleichgültig, ob berechtigter- oder unberechtigterweise) die ART der Beschäftigung (somit auch die Art der angestrebten Beschäftigung), und durch die Tatsache, daß der Beschäftiger den Beschwerdeführer in aufrechter Stellung hält, auch die Glaubhaftmachung der Qualifikation des Beschwerdeführers zur Ausübung eben dieser Beschäftigung. Da keine der im § 5 Abs. 4 AufG genannten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen bzw. Bestätigungen für den Beschwerdeführer ausgestellt ist, hätte die belangte Behörde somit - wie bei jedem anderen den sonstigen Erfordernissen genügenden Erstantrag eines Fremden mit dem Zweck unselbständige Erwerbstätigkeit - eine Anfrage an die zuständige Stelle des Arbeitsmarktservice zu stellen gehabt, ob IM HINBLICK AUF DIE AUFNAHMEFÄHIGKEIT DES ARBEITSMARKTES Bedenken gegen die Aufnahme (hier: im Sinne von "weiterer Ausübung") der vom Beschwerdeführer angestrebten (hier: im Sinne von "bereits ausgeübten") Beschäftigung bestehen. Indem sie dies unterlassen hat, durfte sie nicht davon ausgehen, daß der Versagungsgrund des nicht gesicherten Unterhaltes für die Dauer der angestrebten Bewilligung vorliege. Denn wird die Bestätigung nach § 5 Abs. 2 AufG erteilt, so ist auch mit der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung NACH Erteilung der Aufenthaltsbewilligung zu rechnen. Der Unterhalt erscheint daher mangels Anhaltspunkten für andere Versagungsgründe im Sinne des § 4 Abs. 3 AuslBG diesfalls durch die bei einem bestimmten Arbeitgeber aufzunehmende (hier: im Sinne von "legal fortzusetzende") Beschäftigung gesichert.

Der angefochtene Bescheid beruht daher auf einer unrichtigen Rechtsauffassung, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Für das fortgesetzte Verfahren ist allerdings darauf hinzuweisen, daß die belangte Behörde Feststellungen dazu zu treffen haben wird, ob sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Stellung seines Antrages in Österreich aufhielt bzw. ob er hier seinen Hauptwohnsitz begründet hat und dazu von Anfang an einer Aufenthaltsbewilligung bedurft hätte. Weiters wird die belangte Behörde darauf hingewiesen, daß der dem Beschwerdeführer nach dem Akteninhalt zuletzt erteilte Wiedereinreise-Sichtvermerk mit Gültigkeit bis 30. Juni 1994 keine Bewilligung nach § 1 Abs. 1 AufG ist, sondern ein von der zuständigen Fremdenbehörde erteilter Sichtvermerk gemäß § 6 Abs. 1 Z. 1 FrG und § 9 FrG. Ein solcher berechtigt gemäß § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG und § 1 Abs. 2 Z. 2 AufG nicht zur Aufnahme einer (unselbständigen) Erwerbstätigkeit in Österreich. Die ERSTMALIGE Aufnahme einer solchen Erwerbstätigkeit in Österreich ist nur nach Gültigkeit einer unter Berücksichtigung des § 5 Abs. 2 AufG in der Fassung BGBl. Nr. 201/1996 (hier sei insbesondere auf die gültige Sicherungsbescheinigung gemäß § 11 AuslBG hingewiesen) enthaltenen Bestimmungen erteilten Aufenthaltsbewilligung zulässig.

Es bedarf nicht der Berücksichtigung des Inhaltes der vom Beschwerdeführer anläßlich seines Antrages vorgelegten Bescheinigung gemäß § 20b AuslBG, da sich unmittelbar aus dem Gesetz (§ 20b Abs. 4 AuslBG) ergibt, daß die vorläufige Berechtigung zur Beschäftigungsaufnahme im Sinne des § 20b Abs. 1 AuslBG nur dann besteht, wenn der Ausländer die Voraussetzungen gemäß § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG erfüllt. Danach darf eine Beschäftigungsbewilligung nur erteilt werden, wenn der Ausländer zum Aufenthalt in Österreich NACH DEM AUFENTHALTSGESETZ berechtigt ist, ausgenommen im Falle des Antrages auf Verlängerung einer Beschäftigungsbewilligung. Weder war der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Entscheidung zum Aufenthalt in Österreich NACH DEM AUFENTHALTSGESETZ berechtigt noch hat er behauptet oder ist aus dem Akt ersichtlich, daß er einen Antrag auf VERLÄNGERUNG einer erteilten Beschäftigungsbewilligung eingebracht hätte.

Der Beschwerdeführer ging daher zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde keiner LEGALEN BESCHÄFTIGUNG nach. Die belangte Behörde wird daher - nach vollständiger und richtiger Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes - zu prüfen und zu begründen haben, ob das Verhalten des Beschwerdeführers den Forderungen des § 6 Abs. 2 AufG genügte bzw. einen Sichtvermerksversagungsgrund des § 5 Abs. 1 iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG darstellte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995190411.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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