TE Lvwg Erkenntnis 2021/10/28 LVwG-2021/37/2438-1

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Veröffentlicht am 28.10.2021
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Entscheidungsdatum

28.10.2021

Index

83 Naturschutz Umweltschutz
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AWG 2002 §38
AWG 2002 §43
AWG 2002 §52
AWG 2002 §65
Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über mobile Anlagen zur Behandlung von Abfällen
AVG §13
VwGVG 2014 §24
VwGVG 2014 §28

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hirn über die Beschwerde der AA, vertreten durch deren handelsrechtlichen Geschäftsführer BB, Adresse 1, **** Z, gegen Spruchpunkpunkt II. des Bescheides des Landeshauptmannes von Tirol vom 10.08.2021, Zl ***, betreffend ein Verfahren nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (mitbeteiligte Parteien: Landesumweltanwalt von Tirol und Arbeitsinspektorat Tirol; belangte Behörde: Landeshauptmann von Tirol),

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit Schriftsatz vom 18.01.2021, verbessert mit Schriftsatz vom 02.02.2021, hat die AA, vertreten durch deren handelsrechtlichen Geschäftsführer BB, Adresse 1, **** Z, beim Landeshauptmann von Tirol um die Genehmigung einer mobilen Behandlungsanlage gemäß § 52 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) angesucht. Die dem Ansuchen beigefügte Einreichunterlage enthält unter anderem eine Beschreibung des zur Genehmigung beantragten Shredders der CC vom Typ DD, Seriennummer ***, sowie die zu behandelnden Abfallarten und Behandlungsverfahren.

Zu diesem Antrag hat sich das Arbeitsinspektorat Tirol mit Schriftsatz vom 04.02.2021, Zl ***, geäußert. Der abfalltechnische Amtssachverständige EE hat zum beantragten Betrieb der mobilen Shredderanlage DD die Stellungnahme vom 11.03.2021, Zl ***, erstattet. Der emissionstechnische Amtssachverständige FF hat den geplanten Einsatz dieser mobilen Shredderanlage mit Schriftsatz vom 19.03.2021, Zl ***, fachlich beurteilt.

Zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 26.03.2021 Stellung genommen und in Abänderung ihres ursprünglichen Antrages auf die Behandlung der Abfallarten mit den Schlüsselnummern (SN) 12715 „Holz (zB Pfähle und Masten), salzimprägniert, ohne gefahrenrelevante Eigenschaften“, 17218 „Holzabfälle, organisch behandelt (zB ausgehärtete Lacke, organische Beschichtungen)“ und „35204 Fahrzeuge, Arbeitsmaschinen und –teile ohne umweltrelevante Mengen an gefährlichen Anteilen oder Inhaltsstoffen“ verzichtet, den Antrag auf Behandlung der nachfolgenden Abfallarten jedoch aufrecht erhalten:

SN

Sp

Abfallbezeichnung

Spezifizierung

Verfahren

17202

 

Bau- und Abbruchholz

 

R3_04;

R3_07

17202

1

Bau- und Abbruchholz

(aus) behandeltes (m) Holz

R3_04;

R3_07

17202

2

Bau- und Abbruchholz

(aus) nachweislich ausschließlich mechanisch behandeltes (m) Holz

R3_04;

R3_07

17202

3

Bau- und Abbruchholz

(aus) behandeltes (m) Holz, schadstoffrei

R3_04;

R3_07

35315

 

NE-Metallschrott, NE-Metallemballagen

 

R4_03

91401

 

Sperrmüll

 

R3_05

Über Ersuchen des Landeshauptmannes von Tirol vom 12.04.2021, Zl ***, hat der emissionstechnische Amtssachverständige GG die ergänzende Stellungnahme vom 10.06.2021, Zl ***, erstattet. Zu den unter Bezugnahme auf die ergänzende emissionstechnische Stellungnahme aufgeworfenen Fragen der belangten Behörde hat sich der wasserfachliche Amtssachverständige JJ im Schriftsatz vom 21.06.2021, ***, geäußert.

Der Landeshauptmann von Tirol hat mit Schriftsatz vom 22.06.2021, Zl ***, in Wahrung des Parteigehörs die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens allen Verfahrensparteien zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt. Der Landesumweltanwalt hat mit Schriftsatz vom 29.06.2021, Zl ***, eine Stellungnahme erstattet.

Mit den Spruchpunkten I. und III. des Bescheides vom 10.08.2021, Zl ***, hat der Landeshauptmann von Tirol als zuständige Abfallbehörde der AA, Adresse 1, **** Z, die abfallrechtliche Genehmigung für die Aufstellung und den Betrieb der mobilen Shredderanlage DD, Seriennummer ***, zur Behandlung genau bezeichneter Abfallarten nach Maßgabe der signierten Projektunterlagen und unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen erteilt.

Mit Spruchpunkt II. des Bescheides vom 10.08.2021, Zl ***, hat der Landeshauptmann von Tirol der AA, Adresse 1, **** Z, die beantragte Erteilung der abfallrechtlichen Genehmigung für den Betrieb der mobilen Shredderanlage DD, Seriennummer ***, zur Behandlung folgender Abfallarten:

SN

Sp

g/gn

Abfallbezeichnung

Spezifizierung

Verfahren

35315

 

 

NE-Metallschrott, NE-Metallemballagen

 

R4_03

91101

 

 

Siedlungsabfälle und ähnliche Gewerbeabfälle

 

R3_05

91206

 

 

Baustellenabfälle (kein Bauschutt)

 

R3_05

91401

 

 

Sperrmüll

 

R3_05

gemäß § 52 Abs 1 und 5 AWG 2002 in Verbindung mit der Verordnung über mobile Anlagen zur Behandlung vom Abfällen, BGBl II Nr 472/2002, versagt.

Mit Schriftsatz vom 09.09.2021 hat die AA, vertreten durch deren handelsrechtlichen Geschäftsführer BB, Adresse 1, **** Z, gegen Spruchpunkt II. des Bescheides des Landeshauptmannes von Tirol vom 10.08.2021, Zl ***, Beschwerde erhoben und unter anderem wörtlich ausgeführt:

„Wir, die AA, möchten gegen die Begründung, und damit der Nichtgenehmigung für die Behandlung einzelner, beantragter Abfallarten, fristgerecht Einspruch erheben.

Grund: Für uns ist nicht nachvollziehbar, warum bei der Behandlung von nicht gefährlichen Abfallarten, toxische Stäube entstehen sollen (laut der Stellungnahme ESA).

Diese Sichtweise würde unter anderem dazu führen, dass Hausmüllverbrennungsanlagen in Österreich potenziell gefährliche Abfälle verbrennen (?!!).

[…]“

Ergänzend hat die AA mit einem weiteren Schriftsatz vom 09.09.2021 beantragt, dass ihrem Ansuchen vom 18.01.2021 im ursprünglichen Umfang stattgegeben werde, „da bei der Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen keine toxischen Stäube entstehen“ würden.

Mit Schriftsatz vom 14.09.2021, Zl ***, hat der Landeshauptmann von Tirol den Gegenstandakt mit dem Ersuchen um Entscheidung über die Beschwerde der AA gegen den Bescheid vom 10.08.2021, Zl ***, dem Landesverwaltungsgericht Tirol vorgelegt.

II.      Rechtslage:

1.       Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002):

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002, BGBl I Nr 102/2002, zuletzt geändert durch BGBl I Nr 8/2021, lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:

„Konzentration und Zuständigkeit

§ 38.

[…]

(6) Zuständige Behörde für diesen Abschnitt dieses Bundesgesetzes ist der Landeshauptmann, sofern Abs. 7 nicht anderes bestimmt. Bei mobilen Behandlungsanlagen, einschließlich der Änderungsgenehmigungen und nachträglicher Auflagen, ist die örtlich zuständige Behörde der Landeshauptmann, in dessen Bundesland der Antragsteller seinen Sitz hat; liegt der Sitz des Antragstellers nicht im Bundesgebiet, ist der Landeshauptmann zuständig, in dessen Bundesland die mobile Behandlungsanlage erstmals aufgestellt und betrieben werden soll.

[…]“

„Genehmigungsvoraussetzungen

§ 43.

(1) Eine Genehmigung gemäß § 37 ist zu erteilen, wenn zu erwarten ist, dass die Behandlungsanlage neben den Voraussetzungen der gemäß § 38 anzuwendenden Vorschriften folgende Voraussetzungen erfüllt

1.   Das Leben und die Gesundheit des Menschen werden nicht gefährdet.

2.   Die Emissionen von Schadstoffen werden jedenfalls nach dem Stand der Technik begrenzt.

3.   Nachbarn werden nicht durch Lärm, Geruch, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise unzumutbar belästigt.

4.    Das Eigentum und sonstige dingliche Rechte der Nachbarn werden nicht gefährdet; unter einer Gefährdung des Eigentums ist nicht die Möglichkeit einer bloßen Minderung des Verkehrswertes zu verstehen.

5.    Die beim Betrieb der Behandlungsanlage nicht vermeidbaren anfallenden Abfälle werden nach dem Stand der Technik einer Vorbereitung zur Wiederverwendung, einem Recycling oder einer sonstigen Verwertung zugeführt oder ? soweit dies wirtschaftlich nicht vertretbar ist ? ordnungsgemäß beseitigt.

5a.  Die Behandlungspflichten gemäß den §§ 15 und 16 und gemäß einer Verordnung nach § 23 werden eingehalten.

6.    Auf die sonstigen öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) wird Bedacht genommen.

[…]“

„Genehmigung von mobilen Behandlungsanlagen

§ 52.

(1) Eine mobile Behandlungsanlage, die in einer Verordnung gemäß § 65 Abs. 3 genannt ist, oder eine wesentliche Änderung einer solchen mobilen Behandlungsanlage ist von der Behörde zu genehmigen.

[…]

(4) Eine Genehmigung für eine mobile Behandlungsanlage ist zu erteilen, wenn zu erwarten ist, dass die mobile Behandlungsanlage die Voraussetzungen gemäß § 43 Abs. 1 Z 1 bis 6 bezogen auf die Auswirkungen der mobilen Behandlungsanlage erfüllt.

(5) Erforderlichenfalls hat die Behörde zur Wahrung der Voraussetzungen gemäß § 43 Abs. 1 Z 1 bis 6 geeignete Auflagen, Bedingungen oder Befristungen vorzuschreiben. Jedenfalls sind die grundsätzlichen Anforderungen an mögliche Standorte, unter Berücksichtigung ihrer Umgebung und der zu erwartenden Emissionen, und die Maßnahmen zum Schutz möglicher Nachbarn vorzuschreiben. Sofern die Voraussetzungen gemäß Abs. 4 nicht erfüllt sind und auch durch die Vorschreibung von Auflagen, Bedingungen oder Befristungen nicht erfüllt werden können, ist der Genehmigungsantrag abzuweisen.

[…]“

„Nähere Bestimmungen für Behandlungsanlagen

§ 65.

[…]

(3) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend mit Verordnung jene genehmigungspflichtigen mobilen Behandlungsanlagen festzulegen, die vergleichbare Auswirkungen auf den Mensch oder die Umwelt haben wie ortsfeste Behandlungsanlagen. Weiters wird der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend für diese genehmigungspflichtigen mobilen Behandlungsanlagen mit Verordnung nähere Bestimmungen über die Ausstattung und Betriebsweise, einschließlich Bestimmungen über Aufstellungsort, Aufstellungszeit und Mindestabstand sowie nähere Bestimmungen über die Durchführung der Prüfung und die Prüfbescheinigung festzulegen.

[…]“

2.       Verordnung über mobile Abfallbehandlungsanlagen:

Die entscheidungswesentliche Bestimmung des § 1 der Verordnung über mobile Abfall-behandlungsanlagen, BGBl II Nr 472/2002, lautet samt Überschrift auszugsweise wie folgt:

„Genehmigungspflichtige mobile Behandlungsanlagen

§ 1.

Folgende mobile Behandlungsanlagen sind gemäß § 52 AWG 2002 zu genehmigen:

[…]

3.   Zerkleinerungsanlagen für Holzabfälle der Schlüsselnummern 17115 (Spannplattenabfälle), 17201 (Holzemballagen und Holzabfälle, nicht verunreinigt), 17202 (Bau- und Abbruchholz), 17203 (Holzwolle, nicht verunreinigt), 17207 (Eisenbahnschwellen), 17208 (Holz (zB Pfähle und Masten), salzimprägniert), 17209 [Holz (zB Pfähle und Masten), ölimprägniert], 17213 (Holzemballagen, Holzabfälle und Holzwolle, durch organische Chemikalien [zB Mineralöle, Lösemittel, Lacke, organische Beschichtungen) verunreinigt], 17214 [Holzemballagen, Holzabfälle und Holzwolle, durch anorganische Chemikalien (zB Säuren, Lauen, Salze) verunreinigt] gemäß ÖNORM S 2100 ‚Abfallkatalog‘, ausgegeben am 01.09.1997;

[…]

5.   Zerkleinerungsanlagen für Abfälle, ausgenommen Zerkleinerungsanlagen für Elektro- oder Elektronikaltgeräte oder Teile aus Elektro- oder Elektronikaltgeräten, Alt-Kraftfahrzeuge oder Teile aus Alt-Kraftfahrzeugen, Holzabfälle oder mineralische Baurestmassen;

[…]“

6.       Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl I Nr 33/2013 in der Fassung (idF) BGBl I Nr 138/2017, lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:

„Verhandlung

§ 24.

(1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

[…]

(3) Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.“

„Erkenntnisse

§ 28.

(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

[…]“

III.     Erwägungen:

1.       Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde:

Gemäß § 7 Abs 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde vier Wochen.

Der Bescheid vom 10.08.2021, Zl ***, wurde der Beschwerdeführerin am 16.08.2021 zugestellt. Die Beschwerde ist am 09.09.2021 und damit innerhalb der vierwöchigen Beschwerdefrist beim Landeshauptmann von Tirol eingelangt. Die Beschwerde wurde somit fristgerecht erhoben.

2.       Zum Prüfungsumfang:

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufgrund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 9 Abs 1 Z 3 und 4 VwGVG hat die Beschwerde die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt und das Begehren zu enthalten.

In ihrer Beschwerde hält die AA ausdrücklich fest, dass sie gegen die „Nichtgenehmigung für die Behandlung einzelner, beantragter Abfallarten fristgerecht Einspruch erheben“ wolle. Das Landesverwaltungsgericht Tirol interpretiert diese Aussage dahingehend, dass auch die in Spruchpunkt II. des Bescheides vom 10.08.2021, Zl ***, aufgelisteten Abfallarten einschließlich der angeführten Behandlungsverfahren zu genehmigen seien und Spruchpunkt II. des zitierten Bescheides dementsprechend abgeändert werden soll. Den weiteren Schriftsatz vom 09.09.2021 versteht das Landesverwaltungsgericht Tirol als Ergänzung des bereits am selben Tag eingebrachten Vorbringens.

Sofern die Beschwerdeführerin mit der Formulierung „möchten wir beantragen, dass unserem Ansuchen vom 18.01.2021 im ursprünglichen Umfang stattgegeben wird“ auch eine Genehmigung jener Abfallarten begehrt, auf deren abfallrechtliche Bewilligung sie bereits im Schriftsatz vom 26.03.2021 ausdrücklich verzichtet hat, hält das Landesverwaltungsgericht Tirol dazu Folgendes fest:

Gemäß § 13 Abs 7 AVG können Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden. Eine Zurückziehung eines Antrages bewirkt das Erlöschen der Entscheidungspflicht sowie bei antragsbedürftigen Bescheiden auch der Entscheidungskompetenz der Behörde, sodass über den ehemaligen Antrag nicht mehr abgesprochen werden darf (vgl VwGH 25.07.2013, 2013/07/0099). Unter Beachtung des § 59 Abs 1 AVG ? entsprechend dieser Bestimmung darf die Behörde nur über die durch den Antrag umschriebene Angelegenheit (= Antragsgebundenheit) entscheiden ? hat die belangte Behörde richtigerweise über jene Abfallarten, auf deren Behandlung die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 26.03.2021 verzichtet hat ? konkret sind es die Abfallarten mit den SN 17215, „Holz (zB Pfähle und Masten), salzimprägniert, ohne gefahrenrelevante Eigenschaften“, 17218 „Holzabfälle, organisch behandelt (zB ausgehärtete Lacke, organische Beschichtungen)“ und 35204 „Fahrzeuge, Arbeitsmaschinen und –teile, ohne umweltrelevante Mengen an gefährlichen Teilen oder Inhaltsstoffen“ ? nicht mehr abgesprochen.

§ 13 Abs 8 AVG eröffnet zwar dem Antragsteller die Möglichkeit, Anbringen oder Anträge im laufenden Verfahren zu modifizieren/abzuändern. Allerdings sind nur aufrechte Anträge einer Änderung zugänglich, ein bereits zurückgezogener Antrag existiert als solcher nicht mehr und kann folglich auch nicht mehr abgeändert werden.

Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist die „Sache“ des mit dem angefochtenen Bescheid abgeschlossenen Verfahrens und somit nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der belangten Behörde gebildet hat (vgl VwGH 09.09.2015, Ro 2015/03/0032; VwGH 30.06.2016, Ra 2016/11/0044). Sofern die Beschwerdeführerin mit ihrem Rechtsmittel (wiederum) ein Ansuchen stellt, das aus den dargelegten Gründen nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides ist, ist das Landesverwaltungsgericht Tirol zu einer Entscheidung über ein solches Begehren nicht zuständig.

3.       In der Sache:

3.1.    Zur Zuständigkeit der belangten Behörde:

Der Antrag der Beschwerdeführerin vom 18.01.2020, konkretisiert mit Schriftsatz vom 02.02.2021, bezieht sich auf eine mobile Behandlungsanlage im Sinne des § 2 Abs 7 Z 2 AWG 2002. Zuständige Behörde für das Genehmigungsverfahren für die von der Beschwerdeführerin beantragte mobile Abfallbehandlungsanlage war der Landeshauptmann von Tirol gemäß § 38 Abs 6 AWG 2002. Im Übrigen ist diesbezüglich auf die Darlegungen der belangten Behörde in Kapitel 4.1. „Zuständigkeit“ des Bescheides vom 10.08.2021, Zl ***, zu verweisen.

3.2.    Zur Beschwerde:

Kapitel 2. der Begründung des Bescheides vom 10.08.2021, Zl ***, enthält den für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevanten Sachverhalt. Die in den Unterkapiteln 2.1. „Allgemeines zur antragsgegenständlichen mobilen Behandlungsanlage“, 2.2. „Ergänzende Feststellungen aus abfalltechnischer Sicht“, 2.3. „Ergänzende Feststellungen aus Sicht des Arbeitnehmerschutzes“ und 2.5. „Ergänzende Feststellungen aus siedlungswasserwirtschaftlicher Sicht“ stehen mangels gegenteiligen Vorbringens der Beschwerdeführerin außer Streit. Demgegenüber sind laut den Darlegungen der Beschwerdeführerin die in den Unterkapiteln 2.4. „Ergänzende Feststellungen aus emissionstechnischer Sicht“ und 2.6. „Feststellungen zu § 43 Abs 1 AWG 2002“ getroffenen Aussagen, wonach bei der Behandlung der in Spruchpunkt II. des Bescheides vom 10.08.2021, Zl ***, angeführten Abfallarten toxische Inhaltsstoffe freigesetzt werden können, nicht nachvollziehbar. Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass bei der Behandlung nicht gefährlicher Abfallarten toxische Stäube entstehen sollen. Eine derartige Sichtweise würde dazu führen, „dass Hausmüllverbrennungsanlagen in Österreich potenziell gefährliche Abfälle verbrennen“.

Dazu hält das Landesverwaltungsgericht Tirol Folgendes fest:

Bei einem Gutachten eines Sachverständigen im Sinn des § 52 AVG handelt es sich um ein Beweismittel, das der freien Beweiswürdigung unterliegt. Einer Verfahrenspartei steht es offen, Mängel des Gutachtens aufzuzeigen. Einwendungen gegen die Schlüssigkeit, also die Darlegung eines Widerspruchs zu den Denkgesetzen oder zur allgemeinen Lebenserfahrung genauso wie Einwendungen gegen die Vollständigkeit des Gutachtens sind auch dann relevant, wenn sie nicht auf gleicher fachlicher Ebene angesiedelt sind. Allerdings ist es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht möglich, einem tauglichen Sachverständigengutachten erfolgreich durch bloße Anträge auf weitere Ermittlungen oder durch laienhafte Ausführungen zu begegnen. Vielmehr kann sein Beweiswert grundsätzlich nur mehr durch ein Vorbringen der Partei auf gleichem fachlichem Niveau oder durch ein fachlich fundiertes Gegengutachten erschüttert werden [Hengstschläger/Leeb, AVG § 52 Rz 61 ff (Stand 1.7.205, rdb.at)].

Die belangte Behörde hat die Feststellungen zu den in Spruchpunkt II. des Bescheides vom 10.08.2021, Zl ***, angeführten Abfallarten auf die emissionstechnischen Stellungnahmen vom 19.03.2021, Zl ***, sowie vom 10.06.2021, Zl ***, gestützt. Aufgabe des emissionstechnischen Amtssachverständigen war es, sich zur beantragten Behandlung der in den Einreichunterlagen angeführten Abfallarten aus sicherheitstechnischer Sicht zu äußern. Im emissionstechnischen Gutachten vom 19.03.2021, Zl ***, wird zunächst die mobile Abfallbehandlungsanlage und die vorgesehene Behandlung näher bezeichneter Abfallarten beschrieben. Davon ausgehend erfolgt die emissionstechnische Beurteilung, bestehend aus Darlegungen zu möglichen Motor- und Schallemissionen sowie dem Explosionsschutz und einer detaillierten Auseinandersetzung mit den beantragten Abfallarten. Die emissionstechnische Stellungnahme vom 10.06.2021, Zl ***, setzt sich mit den Einwänden der Beschwerdeführerin vom 26.03.2021 auseinander. Zur Abfallart mit der Schlüsselnummer 91401 „Sperrmüll“ nimmt die emissionstechnische Stellungnahme vom 10.06.2021, ***, Bezug auf die Darlegungen der Beschwerdeführerin im Schriftsatz vom 26.03.2021 und hebt hervor, dass unter der genannten Abfallart ein großes Spektrum verschiedenster Abfälle und Stoffe zu verstehen sei. Dazu würden etwa als Abfall zu qualifizierende Möbel zählen, die häufig aus Spanplatten oder lackierten/gebeizten/behandelten Hölzern samt Metallteilen bestehen und damit als Abfälle mit erhöhtem Emissionspotenzial einzustufen seien. Der emissionstechnische Amtssachverständige macht zudem deutlich, dass die Beschwerdeführerin keine Angaben getroffen habe, wie hoch diffuse Emissionen dieser zahlreichen zum Sperrmüll zählenden Stoffarten seien und wie diese begrenzt werden sollten. Zudem verweist der emissionstechnische Amtssachverständige auf die laut den Erläuterungen zur Verordnung BGBl II Nr 482/2002 bei Hausmüll oder hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen zu erwartenden Geruchs- und Keimemissionen.

Die im Wesentlichen gleichlautende Beurteilung der Abfallarten mit den SN 91101 „Siedlungsabfälle und ähnliche Gewerbeabfälle“ und 91206 „Baustellenabfälle (kein Bauschutt)“ wird mit deren ähnlicher Beschaffenheit zur Abfallart mit der SN 91401 „Sperrmüll“ aus emissionsfachlicher Sicht begründet.

Zur Abfallart mit der SN 35315 „NE-Metallschrott, NE-Metallemballagen“ wird auf mögliche, allerdings nicht abschätzbare Schwermetallemissionen hingewiesen. Bei der von der Beschwerdeführerin beantragten Behandlung käme es zu deren Freisetzung in die Luft. Damit wäre aber – diesen Umstand hebt der emissionstechnische Amtssachverständige ausdrücklich hervor ? die nach dem Stand der Technik erforderliche Begrenzung derartiger Emissionen nicht sichergestellt.

Die emissionstechnischen Darlegungen sind für das Landesverwaltungsgericht Tirol schlüssig und nachvollziehbar und stehen insbesondere in Einklang mit den Erläuterungen zur Verordnung BGBl II Nr 472/2. Die Beschwerdeführerin erklärt auch in ihrem Rechtsmittel nicht, in welchem Umfang mit diffusen Emissionen bei der Behandlung der in Spruchpunkt II. des Bescheides vom 10.08.2021. Zl *** angeführten Abfallarten zu rechnen ist und welche konkreten Maßnahmen zur Begrenzung der bei der Behandlung freigesetzten Emissionen ergriffen werden. Das Beschwerdevorbringen enthält im Wesentlichen nur die Behauptung, es sei nicht nachvollziehbar, dass bei der Behandlung nicht gefährlicher Abfallarten toxische Stoffe entstehen könnten. Entgegen diesem Vorbringen erläutern die emissionstechnischen Darlegungen zu den Abfallarten mit den SN 91101 „Siedlungsabfälle und ähnliche Gewerbeabfälle“, 91206 „Baustellenabfälle (kein Bauschutt) und 91401 „Sperrmüll“ nachvollziehbar die umfangreiche Palette verschiedenster Gegenstände, die zu diesen Abfallarten zählen. Die Freisetzung toxischer Inhaltsstoffe bei der Bearbeitung von zur Abfallart „Sperrmüll“ zählenden, als Abfälle zu qualifizierenden Möbeln wurde schlüssig dargetan. Bei der Abfallart mit der SN 35315 „NE-Metallschrott, NE-Metallemballagen“ sind bei der beabsichtigten Rückgewinnung von Metallen und Metallverbindungen nicht abschätzbare Schwermetallemissionen nicht auszuschließen. Maßnahmen zur Begrenzung derartiger Emissionen werden von der Beschwerdeführerin auch in ihrem Rechtsmittel nicht aufgezeigt.

Der Verweis der Beschwerdeführerin auf Verbrennungsanlagen für Hausmüll vermag an der Schlüssigkeit der emissionstechnischen Beurteilung nichts zu ändern. Gerade für Verbrennungsanlagen enthält die Abfallverbrennungsverordnung, BGBl II Nr 389/2002, zuletzt geändert durch BGBl II Nr 135/2013, umfangreiche Vorschriften, um die dabei entstehenden Emissionen zu begrenzen.

3.3.    Zu Spruchpunkt II. des Bescheides vom 10.08,2021, Zl ***:

Die gegenständliche mobile Behandlungsanlage fällt unter die Tatbestände der Z 3 und 5 des § 1 der Verordnung über mobile Anlagen zur Behandlung von Abfällen, BGBl II Nr 472/2002, und bedarf daher einer abfallrechtlichen Genehmigung gemäß § 52 AWG. Eine solche Genehmigung ist gemäß § 52 Abs 4 AWG zu erteilen, wenn zu erwarten ist, dass die mobile Behandlungsanlage die in § 43 Abs 1 Z 1 bis 6 AWG 2002 genannten Voraussetzungen bezogen auf die Auswirkungen der mobilen Behandlungsanlage erfüllt.

Bei den in Spruchpunkt II. des Bescheides des Landeshauptmannes von Tirol vom 10.08.2021, Zl ***, angeführten Abfallarten werden die entstehenden Emissionen von Schadstoffen nicht nach dem Stand der Technik begrenzt. Die in § 52 Abs 4 iVm § 43 Abs 1 Z 2 AWG 2002 normierten Voraussetzungen für die Behandlung der in Spruchpunkt II. des Bescheides der belangten Behörde vom 10.08.2021, Zl ***, angeführten Abfallarten sind nicht erfüllt. Dementsprechend war die Genehmigung des Betriebs der mobilen Shredderanlage DD zur Behandlung der in Spruchpunkt II. des Bescheides vom 10.08.2021, Zl ***, angeführten Abfallarten zu versagen.

3.4.    Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Die Beschwerdeführerin hat in ihrem Rechtsmittel keinen Antrag auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gestellt. Auch die belangte Behörde hat in ihrem Vorlageschreiben vom 14.09.2021, Zl ***, die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht beantragt. Unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens, das sich lediglich in der Behauptung erschöpft, bei der Behandlung nicht gefährlicher Abfallarten würden keine „toxischen Stäube“ entstehen, ohne im Detail auf die umfangreichen emissionstechnischen Darlegungen einzugehen, ist die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht erforderlich.

IV.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hatte lediglich zu prüfen, ob das Beschwerdevorbringen, im Wesentlichen bestehend aus einer bloßen Behauptung, geeignet ist, gutachterliche Beurteilungen in Zweifel zu ziehen. Das Landesverwaltungsgericht Tirol ist dabei von der einheitlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 52 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) nicht abgewichen. Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung war folglich nicht zu klären. Dementsprechend wird die ordentliche Revision in Spruchpunkt 2. des gegenständlichen Erkenntnisses für nicht zulässig erklärt.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Hirn

(Richter)

Schlagworte

Mobile Abfallbehandlungsanlage; Gutachten; Schlüssigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.37.2438.1

Zuletzt aktualisiert am

12.11.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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