TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/28 W233 2242821-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.07.2021
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Entscheidungsdatum

28.07.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


W233 2242821-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Andreas FELLNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger von Georgien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.03.2021, Zl. 1270094506/201070174, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.07.2021 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Georgien, reiste Mitte September 2020 in das österreichische Bundesgebiet ein.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX .03.2021, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen durch Einbruch begangenen Diebstahls rechtskräftig zu zwei Jahren unbedingter Freiheitsstrafe verurteilt. Das Urteil erwuchs am selben Tag in Rechtskraft. Zurzeit wird der Beschwerdeführer in einer Justizanstalt im Bundesgebiet angehalten.

Mit Bescheid vom 16.03.2021, Zl. 1270094506/201070174, wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt I.), gegen ihn gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt II.) und seine Abschiebung gemäß § 46 FPG 2005 für zulässig erklärt (Spruchpunkt III.). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gab bei diesem Bescheid jedoch nicht an, in welches Land eine Abschiebung für zulässig erklärt wurde. Darüber hinaus wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1, 2 FPG 2005 ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 4 FPG nicht gewährt (Spruchpunkt V.) und der Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).

Gegen die Spruchpunkte IV. bis VI. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 13.04.2021 fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung.

Folglich erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 29.04.2021 eine Beschwerdevorentscheidung, mit welcher es den Spruchpunkt III. des Bescheides insofern konkretisierte, als dass gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Georgien zulässig sei. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV. bis VI. wurde dagegen als unbegründet abgewiesen.

Gegen diese Beschwerdevorentscheidung erhob der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag.

Mit Erkenntnis vom 31.05.2021, GZ: W233 2242821-1, hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Am 07.07.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch genannten Namen und wurde am XXXX in XXXX , Georgien, geboren. Er ist georgischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Georgier an und bekennt sich zum christlich-orthodoxen Glauben.

Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Georgisch, zudem beherrscht er auch die russische Sprache.

Der Beschwerdeführer ist gesund, nimmt keine Medikamente und ist arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer ist ledig.

Der Beschwerdeführer verfügt in Italien über familiäre Anknüpfungspunkte in Form seines erwachsenen Bruders und seiner erwachsenen Schwägerin. Es kann allerdings nicht festgestellt werden, dass dieses unter Erwachsenen geführte Familienleben zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit aufweist, welches über die üblichen Bindungen hinausginge.

Darüber hinaus führt der Beschwerdeführer in Italien mit XXXX eine Beziehung, wenngleich er seit seiner Inhaftierung XXXX keinen direkten Kontakt mehr mit ihr unterhält und weder ihr Geburtsdatum noch ihre Adresse nennen kann. Somit wird festgestellt, dass es sich bei dieser Beziehung des Beschwerdeführers zu XXXX um keine solche maßgeblich enge Beziehung handelt, die der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme entgegen stünde.

Hingegen verfügt der Beschwerdeführer in Österreich weder über familiäre noch private Bindungen.

In Georgien verfügt der Beschwerdeführer über eine Tochter, welche bereits verheiratet ist. Zudem ist die Mutter des Beschwerdeführers in Georgien aufhältig. Er hält zu beiden noch Kontakt. Die Tochter des Beschwerdeführers ist berufstätig, seine Mutter bezieht Pension und wird von dem Bruder des Beschwerdeführers finanziell unterstützt.

Vor seiner Ausreise lebte der Beschwerdeführer in dem Eigentumshaus seiner Tochter in XXXX , Georgien.

Der Beschwerdeführer hat in seinem Herkunftsland einen Mittelschulabschluss erreicht und arbeitete als Zusteller für eine Bäckerei.

Der Beschwerdeführer reiste im September 2020 von Tiflis über Schweden und die Niederlande nach Österreich ein.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX .03.2021, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen durch Einbruch begangenen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren rechtskräftig verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass er im Oktober 2020 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter in 15 Fällen verschiedenen Personen fremde bewegliche Sachen in einem insgesamt EUR 5.000,00 übersteigenden Wert, durch Einbruch in Wohnstätten mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Einbruchsdiebstählen in Wohnstätten längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges Einkommen zu verschaffen, wobei es bei den Taten teilweise beim Versuch blieb.

Darüber hinaus weist der Beschwerdeführer in Frankreich eine strafgerichtliche Verurteilung auf.

Aufgrund des bisher vom Beschwerdeführer gesetzten Verhaltens und seines Persönlichkeitsbildes ist sein weiterer Aufenthalt in Österreich als schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit anzusehen.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Georgien

Die aktuelle Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers stellt sich im Wesentlichen wie folgt dar:

1.2.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Georgien vom 29.03.2021:

1.2.1.1. COVID-19

COVID-19-Infektionen kommen in allen Regionen des Landes vor; und es kommt landesweit zu unkontrollierter Übertragung von COVID-19 (USEMB 25.2.2021).

Georgien hat die Verbreitung von COVID-19 im Frühling 2020 durch strenge Maßnahmen weitgehend eingedämmt. Nachdem im Sommer 2020 die strengen Regeln aufgehoben, die Einreisebestimmungen an den Grenzen gelockert und Inlandstourismus beworben wurde, kam es ab Ende August 2020 zu einem exponentiellen Anstieg bei positiven Tests. Bis Mitte September 2020 stieg die Zahl der täglichen positiven Testergebnisse von niedrigen zweistelligen Zahlen auf etwa 150 (Eurasianet 18.9.2020) und um Mitte Oktober auf ungefähr 1.000 (Jam 16.10.2020). Gegen Ende November 2020 lag die tägliche Zahl positiver Tests um die 4.000 und die der Verstorbenen an oder mit SARS-CoV-2 bei 35-50 Personen (Agenda 26.11.2020). Im Dezember stieg die tägliche Zahl der Infektionen auf ca. 5.000. Mit strengen Maßnahmen konnte die zweite Welle bis Mitte Jänner 2021 weitgehend unter Kontrolle gebracht werden (civil 18.1.2021)

Die zentrale Homepage der Regierung mit Informationen über Covid-19 ist in Georgien unter www.stopcov.ge zu finden. Die Internetseite ist neben Georgisch auch auf Englisch, Abchasisch, Aserbaidschanisch, Armenisch und Russisch verfügbar. Somit wird gewährleistet, dass auch die Angehörigen von Minderheiten alle relevanten Informationen zur Pandemie im Allgemeinen, zur speziellen Hygiene und zu Maßnahmen der Regierung erhalten (BAMF 10.2020). Auf dieser Seite werden auch tagesaktuelle Zahlen zu bestätigten Infektionen, Genesungen, Todesfällen und Hospitalisierungen veröffentlicht (StopCoV.ge o.D.).

Der öffentliche Überlandverkehr wurde landesweit mit 25.2.2021 wieder aufgenommen (USEMB 25.2.2021). Mit Wirkung von 1.2.2021 durften Schulen, Hochschulen und Kindergärten wieder öffnen (Jam 23.1.2021). Weitere Lockerungen des wirtschaftlichen Lebens wurden im Zeitraum Februar-März 2021 ermöglicht (Gov.ge 24.2.2021). Stand Mitte März 2021 bestehen weiterhin nächtliche Ausgangssperren (USEMB 25.2.2021; vgl. Gov.ge 24.2.2021).

Mitte Jänner 2021 wurde der nationale Impfplan vorgestellt. Die Risikogruppen sollen bis Jahresmitte 2021 geimpft sein. Es ist nicht zu erwarten, dass Personen, die nicht den Risikogruppen angehören, vor dem Spätsommer/Frühherbst 2021 geimpft werden (civil 18.1.2021). Am 13.3.2021 erhielt Georgien, mit Unterstützung der Vereinten Nationen, erstmals 43.200 Impfdosen von Astra Zeneca (UNICEF 12.3.2021).

Mit 1.2.2021 wurden alle Einschränkungen für Linienflüge aufgehoben (1TV 1.2.2021; vgl. Jam 23.1.2021). Alle Personen, die einen vollständigen Impfschutz nachweisen können, müssen bei Einreise nicht in Quarantäne. Personen, die keinen Impfschutz und keinen negativen PCR-Test (nicht älter als 72 Stunden), nachweisen können, werden bei Einreise für unbestimmte Zeit und auf eigene Kosten in Quarantäne verbracht (USDOS 25.2.2021; vgl. MoF o.D.), falls eine Selbstisolierung nicht möglich ist. Bei Vorlage eines negativen PCR-Tests (nicht älter als 72 Stunden) muss eine achttägige Selbstisolation samt einer weiteren PCR-Testung fünf Tage nach Einreise auf eigene Kosten durchgeführt werden (MoF o.D.).

Trotz der Zugangsbeschränkungen unterstützt die Georgische Regierung die separatistische Region Abchasien bei der Bekämpfung von COVID-19 materiell und fachlich. Auch die Behandlung von abchasischen COVID-19-Patienten in Kern-Georgien wurde ermöglicht (CW 27.11.2020; vgl. Jam 16.10.2020). Internationale Hilfe in Südossetien ist auf das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) beschränkt. Die georgische Zentralregierung hat Zchinwali ebenfalls humanitäre Hilfe angeboten, aber der Vorschlag wurde nicht weiterverfolgt (CW 27.11.2020). Dennoch werden auch COVID-Patienten aus Südossetien in Georgien behandelt, wenn auch in geringerem Ausmaße als aus Abchasien (Jam 16.10.2020).

1.2.1.2. Sicherheitslage

Die Lage kann in den meisten Landesteilen als stabil bezeichnet werden. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen (EDA 28.7.2020). Die schlechten wirtschaftlichen Bedingungen und die hohe Arbeitslosigkeit haben zu einem Anstieg der allgemeinen Kriminalität beigetragen, die jedoch immer noch niedriger ist, als in vielen europäischen Ländern (MSZ o.D.; vgl. EDA 28.7.2020).

Im Dezember 2017 führte eine Reihe von Operationen georgischer Spezialkräfte in der Hauptstadt und im Pankisi-Tal [Munizipalität Achmeta, Region Kachetien] zur Verhaftung von Militanten, die beschuldigt wurden, an Terroranschlägen im Ausland beteiligt gewesen zu sein und Berichten zufolge beabsichtigten, Ziele auf georgischem Boden anzugreifen (MAECI 27.1.2021). Die politische Lage ist polarisiert (SZ 18.2.2021).

Die Situation an der De-facto-Grenze zwischen Georgien und den abtrünnigen Regionen Abchasien und Südossetien ist seit dem georgisch-russischen Krieg im August 2008 weitgehend ruhig. Doch bleibt die Lage angesichts der Unvereinbarkeit der Positionen und der zahlreichen Behinderungen des kleinen Grenzverkehrs angespannt. Russland betreibt gegenüber beiden Regionen eine Politik der informellen militärischen und wirtschaftlichen Annexion. Seit dem August-Krieg 2008 stellt Moskau finanzielle Unterstützung für die sozio-ökonomische Entwicklung und die Infrastruktur bereit und gewährt der abchasischen und südossetischen Bevölkerung Zugang zur russischen Staatsbürgerschaft. Russland unterhält weiterhin Stützpunkte und Truppen in Abchasien und Südossetien, darunter zwischen 3.000 und 4.000 Soldaten sowie Grenzschutztruppen des Inlandsgeheimdienstes FSB, welche die Demarkationslinien (administrative border lines – ABL) zum georgischen Kernland sichern. Zwischen Tiflis und den De-facto-Regierungen in Sochumi und Zchinwali bestehen keine offiziellen bilateralen Kontakte. Einziges Forum zum Austausch auf hochrangiger politischer Ebene sind die vierteljährlichen internationalen Gespräche im Rahmen des Genfer Prozesses. Trotzdem hat Georgien seit 2012 seine Politik der Isolation Abchasiens und Südossetiens aufgegeben und bemüht sich um Kooperation auf humanitärer Ebene. Dazu zählt etwa das Angebot, der abchasischen und südossetischen Bevölkerung den kostenfreien Zugang zum georgischen Bildungs- und Gesundheitssystems zu ermöglichen (bpb 26.8.2020; vgl. ACLED 2.2020).

Aus Sicht Abchasiens und Südossetiens ist der politische Status ihrer Gebiete endgültig geklärt. Sie lehnen Verhandlungen mit Georgien über eine gemeinsame Staatlichkeit ab und verfolgen den Aufbau bilateraler Beziehungen unter Anerkennung ihrer Unabhängigkeit. Die Regierung in Tiflis pocht dagegen auf die Wahrung der territorialen Integrität Georgiens. Sie versucht, ihre guten Beziehungen zur EU und den USA zu nutzen, aber auch multilaterale Foren wie die UNO, um ihrer Position Nachdruck zu verschaffen (bpb 26.8.2020). Gemäß dem georgischen Gesetz über "besetzte Gebiete" vom 23. Oktober 2008 sind die Gebiete der Autonomen Republik Abchasien und der Region Zchinwali (Südossetien) als "besetzt" zu betrachten (MAECI 27.1.2021).

Wegen Zugangsbeschränkungen gibt es nur wenige Informationen über die humanitäre Lage und Menschenrechtslage in Abchasien und Südossetien (US DOS 11.3.2020). Der EU-Sonderbeauftragte für den Südkaukasus und die EU-Beobachtermission (EUMM) unterstützen aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung (EC 5.2.2021). Obwohl der EUMM der Zutritt zu Abchasien und Südossetien verwehrt bleibt, und es weiterhin zu Zwischenfällen kommt, konnte bisher ein Wiederaufflammen der bewaffneten Auseinandersetzungen verhindert werden (bpb 26.8.2020).

1.2.1.3. Rechtsschutz / Justizwesen

Das Gesetz garantiert ein ordnungsgemäßes Verfahren, aber die damit verbundenen Regelungen werden nicht immer respektiert. Urteile des Verfassungsgerichts in Bezug auf ordnungsgemäße Verfahren werden unvollständig umgesetzt, es kommt zu administrativen Verzögerungen bei Gerichtsverfahren, zu Verletzungen der Unschuldsvermutung, die Nichteinhaltung von Vorschriften in Bezug auf Inhaftierung und Verhöre und die Verweigerung des Zugangs zu einem Anwalt bei der Festnahme (FH 3.3.2021; vgl. US DOS 11.3.2020).

Wichtige Herausforderungen bleiben in Bezug auf die Unabhängigkeit und Rechenschaftspflicht der Justiz bestehen. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Hohen Rat der Justiz ist nach wie vor gering. Am 30.9.2020 verabschiedete das Parlament weitere Gesetzesänderungen in Bezug auf das Ernennungsverfahren von Richtern des Obersten Gerichtshofs, ohne die einschlägige Stellungnahme der Venedig-Kommission abzuwarten und ohne die fortbestehenden Unzulänglichkeiten in diesem Verfahren vollständig zu beheben. Das Hauptaugenmerk der Reformen der Staatsanwaltschaft im Jahr 2020 lag weiterhin auf der Trennung der Funktionen zwischen Ermittlern und Staatsanwälten. Ein entsprechendes Gesetzespaket wurde vorbereitet (EC 5.2.2021).

Die Stärkung eines unabhängigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Justizwesens gehört zu den wichtigsten Zielen der Regierung und wird fortgesetzt. NGOs begleiten den Reformprozess sehr aktiv und sehr kritisch mit. Ungeachtet der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz wenig ausgeprägt. Politisch motivierte Strafverfolgung war bis [zum Regierungswechsel] 2012 erkennbar und erfolgte in der Regel durch fingierte Vorwürfe von Korruption, Amtsmissbrauch oder Steuervergehen. Seit 2012 laufende Ermittlungen oder mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossene Strafverfahren gegen hochrangige Mitglieder und nachgeordnete Mitarbeiter der ehemaligen Regierung werden von georgischen und ausländischen NGOs nicht als politisch motiviert eingeschätzt, sondern beruhen auf rechtswidrigen bzw. strafrechtlich relevanten Handlungen durch Amtsträger oder Parteifunktionäre der Vorgängerregierung. Die Tatsache, dass Gerichte hierbei nicht immer den Anträgen der Staatsanwaltschaft folgen, zeigt eine wachsende Unabhängigkeit der Justiz und Grenzen für eine etwaige politische Zielsetzung der Verfahren. Nach dem Regierungswechsel 2012/13 erfolgte eine kontinuierliche Liberalisierung des Strafrechts. Eine feststellbare niedrigere Verurteilungsrate ist auf eine stärkere Emanzipierung der Richterschaft von den Anträgen der Staatsanwaltschaft zurückzuführen, aber auch auf eine Stärkung der Rechte der Verteidigung im Strafprozess (AA 17.11.2020).

In den Jahren 2016-2020 hat die Regierungspartei Georgischer Traum zwei Wellen der Justizreform umgesetzt. Die Änderungen umfassten die Einführung der elektronischen Zuordnung von Fällen; die Einführung des Amtes des unabhängigen Inspektors des Hohen Justizrates in das Justizsystem; und Verbesserung der Normen zur Disziplinarhaftung von Richtern und zu Gerichtsverfahren. Es wurden wichtige Schritte unternommen, um die Transparenz und Offenheit der Aktivitäten des Hohen Justizrates zu erhöhen (TI 30.10.2020). Trotz der laufenden Justizreformen bleiben die Einmischung der Exekutive und der Legislative in die Gerichte ein erhebliches Problem, ebenso wie die Korruption und der Mangel an Transparenz und Professionalität bei Gerichtsverfahren. Nach einem neuen verfassungsrechtlichen Rahmen, der nach den Präsidentschaftswahlen 2018 in Kraft trat, werden die Richter des Obersten Gerichtshofs nicht mehr vom Präsidenten, sondern vom Hohen Justizrat ernannt und vom Parlament gebilligt. Ein gerichtliches Selbstverwaltungsorgan wählt die Mehrheit der Mitglieder des Rates (FH 3.3.2021). Bei der Justizreform ist der Ansatz der Behörden fragmentiert und inkonsistent. In bestimmten Fällen diente die Reform nur dazu, die Interessen einer kleinen Gruppe zu stärken (TI 30.10.2020).

1.2.1.4. Sicherheitsbehörden

Das Innenministerium und der Staatssicherheitsdienst (SSSG) tragen die Hauptverantwortung für die Durchsetzung der Gesetze und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Das Ministerium ist die primäre Organisation der Strafverfolgung und umfasst die nationale Polizei, die Grenzsicherheitsdienste und die georgische Küstenwache. Der SSSG ist der Inlandsnachrichtendienst, der für Spionageabwehr, Terrorismusbekämpfung und Korruptionsbekämpfung zuständig ist. Es gibt Anzeichen dafür, dass die zivilen Behörden zeitweise keine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte ausüben (US DOS 11.3.2020).

Bis zum Regierungswechsel im Oktober 2012 waren Exekutivorgane, z. B. Staatsanwaltschaft, Polizei oder Finanzbehörden, häufig von der Regierung als Machtinstrument oder von Regierungsangehörigen oder ihnen nahestehenden Personen als Mittel zur rechtswidrigen Erlangung u. a. wirtschaftlicher Vorteile missbraucht worden. Seit dem Regierungswechsel hat der Machtmissbrauch in dem Ausmaß aufgehört. Die Regierung behält jedoch einen erheblichen informellen Einfluss auf Politik und Justiz bei. Bestechung bzw. Bestechlichkeit von Polizisten sind allgemein nicht mehr zu verzeichnen. In ihrer Rolle als Hüter von Regeln werden sie öffentlich als zurückhaltend, aber auch oft als untätig oder wenig effektiv wahrgenommen. Die Geheim- und Nachrichtendienste treten nicht als Repressionsinstrumente auf, sind jedoch in ihrer Tätigkeit auch im Inneren nicht transparent. NGOs fordern jedoch eine organisatorische Trennung der Sicherheitsdienste vom Innenministerium (AA 17.11.2020).

Die Wirksamkeit der staatlichen Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch durch Strafverfolgungsbehörden und Sicherheitskräfte ist begrenzt (US DOS 11.3.2020; vgl. FH 3.3.2021) und Straffreiheit bei Misshandlungsfällen bleibt ein anhaltendes Problem (HRW 13.1.2021; vgl. US DOS 11.3.2020, FH 3.3.2021), insbesondere bei Fällen, die vor der Arbeitsaufnahme des Büros der staatlichen Inspektoren (State Inspector‘s Office) am 1.11.2019 geschahen (HRW 13.1.2021). Neben der Beobachtung etwa der gesetzeskonformen Verarbeitung von personenbezogenen Daten ist eine weitere Hauptaufgabe des State Inspector‘s Service die unparteiische und wirksame Untersuchung schwerer Verbrechen (inklusive Folter), die von Vertretern der Strafverfolgungsbehörden gegen die Menschenrechte und Freiheiten verübt werden, sowie Untersuchung von Straftaten, die unter Anwendung von Gewalt oder unter Verletzung der persönlichen Würde eines Opfers begangen wurden (SIS o.D.).

Eine laufende Polizeireform zielt auf die Trennung der Rollen zwischen Staatsanwälten und Ermittlern sowie zwischen operativen und investigativen Funktionen verschiedener Polizeibeamter ab. Bürgernahe und nachrichtendienstlich geführte Polizeiarbeit sollen ausgeweitet; die zentralisierte analytische Arbeit verbessert, der Kampf gegen Cyberkriminalität und organisierte Kriminalität intensiviert sowie die internationale Zusammenarbeit ausgebaut werden (EC 5.2.2021).

Im Jahr 2020 erhielt das Büro des State Inspector's Office bis August über 1.300 Berichte über mutmaßliche Misshandlungen durch Strafverfolgungsbehörden und andere Beamte und leitete in 168 Fällen strafrechtliche Ermittlungen ein, meist wegen Amtsmissbrauchs, aber auch wegen unmenschlicher und erniedrigender Behandlung. Im gleichen Zeitraum erhielt das Büro des Ombudsmannes 68 Beschwerden über Misshandlungen durch Gefängnispersonal oder Polizei (HRW 13.1.2021).

1.2.1.5. Korruption

Georgien, das früher für die Reformen gelobt wurde, hat seit 2012 kaum Fortschritte in der Korruptionsbekämpfung gemacht (TI 28.1.2021b; vgl. EC 5.2.2021). Während das Land bei der Bekämpfung der kleinen Korruption erhebliche Fortschritte gemacht hat, bleibt die Korruption innerhalb der Regierung ein Problem (FH 3.3.2021; vgl. US DOS 11.3.2020; SWP 5.2020, NZZ 30.12.2020). Bestechung bzw. Bestechlichkeit von Polizisten sind allgemein nicht mehr zu verzeichnen (AA 17.11.2020).

Das politische System zeichnet sich durch ein extrem hohes Maß an Machtkonzentration aus, da eine einzelne politische Gruppe eine unverhältnismäßige Kontrolle über alle wichtigen öffentlichen Institutionen ausübt. Dieselbe dominante Gruppe strebt häufig auch eine unangemessene Beeinflussung nicht staatlicher Akteure an, einschließlich der Medien und des Privatsektors (TI 28.1.2021b). In einigen Fällen hat sie bei der staatlichen Postenbesetzung die Form von Vettern- und Günstlingswirtschaft angenommen. Die wirksame Anwendung von Antikorruptionsgesetzen und -vorschriften wird durch die mangelnde Unabhängigkeit sowohl der Strafverfolgungsbehörden als auch der Justiz beeinträchtigt (FH 3.3.2021; vgl. SWP 5.2020). Erfolgreiche Klagen gegen hochrangige Beamte, die mit der Führung der Regierungspartei „Georgischer Traum“ in gutem Einvernehmen stehen, sind selten (FH 3.3.2021).

Zur Korruptionsprävention und -bekämpfung hat das Sekretariat des Antikorruptionsrates 2020 ein Handbuch zur Methodik der Risikobewertung für Ministerien und juristische Personen des öffentlichen Rechts verfasst. Eine Entscheidung über die Einrichtung einer Antikorruptionsbehörde wurde bisher noch nicht getroffen (EC 5.2.2021).

Im Corruption Perceptions Index 2020 von Transparency International erreichte Georgien 56 von 100 [bester Wert] Punkten und lag damit auf Rang 45 von 180 untersuchten Ländern (2019: 56 Punkte, Rang 44 von 180 Ländern; 2018: 58 Punkte, Rang 41 von 180 Ländern) (TI 28.1.2021a).

1.2.1.6. Allgemeine Menschenrechtslage

Artikel 7 der georgischen Verfassung verpflichtet den Staat zu Anerkennung und Schutz der universellen Menschenrechte; sie sind direkt anwendbares Recht für Staat und Bürger. Einzelne Menschenrechte sind explizit in eigenen Verfassungsartikeln aufgeführt. Mit dem Büro des Public Defenders (Ombudsperson), aber auch dem Menschenrechtsausschuss des Parlaments bestehen weithin bekannte Institutionen und Beschwerdeeinrichtungen. Auch Staatsanwaltschaft und Gerichte, die in Georgien an Unabhängigkeit und Vertrauen in der Bevölkerung gewonnen haben, werden zunehmend zur Wahrung individueller Rechte in Anspruch genommen. Darüber hinaus können lokale und internationale Menschenrechtsorganisationen ohne jede staatliche Behinderung ermitteln und öffentlichkeitswirksam Ergebnisse präsentieren und Kritik äußern. Menschenrechte und die Rechte von Minderheiten werden vom Staat weitgehend geachtet und gestärkt. Die Lage der Menschenrechte hat sich weiter den internationalen Standards angenähert und in vielen Bereichen einen guten Stand erreicht. In einigen Bereichen der Gesellschaft sind insbesondere Minderheitenrechte wenig akzeptiert, sodass Minderheiten mit Benachteiligung und Diskriminierung rechnen müssen. Vereinzelt kommt es auch zu gewalttätigen Handlungen. Erhebliche Fortschritte gab es insbesondere im Justizwesen und im Strafvollzug, wo eine menschenrechtswidrige Behandlung in aller Regel nicht mehr festgestellt werden kann (AA 17.11.2020).

Beim Schutz der Versammlungs- und Meinungsfreiheit gibt es systemische Probleme. Seit Jahren wird die georgische Regierung immer noch für politische Verfolgung und politische Inhaftierung verantwortlich gemacht. Die Bedrohung durch Informationsmanipulation und Radikalisierung im polarisierten Medienumfeld nehmen zu. Der Schutz der Rechte verschiedener Minderheitengruppen und die Umsetzung von Gleichberechtigung gehören immer noch zu den größten Herausforderungen im Lande. Ungeachtet der positiven Gesetzesänderungen der letzten Jahre und der verstärkten Reaktion auf die begangenen Verbrechen, ist die Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt immer noch eine große Herausforderung in der georgischen Gesellschaft. Die Lage von Menschen mit Behinderungen ist immer noch ernst. Ethnische und religiöse Minderheiten sowie Angehörige sexueller Minderheiten sind immer noch Gegenstand von systemischer Diskriminierung und Stigmatisierung (HRC 2021; vgl. US DOS 11.3.2020). In Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie wurden nicht dominante und bereits marginalisierten Gruppen aus dem Anti-Krisen-Aktionsplan ausgeschlossen. Die Krise wird vermutlich einen schweren und langfristigen Einfluss auf die Durchsetzung der Gleichstellungspolitik haben (HRC 2021). Die Straffreiheit bei Missbrauch durch Strafverfolgungsbehörden bleibt ein anhaltendes Problem (HRW 13.1.2021; vgl. US DOS 11.3.2020).

Georgien ist weiterhin, trotz der COVID-19-bedingten Herausforderungen, der Umsetzung, den Verpflichtungen und Zusagen des EU-Assoziierungsabkommens verpflichtet. Die Angleichung an die europäischen Standards im Bereich der Menschenrechte wurde auch 2020 im Großen und Ganzen fortgesetzt. Verbesserungen 2019/2020 konzentrierten sich auf die Entwicklung und Umsetzung einer neuen Menschenrechtsstrategie, die insbesondere auf die Rechte des Kindes, häusliche Gewalt und die Inklusion von Mitgliedern gefährdeter Gruppen/Minderheiten abzielt (EC 5.2.2021).

Es kommt weiterhin zu eklatanten Menschenrechtsverletzungen in den separatistischen Regionen Georgiens (HRC 2021; vgl. US DOS 11.3.2020), darunter rechtswidrige oder willkürliche Tötungen und Inhaftierungen (US DOS 11.3.2020).

1.2.1.7. Haftbedingungen

Seit 2012 sind grundlegende Reformen im Strafrecht und Strafvollzug durchgeführt worden, die die Haftbedingungen in den georgischen Gefängnissen deutlich verbessert haben (AA 17.11.2020). Während die Bedingungen in den Gefängnissen und Haftanstalten insgesamt adäquat sind, sind in einigen alten Einrichtungen Belüftung, natürliches Licht, Platz und Gesundheitsversorgung nicht ausreichend (US DOS 11.3.2020; vgl. AA 17.11.2020). Nach der Einführung des Hausarrests als Alternative zur Inhaftierung erwachsener Straftäter im Jahr 2017, eröffnete die Regierung im Januar 2018 ein Zentrum für vorzeitige Haftentlassung, das Häftlingen, die noch weniger als ein Jahr ihrer Haftstrafe zu verbüßen haben, den Freigang anbietet (US DOS 11.3.2020).

Die Ausstattung der medizinischen Abteilungen in den Strafvollzugseinrichtungen hat sich in den jüngsten Jahren verbessert. Dennoch bestehen Probleme hinsichtlich Funktion und technischer Verfügbarkeit der Geräte. Positiv zu vermerken ist, dass die medizinische Behandlung nicht nur innerhalb der Gefängnisse durch das dortige medizinische Personal erfolgt, sondern bei Bedarf Spezialisten in die Haftanstalt kommen oder auch eine Behandlung außerhalb der Gefängnisse ermöglicht wird. Lobenswert ist auch die Verfügbarkeit von Medikamenten (PD 19.10.2018). Dennoch führt die Ombudsperson einige bestehende Probleme in den Haftanstalten auf: unzureichende Aktivitäten zur Rehabilitation und Resozialisierung von Gefangenen und mangelnden Kontakt zur Außenwelt sowie Mängel in der medizinischen Versorgung, der Gesundheitsvorsorge und der psychischen Gesundheitsfürsorge (PD 2.4.2020).

Gewalt unter den Häftlingen, kriminelle Subkulturen und informelle Strukturen stellen anhaltende systemische Probleme (US DOS 11.3.2020; vgl. HRC 2021, PD 2.4.2020, FH 3.3.2021) und eine ernsthafte Gefahr der Misshandlung von Gefangenen dar. Die bereits bestehende problematische Situation wurde durch die eingeschränkte externe Kontrolle von Haftanstalten während der COVID-19-Pandemie 2020 weiter verschärft. Während der Pandemie erlassene Regelungen zur Gesundheitsfürsorge schränken die Rechte der Gefangenen, mit der Außenwelt zu kommunizieren, erheblich ein. Dies erschwert auch den Rehabilitierungs- und Resozialisierungsprozess (HRC 2021).

Der „National Preventive Mechanism under the Public Defender's Office“ gibt der Ombudsfrau vollen Zugang zu Haftanstalten. Die Überprüfung der Haftbedingungen gehört zu den ständigen Aufgaben des Büros des Public Defender (Ombudsfrau), in dessen Jahresbericht ausführlich über Zustand und Entwicklung berichtet wird. Auch individuelle Beschwerden greift die Ombudsfrau aktiv auf. Fälle von Misshandlungen, die in den Haftanstalten bis 2012 verbreitetet waren, sind nicht mehr erkennbar (AA 17.11.2020). Menschenrechtsgruppen kritisieren jedoch, dass das Büro des Public Defender nicht von der Staatsanwaltschaft unabhängig agieren kann (FH 3.3.2021).


1.2.1.8. Todesstrafe

In Georgien wurde 1997 die Todesstrafe für alle Verbrechen abgeschafft (AA 17.11.2020; vgl. AI 21.4.2020).

In Abchasien wurden seit 1992 zehn Todesurteile verhängt, aber nicht vollstreckt (UNPO 23.1.2007). Ein De-Facto-Moratorium auf die Todesstrafe wurde 1993 eingeführt (Jam 10.4.2019), welches 2007 gesetzlich verankert wurde (UNPO 23.1.2007; vgl. civil.ge 5.3.2020). 2020 trat ein Gesetz in Kraft, wonach bei Drogenhandel die Todesstrafe verhängt werden kann (Jam 10.4.2019; vgl. civil.ge 5.3.2020, TASS 29.2.2020). Aufgrund des geltenden Moratoriums werden Todesurteile in lebenslange Haft umgewandelt (civil.ge 5.3.2020; vgl. TASS 29.2.2020).

Südossetien hat im Jahr 1992 beschlossen, die Gesetze der Russischen Föderation zu übernehmen. Somit ist auch das russische Moratorium auf Hinrichtungen von 1996 in Südossetien in Kraft getreten (PACE 21.4.2006).

1.2.1.9. Bewegungsfreiheit

Georgier können im Allgemeinen frei ins Ausland und innerhalb des von der Regierung kontrollierten Territoriums reisen. Sie können ihren Wohnsitz, ihre Beschäftigung oder ihre Ausbildung ohne unangemessene Einmischung wechseln (FH 3.3.2021).

Es ist nach dem georgischen Recht illegal, von Russland aus über Südossetien oder Abchasien nach Georgien einzureisen. Wenn man auf diese Weise nach Georgien kommt, muss man mit Strafverfolgung rechnen, die mit potenziell hohen Bußgeldern und/oder einer Freiheitsstrafe von bis zu vier Jahren verbunden ist. Wenn der Reisepass mit Ein-/Ausreisestempeln der separatistischen Behörden versehen ist, können die georgischen Behörden dies als illegale Einreise über einen nicht anerkannten Grenzübergang betrachten (FCO 25.2.2021).

Bei der Ausreise aus Georgien erfolgt dem Anschein nach eine strenge Pass- und Identitätskontrolle. Ziel ist es, aufenthaltsrechtliche Verstöße, insbesondere aber mit Haftbefehl gesuchte Straftäter zu identifizieren. Die wiederholten Festnahmen von Personen, die mit internationalem Haftbefehl gesucht werden, lassen eine gründliche Durchführung von Kontrollen erkennen (AA 17.11.2020). Seit 1.1.2021 müssen bei der Ausreise aus Georgien georgische Staatsbürger, die in die Schengener Staaten reisen, mittels zusätzlicher Nachweise glaubhaft machen, dass sie nicht planen, illegal in der EU zu bleiben. Dazu zählen ein biometrischer Reisepass, der noch mindestens drei Monate ab dem Datum der beabsichtigten Ausreise aus dem Schengen-Raum gültig sein muss, ein gültiges erstattungsfähiges Reiseticket oder ein gültiges Buchungsdokument für ein solches Reiseticket, ein gültiger Buchungsbeleg für ein Hotel oder eine andere Unterkunft, eine Reisekrankenversicherung sowie Nachweise der Finanzierung der Reise. Für Reisen zu Konferenzen, Seminaren, Geschäftstreffen o.Ä. ist zusätzlich zu den genannten Dokumenten ein Einladungsschreiben erforderlich. Können diese Dokumente nicht vorgelegt werden, kann die Ausreise aus Georgien verweigert werden (SVI 3.1.2021; vgl. Agenda 1.1.2021).

Die de-facto-Behörden und die russischen Streitkräfte in den von Russland besetzten Gebieten Abchasien und Südossetien schränken auch die Mobilität der lokalen Bevölkerung über die administrative Grenze ein, obwohl sie Flexibilität bei Reisen für medizinische Versorgung, Pensionsleistungen, Gottesdienste und Bildung zeigen (US DOS 11.3.2020; vgl. FH 3.3.2021). Dorfbewohner, die sich der Grenze oder den Grenzübergängen nähern, riskieren die Inhaftierung durch den Grenzschutz der Russischen Föderation (US DOS 11.3.2020; vgl. AI 3.7.2019, FH 3.3.2021). Der Übertritt über offizielle Kontrollpunkte an den de-facto-Grenzen zu Abchasien und Südossetien wird seitens der separatistischen Behörden immer wieder gesperrt oder eingeschränkt (AA 17.11.2020).

In Georgien gibt es keine Meldepflicht und eine Änderung des Wohnsitzes wird nicht angezeigt (z.B. bei Änderung des Wohnsitzes, ungenauer Anschrift – auch wegen eines fehlenden zentralen Melderegisters, veralteter Daten in den Melderegistern der Behörden und häufiger Wechsel von Straßennamen) (AA 17.11.2020).

Straßensperren aufgrund von Muren, Schnee oder Steinschlag, die bis zu mehreren Wochen dauern können, kommen immer wieder vor und betreffen auch internationale Hauptverbindungen (MSZ o.D.).

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie kam es im Frühling 2020 und im Zeitraum Dezember 2020-März 2021 zu massiven Einschränkungen der Bewegungsfreiheit samt Einstellung des öffentlichen Personenverkehrs (HRW 13.1.2021; vgl. FH 3.3.2021, Jam 23.1.2021, Agenda 3.8.2020, KP 11.4.2020). Die Einschränkungen wurden als angemessen in Bezug zur Bedrohung der öffentlichen Gesundheit betrachtet (FH 3.3.2021). Bei Verletzung der Ausgangssperre, Selbstisolierung und Quarantäne sowie anderer Bestimmungen wurden hohe Geldstrafen verhängt (HRW 13.1.2021; vgl. Jam 23.1.2021, Agenda 3.8.2020, KP 11.4.2020).

1.2.1.10. IDPs und Flüchtlinge

Im Rahmen eines umfassenderen Konsolidierungsplans hat die Regierung im August 2018 das Ministerium für Flüchtlinge, Unterkünfte und Binnenvertriebene abgeschafft und seine Zuständigkeiten auf die Ministerien für Inneres, Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie das Staatsministerium für Versöhnung und bürgerliche Gleichstellung aufgeteilt. Nach Angaben der Regierung gab es im August 2018 rund 280.000 Binnenvertriebene aus den Konflikten 1992-93 und 2008. Der UNHCR schätzt, dass sich 235.176 Personen in einer 'IDP-ähnlichen' Situation befinden, von denen etwa 50.000 Schutz und humanitäre Hilfe benötigen. Zu dieser Zahl gehören Personen, die nach Abchasien und Südossetien zurückgekehrt sind, sowie diejenigen, die im Konflikt von 2008 vertrieben und anschließend umgesiedelt wurden, oder eine Unterkunft oder Barausgleich erhalten haben. Die meisten Vertriebenen im Jahr 2008 Vertriebenen erhielten den Status eines formellen Binnenvertriebenen gemäß den nationalen Rechtsvorschriften, obwohl einige Personen, die nicht durch den Konflikt 2008 vertrieben wurden und in der Nähe der administrativen Grenze (ABL) lebten, offiziell als in einer 'IDP-ähnlichen Situation' beschrieben wurden. Die Regierung gewährt den als Binnenvertriebene anerkannten Personen monatliche Zuschüsse, fördert ihre sozioökonomische Integration und versucht, Bedingungen für ihre Rückkehr in Sicherheit und Würde zu schaffen (US DOS 11.3.2020; vgl. AA 17.11.2020).

Das besondere Problem der Binnenvertriebenen (IDPs) ist nach wie vor Armut und das Fehlen normaler Lebensbedingungen. Während der Pandemie ist die Zahl der Arbeitslosen gestiegen, was die Arbeitslosigkeit und soziale Isolation dieser Gemeinschaft zusätzlich verschlimmert hat (HRC 2021). Die staatlichen Maßnahmen zum Schutz der Rechte von Binnenvertriebenen reichen nicht aus und viele leben in noch beschädigten Gebäuden, was ihr Leben gefährdet (PD 2.4.2020; vgl. HRC 2021). Die Frage der langfristigen Unterbringung der Binnenvertriebenen zieht sich auch in Tiflis noch hin (HRC 2021).

Zwischen 45.000 und 60.000 Personen sind nach Abchasien, in die Bezirke Gali, Tkvartscheli und Otschamtschire zurückgekehrt. Allerdings verwehren die abchasischen de-facto-Behörden eine Rückkehr der georgischen Binnenflüchtlinge in andere Gebiete Abchasiens. Personen [ethnische Georgier], die ihr im Zuge der Kriegshandlungen in den Jahren 1992-93 verlassenes Eigentum in Abchasien zurückforderten, wurden 2008 per Gesetz von den abchasischen Behörden enteignet (US DOS 11.3.20210).

Viele IDPs hatten mit den Restriktionen der Bewegungsfreiheit im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie zu kämpfen, da viele Siedlungen abseits von Städten, weit entfernt von Versorgungseinrichtungen liegen. Der Zugang zu medizinischen Behandlungen war eingeschränkt, die Bewohner konnten nicht mehr in den benachbarten Gebieten saisonaler Erwerbsarbeit nachgehen und hatten keinen Zugang zu den eigenen landwirtschaftlichen Grundstücken (IWPR 27.4.2020).

Ausländische Flüchtlinge erfahren in Georgien nur geringe Aufmerksamkeit. Ihre Zahl lag Ende 2019 bei 1.235 Personen. Die Zahl neuer Antragstellerinnen und Antragsteller ist im Jahr 2019 leicht angestiegen. Unterstützungsleistungen für Flüchtlinge kommen faktisch ausschließlich von internationalen Organisationen und Projekten (v.a. IOM, UNHCR, ICMP). Eine Integration von ausländischen Flüchtlingen ist wegen Sprachbarrieren und einer distanzierten georgischen Öffentlichkeit schwierig (AA 17.11.2020).

1.2.1.11. Grundversorgung

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet (AA 17.11.2020). Die staatliche Sozialhilfe liegt bei GEL 220 [ca. EUR 55] im Monat. Die Rentensätze für Personen unter 70 Jahre liegen bei 220 Georgischen Lari [GEL; ca. 55 Euro] im Monat. Rentner über 70 Jahre erhalten aktuell zwischen 250 und 300 GEL [ca. 62 bis 75 Euro]. Zum Erhalt müssen die Personen seitens der Behörden als bedürftig eingestuft werden. Die soziale Absicherung erfolgt in aller Regel durch den Familienverband. Eine große Rolle spielen die Geldtransfers der georgischen Diaspora im Ausland (AA 17.11.2020).

Trotz der beachtlichen wirtschaftlichen Entwicklung seit 2003 sind große Teile der georgischen Bevölkerung unterbeschäftigt oder arbeitslos. Etwa 20 % der Georgier leben in Armut. Vor allem die Bewohner der ländlichen Bergregionen sind betroffen, aber auch städtische Arbeitslose sowie zumeist in Isolation lebende Binnenvertriebene und Alleinerzieherinnen. Ländliche Armut führt meist zu Landflucht oder Emigration. Die Rücküberweisungen von saisonalen und permanenten Auslandsmigranten machen einen nennenswerten Anteil des Bruttoinlandsprodukts aus (ADA 8.2020).

Die meisten Arbeitsplätze gibt es im Groß- und Einzelhandel sowie in Autowerkstätten, im Kleinwarengeschäft, in der Industrie und im Bauwesen (IOM 2019). Viele Pensionisten sind noch erwerbstätig, da die Pension alleine zum Überleben nicht ausreicht. Dagegen ist die Arbeitslosigkeit unter den 15-25-Jährigen recht hoch. Die meisten Erwerbstätigen befinden sich im Alter von 40 bis 60 Jahren (IOM 2019). Das Durchschnittseinkommen (nominal) der unselbstständig Beschäftigten lag im dritten Quartal 2020 bei den Männern bei GEL 1.472,5 [rund EUR 370] und bei den Frauen bei GEL 978,1 [rund EUR 245] (GeoStat 2021b).

Die COVID-19-Pandemie hatte verheerende Auswirkungen auf die Wirtschaft (HRW 13.1.2021; vgl. KP 11.2.2021, ADA 8.2020) Statt der ursprünglich prognostizierten Steigerung des Brutto-Inlands-Produktes (BIP) um 4,3 % wurde am Jahresende schließlich ein Rückgang um 5,1 % des BIP vermeldet (KP 11.2.2021). Allein im zweiten Quartal 2020 schrumpfte das BIP um über 16 % (HRW 13.1.2021) Der Tourismus, der in den letzten Jahren stark gewachsen war und für rund 20 % des georgischen BIP verantwortlich ist, kam völlig zum Erliegen (KfW 3.6.1010). Die Zahl der internationalen Besucher Georgiens sank im Jahr 2020 um 80 % im Vergleich zum Vorjahr (KP 11.2.2021).

Es kam 2020, im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie, zu einem Anstieg von Arbeitslosigkeit und Armut (HRW 13.1.2021; vgl. ADA 8.2020, GeoStat 2021a). Die Arbeitslosigkeit lag im 4. Quartal 2020 im urbanen Raum bei 22,2 % (verglichen mit 16,6 % im 4. Quartal 2019). Im ländlichen Raum lag die Arbeitslosigkeit im 4. Quartal 2020 bei 17,7 % (verglichen mit 16,7 % im 4. Quartal 2019) (GeoStat 2021a). Die hohe Zahl Erwerbstätiger in ländlichen Gegenden ist mit den gering vergüteten Jobs im Agrarsektor zu erklären (IOM 2019). Um die Folgen der COVID-19-Pandemie abzumildern, verabschiedete die Regierung im April 2020 einen Anti-Krisen-Plan in Höhe von 1,5 Milliarden US-Dollar, der ein Sozialhilfepaket für Einzelpersonen sowie Steuererleichterungen und -befreiungen für Unternehmen für mindestens sechs Monate beinhaltete. Drei Monate vor den Wahlen im Oktober 2020 kündigte die Regierung zusätzliche Anti-Krisen-Maßnahmen in Höhe von 132 Millionen US-Dollar an, darunter ein weiteres Sozialhilfepaket. Die Opposition und einige zivilgesellschaftliche Gruppen sahen die Schritte als "Manipulation, um Wähler anzulocken" (HRW 13.1.2021).

Negativ hat sich auch der Außenhandel Georgiens entwickelt, die Exporte sanken um 12 %, die Importe um knapp 16 %, allerdings von einem weitaus höheren Realniveau. Das Außenhandelsdefizit hat sich daher nur geringfügig verbessert. Die Entwicklung des Wechselkurses zum Euro ist weitaus dramatischer: Seit Jahresanfang 2021 hat sich der Lari auf einem Wert von etwa 4:1 zum Euro eingependelt, am Jahresanfang 2020 lag er noch bei 3,2:1. Überraschenderweise sind die Rücküberweisungen der Auslandsgeorgier im vergangenen Jahr um 8,8 % gestiegen, was sich durchaus mäßigend auf die Abwertung des Lari ausgewirkt hat (KP 11.2.2021).

Sozialbeihilfen

Das Sozialsystem in Georgien umfasst die folgenden finanziellen Zuschüsse:

Existenzhilfe

Re-Integrationshilfe

Pflegehilfe

Familienhilfe

Soziale Sachleistungen

Sozialpakete (IOM 2019)

Menschen unterhalb der Armutsgrenze können zum Beispiel mit einer Unterstützung von GEL 10-60 [Georgische Lari; entspricht ca. 2,50 bis 15 Euro] pro Familienmitglied rechnen. Der Sozialdienst ist für Personen unterhalb der Armutsgrenze verantwortlich. Der staatliche Fond zum Shutz und Unterstützung für Opfer von Menschenhandel hilft schutzbedürftigen Personen, wie z.B. Opfern häuslicher Gewalt, Personen mit Einschränkungen, Alten und Waisen. Dabei bietet er: Kinderheime, Pflegeheime für Personen mit Einschränkungen, Unterkünfte für Opfer von Menschenhandel, Krisenzentren und Unterkünfte für Opfer häuslicher Gewalt. Eine Arbeitslosenunterstützung gibt es nicht (IOM 2019).

Familien, die unter der Armutsgrenze leben, können um Sozialhilfe ansuchen. Dafür muss der Vertreter der Familie zunächst ein Ansuchen für sich und alle übrigen Familienmitglieder stellen, um in das staatliche Register für besonders schutzbedürftige Familien aufgenommen zu werden. Danach besucht ein Vertreter des Sozialamtes die Familie vor Ort, wobei in der „Familiendeklaration“ der sozio-ökonomische Stand der Familie festgestellt wird. Mittels eines Punktevergabesystems wird die Bedürftigkeit festgestellt. Bis zu einem Wert von 57.000 Punkten besteht der Anspruch auf finanzielle Unterstützung wie folgt: GEL 60 [ca. 15 Euro] für Alleinstehende; ab zwei Personen erhält das älteste Familienmitglied GEL 60 [ca. 15 Euro] und alle anderen GEL 48 [ca. 12 Euro] pro Monat. Ausschlussgründe sind insbesondere die Arbeitsaufnahme eines Familienmitgliedes, Gefängnishaft, Militärdienst oder ein Auslandsaufenthalt von mehr als drei Monaten. Die Sozialhilfe kann nicht gleichzeitig mit der staatlichen „Haushaltsunterstützung“ oder der monatlichen Zahlung an Flüchtlinge bezogen werden (SSA o.D.a.).

Es gibt ein staatliches Pensionssystem. Bezugsberechtigt sind Männer über 65 und Frauen über 60 Jahre. Für die Registrierung der Pension ist ein Antrag beim zuständigen Sozialamt (Social Service Centre) nötig. Die Entscheidung fällt innerhalb von zehn Tagen. Personen, die bereits aus dem Ausland eine Pension beziehen, sind vom georgischen Pensionssystem ausgeschlossen (IOM 2019). Die Höhe der Pension wird jährlich gemäß Inflationsrate und Wirtschaftswachstumsdaten angeglichen. Mit 1.1.2021 stieg die Alterspension auf 240 GEL[ca. 60 Euro] für Personen unter 70 Jahre und auf 275 GEL[ca. 69 Euro] für Personen über 70 Jahre. Es gibt Zuschläge für Pensionisten, die in Hochgebirgssiedlungen leben (Agenda 5.1.2021).

Seit dem 1.1.2019 ist das kumulierte Pensionssystem für Beschäftigte unter 40 Jahren verpflichtend, d.h., sie werden automatisch registriert. Für Selbständige und Personen über 40 Jahren ist die Aufnahme in das Programm freiwillig. Dieses System gilt sowohl für Mitarbeiter des öffentlichen als auch des privaten Sektors. Das System wird nach einem 2+2+2-Schema arbeiten. Jeder Arbeitnehmer, der Arbeitgeber und der Staat leisten einen Beitrag von je 2% des Bruttoeinkommens des Arbeitnehmers auf ein individuelles Pensionskonto. Selbstständige müssen eine Einlage von 4% ihres Einkommens leisten und der Staat schießt weitere 2% zu. Das neue Pensionsgesetz sieht keine Aufhebung des bestehenden Pensionssystems vor (Agenda.ge 3.1.2019). Angesichts der Tatsache, dass Georgien bislang nur eine Pensionsersatzrate von 18% aufweist und über 44% der Erwerbstätigen Selbstständige sind, insbesondere in der einkommensschwachen Landwirtschaft, bestehen Zweifel am Funktionieren des neuen Systems (OCM 14.12.2018).

Das Recht auf Mutterschaftskarenz- und Pflegeurlaub gewährleistet 730 Tage Freistellung, von denen 183 Tage bezahlt sind. Bei Geburtskomplikationen oder der Geburt von Zwillingen werden 200 Tage bezahlt. Das Mutterschaftsgeld, auch im Falle einer Adoption, beträgt maximal GEL 1.000 [ca. 250 Euro] (SSA o.D.b, vgl. USSSA 3.2019).

1.2.1.12. Rückkehr

Georgische Rückkehrer/Rückgeführte können die allgemeinen, wenn auch in der Regel insgesamt unzureichenden Sozialleistungen in Anspruch nehmen, darunter eine kostenlose medizinische Grundversorgung. Rückkehrer und Rückkehrerinnen, die Unterstützung benötigen, sind bislang vor allem auf Familie und Freunde angewiesen. Internationale Organisationen bieten ebenfalls Unterstützung an. Das Ministerium für Binnenvertriebene, Arbeit, Gesundheit und Soziales koordiniert das staatliche Reintegrationsprogramm (State Reintegration Programme). Hier wird Beratung und auch finanzielle Hilfe zur Reintegration in den Arbeitsmarkt (auch Hilfe zur Selbstständigkeit) und bei Bedarf auch Erst- bzw. Zwischenunterkunft zur Verfügung gestellt. Staatliche Repressalien gegen Rückkehrer sind nicht bekannt. Auch die Tatsache einer Asylantragstellung im Ausland ist für die Behandlung durch staatliche Stellen ohne Bedeutung. Georgien hat Rückübernahme-Abkommen mit der EU und weiteren europäischen Ländern geschlossen. Die georgische Regierung stellt sich zunehmend den Problemen von Rückkehrern (AA 17.11.2020; vgl. IOM/EU 2017).

Um die Reintegration der zurückgekehrten georgischen Migranten zu unterstützen, wurden GEL 500.000 [Georgische Lari; ca. EUR 125.000] aus dem Staatshaushalt 2020 bereitgestellt. Das Programm sieht die Gewährung von Zuschüssen für Einkommens- und Beschäftigungszwecke, die Unterstützung der beruflichen Bildung, die Bereitstellung von Gesundheitsdiensten und die Bereitstellung von vorübergehenden Unterkünften vor. Insgesamt werden rund 150 zurückgekehrte Migranten finanziert, um die Schaffung von Einkommensquelle, Beschäftigung und Selbstständigkeit zu unterstützen. Es werden maximale Zuschüsse von 4.000 GEL [ca. 1.000 Euro] gewährt. Teilnahmeberechtigt sind Bürger Georgiens (oder Personen mit staatenlosem Status, die dauerhaft in Georgien leben), die sich seit mehr als 12 Monaten unrechtmäßig im Ausland aufhalten oder im Ausland Asyl beantragt oder erhalten haben und innerhalb des letzten Jahres nach Georgien zurückgekehrt sind (MoH 16.7.2020; vgl. MRA o.D.).

Auch IOM bietet Unterstützung von Rückkehrern im Rahmen der AVRR-Programme (Assisted Voluntary Return and Reintegration) (IOM 2019).

2. Beweiswürdigung

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers (Name, Geburtsdatum, Geburtsort, Staatsangehörigkeit), seiner Volksgruppenzughörigkeit sowie seiner Religion gründen sich auf seine eigenen Angaben sowie auf die im Akt enthaltene Kopie seines georgischen Reisepasses (AS 37).

Auch die Feststellungen zu den Sprachkenntnissen sowie zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführerführers konnten aufgrund seiner eigenen Angaben getroffen werden. Dass der Beschwerdeführer arbeitsfähig ist, ergibt sich aus dem Umstand, dass er an keinen Erkrankungen leidet und seinem Vorhaben, in Italien eine Arbeit zu finden (Verhandlungsprotokoll S. 7).

Dass der Beschwerdeführer in Italien über familiäre Anknüpfungspunkte in Form seiner dort aufhältigen Schwägerin und seines dort aufhältigen Bruders verfügt, kann aufgrund seiner eigenen Angaben festgestellt werden. Auch der Umstand, dass dieses mit seinem Bruder bzw. mit seiner Schwägerin vorhandene Familienleben keine über die üblichen Bindungen unter Erwachsenen hinausgehenden zusätzlichen Merkmale aufweist, gründet sich auf seine eigenen Angaben. Solche zusätzlichen Merkmale sind auch nicht von Amtswegen hervorgekommen.

Auch dass der Beschwerdeführer in Italien mit XXXX keine enge Beziehung führt gründet sich auf seine eigenen Angaben. So konnte der Beschwerdeführer weder das Geburtsdatum von XXXX noch ihre genaue Adresse in Italien, mit Ausnahme der Stadt Rom, nennen. Zudem brachte der Beschwerdeführer selbst vor, dass er seit seiner Inhaftierung in Österreich keinen persönlichen bzw. telefonischen Kontakt mit XXXX unterhält.

Aufgrund der genannten Umstände ist somit nicht davon auszugehen, dass zwischen dem Beschwerdeführer und XXXX ein derart enges Naheverhältnis vorliegt, welches bei der Verhängung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und eines Einreiseverbots gegenüber dem Beschwerdeführer zu einem nicht gerechtfertigten Eingriff in sein schützenswertes Familienleben gemäß Art. 8 EMRK führen würde.

Die Feststellungen zu den familiären Anknüpfungspunkten des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsland in Form seiner Mutter und seiner verheirateten Tochter stützen sich – ebenso wie die Feststellungen zu deren Beschäftigung und zum bestehenden Kontakt des Beschwerdeführers zu ihnen – auf seine eigenen Angaben.

Die Feststellungen zum letzten Aufenthalt des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat, seiner Schulbildung und seiner Berufserfahrung gründen sich auf seine eigenen Angaben.

In Bezug auf die Feststellungen zur Einreise des Beschwerdeführers in Österreich ist auf seine eigenen Angaben zu verweisen.

Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich zweifelsfrei aus dem im Akt enthaltenen Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX .03.2021, Zl. XXXX Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer dieses Verbrechen Oktober 2020 begangen hat, gründet sich auf das Urteil des Landesgerichts XXXX .

Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Verurteilung in Frankreich ergeben sich ebenso aus dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX .03.2021, Zl. XXXX S. 4.

Die Feststellung, dass aufgrund des vom Beschwerdeführer gesetzten Verhaltens und seines Persönlichkeitsbildes sein weiterer Aufenthalt in Österreich als schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit anzusehen ist, gründet sich darauf, dass das Landesgericht XXXX in seiner Urteilsbegründung darauf abstellte, dass der Beschwerdeführer im Oktober 2020 sich durch die fünfzehnfache wiederkehrende Begehung von Einbruchsdiebstählen in Wohnstätten ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen verschafft hat. Dabei ist einerseits der Umstand zu beachten, dass der Beschwerdeführer bereits in Frankreich strafrechtlich verurteilt wurde und es bei den in Österreich begangenen Straftaten zur mehrfachen Tatwiederholung und Mehrfachqualifikation kam (vgl. Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX .03.2021).

Die materielle Rechtskraft des Schuldspruches einer verurteilenden Entscheidung eines Strafgerichts bewirkt, dass dadurch - vorbehaltlich einer allfälligen Wiederaufnahme des Strafverfahrens - mit absoluter Wirkung, somit gegenüber jedermann, bindend festgestellt ist, dass die schuldig gesprochene Person die strafbare Handlung entsprechend den konkreten Tatsachenfeststellungen des betreffenden Urteils rechtswidrig und schuldhaft begangen hat (VwGH 21.10.2011, 2010/03/0165). An diese Verurteilung ist auch das Verwaltungsgericht gebunden. Dafür, dass zum Entscheidungszeitpunkt beim Beschwerdeführer, der sich aktuell in Österreich in Strafhaft befindet, ein Gesinnungswechsel eingetreten wäre, welcher eine positive Zukunftsprognose erwarten ließe, finden sich keine Hinweise.

2.2. Zu den Feststellungen zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat

Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Den Parteien des Verfahrens wurden alle genannten Länderinformationen mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme zur Kenntnis gebracht. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Zudem beschränkte sich der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 13.07.2021 auf die Wiedergabe einzelner Passagen aus den ihm in der Beschwerdeverhandlung überreichten Länderinformationsblatt. Somit ist der Beschwerdeführer diesen Länderinformationen nicht substantiiert entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A)

3.1. Zur Erlassung eines auf vier Jahre befristeten Einreiseverbots (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Rechtslage:

Die fremdenpolizeiliche Maßnahme des Einreiseverbots wird in § 53 FPG normiert. Diese Bestimmung lautet auszugsweise:

„Einreiseverbot

§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1.– 9. […]

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentli

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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