TE Bvwg Beschluss 2021/8/6 W198 2201923-2

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Veröffentlicht am 06.08.2021
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Entscheidungsdatum

06.08.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §17
VwGVG §32 Abs2

Spruch


W198 2201923-2/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Karl SATTLER als Einzelrichter über den von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch BRAUNSBERGER-LECHNER-LOOS Rechtsanwälte, gestellten Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.04.2021, Zl. W198 2201923-1/29E, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens betreffend die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.06.2018 beschlossen:

A)

Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird gemäß § 32 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) wegen Verspätung als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Begründung:

I. Verfahrensgang

1. Der nunmehrige Antragsteller, ein afghanischer Staatsangehöriger, hat am 07.02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

2. Mit Bescheid vom 11.06.2018 wurde der Antrag des Antragstellers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß
§ 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs.1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Antragstellers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Antragstellers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

3. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schreiben der damaligen Rechtsvertretung des Antragstellers vom 13.07.2018 Beschwerde erhoben.

4. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Erkenntnis vom 22.04.2021,
Zl. W198 2201923-1/29E, die Beschwerde gemäß §§ 3, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005 idgF., § 9 BFA-VG idgF., und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

5. In der Folge wurde gegen dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.04.2021 seitens der damaligen Rechtsvertretung des Antragstellers Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben.

6. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 08.06.2021, E 1854/2021-5, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

7. Mit Schriftsatz vom 26.07.2021, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 27.07.2021, beantragte die nunmehrige Rechtsvertretung des Antragstellers die Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.04.2021 abgeschlossenen Verfahrens. Begründend wurde ausgeführt, dass der Asylantrag des Antragstellers damit begründet wurde, dass der Antragsteller für die ISAF bzw. eine US-amerikanische Firma gearbeitet habe. Zwischenzeitig existiere ein neues Beweismittel für dieses Vorbringen, welches dem Antragsteller am 12.07.2021 zur Kenntnis gelangt sei. Die Botschaft der USA habe dem Antragsteller am 12.07.2021 ein „Immigrant Visa“ für Afghanen, die in der amerikanischen Regierung tätig gewesen seien, ausgestellt. Der Antragsteller habe das Visum zwei Tage später abgeholt. Dieses Beweismittel sei entscheidend, da der Antragsteller damit glaubhaft machen könne, dass er für die amerikanische Regierung bzw. ein regierungsnahes Unternehmen tätig gewesen sei.

8. Am 30.07.2021 übermittelte das BFA ein mit 27.07.2021 datiertes Schreiben der Rechtsvertretung des Antragstellers an das Bundesministerium für Inneres an das Bundesverwaltungsgericht. In diesem Schreiben wurde ausgeführt, dass die Botschaft der USA in Wien dem Antragsteller am 12.07.2021 ein Visum der Kategorie „SQ1“ ausgestellt habe; dieses Visum werde für Afghanen ausgestellt, die für die US-Regierung gearbeitet haben. Im Asylverfahren sei dieses Dokument noch nicht zur Verfügung gestanden. Im Hinblick auf die bereits gegebene Durchsetzbarkeit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts werde ersucht, von einer allfälligen Abschiebung des Antragstellers bis auf Weiteres abzusehen, da der Antragsteller in der gegenwärtigen Situation in Afghanistan offensichtlich akut gefährdet wäre.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Dem Antragsteller wurde seitens der US-amerikanischen Botschaft in Wien am 12.07.2021 ein Visum der Kategorie „SQ1“ ausgestellt. Der Antragsteller hat am 12.07.2021 von diesem Visum Kenntnis erlangt.

Mit Schriftsatz vom 26.07.2021 beantragte die Rechtsvertretung des Antragstellers die Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.04.2021 abgeschlossenen Verfahrens. Der Wiederaufnahmeantrag langte am 27.07.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

2. Beweiswürdigung

Der Umstand, dass der Wiederaufnahmeantrag am 27.07.2021 beim Bundesverwaltungsgericht einlangte, ist unstrittig.

Das am 12.07.2021 ausgestellte Visum liegt im Akt ein und ist als Ausstellungsdatum eindeutig der 12.07.2021 ersichtlich. Zu der Feststellung, wonach der Antragsteller am 12.07.2021 von diesem Beweismittel Kenntnis erlangt hat, ist auszuführen, dass dies im Wiederaufnahmeantrag vom Antragsteller selbst so angegeben wurde. Wörtlich wird im Wiederaufnahmeantrag ausgeführt: „Zwischenzeitig existiert ein neues Beweismittel, das dem Beschwerdeführer am 12.07.2021 zur Kenntnis gelangt ist“. Der Umstand, dass der Antragsteller das Visum – wie im Wiederaufnahmeantrag ausgeführt – erst zwei Tage später bei der Botschaft abgeholt habe, vermag nichts daran zu ändern, dass er (wie er selbst angegeben hat) bereits am 12.07.2021 Kenntnis davon erlangt hat.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Da das Verfahren W198 2201923-1 beim Bundesverwaltungsgericht abgeschlossen wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 32 Abs. 2 VwGVG für die Behandlung des Wiederaufnahmeantrags zuständig.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) Zurückweisung des Wiederaufnahmeantrages wegen Verspätung

Der vorliegende Antrag zielt darauf ab, das mit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.04.2021, Zl. W198 2201923-1/29E, rechtskräftig abgeschlossene vorangegangene Verfahren wieder aufzunehmen.

§ 32 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) lautet:

"Wiederaufnahme des Verfahrens

§ 32. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn

1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten,

3. + 4. (...)

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

(4) und (5) (...)"

Die zweiwöchige "subjektive" Frist des § 32 Abs. 2 VwGVG beginnt mit dem Zeitpunkt, d.h. an dem Tag, zu laufen, am dem der Antragsteller vom Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat. Sie ist als gesetzliche Frist grundsätzlich nicht erstreckbar. Ein nach Ablauf der zweiwöchigen subjektiven Frist gestellter Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ist unzulässig, weil verspätet eingebracht, zurückzuweisen. Ausschlaggebend ist der Zeitpunkt, an dem die Partei Kenntnis genommen hat, dass Umstände vorliegen, die eine Wiederaufnahme gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 bis 3 AVG zu rechtfertigen vermögen. (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 59f mit zahlreichen Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen. Der Wiederaufnahmeantrag hat alle für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit, d.h. der Einhaltung der subjektiven und objektiven Fristen des § 69 Abs. 2 AVG maßgeblichen Angaben zu enthalten (VwGH 19.05.1993, Zl. 91/13/0099; 25.01.1996, Zl. 95/19/0003). Die Beweislast für die Rechtzeitigkeit eines Wiederaufnahmeantrages trägt somit der Antragsteller (VwGH 03.09.1998, Zl. 98/06/0086; 08.07.2005, Zl. 2005/02/0040). Er hat bereits im Antrag bekannt zu geben, wann er vom behaupteten Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat (VwGH 07.03.1996, Zl. 96/09/0015) und an welchem Tag die in Rechtskraft erwachsene Entscheidung ihm gegenüber erlassen wurde (Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 55).

Ein nach Ablauf der zweiwöchigen subjektiven Frist gestellter Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ist als unzulässig, weil verspätet eingebracht, zurückzuweisen (VwGH 20.03.1990, Zl. 90/06/0013; 15.07.2003, Zl. 2003/05/0080), sofern ihn die Behörde nicht zum Anlass einer amtswegigen Wiederaufnahme nimmt (Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 59).

Wie festgestellt und beweisgewürdigt, ist dem Antragsteller im gegenständlichen Fall das ihm von der US-amerikanischen Botschaft am 12.07.2021 ausgestellte Visum am 12.07.2021 zur Kenntnis gelangt.

Die zweiwöchige Frist gemäß § 32 Abs. 2 VwGVG begann somit am 12.07.2021 zu laufen und endete am 26.07.2021. Der Wiederaufnahmeantrag langte jedoch erst am 27.07.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Der Wiederaufnahmeantrag ist somit als verspätet zurückzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs.4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

individuelle Verhältnisse Schriftsatz Verspätung Voraussetzungen Wiederaufnahmeantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W198.2201923.2.00

Im RIS seit

12.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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