TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/30 W114 2174297-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.08.2021
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Entscheidungsdatum

30.08.2021

Norm

AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28

Spruch


W114 2174297-1/44E

Im Namen der Republik!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Bernhard DITZ über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwältin XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.09.2017, Zl. 1089102003/151450775/BMI-BFA_STM_AST, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.12.2019 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

II. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 31.08.2022 erteilt.

III. Die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX , geboren am XXXX , (im Weiteren: Beschwerdeführer oder BF), ein afghanischer Staatsbürger, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Moslem, stellte am 28.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Bei der am 29.09.2015 erfolgten Erstbefragung vor der Polizeiinspektion Traiskirchen EASt, gab der Beschwerdeführer an, dass er im Iran geboren und aufgewachsen sei. In Afghanistan sei er noch nie gewesen. Er habe im Iran neun Jahre lang eine staatliche Schule besucht und als Hilfsarbeiter gearbeitet. Seine Eltern, sein Bruder und seine Schwester würden immer noch im Iran leben.

Befragt nach seinen Fluchtgründen führte der BF aus, dass er im Iran eine Beziehung zu einem iranischen Mädchen gehabt habe. Als ihre Familie von der Beziehung erfahren habe, sei der BF verfolgt und verprügelt worden. Aus Angst vor dieser Familie sei der BF geflüchtet.

3. In einem Gutachten zur Altersfeststellung des Beschwerdeführers vom 06.01.2016 führte XXXX aus, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Antragstellung ein Mindestalter von 16 Jahren gehabt habe.

4. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 06.07.2017 wiederholte der Beschwerdeführer, dass er noch nie in Afghanistan gewesen sei und nur im Iran gelebt habe. Sein Vater sei im Iran Hauswart einer Parkanlage, in welcher seine Familie in einem kleinen Haus leben würde. Seine Eltern würden ursprünglich aus dem Distrikt Sancharak der Provinz Sar-e Pul in Afghanistan stammen. Er selbst sei ledig und habe keine Kinder. Er stehe mit seiner Familie im Iran in Kontakt. Sein Vater sei krank und nicht mehr arbeitsfähig.

Bei der Einvernahme vor dem BFA wurde dem Beschwerdeführer das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 02.03.2017, aktualisiert am 27.06.2017, überreicht und mit ihm erörtert. Dazu führte er aus, dass er nicht in Afghanistan leben könne, da er dort keine Angehörigen habe und niemanden kenne. Er sei mit der Kultur und der Sprache nicht vertraut, weil er kein Dari spreche und verstehe. Er sei Schiit und würde deswegen in Afghanistan verfolgt werden.

5. Mit Bescheid des BFA vom 30.06.2017, Zl. 1089102003/151450775/BMI-BFA_STM_AST, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass der Beschwerdeführer bezüglich seines Heimatlandes Afghanistan keine asylrelevanten Fluchtgründe vorgebracht habe. Sein Fluchtvorbringen habe sich fast zur Gänze auf die Situation im Iran bezogen. Dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan könne nicht entnommen werden, dass in Afghanistan Hazara und Schiiten generell verfolgt werden würden. Der Beschwerdeführer beherrsche Farsi, eine in Afghanistan landesübliche Sprache, er könne sich auch in Dari verständigen, zumal es zwischen Farsi und Dari nur geringe Unterschiede im Wortschatz und der Aussprache gebe und er in einer afghanischen Familie aufgewachsen sei. Er sei jung, gesund und arbeitsfähig, verfüge über Schulbildung und habe bereits im Iran seine Familie durch diverse Tätigkeiten unterstützt, sodass er in der Lage wäre, sich in Afghanistan eine Existenz aufzubauen. Zudem könne ihn auch seine im Iran lebende Familie, zu welcher er in Kontakt stehe, finanziell unterstützen. Es könne nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde.

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 04.10.2017 zugestellt.

6. Gegen diese Entscheidung erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch die XXXX , mit Schriftsatz vom 17.10.2017 Beschwerde.

Begründend führte er aus, dass er in Afghanistan wegen seiner gesellschaftlich-politischen Gesinnung bzw. wegen seiner westlichen Einstellung, aus religiösen Gründen sowie wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara verfolgt werden würde. Sein Fluchtvorbringen sei von der Behörde mangelhaft ermittelt worden. Die Familie seiner ehemaligen Freundin verfüge auch in Afghanistan über Kontakte und hätte dort aufgrund ihrer finanziellen Mittel großen Einfluss. Seine westliche Einstellung sei an seinem Kleidungsstil und der Tatsache, dass er im Iran eine voreheliche Beziehung eingegangen sei, ersichtlich. Der Beschwerdeführer spreche nicht Dari und sei mit der Kultur in Afghanistan nicht vertraut, weshalb er diesbezüglich in Afghanistan Verfolgung zu befürchten hätte. Als Hazara und schiitischer Moslem, welcher sein gesamtes Leben im Iran verbracht habe, sei der Beschwerdeführer besonders gefährdet. Die Feststellungen der Behörde betreffend die Situation für Rückkehrer aus dem Iran seien überdies zu kurz und zu allgemein gehalten.

7. Die Beschwerde und die Unterlagen des Verwaltungsverfahrens wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am 23.10.2017 – mit Schreiben des BFA vom 19.10.2017 – zur Entscheidung vorgelegt.

8. In einer Stellungnahme vom 27.11.2019 führte der Beschwerdeführer im Wesentlichsten zusammengefasst aus, dass er als im Iran geborener und aufgewachsener Afghane ohne familiären oder sozialen Anschluss sich nicht in Afghanistan niederlassen könne und dort ein menschenrechtskonformes Leben führen könne.

9. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG am 03.12.2019 wurde der Beschwerdeführer zu seiner Identität und Herkunft sowie zu seinen Fluchtgründen befragt. Die Verhandlung fand im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Farsi statt. Das BFA verzichtete mit Schreiben vom 03.12.2019 auf eine Teilnahme an der Verhandlung.

Der Beschwerdeführer legte ein Schreiben des Allgemeinmediziners XXXX vor. Darin wurde bestätigt, dass dem Beschwerdeführer die tägliche Einnahme eines Drittels einer Tablette des Medikamentes „Trittico retard 150 mg“ verschrieben wurde. Die Frage, ob er gesund sei, bejahte er jedoch. Er führte aber aus, dass er die letzten Nächte vor der mündlichen Verhandlung nur wenig geschlafen habe. Befunde bzw. Arztbriefe, die eine psychologische bzw. psychische Krankheit bescheinigten, legte der Beschwerdeführer nicht vor.

In der mündlichen Verhandlung brachte der Beschwerdeführer vor, die Sprache Dari nicht zu verstehen. Die Muttersprache seiner Eltern sei zwar Dari gewesen; sie hätten mit ihm aber nur Farsi gesprochen. Seine Eltern seien alt und krank und würden ihn bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht unterstützen können. In Afghanistan selbst habe er weder familiäre noch sonstige soziale Anknüpfungspunkte. Er verfüge in Afghanistan über kein ihn unterstützendes Netzwerk. Er führte aus, dass er bei einer Rückkehr nach Afghanistan auf der Straße leben müsste und anschließend von terroristischen Gruppierungen „für ihre Zwecke missbraucht“ werden würde.

Der Beschwerdeführer wies darauf hin, dass er als Hazara nicht in Afghanistan leben könnte, weil er dort nie gelebt habe und dort auch niemanden kenne.

Der Beschwerdeführer wies auch auf eine sichtbare Tätowierung im Halsbereich hin und führt dazu aus, dass diese Tätowierung signalisiere, dass er über eine westliche Gesinnung verfüge.

11. Mit Erkenntnis des BVwG vom 17.12.2019, Zl. W114 2174297-1/19E, wurde die Beschwerde vollumfänglich als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte das BVwG aus, dass bei einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan eine asylrelevante Bedrohung durch die Familie seiner ehemaligen Freundin aus dem Iran nicht habe festgestellt werden können. Der BF habe im Falle einer allfälligen Rückkehr nach Afghanistan keine asylrelevante, ihm drohende Verfolgungsgefahr glaubhaft machen können. Er sei weder aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit als Hazara noch wegen seiner Religionszugehörigkeit als schiitischer Moslem mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit einem realen Risiko einer ernsthaften Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt bzw. Gefährdung des Lebens, Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch einen konkreten Akteur ausgesetzt. Der BF würde – so das BVwG damals - unter Berücksichtigung von Art. 2 und 3 EMRK, bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht in eine ausweglose Situation geraten.

12. Gegen dieses Erkenntnis erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch XXXX , Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH).

Der BF brachte vor, vom BVwG in seinem verfassungsgesetzlich durch das BVG zur Durchführung des internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassistischer Diskriminierung gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander, in seinem verfassungsgesetzlich durch Art. 2 EMRK gewährleisteten Recht auf Leben und in seinem verfassungsgesetzlich durch Art. 3 EMRK gewährleiteten Recht, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe unterworfen zu werden, verletzt worden zu sein.

Begründend führte er diesbezüglich aus, dass das BVwG hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten, sich nicht inhaltlich mit den UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 und dem Country-Guidance des EASO aus Juni 2019 auseinandergesetzt habe. Im Zusammenhang mit der Prüfung der innerstaatlichen Fluchtalternative sei das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet, seiner Entscheidung im asylrechtlichen Beschwerdeverfahren zum Entscheidungszeitpunkt aktuelle Herkunftsländerberichte zugrunde zu legen, sowie insbesondere die Informationen des UNHCR und von EASO zu berücksichtigen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sei diesen Berichten besondere Bedeutung zu schenken. Das BVwG habe unterlassen, Feststellungen zu dem konkret für den BF unter Berücksichtigung seiner individuellen Umstände bestehenden Zugang zu Unterkunft, grundlegender Versorgung, sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsdiensten und Erwerbsmöglichkeiten in den Städten Herat und Mazar-e Sharif, zu treffen. Gemäß dem EASO-Bericht komme eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht in Betracht, wenn für ihn, der noch niemals in Afghanistan war, kein Unterstützungsnetzwerk vorhanden sei. Der BF sei weder gesund noch habe er Arbeits- und Berufserfahrung noch könne er mit Unterstützung seiner im Iran lebenden Familie rechnen.

13. Mit Erkenntnis des VfGH vom 26.02.2020, Zl. E 350/2020-10, wurde festgestellt, dass der BF durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden wäre. Das Erkenntnis des BVwG wurde, soweit damit seine Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und gegen den Ausspruch der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat Afghanistan unter Setzung einer zweiwöchigen Frist für die freiwillige Ausreise, abgewiesen wurde, aufgehoben. Im Übrigen wurde, soweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung der Beschwerde durch das BVwG gegen die Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten richtet, die Behandlung der Beschwerde vom VfGH abgelehnt.

In seiner Begründung führte der VfGH aus, dass sich das BVwG in seinem Erkenntnis nicht auf Länderberichte des EASO („Country Guidance: Afghanistan“ aus Juni 2018 [vgl. S 109] bzw. die aktuellere Fassung aus Juni 2019 [vgl. S 139]) bezogen habe bzw. sich nicht ausreichen damit auseinandergesetzt habe, warum vor dem Hintergrund dieser Länderinformationsquellen dem Beschwerdeführer auf Basis individueller Umstände trotzdem die Ansiedlung in Herat oder Mazar-e Sharif zumutbar sei.

14. Mit neuerlichem Erkenntnis des BVwG vom 11.05.2021, Zl. W114 2174297-1/27E, wurde der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status eines subsidiären Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt A.I.). Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wurde ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung in der Dauer eines Jahres erteilt (Spruchpunkt A.II.). Die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides wurden ersatzlos behoben (Spruchpunkt A.III.). Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig erklärt (Spruchpunkt B).

Begründend führte das BVwG u.a. aus, dass es dem Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Entscheidung unter Berücksichtigung der Covid-19 Pandemie nicht möglich sei, in den Städten Herat, Mazar-e Sharif, Kabul oder an einem anderen Ort in Afghanistan Fuß zu fassen und sich dort eine Existenz aufzubauen. Es sei ihm nämlich aufgrund der durch die Pandemie verschärften wirtschaftlichen Situation nicht möglich, Arbeit zu finden, um dadurch seinen Unterhalt zu sichern. Zudem sei er vermutlich auch nicht in der Lage, eine einfache Unterkunft zu finden. Das BVwG verwies darüber hinaus auf die zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits bestehende Ausgangsbeschränkungen in Herat, Mazar-e Sharif und Kabul sowie auf weitere mögliche bzw. wahrscheinliche Ausgangsbeschränkungen in anderen Städten oder Orten in Afghanistan. Unter Bedachtnahme auf die damals aktuelle Situation hinsichtlich einer großen Anzahl afghanischer Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan, welche sich damals Großteils in den afghanischen Städten angesiedelt hatten, wäre die Versorgung des Beschwerdeführers zum damaligen Zeitpunkt überall in Afghanistan, insbesondere ohne familiäre oder sonstige Unterstützung, nicht gewährleistet gewesen, sodass ihm damals eine Rückkehr nach Afghanistan nicht zumutbar gewesen sei.

Die Revision erklärte das BVwG gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig, weil zu diesem Zeitpunkt nach Auffassung des erkennenden Gerichtes keine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vorlag, in der die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie in Afghanistan für Afghanen, die vorher noch nie in Afghanistan waren und dort auch über keine familiäre Unterstützung verfügen und die nach Afghanistan abgeschoben werden würden, bestanden habe.

15. Gegen diese Entscheidung erhob das BFA mit Schriftsatz vom 17.06.2020 Revision.

Begründend führte die belangte Behörde dabei u.a. aus, dass das BVwG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Ermittlungs- und Begründungspflicht abgewichen sei. So finde die Feststellung, dass Ausgangsbeschränkungen in der Stadt Mazar-e Sharif bestünden, keine Deckung in den Länderberichten des angefochtenen Erkenntnisses. Darüber hinaus würden nähere Ermittlungen zur Frage fehlen, inwieweit sich die Bevölkerung in Städten mit Ausgangsbeschränkungen an diese halten würden bzw. halten könnten und ob diese von staatlicher Seite durchgesetzt werden würden. Die Feststellung, dass es dem Beschwerdeführer unmöglich sei, Arbeit und Wohnraum zu finden, mit der die Unzumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative tragend begründet werde, beruhe daher auf einem nicht geklärten Sachverhalt.

16. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.06.2021, Zl. Ro 2020/18/0003, wurde das Erkenntnis des BVwG vom 11.05.2020, Zl. W114 2174297-1/27E, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen aus, dass die Amtsrevision zu Recht geltend mache, dass die Erwägungen betreffend die Unzumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative in den genannten Städten nicht durch die entsprechenden Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis gedeckt wären. Insbesondere lasse sich der Begründung nicht entnehmen, ob und welche Ausgangsbeschränkungen im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG etwa in der afghanischen Stadt Mazar-e Sharif gegeben waren, die einer Arbeitssuche entgegenstünden. Auch würden im angefochtenen Erkenntnis Feststellungen zur Sicherheits- und Versorgungslage in den Gebieten, die als innerstaatliche Fluchtalternative in Betracht kämen, fehlen.

17. Mit Schreiben vom 21.07.2021, der Vertreterin des Beschwerdeführers am selben Tag zugestellt, ersuchte das BVwG den Beschwerdeführer, etwaige Änderungen in seinem Privat- und Familienleben seit der mündlichen Verhandlung am 03.12.2019 bekannt zu geben. Der Beschwerdeführer solle dabei insbesondere anführen, ob und in welchem Ausmaß er seit diesem Zeitpunkt erwerbstätig ist oder war und ob er berufliche Aus- bzw. Fortbildungen absolvierte.

18. In einer Stellungnahme vom 10.08.2021 verwies der Beschwerdeführer auf seine besondere Vulnerabilität als im Iran geborener und aufgewachsener Afghane. Er verfüge zudem über kein Unterstützungsnetzwerk in Afghanistan und ebenso wenig über besondere (berufliche) Fähigkeiten und Kenntnisse, um sich selbst (durch eigene Erwerbstätigkeit) zu erhalten. Aufgrund dieser und weiterer Umstände würde er bei einer Rückkehr nach Afghanistan in eine existenzbedrohende Notlage geraten und sohin in seinen Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK verletzt werden. Weiters verwies der Beschwerdeführer auf die aktuelle Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan sowie auf seine fortgeschrittene Integration in Österreich.

19. Mit Schreiben vom 11.08.2021 übermittelte das BVwG dem BFA die Stellungnahme des Beschwerdeführers zur Kenntnis und gab ihm die Möglichkeit zur allfälligen Stellungnahme. Das BFA gab jedoch keine Stellungnahme ab und verschwieg sich.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung sowie der Einvernahme des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des BFA, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des BFA, der vorgelegten Stellungnahme vom 27.11.2019 und vom 10.08.2021, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlungen vor dem BVwG und der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister sowie das Grundversorgungs-Informationssystem und in das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 11.06.2021 (Version 4) samt Kurzinformation vom 19.07.2021 und 17.08.2021, den EASO-Länderleitfaden „Country Guidance: Afghanistan“ aus Dezember 2020 und die UNHCR-„Position zur Rückkehr nach Afghanistan“ aus August 2021, werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1.    Zum Beschwerdeführer:

1.1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Afghanistans. Er ist Schiit und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara.

1.1.2. Die Eltern des Beschwerdeführers stammen aus der afghanischen Provinz Sar-e Pul. Sie verließen Afghanistan nach dem sowjetischen Einmarsch und siedelten sich im Iran an. Im Iran wurde der Beschwerdeführer geboren, wo er bis zu seiner Ausreise nach Europa lebte.

1.1.3. Der Beschwerdeführer besuchte im Iran neun Jahre lang eine Schule. Er unterstützte zudem seinen Vater Monat bei dessen Arbeit als Gärtner in einer iranischen Parkanlage. In Österreich schloss der Beschwerdeführer die Pflichtschule ab. Er begann am 01.09.2020 bei XXXX eine Lehre als Metalltechniker (Schweißtechnik). Der Lehrvertrag läuft bis zum 29.02.2024.

1.1.4. Der Beschwerdeführer verfügt in Afghanistan weder über familiäre noch sonstige soziale Anknüpfungspunkte. Er war bislang noch nie in Afghanistan. Die Familie des Beschwerdeführers könnte ihn bei einer Rückkehr nach Afghanistan auch nicht finanziell unterstützen.

1.1.5. Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

1.1.6. Der Beschwerdeführer bezog bis zum 31.08.2020 Leistungen aus der Grundversorgung und wohnte in einer Unterkunft für Asylwerber. Am 01.04.2021 bezog er eine eigene Wohnung.

1.1.7. Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

1.2.    Zur Rückkehrsituation des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer war bislang noch niemals in Afghanistan und verfügt daher dort über keine Herkunftsprovinz. Ihm steht in Afghanistan kein familiäres oder soziales Unterstützungsnetzwerk zur Verfügung, welches in der Lage und auch gewillt ist, den Beschwerdeführer bei einer Ansiedelung in Afghanistan zu unterstützen. Der Beschwerdeführer verfügt auch über keine Eigenschaften oder Fähigkeiten wegen derer es ihm auch ohne Inanspruchnahme eines Unterstützungsnetzwerkes möglich wäre, auf Dauer in Afghanistan ein menschenrechtsgerechtes Leben führen zu können.

Der Beschwerdeführer könnte bei einer Neuansiedlung an keinem Ort in Afghanistan Fuß fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten führen. Er würde bei einer Rückkehr nach Afghanistan in eine ausweglose bzw. mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit letztlich in eine existenzbedrohende Situation geraten.

1.3.    Zur aktuellen Situation in Afghanistan:

Die Sicherheitslage in Afghanistan hat sich seit Bekanntwerden des Abzuges der internationalen Truppen rasant verschlechtert. Kontrollierten die Taliban am 13.04.2021 erst lediglich 77 der 407 afghanischen Distrikte, stieg diese Zahl bis zum 15.08.2021 bereits auf 304 Distrikte.

Aus der internationalen Berichterstattung und somit allgemein bekannt ist, dass ab 06.08.2021 bis 16.08.2021 der Reihe nach die Provinzhauptstädte Zaranj (Provinz Nimruz), Sheberghan (Provinz Jowzjan), Taloqan (Provinz Takhar), Sar-e Pol (Provinz Sar-e Pol), Kunduz (Provinz Kunduz), Aybak (Provinz Samangan), Farah (Provinz Farah), Pol-e Khumri (Provinz Baghlan), Faizabad (Provinz Badakhshan), Ghazni (Provinz Ghazni), Kandahar (Provinz Kandahar), Lashkargah (Provinz Helmand), Firozkoh (Provinz Ghor), Qala-e Now (Provinz Badghis), Herat (Provinz Herat), Qalat (Provinz Zabul), Tarinkot (Provinz Uruzgan), Pol-e Alam (Provinz Logar), Asadabad (Provinz Kunar), Mazar-e Sharif (Provinz Balkh), Mihtarlam (Provinz Laghman), Sharana (Provinz Paktika), Gardez (Provinz Paktia), Jalalabad (Provinz Nangarhar), Maymana (Provinz Faryab), Maidan Shahr (Provinz Maidan Wardak), Khost (Provinz Khost), Bamyan (Provinz Bamyan), Nili (Provinz Daykundi) und Mahmud-i-Raqi (Provinz Kapisa) durch die Taliban erobert wurden. Zuletzt zogen die Taliban kampflos in die Hauptstadt Kabul ein, nachdem der Präsident Ashraf Ghani aus Afghanistan geflohen war.

Am 15.08.2021 haben die Taliban mit der größtenteils friedlichen Einnahme Kabuls und der Besetzung der Regierungsgebäude und aller Checkpoints in der Stadt den Krieg für beendet erklärt und das Islamische Emirat Afghanistan ausgerufen. Man wünsche sich friedliche Beziehungen mit der internationalen Gemeinschaft, so erste veröffentlchte Nachrichten der Taliban, die jedoch allseits auf viel Skepsis stießen. Die erste Nacht unter der Herrschaft der Taliban im Land ist ruhig verlaufen. Chaotische Szenen haben sich nur am Flughafen in Kabul abgespielt, von welchem sowohl diplomatisches Personal verschiedener westlicher Länder evakuiert wurden, als auch viele Afghanen, die Angst vor Repressalien durch die Taliban haben oder einfach nur einer aussichtslosen Zukunft in Afghanistan entgehen wollten, versuchten, außer Landes zu gelangen.

In einigen der von den Taliban übernommenen Städte wurden Gefängnisse gestürmt und Insassen befreit.

Suhail Schahin, ein Unterhändler der Taliban bei den Gesprächen mit der afghanischen Regierung in Katar, versicherte den Menschen in Kabul eine friedliche Machtübernahme und keine Racheakte zu begehen. Rechte von Frauen und Minderheiten sowie die Meinungsfreiheit würden respektiert, wenn sie der Scharia entsprächen. Man werde sich nicht in Dinge anderer einmischen und Einmischung in eigene Angelegenheiten nicht zulassen.

(Auszug aus der Kurzinformation der Staatendokumentation zur Entwicklung der Sicherheitslage in Afghanistan vom 17.08.2021).

Zwischen 01.01.2021 und 30.06.2021 dokumentierte UNAMA 5.183 zivile Opfer und fast eine Verdreifachung der zivilen Opfer durch den Einsatz von improvisierten Sprengsätzen (IEDs) durch regierungsfeindliche Kräfte. Zwischen Mai und Juni 2021 gab es nach Angaben von UNAMA fast so viele zivile Opfer wie in den vier Monate davor (UNAMA 26.07.2021).

Nach Angaben von Human Rights Watch (HRW) halten die Taliban beispielsweise hunderte Einwohner der Provinz Kandarhar fest, denen sie vorwerfen, mit der bisherigen Regierung Afghanistans in Verbindung zu stehen. Berichten zufolge haben die Taliban einige Gefangene getötet, darunter Angehörige von Beamten der Provinzregierung sowie Mitglieder der Polizei und der Armee (HRW 23.07.2021).

UNOCHA zufolge wurden zwischen 01.01.2021 und 18.07.2021 294.703 Menschen in Afghanistan durch den Konflikt vertrieben (UNOCHA 22.07.2021). Noch kann keine Massenflucht afghanischer Staatsbürger in den Iran festgestellt werden, jedoch hat die Zahl der Neuankömmlinge zugenommen. Der Notstandsplan wurde bislang noch nicht aktiviert. Sollte er aktiviert werden, rechnet die iranische Regierung mit einem Zustrom vom 500.000 Menschen innerhalb von sechs Monaten, wobei davon ausgegangen wird, dass ihr Aufenthalt nur vorübergehend sein werde. UNHCR rechnet mit 150.000 Menschen innerhalb von drei Monaten, die vor den Taliban nur in den Iran fliehen würden (UNHCR 20.07.2021).

2.       Beweiswürdigung

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Inhalt der dem BVwG vom BFA vorgelegten Unterlagen im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sowie den angegebenen Quellen und der aktuellen medialen Berichtssituation zur Situation in Afghanistan. Selbst in einer am 24.08.2021 einberufenen Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates wurde ausgeführt, dass die Berichte über die wiedergegebene Situation in Afghanistan wahr wären und der Realität entsprechen würden.

2.1.    Zum Beschwerdeführer:

2.1.1. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seinem Religionsbekenntnis, zu seiner Volksgruppenzugehörigkeit, zu seiner Familie, zu seinem Geburtsort und Aufenthalt im Iran, zu seiner Schulbildung und zu seiner gelegentlichen Tätigkeit als Gärtner im Iran stützen sich auf dessen insoweit im Asylverfahren gleichbleibende und glaubhaften Angaben, die im Übrigen auch nicht bestritten wurden.

Hervorzuheben ist, dass bereits das BFA die gegenständlich zentrale Feststellung traf, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen im Iran geborenen und aufgewachsenen Afghanen handelt (vgl. den Bescheid, S. 10).

2.1.2. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich die Pflichtschule abschloss und sowie die angeführte Lehre begann, ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen (Pflichtschulabschlusszeugnis vom 05.09.2018 sowie Lehrvertrag vom 22.06.2020).

2.1.3. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers stützen sich ebenfalls auf seine Angaben in der Beschwerdeverhandlung. Dabei gab er in Antwort auf die entsprechenden Fragen an, sowohl gesund als auch arbeitsfähig zu sein (vgl. S. 5 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung).

2.1.4. Die Feststellungen zum Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung beruhen auf einem eingeholten Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem. Dass der Beschwerdeführer am 01.04.2021 eine eigene Wohnung bezog, ergibt sich aus den Angaben in der Stellungnahme vom 10.08.2021 sowie dem vorgelegten Mietvertrag.

2.1.5. Dass der Beschwerdeführer unbescholten ist, stützt sich auf die eingeholte Strafregisterauskunft.

2.2.    Zur Rückkehrsituation des Beschwerdeführers:

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer über keine Heimatregion in Afghanistan verfügt, leitet das erkennende Gericht aus der Tatsache ab, dass er im Iran geboren wurde und aufgewachsen ist sowie dass er bislang noch nie in Afghanistan war. Er verfügt auch in jener Provinz, aus welcher seine Eltern stammen (Sar-e Pul), über keinerlei familiäre oder sonstige soziale Anknüpfungspunkte, sodass auch diese Provinz nicht als Heimatregion des Beschwerdeführers angesehen werden kann, zumal seine Eltern dieses Gebiet nach dem sowjetischen Einmarsch und somit vor rund 40 Jahren in Richtung Iran verließen und seitdem nicht zurückgekehrt sind (vgl. dahingehend auch die Entscheidungen VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0221, Rz 12, in der bei dieser Frage auf „finanzielle und infrastrukturelle Ressourcen sowie lokale Kenntnisse und soziale Netzwerke“ abgestellt wird sowie VwGH 17.12.2020, Ra 2020/18/0295, Rz 16, in der von „Bindungen des Asylwerbers […] – etwa im Hinblick auf familiäre und sonstige soziale Kontakte und örtliche Kenntnisse“ gesprochen wird).

Die Feststellung, dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich wäre, bei einer Neuansiedlung an irgend einem Ort in Afghanistan eine die Grundbedürfnisse deckende Existenz aufzubauen und somit ein Leben ohne billige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können, beruht auf folgenden Überlegungen:

Für die besagte Neuansiedlung können grundsätzlich nur jene Gebiete in Frage kommen, welche noch vergleichsweise sicher, sowie sicher zu erreichen sind und in denen die betreffende Person daher u.a. nicht Gefahr läuft, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden. Nach Einschätzung des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) traf dies insbesondere auf die Städte Kabul, Mazar-e Sharif und Herat zu, sodass diese Gebiete als mögliche innerstaatliche Fluchtalternative in Frage kamen (vgl. EASO, Country Guidance: Afghanistan aus Dezember 2020, S. 162 und 165). Da die afghanische Regierung mittlerweile zusammengebrochen ist und fast alle Gebiete Afghanistans unter der Herrschaft der Taliban stehen (inkl. Kabul, Mazar-e Sharif und Herat), ist nicht davon auszugehen, dass die Einschätzung von EASO in dieser Hinsicht noch Bestand hat. UNHCR empfiehlt im Hinblick auf die geänderte Lage „zwangsweise Rückführungen von afghanischen Staatsangehörigen und Personen mit vormaligem gewöhnlichen Aufenthalt in Afghanistan auszusetzen – auch für jene, deren Asylanträge abgelehnt wurden“. Dieses Moratorium solle solange bestehen bleiben, bis sich die Situation im Land stabilisiert habe und geprüft wurde, wann die geänderten Umstände im Land eine Rückkehr in Sicherheit und Würde erlauben würde (vgl. UNHCR, „Position zur Rückkehr nach Afghanistan“ aus August 2021, Rz 7).

Bereits unter diesem Blickwinkel kann angenommen werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund der volatilen und nicht einzuschätzenden Situation in Afghanistan Gefahr liefe, Opfer von willkürlicher Gewalt oder unmenschlicher Behandlung zu werden, insbesondere auch unter Bedachtnahme auf die Ereignisse unter der Taliban-Herrschaft 1997-2001.

Darüber hinaus zeigt sich, dass eine Rückkehr des Beschwerdeführers aufgrund seiner individuellen Umstände auch ungeachtet der derzeitigen Sicherheitslage und politischen Situation nicht möglich wäre. Denn nach der Einschätzung von EASO kann es Personen, die im Ausland geboren wurden und/oder über längere Zeit hinweg im Ausland waren, am notwendigen Lokalwissen fehlen, um sich Zugang zur grundlegenden Versorgung und zu grundlegenden Dienstleistungen zu verschaffen. Zu berücksichtigen sei daher, ob die betroffene Person auf ein Unterstützungsnetzwerk zugreifen kann, ob sie über eine besondere Schul- und Berufsausbildung verfügt sowie ob sie außerhalb Afghanistans selbsterhaltungsfähig war (vgl. EASO, aaO, S. 176 sowie z.B. VfGH 23.06.2021, E 865/2021, Rz 15 ff, dazu noch näher unter Punkt 3.1.).

Diese von EASO aufgestellten Kriterien werden fallbezogen nicht erfüllt:

1) Der Beschwerdeführer verfügt über kein Unterstützungsnetzwerk in Afghanistan:

Wie festgestellt verließen die Eltern des Beschwerdeführers Afghanistan vor rund 40 Jahren und kehrten seitdem nicht mehr zurück. Sie befinden sich nach wie vor im Iran. Der Beschwerdeführer hat keine weiteren Familienangehörigen in Afghanistan (vgl. insbesondere die entsprechende Angabe in der Einvernahme vor dem BFA, S. 7 der Niederschrift). Es ist der Familie des Beschwerdeführers zudem nicht möglich, ihn bei einer Rückkehr nach Afghanistan (ausreichend) finanziell zu unterstützen. Der Beschwerdeführer gab an, dass seine Eltern alt seien und mittlerweile auch krank. Ihr Einkommen reiche allein für das eigene Auskommen (vgl. die Niederschrift der mündlichen Verhandlung, S. 9).

Der Beschwerdeführer verfügt somit über kein Unterstützungsnetzwerk, welches ihn bei einer Rückkehr zumindest anfänglich aufnehmen und versorgen könnte. Aufgrund der derzeitigen Situation ist auch nicht davon auszugehen, dass die noch in Afghanistan verbliebenen internationalen Hilfsorganisation gegenwärtig für eine ausreichende Unterstützung sorgen könnten.

2) Der Beschwerdeführer weist keine besondere Schul- oder Berufsausbildung bzw. -erfahrung auf:

Wie festgestellt besuchte der Beschwerdeführer im Iran neun Jahre eine Schule. Nebenbei unterstütze er seinen Vater bei dessen Arbeit als Gärtner. In Österreich schloss der Beschwerdeführer die Pflichtschule ab. Er fing am 01.09.2020 eine Lehre als Metalltechniker an und absolvierte das erste Lehrjahr. Darüber hinaus absolvierte er keine spezifischen Ausbildungen und er war auch bislang nicht erwerbstätig.

Der Beschwerdeführer verfügt gegenwärtig (noch) über keine besondere Ausbildung oder Berufserfahrung, welche ihm bei einer Rückkehr nach Afghanistan zu Arbeit und damit zum Aufbau einer wirtschaftlichen Existenz verhelfen könnte. Die begonnene Lehre ist nach Ansicht des erkennenden Gerichtes jedenfalls nicht ausreichend, um gegenwärtig zu einer anderen Einschätzung zu gelangen.

3) Der Beschwerdeführer war bislang großteils nicht selbsterhaltungsfähig:

Wie festgestellt lebte er Beschwerdeführer im Iran bis zu seiner Ausreise gemeinsam mit seinen Eltern in einem Haushalt. Er ging – mit Ausnahme seiner gelegentlichen Hilfstätigkeiten im Garten – keiner Erwerbstätigkeit nach, sondern wurde durch das Einkommen seines Vaters unterstützt. In Österreich bezog der Beschwerdeführer Leistungen aus der Grundversorgung und lebte in einer Unterkunft für Asylwerber. Erst am 01.09.2020 begann er eine Lehre als Metalltechniker und bezog in weiterer Folge eine eigene Wohnung.

Der Beschwerdeführer lebte somit großteils nicht ohne fremde Unterstützung. Ausgehend davon ist eine Selbsterhaltungsfähigkeit des Beschwerdeführers bislang (noch) nicht feststellbar.

In der Gesamtbetrachtung zeigt sich daher das folgende Ergebnis:

Der Beschwerdeführer ist sowohl nach den Feststellungen des BFA als auch nach jenen des BVwG ein im Iran geborener und aufgewachsener Afghane. Unter Berücksichtigung der von EASO aufgestellten Kriterien für diese Personengruppe, welche das BVwG einer Einzelfallprüfung unterzog, wäre ihm selbst bei Annahme der Existenz sicherer und sicher zu erreichender Gebiete (wie ehemals Mazar-e Sharif und Herat) eine Neuansiedlung in Afghanistan nicht zumutbar.

Im Übrigen wird auf die näheren, rechtlichen Ausführungen unter Punkt 3.1. verwiesen.

2.3.    Zur aktuelle Situation in Afghanistan:

Die Feststellungen zur aktuellen Situation in Afghanistan stützen sich auf die aktuelle internationale Berichterstattung internationaler Medienberichte. Diese bieten ein übereinstimmendes Bild über die derzeitige Situation in Afghanistan.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den hier maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt somit in gegenständlicher Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu Spruchpunkt A)

Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten) bereits mit Erkenntnis des BVwG vom 17.12.2019, Zl. W114 2174297-1/19E, abgewiesen wurde. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde von diesem hinsichtlich dieses Spruchpunktes abgelehnt; es wurde dagegen auch keine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben, sodass diese Entscheidung des BVwG in diesem Umfang nach wie vor rechtsgültig ist.

3.1.    Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

3.1.1. Wird ein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, so ist dem Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2 EMRK, Artikel 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

3.1.2. Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 2005 auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind. Gemäß § 11 Abs. 2 AsylG 2005 ist bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen.

3.1.3. In der gegenständlichen Angelegenheit ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer – wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt – über keine Herkunftsregion in Afghanistan verfügt. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist in solchen Fällen bei allen in Betracht kommenden Gebieten eine Zumutbarkeitsprüfung im Sinne des § 11 AsylG 2005 durchzuführen (vgl. z.B. VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0221, Rz 10 ff).

3.1.4. Um von einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, reicht es nicht aus, dem Asylwerber entgegen zu halten, dass er in diesem Gebiet keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erwarten hat. Es muss ihm vielmehr möglich sein, im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Ob dies der Fall ist, erfordert eine Beurteilung der allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und der persönlichen Umstände des Asylwerbers. Es handelt sich letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall, die auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit getroffen werden muss (so z.B. VwGH 23.01.2019, Ra 2018/19/0578, Rz 11, mwN).

3.1.5. Weiters verweist der Verwaltungsgerichtshof darauf, dass EASO, dessen Einschätzungen das Unionsrecht besondere Bedeutung beimisst, im Leitfaden „Country Guidance: Afghanistan“ für im Ausland geborene und/oder aufgewachsene Afghanen ein besonderes Profil aufweist, welches sich von anderen männlichen Asylwerbern aus Afghanistan unterscheidet. Demnach kann eine innerstaatliche Fluchtalternative für solche Asylwerber nicht zumutbar sein, wenn sie über kein unterstützendes Netzwerk verfügen, das ihnen dabei hilft, ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen. Die Richtlinien verweisen darauf, dass bei der Prüfung der Zumutbarkeit der persönliche Hintergrund der betroffenen Person, insbesondere deren Selbständigkeit, die vorhandene Ausbildung und allfällige Berufserfahrungen, ins Kalkül gezogen werden müssen. Mit diesen Richtlinien hat sich das BVwG in adäquater Weise auseinanderzusetzen (so VwGH 10.06.2020, Ra 2019/18/0143, Rz 16).

3.1.6. Der Verfassungsgerichtshof betont in seiner ständigen Rechtsprechung ebenfalls die besondere Bedeutung der EASO- und UNHCR-Berichte bzw. deren Einschätzung. Er führt dabei weiter aus, dass nach EASO „für jene Gruppe von Rückkehrern nach Afghanistan, die entweder außerhalb Afghanistans geboren wurden oder lange Zeit außerhalb Afghanistans gelebt haben, eine innerstaatliche Fluchtalternative dann nicht in Betracht komme, wenn am Zielort der aufenthaltsbeendenden Maßnahme kein Unterstützungsnetzwerk für die konkrete Person vorhanden sei, das sie bei der Befriedigung grundlegender existenzieller Bedürfnisse unterstützen könne, und dass es einer Beurteilung im Einzelfall unter Heranziehung der folgenden Kriterien bedürfe: Unterstützungsnetzwerk, Ortskenntnis der betroffenen Person bzw. Verbindungen zu Afghanistan sowie sozialer und wirtschaftlicher Hintergrund, insbesondere Bildungs- und Berufserfahrung einschließlich Selbsterhaltungsfähigkeit außerhalb Afghanistans“ (so z.B. VfGH 23.06.2021, E 865/2021, Rz 15). Diese Voraussetzungen sah er bspw. bei Personen mit Berufserfahrung als Landwirt, Schneider und Verkäufer (VfGH 23.06.2021, E 865/2021, Rz 17 ff) bzw. die auf Baustellen (VfGH 10.03.2021, E 3003/2020, Rz 17 ff) oder in einer Schuhfabrik tätig waren (VfGH 24.02.2021, E 2629/2020, Rz 15 ff), implizit als nicht gegeben an. Der Verfassungsgerichtshof sprach in diesen (und anderen ähnlichen) Fällen aus, dass „die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes […] eine eingehendere Prüfung dahingehend vermissen [lässt], inwiefern zu erwarten ist, dass der Beschwerdeführer – angesichts [der jeweils genannten Berufserfahrung] – in der Lage sein wird, sich im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan, wo er über keinerlei Unterstützungsnetzwerk verfügt, selbst zu erhalten.“ (so z.B. bei VfGH 10.03.2021, E 3003/2020, Rz 17 ff sowie VfGH 24.02.2021, E 2629/2020, Rz 15 ff).

3.1.7. Darüber hinaus ist im Hinblick auf § 87 Abs. 2 VfGG auf das aufhebende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26.02.2020, E 350/2020, besonders Bedacht zu nehmen. Darin führte er aus, dass das BVwG in seiner teilweise aufgehobenen Entscheidung vom 17.12.2019, Zl. W114 2174297-1/19E „keine (ausreichende) Auseinandersetzung“ vornahm, „warum vor dem Hintergrund dieser Länderinformationsquellen dem Beschwerdeführer auf Basis individueller Umstände trotzdem die Ansiedelung in Herat oder Mazar-e Sharif zumutbar ist“.

3.1.8. Unter Berücksichtigung dieser höchstgerichtlichen Judikatur nahm das erkennende Gericht eine neuerliche Prüfung des Sachverhaltes vor. Dabei war zunächst unverändert davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Iran geboren wurde und dort auch aufgewachsen ist. Es ergaben sich allerdings wesentliche Änderungen in Bezug auf die aktuelle Sicherheitslage und politische Situation in Afghanistan, welche bereits die Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK bei einer Rückkehr nach Afghanistan indizieren. Doch auch ungeachtet der verschlechterten Situation gelangt das erkennende Gericht zum Ergebnis, dass unter Beachtung der von EASO aufgestellten Prüfkriterien dem Beschwerdeführer eine Neuansiedlung in Afghanistan selbst unter der Annahme der Existenz sicherer Gebiete nicht zugemutet werden kann. Er würde dort aufgrund seiner individuellen Umstände selbst nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten nicht Fuß fassen können und dort kein Leben ohne unbillige Härten führen können, wie es auch andere Landsleute führen können. Die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan würde somit eine Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK bedeuten.

3.1.9. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides ist daher gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 stattzugeben und dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen.

3.2.    Zur Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung:

Wird einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, so hat das Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung in der Dauer eines Jahres zu erteilen (§ 8 Abs. 4 AsylG 2005). Demgemäß ist dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 31.08.2022 zu erteilen.

3.3.    Zur ersatzlosen Behebung der Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides:

Da dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen ist, sind die übrigen Spruchpunkte mangels Anwendbarkeit ersatzlos aufzuheben.

Über eine Aufenthaltsberechtigung nach § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.) ist fallbezogen nur abzusprechen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (§ 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005).

Der Erlass einer Rückkehrentscheidung samt ihren Folgen (Spruchpunkte III. und IV.) verlangt ebenfalls die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 52 Abs. 2 Z 2 FPG).

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. insb. die unter Punkt 3.1. zitierte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

befristete Aufenthaltsberechtigung Ersatzentscheidung individuelle Verhältnisse Neuansiedlung Rechtsanschauung des VfGH Rückkehrsituation Sicherheitslage subsidiärer Schutz Zumutbarkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W114.2174297.1.00

Im RIS seit

12.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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