TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/2 W119 2160462-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.09.2021
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Entscheidungsdatum

02.09.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W119 2160462-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , StA: Georgien, vertreten durch Rechtsanwälte Mag. Phillip Bischof, Mag. Andreas Lepschi, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.02.2017, Zl 1032970908-140071469/BMI-BFA_STM_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich des Spruchpunktes I. des bekämpften Bescheides gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird der Beschwerdeführerin eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer eines Jahres erteilt.

IV. In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Georgiens, stellte am 15.10.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Anlässlich der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung nach dem AsylG gab die Beschwerdeführerin zunächst an, in Georgien geboren und bis zu ihrer Ausreise am 05.09.2014 in Tiflis gelebt zu haben. Sie spreche die Sprachen Georgisch und Russisch. Zu ihren Familienangehörigen führte die Beschwerdeführerin aus, dass ihre Mutter, ihr Vater sowie ihr Bruder in Georgien lebten. Zu ihrem Fluchtgrund gab die Beschwerdeführerin an, vor einem Mann, der sie zur Prostitution und zum Drogenkonsum gezwungen und in weiterer Folgemisshandelt habe, geflüchtet zu sein. Die Mutter der Beschwerdeführerin habe sie in sehr jungem Alter bekommen, weshalb sie die Beschwerdeführerin nie akzeptiert habe. Im Alter von XXXX Jahren sei die Beschwerdeführerin von einem Mann entführt und zur Heirat gezwungen worden, wobei sie sich nach zwei Monaten habe scheiden lassen. Nach der Scheidung habe die Mutter der Beschwerdeführerin sich geweigert, sie wieder bei sich aufzunehmen, sodass die Beschwerdeführerin gezwungen gewesen sei vorerst auf der Straße zu leben. Anschließend habe sie bei diversen Freundinnen übernachtet, bis ihr von einer Freundin Geld geborgt worden sei und sie ein Zimmer habe anmieten können. Im Alter von XXXX Jahren habe die Beschwerdeführerin in einer Diskothek einen 20 Jahre älteren Mann kennengelernt. Anfangs sei er der Beschwerdeführerin gegenüber sehr hilfsbereit gewesen. Jedoch habe sich nach einer gewissen Zeit sein Verhalten geändert und die Beschwerdeführerin sei von ihm gezwungen worden als Tänzerin in seinem Stripclub zu arbeiten. Er habe die Situation der Beschwerdeführerin ausgenutzt, da er gewusst habe, dass sie Geld benötigte. Sie sei von ihm ebenfalls missbraucht worden. Die Beschwerdeführerin habe aufgrund der Tatsache, dass sie in einem Stripclub habe arbeiten müssen, viel Alkohol konsumiert und Schlafmittel gegen die Schlafstörungen eingenommen. Sie sei sogar aufgrund der eingenommenen Schlafmittelmenge im Spital gewesen. Als die Beschwerdeführerin versucht habe mit der Tätigkeit im Stripclub aufzuhören, sei der besagte Mann wütend und handgreiflich geworden, wobei er die Beschwerdeführerin auch geschlagen habe. Im Alter von XXXX oder XXXX Jahren sei die Beschwerdeführerin von besagtem Mann zum Drogenkonsum sowie zum anschließenden Geschlechtsverkehr mit zahlreichen anderen Personen gezwungen worden. Niemand habe der Beschwerdeführerin helfen wollen, da es sich bei ihm um einen sehr einflussreichen Mann in Georgien gehandelt habe. Die Beschwerdeführerin habe im Stripclub eine russische Freundin kennengelernt. Diese habe ihr geraten Geld für eine Flucht zu sparen, wobei sie sich gleichzeitig bereit erklärt habe, ihr bei der Flucht behilflich zu sein. Die Beschwerdeführerin habe somit im März 2015 begonnen Geld zu sparen. Am 05.09.2014 sei ihr – unter Mithilfe der Freundin – tatsächlich die Flucht gelungen. Bei einer Rückkehr in ihre Heimat befürchte die Beschwerdeführerin vom Clubbesitzer bzw. von seinen Freunden gefoltert zu werden, sodass sie Angst um ihr Leben habe.

Am 26.11.2015 wurde die Beschwerdeführerin beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) einvernommen und gab eingangs an, sich in psychologischer Behandlung zu befinden sowie Medikamente einzunehmen, wobei entsprechende Befunde dem Bundesamt nachgereicht werden würden. Als Identitätsnachweis legte die Beschwerdeführerin einen Personalausweis vor. Weiters gab sie an, bis zu ihrer Ausreise am 05.09.2014 in Georgien, Tiflis, gelebt zu haben. Vor der Ausreise habe sie ihren Heimatstaat nur zu Urlaubszwecken verlassen. Zu ihrer Schulbildung befragt, führte die Beschwerdeführerin aus, neun Jahre lang die Schule besucht zu haben, wobei sie anschließend vier Jahre in einem Stripclub tätig gewesen sei. In ihrem Heimatstaat würden ihr Vater, ihre Mutter und ihr Bruder leben, wobei zu keinen der angeführten Personen der Kontakt aufrechterhalten werden würde. In Georgien habe sie weder Probleme mit der Polizei oder anderen staatlichen Stellen, noch wäre gegen sie ein Gerichtsverfahren anhängig. Sie sei auch weder in Haft gewesen noch festgenommen worden. In Österreich befinde sie sich aktuell in der Grundversorgung und sei kein Mitglied einer politischen Partei oder parteiähnlichen Organisation.

Zu ihrem Fluchtgrund befragt, führte sie aus, dass alles begonnen habe, als sie XXXX Jahre alt gewesen sei: Sie sei von einem Mann entführt und zur Heirat gezwungen worden. Nachdem sie zwei Monate mit ihm zusammengelebt habe, habe sie sich scheiden lassen. Da ihre Mutter sie nicht mehr bei sich aufnehmen habe wollen, sei sie vorerst gezwungen gewesen auf der Straße zu leben. Anschließend habe sie mit der Unterstützung ihrer Freundin ein Zimmer anmieten können. Als sie einen 18 Jahre älteren Mann in einer Diskothek kennengelernt habe, sei sie von ihm an einen Stripclub vermittelt worden. Sein Name sei XXXX und er habe eine „höhere Position“ innegehabt. Befragt, wie das Kennenlernen konkret erfolgt sei, führte die Beschwerdeführerin aus, dass in der besagten Diskothek zwei Männer, vermutlich die Leibwächter von XXXX , zu ihr gekommen sein, um sie in sein Büro, welches sich ein Stockwerk höher befunden habe, zu begleiten. XXXX habe schließlich der Beschwerdeführerin seine Visitenkarte überreicht, sie auf ein Getränk eingeladen und in der gleichen Nacht noch Blumen zukommen lassen. Am nächsten Tag habe er sie telefonisch kontaktiert, wobei die Beschwerdeführerin nicht sagen könne, wie er in den Besitz ihrer Nummer gekommen sei. Er sei anschließend mit dem Auto vor ihrer Haustüre gestanden. Ein Monat lang sei die Beschwerdeführerin entweder von XXXX oder von seinen Leibwächtern überallhin begleitet worden, bis sie schließlich bei ihm einzogen sei. Eines Tages habe der Chauffeur von XXXX sie zu seinem Stripclub gefahren, welcher „ XXXX “ geheißen habe und an der Adresse „ XXXX “ vorzufinden sei. Dort sei ihr viel Alkohol angeboten worden, wobei sie diesen auch konsumiert habe. Anschließend habe XXXX ihr die anderen Mädchen im Club vorgestellt. Da ihre Mutter Halbrussin sei, habe sie sich mit den Mädchen auf Russisch unterhalten können. Die Mädchen seien verwundert gewesen, dass die Beschwerdeführerin keine Angst vor XXXX habe, da es sich um einen furchtbaren Menschen handeln würde. Er werde sie schlagen, vergewaltigen und umbringen – seien die Aussagen der Mädchen gewesen. Nachdem die Beschwerdeführerin Alkohol konsumiert habe, hätten die Mädchen sie zur Stripbühne geführt. Die Beschwerdeführerin habe dort getanzt, wobei die Zuschauer von ihrem Körper begeistert gewesen seien. Sie habe viel Lob und Geld erhalten. XXXX habe gedacht, dass die Beschwerdeführerin gut geeignet wäre in dem Stripclub zu arbeiten und viel Geld bringen würde. Nach eineinhalb Monaten habe die Beschwerdeführerin tatsächlich begonnen in dem Stripclub zu arbeiten. Im Alter von XXXX Jahren sei die Beschwerdeführerin schwanger gewesen, allerdings sei im vierten Monat der Schwangerschaft eine Abtreibung vorgenommen worden.

Die Beschwerdeführerin habe vier Jahre lang mit XXXX zusammengelebt. Die ersten eineinhalb bis zwei Jahre habe sie sich bei ihm sehr wohl gefühlt und sei gleichzeitig froh gewesen, ihre schreckliche Mutter loszuwerden. Nach zwei Jahren hätten allerdings die „Horrorgeschichten“ ihren Lauf genommen: Er habe sie genötigt Drogen zu konsumieren und unter Drogeneinfluss zu arbeiten. Für den Fall, dass sie sich gegen den Drogenkonsum gewehrt habe, sei sie von ihm misshandelt worden. Im Zuge dieser Misshandlungen sei sie aufgrund einer Brustknochenverletzung sogar im Spital gewesen. Ihr Honorar aus dem Stripclub habe sie nur zu fünf Prozent erhalten, wobei das restliche Honorar von XXXX einbehalten worden sei. Die Beschwerdeführerin habe vor ihm nicht flüchten können, da es sich um eine mächtige Person gehandelt habe und er „überall“ sei. Die Menschen, die versucht hätten der Beschwerdeführerin Hilfe zu leisten, seien von XXXX bestraft bzw. von seinen Leibwächtern verprügelt worden. Er sei in Georgien ein bekannter und einflussreicher Geschäftsmann, sodass alle vor ihm Angst hätten, da er bereits viele Menschen habe ermorden oder bestrafen lassen. Da XXXX selbst drogenabhängig gewesen sei, habe er zeitweise aggressive Anfälle gehabt. An gewissen Tagen habe er die Beschwerdeführerin gezwungen der Tätigkeit in den Stripclub nachzugehen, an anderen Tagen wiederrum habe er ihr dies verboten. Als seine Freunde zu Besuch gekommen sein, habe er die Beschwerdeführerin genötigt mit ihnen sexuellen Kontakt zu haben. Sie habe keine Hoffnung gehabt, dass ihr Gesetzeshüter helfen könnten, denn die Beschwerdeführerin wurde zu sexuellen Kontakt mit genau solchen Personen genötigt. Es habe sich dabei um Polizisten, Staatsanwälte, Rechtsanwälte, und Juristen gehandelt, sie hätten schließlich alle zum Freundeskreis von XXXX gehört. Die Beschwerdeführerin sei aufgrund einer Überdosis mehrmals im Krankenhaus gewesen, wobei ein Krankenhausaufenthalt sogar drei Monate angedauert habe. XXXX habe öfter vor den Augen der Beschwerdeführerin ebenfalls ihre Kolleginnen aus dem Stripclub brutal verprügelt, um ihr damit Angst einzujagen. Eine Bekannte der Beschwerdeführerin sei schließlich auf die Idee gekommen, Geld anzusparen, um aus Georgien flüchten zu können. Diese Bekannte habe jemanden gekannt, der bereits einigen Mädchen geholfen habe Georgien zu verlassen. Da die Beschwerdeführerin nichts zu verlieren gehabt habe, habe sie sich dazu entschieden, die Flucht zu versuchen und das damit verbundene Risiko einzugehen. Die Beschwerdeführerin habe im März 2014 mit den Fluchtvorbereitungen begonnen, indem sie vorerst alle benötigten Dokumente gesammelt habe. Sie habe den Reisepass aus der Wohnung von XXXX „gestohlen“ und in die Wohnung der Freundin gebracht. Anschließend habe die Beschwerdeführerin allmählich begonnen ihre Kleidung aus seiner Wohnung mitzunehmen. Das sei XXXX gar nicht aufgefallen, da er manchmal derart berauscht gewesen sei, dass er die Beschwerdeführerin kaum wiedererkannt habe. Im Juli 2014 habe die Freundin der Beschwerdeführerin die Flugtickets Richtung Kiew besorgt. Die Freundin sei als erste weggeflogen, da sie nur einen dreimonatigen Vertrag mit dem Stripclub gehabt habe und dieser abgelaufen sei. Am 05.09.2014 sei schließlich die Beschwerdeführerin nach Kiew geflogen und anschließend nach Österreich gereist. Auf Frage, wie es möglich gewesen sei, dass Land zu verlassen, ohne dass XXXX etwas mitbekommen habe, führte die Beschwerdeführerin aus, dass eine Freundin, an ihrer Stelle zur Arbeit gefahren sei, sodass die Beschwerdeführerin in der Zwischenzeit zum Flughafen habe fahren können. Dabei habe es sich um eine Mitarbeiterin aus Georgien gehandelt.

Zu den Länderfeststellungen zur Situation in Georgien führte die Beschwerdeführerin ergänzend aus, dass sie sich nicht an das „Gesetz“ habe wenden können, da sogar der georgische Präsident bei XXXX zu Besuch gewesen sei. Bei einer allfälligen Rückkehr in ihr Heimatstaat fürchte die Beschwerdeführerin von XXXX gefunden zu werden. Müsse sie nochmal dasselbe Leben, wie vor ihrer Ausreise führen, würde sie langsam sterben.

Zu ihrem Leben in Österreich befragt, brachte die Beschwerdeführerin zusammenfassend vor, Deutschkurse auf dem Niveau A1 und A2 absolviert zu haben. Sie gehe gerne joggen, lese Bücher und lerne Deutsch. Sie habe keine Verwandten in Österreich oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat. Ihre Freizeit verbringe sie hauptsächlich mit Lesen, Sport und Deutschlernen. Sie sei kein Mitglied in einem Verein, allerdings sei sie bestrebt eine freiwillige Tätigkeit auszuüben. Dies gestalte sich allerdings nicht einfach, da die Beschwerdeführerin auf dem Land lebe und dafür extra nach Graz fahren müsste. Zum einen sei es ziemlich kostspielig laufend nach Graz zu fahren, zum anderem sei es bereits um 16 Uhr dunkel, sodass sie Angst habe in der Dunkelheit nach Hause zu fahren.

Ergänzend legte die Beschwerdeführerin eine Kopie des ÖSD Zertifikat (Deutsch A1) vom 05.08.2015, ÖSD Zertifikat (Deutsch A2) vom 10.11.2015 sowie einen Personalausweis, der in Kopie zum Akt genommen wurde, vor.

Darüber hinaus übermittelte die Beschwerdeführerin am 07.12.2015 und 10.12.2015 eine Bestätigung über die Inanspruchnahme einer psychologischen Betreuung vom 07.12.2015 sowie einen psychiatrischen Befund vom 10.12.2015.

Am 03.05.2016 legte die Beschwerdeführerin das ÖSD Zertifikat über die erfolgreich absolvierte Deutschprüfung auf dem Niveau B1 vom 14.04.2016 vor.

Am 20.05.2016 legte die Beschwerdeführerin eine Anmeldebestätigung für den Deutschkurs (Niveau B1+) vom 19.05.2016 sowie einen aktuellen ZMR-Auszug vom 11.05.2016, wobei die Beschwerdeführerin über den geänderten Hauptwohnsitz informierte, vor.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 15.02.2017, Zl 1032970908-140071469/BMI-BFA_STM_RD, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt III), wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG nach Georgien zulässig sei (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV).

Mit Verfahrensanordnung vom 15.02.2017 wurde der Beschwerdeführerin die Organisation Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater zur Seite gestellt.

Am 28.03.2017 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf ordnungsgemäße Zustellung des behördlichen Bescheides zum Antrag auf internationalen Schutz sowie einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand samt Beschwerde gegen den gegenständlichen Bescheid. Der Bescheid sei, indem dieser hinterlegt und noch vor Ablauf der Abholfrist an das BFA Steiermark zurückgesendet worden sei, der Beschwerdeführerin nicht ordnungsgemäß zugestellt worden. Lediglich aus juristischer Vorsicht sei darüber hinaus ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt worden. In der gegen den Bescheid erhobenen vollinhaltlichen Beschwerde führte die Beschwerdeführerin aus, dass die Unterlassung der Identifizierung der Beschwerdeführerin als Opfer von Menschenhandel sowie die Unterlassung der Berücksichtigung der Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung im Rahmen der Beweiswürdigung einen groben Verfahrensfehler darstelle. Insgesamt liege gegenständlich Asylrelevanz aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der „Opfer von Menschenhandel, die sich aus dieser Situation befreit haben“ vor. Ergänzend legte die Beschwerdeführerin ein Unterstützung- und Bestätigungsschreiben über die ehrenamtliche Tätigkeit in einem Verein vor.

Am 30.03.2017 wurde die Beschwerdeführerin beim Bundesamt zwecks Durchsetzung und Effektuierung der Heimreise einvernommen und gab eingangs an, den gegenständlichen Bescheid nicht erhalten zu haben. Sie verwies nochmals auf den bereits eingebrachten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie auf die Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid. Darüber hinaus sei ein Strafverfahren eingeleitet worden, da die Beschwerdeführerin zur Prostitution gezwungen worden sei. Im Übrigen halte sie die Angaben aufrecht, die sie bereits im Asylverfahren vorgebracht habe. Die Asylkarte der Beschwerdeführerin sei eingezogen worden, da in der ersten Instanz eine rechtskräftige negative Entscheidung vorliegen würde. Der Beschwerdeführerin wurde zu Kenntnis gebracht, dass eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung nach Georgien bestehe und auch ein Heimreisezertifikat für sie beantragt worden sei.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 27.04.2017, Zl 1032970908-140071469/BMI-BFA_STM_RD, wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 28.03.2017 gemäß § 71 Abs 1 AVG stattgegeben.

Mit Schreiben vom 27.05.2021 übermittelte die Beschwerdeführerin ein Konvolut an Integrationsunterlagen an das Gericht:

-        ÖSD Zertifikat (Deutsch A1) vom 05.08.2015

-        ÖSD Zertifikat (Deutsch A2) vom 19.01.2015

-        ÖSD Zertifikat (Deutsch B1) vom 14.04.2016

-        ÖSD Zertifikat (Deutsch B2) vom 20.06.2017

-        ÖSD Zertifikat (Deutsch C1) vom 29.04.2021

-        Bestätigung über den Schulbesuch an der Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule vom 10.03.2021

-        Nachweis über ehrenamtliche Tätigkeit bei einem Verein

-        Psychiatrischer Befund vom 10.12.2015

-        Bestätigung über die Inanspruchnahme psychologischer Betreuung vom 07.12.2015

-        Sowie zahlreiche Empfehlungsschreien.

Am 22.06.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an der ein Vertreter des Bundesamtes nicht teilnahm. Die Beschwerdeführerin legte zunächst einen Bericht des Psychosozialen Dienstes vom 03.06.2021, wonach sie Sertralin und Trittico verschrieben bekommen würde sowie eine Zeitbestätigung vom 20.05.2021, wonach die Beschwerdeführerin eine Frauenberatungsstelle besucht habe, vor.

In Heimatstaat der Beschwerdeführerin würden noch ihr Vater, ihre Mutter und ihr Bruder leben, wobei zu keiner der angeführten Personen ein aufrechter Kontakt bestehe. Ihr Vater habe sich sowieso nie für sie interessiert, ihre Mutter sei eine destruktive Person.

Weiters führte die Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen aus, aufgrund der Zwangsprostitution sowie Bedrohung durch XXXX ihren Heimatstaat verlassen haben zu müssen. Als die Beschwerdeführerin XXXX kennengelernt habe, sei sie 15 und er 34 Jahre alt gewesen. Die ersten zwei Jahre seien „in Ordnung“ gewesen, sie sei nicht zuhause eingesperrt gewesen und habe sich frei bewegen können. Sie habe somit ihre Freundinnen besuchen können. Außerdem sei sie von XXXX bis zu diesem Zeitpunkt nicht zu Dingen gezwungen worden, die sie nicht gewollt habe. Die Beschwerdeführerin habe bereits im Alter von XXXX Jahren begonnen im Stripclub zu arbeiten, allerdings sei es zu diesem Zeitpunkt zu keinen sexuellen Handlungen mit anderen Personen gekommen. Auf die Frage, wieso XXXX sein Verhalten gegenüber der Beschwerdeführerin geändert habe, führt sie aus, sie glaube nicht, dass er sich verändert habe. Vielmehr habe die Beschwerdeführerin begonnen ihre eigene Meinung zu vertreten und sei ihm „entgegengetreten“. Diese Vorgehensweise der Beschwerdeführerin habe ihn sehr gestört, sodass es zu Misshandlungen, Zwang zum Drogenkonsum (Koks) sowie Zwang mit anderen Männern zu verkehren, gekommen sei. Befragt, welchen Beruf XXXX ausgeübt habe, führte die Beschwerdeführerin aus, keinen offiziellen Beruf nennen zu können. Schließlich sei er in den Bereichen tätig gewesen „wo viel schwarzes Geld fließt“. Zu dem Zeitpunkt, als die Beschwerdeführerin mit ihm zusammen gewesen sei, sei sein Onkel Verkehrsminister von Georgien gewesen. Die Beschwerdeführerin habe diesen Onkel persönlich gekannt, da dieser bei ihnen Zuhause gewesen sei. Darüber hinaus gehörten noch andere bekannte Persönlichkeiten zum Freundeskreis von XXXX , wobei die Beschwerdeführerin sich diesen ebenfalls habe körperlich nähern müssen.

Auf die Frage der Richterin, ob sich die Beschwerdeführerin, abgesehen von ihren Krankenhausaufenthalten, an Ärzte in Georgien gewandt habe, bejahte die Beschwerdeführerin dies. Auch für den Fall, dass die Ärzte gemerkt hätten, unter welchen Umständen die Beschwerdeführerin gelebt habe, hätten diese nichts unternommen.

Auf Vorhalt, das Bundesamt habe der Beschwerdeführerin vorgeworfen, dass es unter den von ihr angeführten Umständen sehr schwer möglich gewesen sei zu flüchten, ohne dass XXXX Kenntnis davon erlangt hätte, führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie sehr viel geplant und organisiert habe und all die gesetzten Handlungen auf ihrem Überlebensinstinkt basiert hätten.

Die Beschwerdeführerin sei nicht die einzige junge Frau im Umfeld von XXXX gewesen, allerdings die einzige, die mit ihm im Haus gelebt habe, sodass sie sich als seine Partnerin bezeichnet hätte. Sie könne keine genaue Anzahl der Mädchen nennen, die XXXX für seine Zwecke benutzt habe, da es ziemlich viele gewesen seien. Unter anderem habe er viele Mädchen aus Russland und der Ukraine beschäftigt.

Durch ihre Tätigkeit im Stripclub habe die Beschwerdeführerin Geld verdient, wobei sie ihm von diesem Geld nichts habe abgeben müssen. Sie habe einen Teil ihres Geldes ihrer Großmutter väterlicherseits gegeben. Sie sei ihre einzige Bezugsperson gewesen, allerdings machtlos, um der Beschwerdeführerin helfen zu können. Diese habe einen „bösen“ Ehemann, sodass ihre Großmutter sie nach dem Rauswurf durch ihre Mutter nicht habe aufnehmen können. Auf Vorhalt der Richterin, weshalb die Beschwerdeführerin ihre Großmutter bislang unerwähnt gelassen habe, führte diese aus, dass sie zwar den Kontakt zu ihrer Großmutter aufrechterhalten habe, allerdings sei es ihr nicht immer erlaubt gewesen, sie zu besuchen.

Die Beschwerdeführerin habe gegenüber XXXX geäußert, die Tätigkeit im Stripclub nicht mehr ausüben zu wollen. Daraufhin habe er erklärt, sie solle sich zwei Wochen davon ausruhen. Nach einer Woche sei sie allerdings freiwillig in den Club gegangen, um mit anderen Menschen kommunizieren zu können, da sie ansonsten eingesperrt gewesen sei.

Die Beschwerdeführerin sei nicht in der Lage gewesen sich an die Behörde zu wenden und die Gewalthandlungen ihres Partners anzuzeigen, da Korruption vorherrsche und die Behörden XXXX von der Anzeige bestimmt berichtet hätten. Ihrer Einschätzung nach hätte die Anzeige bei der Polizei zu körperlichen Angriffen seitens XXXX geführt, sodass sie sich nicht getraut habe eine diesbezügliche Anzeige zu erstatten. Darüber hinaus glaube die Beschwerdeführerin, dass XXXX sie in Österreich ebenfalls gesucht habe. Die Beschwerdeführerin würde sich als Opfer von Menschenhandel betrachten. Sie habe niemals eine Verwaltungsstrafe zahlen müssen, weil sie der Prostitution nachgegangen sei.

Auf die Frage der Richterin, wie es der Beschwerdeführerin gelungen sei sich vom ersten Ehemann zu trennen, führte die Beschwerdeführerin aus „einfach weggelaufen“ zu sein.

Zu ihrem Leben in Österreich gab die Beschwerdeführerin an, ihre Freizeit mit Bücher lesen und Freundinnen treffen zu verbringen. Einen Partner habe sie derzeit nicht. Darüber hinaus würde sie Babysitten und Nachhilfe in Englisch, Mathematik und Russisch geben. Sie besuche zurzeit die Bundeshandelsakademie, wobei im Jänner die Matura anstehen würde. Im Anschluss beabsichtige die Beschwerdeführerin an der Wirtschaftsuniversität Wirtschaftsrecht zu studieren. Auf die Frage der Richterin, ob die Beschwerdeführerin die Integrationsprüfung absolviert habe, erklärte diese, die Deutschprüfung auf C1 Niveau bestanden zu haben. Der rechtsfreundliche Vertreter der Beschwerdeführerin gab ergänzend an, die Beschwerdeführerin habe die achte Klasse positiv abgeschlossen und werde das Semesterzeugnis nachzureichen.

Die Beschwerdeführerin nehme seit August bzw. September 2020 keine Medikamente mehr. Sie leide zwar an einer posttraumatischen Belastungsstörung und an einer Depression, allerdings wolle sie selbst damit zurechtkommen. Auf die Frage, wie die Beschwerdeführerin mit ihren Depressionen umgehe, führt sie aus, dass es ziemlich schwierig sei. Es gäbe Phasen, wo sie kaum aus dem Bett komme. Sie wolle aber ihr Studium zu Ende bringen, sodass sie sich selbst Druck mache. Dies sei gleichzeitig ihre Motivation aufzustehen und die schweren Phasen durchzustehen.

Abschließend führt die Beschwerdeführerin aus, dass es ihr erst in Österreich klargeworden sei, dass ihr die Kindheit gestohlen worden sei. Als sie die Menschen in ihrem Alter beobachtet habe, hätte sie erkannt, dass auch sie das Recht habe ohne Angst zu leben sowie als Frau das Recht sich weiterzubilden und an ihre Zukunft zu denken.

Im Anschluss an die mündliche Verhandlung wurden dem rechtsfreundlichen Vertreter der Beschwerdeführerin die Länderfeststellungen zur Situation in Georgien (Gesamtaktualisierung am 02.12.2020) übergeben, wozu diesem eine zweiwöchige Frist zur Abgabe einer Stellungnahme gewährt wurde.

Mit Schriftsatz vom 19.07.2021 wurde eine Stellungnahme zu den Länderberichten eingebracht, in der diese zur Kenntnis genommen wurden und insbesondere auf den Accord Bericht vom 18.09.20202, Seiten 8 und 9 verwiesen. Daraus gehe hervor, dass die Polizei weder willens noch in der Lage sei, von Prostitution betroffene Frauen zu schützen, diese würden sogar häufig von Polizeibeamten noch weiter missbraucht werden. Die Beschwerdeführerin habe sehr eindringlich und nachvollziehbar ihre über viele Jahre verzweifelte Lage im georgischen Prostitutionsgewerbe geschildert. Ergänzend legte die Beschwerdeführerin einen Nachweis über die abgelegte B1 Integrationsprüfung vom 10.07.2021 vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige Georgiens. Ihre Muttersprache ist georgisch. Zusätzlich spricht die Beschwerdeführerin Russisch und mittlerweile Deutsch. Sie stellte am 15.10.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Identität der Beschwerdeführerin steht fest.

Die Beschwerdeführerin wurde in Georgien geboren und lebte bis zu ihrer Ausreise in Tiflis. Sie besuchte neun Jahre lang eine Schule, anschließend war sie vier Jahre in einem Stripclub tätig. Darüber hinaus verfügt sie über keinerlei Berufserfahrung in ihrem Heimatstaat.

Im Herkunftsland leben die Eltern, der Bruder und die Großmutter (väterlicherseits) der Beschwerdeführerin. Zu den genannten Personen besteht seit ihrer Ausreise kein Kontakt mehr.

Die Beschwerdeführerin wurde im Alter von XXXX Jahren zwecks Zwangsheirat entführt, wobei ihr zwei Monate später die Flucht gelang. Die Familie der Beschwerdeführerin weigerte sich die Beschwerdeführerin wieder bei sich aufzunehmen, sodass sie einige Zeit auf der Straße leben musste. Nachdem sie XXXX in einer Diskothek kennenlernte, führte dieser sie in die Zwangsprostitution. Die Beschwerdeführerin lebte vier Jahre mit ihm zusammen. Neben der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin in einem Stripclub arbeiten musste, wurde sie von XXXX dazu genötigt mit Männern, die seinem Freundeskreis angehörten und unter anderem bekannte Persönlichkeiten in Georgien darstellen, sexuelle Tätigkeiten gegen ihren Willen aufzunehmen. Um die Beschwerdeführerin gefügig zu machen, wurde sie darüber hinaus zum Drogenkonsum gezwungen. Für den Fall, dass sie sich weigerte, wurde sie misshandelt, worauf mehrere Krankenhausaufenthalte folgten. Die Beschwerdeführerin erstattete keine Anzeige bei der Polizei, da sie einerseits Angst vor der Reaktion von XXXX hatte, andererseits gehörten einige der Polizisten ebenfalls zu dem Freundeskreis von XXXX und gleichzeitig zu den Personen, mit denen sie sexuell verkehren musste. Die Beschwerdeführerin unterlag der vollständigen Kontrolle durch XXXX : Er bestimmte ihre wirtschaftliche Existenz, gab ihr eine Unterkunft und bestimmte mit welchen Personen sie verkehrte. Im Jahr 2014 gelang der Beschwerdeführerin die Flucht, wobei sie am 15.10.2014 den Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte. Seitdem hält sich die Beschwerdeführerin durchgehend in Österreich auf.

Die Beschwerdeführerin ist in Österreich unbescholten. Sie leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Im Übrigen ist sie gesund und erwerbsfähig.

Die Beschwerdeführerin wurde als unmündige Minderjährige im jungen Alter Opfer sexueller Gewalt und Opfer von Menschenhandel. Sie würde bei einer Rückkehr nach Georgien in eine existentielle Notlage geraten und hätte keine Unterstützung durch ihre Familie zu erwarten. Angesichts der besonderen Vulnerabilität der Beschwerdeführerin basierend darauf, dass sie als bereits als junges Mädchen Opfer von sexueller Gewalt und Opfer von Menschenhandel geworden ist, über keine Berufsausbildung bzw. -erfahrung verfügt, keinerlei Unterstützung durch ihre Familie zu erwarten hat sowie sich in einer instabilen psychischen Konstitution – aufgrund der diagnostizierenden posttraumatischen Belastungsstörung – befindet, bestünde für sie die reale Gefahr, erneut Opfer von Menschenhandel und/oder sexueller Gewalt zu werden.

Die Beschwerdeführerin brachte in der mündlichen Verhandlung deutlich zum Ausdruck, dass es ihr ein Anliegen ist, in Österreich jenes Leben führen zu können, das ihr in Georgien verwehrt geblieben ist. Sie absolvierte diverse Deutschkurse und verfügt nun über Deutschkenntnisse auf dem Niveau C1. In ihrer Freizeit liest sie Bücher, betreibt Sport und trifft ihre Freundinnen. Dass die Beschwerdeführerin zahlreiche neue Freundschaften geschlossen hat, geht insbesondere aus einer beeindruckenden Anzahl der vorgelegten Unterstützungsschreiben hervor. Auch die Tatsache, dass der Beschwerdeführerin Bildung ein wichtiges Anliegen ist, zeigt der Umstand, dass sie die Abendschule an der Bundeshandelsakademie besucht und anschließend den Abschluss eines Wirtschaftsrechtsstudiums anstrebt, um ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit unter Beweis zu stellen. Darüber hinaus engagiert sich die Beschwerdeführerin in Österreich ehrenamtlich.

Allgemeine Länderinformation der Staatendokumentation, Stand 02.12.2020

2 Covid 19

Letzte Änderung: 01.12.2020

Georgien hat die Verbreitung von COVID-19 im Frühling 2020 durch strenge Maßnahmen weitgehend eingedämmt. Nachdem im Sommer 2020 die strengen Regeln aufgehoben, die Einreisebestimmungen an den Grenzen gelockert und Inlandstourismus beworben wurde, kam es ab Ende August 2020 zu einem exponentiellen Anstieg der positiven Tests. Bis Mitte September 2020 stieg die Zahl der täglichen positiven Testergebnisse von niedrigen zweistelligen Zahlen auf etwa 150 (Eurasianet 18.9.2020) und um Mitte Oktober auf ungefähr 1000 (Jam 16.10.2020). Gegen Ende November 2020 lag die tägliche Zahl positiver Tests um die 4.000 und die der Verstorbenen an oder mit SARS-CoV-2 bei 35-50 Personen (Agenda 26.11.2020; vgl. WOM 30.11.2020). COVID-19-Infektionen kommen in allen Regionen des Landes vor; und es kommt landesweit zu unkontrollierter Übertragung von COVID-19 (USEMB 30.11.2020a).

Tagesaktuelle Zahlen zu bestätigten Infektionen, Genesungen, Todesfällen und Hospitalisierungen werden von der Regierung auf der Webseite https://stopcov.ge/en/ veröffentlicht (Stop-CoV.ge o.D.).

Aufgrund der steigenden Zahlen wurden mit Wirkung vom 28.11.2020 unter anderem folgende Beschränkungen landesweit, vorerst bis 31.1.2021, in Kraft gesetzt: Während der nächtlichen Ausgangssperre zwischen 21 und 5 Uhr sind öffentliche und private Verkehrsbewegungen, einschließlich zu Fuß gehen, sowie der Aufenthalt im öffentlichen Raum nicht gestattet. Der öffentliche Überlandverkehr einschließlich Bahn, Bus und Kleinbus ist ganztägig eingestellt. Reisen in Kleinfahrzeugen (einschließlich Taxis) sind – außerhalb der nächtlichen Ausgangssperre – zulässig. Es herrscht eine Tragepflicht von Gesichtsmasken im Freien sowie in allen geschlossenen öffentlichen Räumen. Personen über 70 Jahren wird empfohlen, zu Hause zu bleiben (USEMB 30.11.2020b; vgl. Agenda 26.11.2020).

Für die Großstädte Tiflis, Batumi, Kutaissi, Rustawi, Poti, Sugdidi und Telawi sowie die Wintersportorte Bakuriani, Gudauri, Goderdzi und Mestia gelten zusätzlich u.A. folgende Einschränkungen: Der innerstädtische öffentliche Verkehr ist vollständig eingestellt. Geschäfte sind geschlossen, mit Ausnahme von Lebensmittelgeschäften, Apotheken, Hygieneprodukten und Kiosken für Printmedien. Agrarmärkte, Schönheitssalons, Friseurläden und Zentren für ästhetische Medizin sind weiterhin in Betrieb. Kindergärten sind geschlossen, Schulen und Universitäten bieten ausschließlich Fernlehre an (USEMB 30.11.2020b; vgl. Agenda 26.11.2020).

Für die Periode Neujahr-Weihnachten (24.12.2020 bis 15.1.2021) werden einzelne Beschränkungen gelockert (USEMB 30.11.2020b; vgl. Agenda 26.11.2020).

Die Einschränkungen von Linienflügen nach Georgien wurden mit 1.11.2020 gelockert, seither sind auch wieder Linienflüge nach Tiflis ex Wien erlaubt (GCAA 21.10.2020). Diese Flüge werden Stand Ende November 2020 einmal wöchentlich von Georgian Airways durchgeführt (F24 30.11.2020; vgl. VIE 30.11.2020).

Bei der Einreise aus dem Ausland müssen sich georgische Staatsangehörige sowie ihre Familienangehörigen für 8 Tage in Selbstisolation begeben, wenn sie an der Grenzübertrittsstelle einen negativen PCR-Test nicht älter als 72 Stunden vorweisen können. Sollte ein solcher Test nicht vorgewiesen werden, wird eine obligatorische Quarantäne verhängt (MoF o.D.; vgl. StopCoV.ge o.D.) und die Person wird in eine Quarantänezone verbracht (StopCoV.ge o.D.). In den Wintersportorten Bakuriani, Gudauri, Goderdzi und Mestia werden Hotels ausschließlich als Quarantäne- oder COVID-Unterkünfte betrieben (USEMB 30.11.2020b; vgl. Agenda 26.11.2020).

Trotz der Zugangsbeschränkungen unterstützt die georgische Regierung die separatistische Region Abchasien bei der Bekämpfung von COVID-19 materiell und fachlich. Auch die Behandlung von abchasischen COVID-19-Patienten in Kern-Georgien wurde ermöglicht (CW 27.11.2020; vgl. Jam 16.10.2020). Internationale Hilfe in Südossetien ist auf das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) beschränkt. Die georgische Zentralregierung hat Zchinwali ebenfalls humanitäre Hilfe angeboten, aber der Vorschlag wurde nicht weiterverfolgt (CW 27.11.2020). Dennoch werden auch COVID-Patienten aus Südossetien in Georgien behandelt, wenn auch in geringerem Ausmaße als aus Abchasien (Jam 16.10.2020).

Quellen:

-        Agenda.ge (26.11.2020): Georgian gov’t introduces further coronavirus restrictions until Jan. 31, https://agenda.ge/en/news/2020/3722, Zugriff 30.11.2020

-        CW - Caucasus Watch (27.11.2020): Council of Europe reports on Abkhazia and Tskhinvali, https://caucasuswatch.de/news/3289.html, Zugriff 30.11.2020

-        Eurasianet (18.9.2020): Georgia experiences its first wave of COVID-19, https://eurasianet.org/georgia-experiences-its-first-wave-of-covid-19, Zugriff 30.11.2020

-        F24 – Flightradar24 (30.11.2020): TBS/UGTB Tbilisi International Airport, Georgia - Routes Tbilisi, https://www.flightradar24.com/data/airports/tbs/routes, Zugriff 30.11.2020

-        GCAA – Georgian Civil Aviation Agency (21.10.2020): News and Statements - 21 Oct. ’20 | Information for Passengers, http://www.gcaa.ge/eng/news.php?id=6285, Zugriff 30.11.2020

-        Jam News (16.10.2020): Georgia: coronavirus patients from the other side of territorial conflict, https://jam-news.net/coronavirus-georgia-treatment-abkhazia-south-ossetia, Zugriff 30.11.2020

-        MoF – Ministry of Foreign Affairs of Georgia (o.D.): Regulations for Crossing the Georgian Border in connection with the COVID-19 pandemic, https://mfa.gov.ge/MainNav/CoVID-19-sakitkhebi/sazgvris-kvetis-regulaciebi.aspx?fbclid=IwAR0PQsqZ2jc22Etm9gyMDFzetGwWktKodcpXUVW4Op1HEZImKTEXi4SyUbU&lang=en-US%20%20, Zugriff 30.11.2020

-        StopCoV.ge (o.D.): Prevention of Coronavirus Spread in Georgia, https://stopcov.ge/en/ , Zugriff 30.11.2020

-        USEMB – U.S. Embassy in Georgia (30.11.2020a): COVID-19 Information for Georgia (November 30), https://ge.usembassy.gov/covid-19-information-on-georgia/, Zugriff 30.11.2020

-        USEMB – U.S. Embassy in Georgia (30.11.2020b): Measures to control the spread of COVID-19 in Georgia, https://ge.usembassy.gov/u-s-citizen-services/measures-to-control-the-spread-of-covid-19-in-georgia/, Zugriff 30.11.2020

-        VIE – Flughafen Wien-Schwechat / Vienna International Airport (30.11.2020): Routes - Vienna International Airport (VIE), http://tracker.flightview.com/customersetup/viennaairport/routemapper/, Zugriff 30.11.2020

-        WOM – Worldometer (30.11.2020): Coronavirus – Georgia, https://www.worldometers.info/coronavirus

3 Politische Lage

Letzte Änderung: 01.12.2020

In Georgien finden regelmäßig kompetitive Wahlen statt. Nachdem der Demokratisierungsprozess in den Jahren 2012-13 an Dynamik gewonnen hatte, kam es in den letzten Jahren zu einer Stagnation der Fortschritte. Oligarchen haben übergroßen Einfluss auf Politik und politische Entscheidungen und die Rechtsstaatlichkeit wird nach wie vor durch politische Interessen behindert. Das politische Leben in Georgien ist lebendig. Neue politische Parteien können in der Regel ohne Behinderungen gegründet werden und zu den Wahlen antreten. Allerdings war die politische Landschaft von der Dominanz abwechselnd einer Partei geprägt, was die Entwicklung und Stabilität konkurrierender Gruppen gehemmt hat (FH 10.3.2020).

Georgien hat eine doppelte Exekutive, wobei der Premierminister als Regierungschef und der Präsident als Staatsoberhaupt fungiert. Der Präsident wurde bis 2018 durch Direktwahl für maximal zwei Amtszeiten von je fünf Jahren gewählt. Aufgrund einer Verfassungsänderung wird der Präsident in Zukunft indirekt für sechs Jahre von einem Gremium, bestehend aus nationalen, regionalen und lokalen Gesetzgebern, gewählt werden. Der Präsident ernennt formal den Premierminister, der vom Parlament nominiert wird (FH 10.3.2020).

Die ehemalige Außenministerin Salome Zurabishvili wurde am 28.11.2018 zur Präsidentin des Landes gewählt. Offiziell als unabhängige Kandidatin, jedoch unterstützt von der Regierungspartei „Georgischer Traum“, setzte sie sich in der Stichwahl mit fast 60% gegen ihren Konkurrenten Grigol Vashadze durch, welcher insbesondere von der oppositionellen Vereinigten Nationalen Bewegung von Ex-Präsident Saakashvili unterstützt wurde (FAZ 29.11.2018; vgl. CW 29.11.2018). Die OSZE beurteilte den Wahlgang als kompetitiv und gut administriert, wobei der Wahlkampf von einer scharfen Rhetorik und Demonstrationen begleitet war. Hauptkritikpunkte waren allerdings die einseitige Verwendung staatlicher Verwaltungsressourcen sowie die Berichterstattung des öffentlichen Rundfunks zugunsten von Zurabishvili (OSCE/ODIHR 29.11.2018). Am 1.12.2018 demonstrierten rund 25.000 Menschen in Tiflis und warfen der von der Regierungspartei unterstützten neuen Präsidentin Zurabishvili Wahlbetrug vor und forderten vorgezogene Parlamentswahlen (Standard 2.12.2018).

Das Parlament Georgiens hat 150 Sitze, wovon 120 über Parteienlisten und 30 über Direktmandate in Wahlkreisen vergeben werden. Bei den Wahlen 2016 wurden noch 72 Direktmandate vergeben (KP 26.11.2020). Die Änderungen zu einem reinen Verhältniswahlrecht wurden vom Parlament für die nächsten, planmäßig 2024 stattfindenden Wahlen, beschlossen (KP 23.11.2019; vgl. RFE/RL 28.11.2019).

Die Wahlhürde für die Verhältniswahl ist auf 1% der Stimmen festgelegt. Es besteht ein Begrenzungsmechanismus, der vorsieht, dass keine einzelne Partei, die weniger als 40% der abgegebenen Stimmen erhält, die Mehrheit der Sitze im Parlament erhalten darf. Im Falle einer vorgezogenen Neuwahl zwischen 2020 und 2024 wird diese nach demselben Wahlsystem wie im Jahr 2020 durchgeführt. Alle nachfolgenden Wahlen werden jedoch auf der Grundlage des vollständig proportionalen Wahlsystems durchgeführt, wie es für die Parlamentswahlen 2024 vorgesehen ist (civil 8.3.2020; vgl. KP 11.4.2020).

Bei den trotz COVID-Panedmie am 31.10.2020 durchgeführten Parlamentswahlen erzielte die bisherige Regierungspartei Georgischer Traum 48% der Stimmen und mit 91 Sitzen erneut eine satte Mehrheit von 60% der Mandate (KP 26.11.2020; vgl. EN 2.11.2020). Das größte Oppositionsbündnis, die Vereinigte Nationale Bewegung, erhielt 26,9% der Stimmen zugeschrieben (EN 2.11.2020). Insgesamt haben neun Parteien den Sprung ins Parlament geschafft (KP 26.11.2020); vgl. Jam 26.11.2020.

Die unterlegene Opposition prangerte erhebliche Wahlmanipulationen an und mobilisierte ihre Anhänger auf der Straße. Die Sicherheitskräfte setzten Schlagstöcke und Wasserwerfer ein (KP 26.11.2020; vgl. EN 2.11.2020). Gemäß OSZE waren die Parlamentswahlen kompetitiv und insgesamt wurden die Grundfreiheiten respektiert. Dennoch haben weit verbreitete Vorwürfe von der Ausübung von Druck auf die Wähler und der unklaren Abgrenzung zwischen der Regierungspartei und dem Staat das Vertrauen der Öffentlichkeit in einige Aspekte des Wahlvorganges unterminiert. Der grundlegend überarbeitete Rechtsrahmen bot eine solide Grundlage für die Abhaltung demokratischer Wahlen und die technischen Aspekte der Wahlen wurden trotz der Herausforderungen durch die COVID-19-Pandemie effizient gehandhabt. Jedoch hat sich die Dominanz der Regierungspartei in den Wahlkommissionen negativ auf die Wahrnehmung ihrer Unparteilichkeit und Unabhängigkeit ausgewirkt, insbesondere auf den unteren Ebenen (OSCE/ODIHR 1.11.2020).

In Folge rief die Opposition zum Boykott der Stichwahl am 21.11.2020 in 17 Direktwahlkreisen auf, wodurch sich alle Kandidaten des Georgischen Traums sich bei einer Wahlbeteiligung von 26% durchsetzen konnten (KP 26.11.2020); vgl. Eurasianet 27.11.2020). Die Oppositionsparteien planen aus Protest, ihre Parlamentssitze nicht zu besetzen (KP 26.11.2020; vgl. Eurasianet 27.11.2020, Jam 26.11.2020).

Laut Gesetz muss die Zentrale Wahlkommission bis spätestens 19. Dezember 2020 das endgültige Wahlergebnisse bekannt geben und das neue Parlament muss spätestens zehn Tage nach der offiziellen Bekanntgabe der Wahlergebnisse zusammentreten. Die 90 Abgeordneten der Regierungspartei sind ausreichend, damit das Parlament seine Arbeit aufnehmen kann - um Gesetze zu verabschieden, die Abgeordneten auf die Parlamentsausschüsse zu verteilen und eine Regierung zu ernennen. Das Parlament wird jedoch nicht in der Lage sein, die Verfassung zu ändern oder die Präsidentin abzusetzen (Jam 26.11.2020).

Stand Ende November 2020 ist es weder durch die Intervention von US-Botschafter Kelly Degnan noch durch andere internationale Moderatoren gelungen, die politische Krise in Georgien zu lösen und die Opposition davon zu überzeugen, den Parlamentsboykott aufzugeben. Im Extremfall könnte die politische Krise nur durch vorgezogene Neuwahlen im Frühling 2021 gelöst werden (Jam 26.11.2020).

Quellen:

-        civil.ge (8.3.2020): Georgian Dream, Opposition Reach Consensus over Electoral Reform, https://civil.ge/archives/341385, Zugriff 9.3.2020

-        CW - Caucasus Watch (29.11.2018): Surabischwili gewinnt Wahl: Georgien bekommt erstmals eine Präsidentin, http://caucasuswatch.de/news/1190.html, Zugriff 12.8.2019

-        DW – Deutsche Welle (24.6.2019): Proteste in Tiflis trotz Zugeständnissen, https://www.dw.com/de/proteste-in-tiflis-trotz-zugest%C3%A4ndnissen/a-49339505, Zugriff 13.8.2019

-        EN – Euronews (2.11.2020): Georgia’s ruling party wins parliamentary vote, opposition calls for protests, https://www.euronews.com/2020/10/31/georgia-s-ruling-party-claims-victory-in-parliamentary-vote, Zugriff 30.11.2020

-        Eurasianet (27.11.2020): Georgian politics still deadlocked after runoff polls, https://eurasianet.org/georgian-politics-still-deadlocked-after-runoff-polls , Zugriff 30.11.2020

-        FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (29.11.2018): Georgien bekommt eine Präsidentin, https://www.faz.net/aktuell/salome-surabischwili-wird-neue-praesidentin-in-georgien-15915289.html, Zugriff 12.8.2019

-        FH - Freedom House (10.3.2020): Freedom in the World 2020 - Georgia, https://freedomhouse.org/country/georgia/freedom-world/2020, Zugriff 11.3.2020

-        Jam News (26.11.2020): Georgia: can a single-party parliament function?, https://jam-news.net/georgia-can-a-single-party-parliament-work-function/, Zugriff 30.11.2020

-        KP – Kaukasische Post (11.4.2020): Neues Wahlrecht mit Virus infiziert? in: Kaukasische Post Ausgabe März 2020, Seiten 1,2.

-        KP – Kaukasische Post (23.11.2019): Vorhängeschlösser und Wasserwerfer ersetzen den politischen Diskurs, http://www.kaukasische-post.com/?p=3078, Zugriff 17.1.2020

-        KP – Kaukasische Post (26.11.2020): Alle Wahlen wieder, in: Kaukasische Post Ausgabe Oktober/November 2020. Seiten 1,2.

-        OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (1.11.2020): International Election Observation Mission Georgia

-        Parliamentary Elections, 31 October 2020 – Statement of Preliminary Findings and Conclusions, https://www.osce.org/files/f/documents/a/d/469005.pdf, Zugriff 30.11.2020

-        OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (29.11.2018): International Election Observation Mission, Georgia – Presidential Election, Second Round, 28 November 2018 - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/georgia/404642?download=true, Zugriff 12.8.2019

-        RFE/RL– Radion Free Europe/Radion Liberty (28.11.2019): Georgian Police Cordon Off Parliament Building To Prevent Opposition Rally, https://www.rferl.org/a/georgian-police-cordon-off-parliament-building-to-prevent-opposition-rally/30297334.html, Zugriff 2.12.2019

-        Standard, der (2.12.2018): 25.000 Georgier wegen angeblichen Wahlbetrugs auf den Straßen – https://derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen?ref=rec, Zugriff 12.8.2019

4 Sicherheitslage

Letzte Änderung: 02.09.2020

Die Lage kann in den meisten Landesteilen als stabil bezeichnet werden. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen. (EDA 23.3.202013.8.2019; vgl. BMEIA 13.5.2020). Die Kriminalität ist gering (MSZ 25.5.2020; vgl. EDA 23.3.2020).

Die EU unterstützt durch die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus und die EU- Beobachtermission (EUMM) aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung. 2009 wurde der Incident Prevention and Response Mechanism (IPRM) geschaffen, der Risiko- und Sicherheitsfragen der Gemeinden in den abtrünnigen Regionen Abchasiens und Südossetens erörtern soll (EC 30.1.2019).

Quellen:

-        BMEIA – Bundesministerium für Europäische und Internationale Angelegenheiten der Republik Österreich (13.5.2020): Reiseinformation Georgien, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reise information/land/georgien/ , Zugriff 10.6.2020

-        EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_repor t_georgia.pdf , Zugriff 30.1.2019

-        EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (13.8.2019): Reisehinweise für Georgien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/georgien/reisehinweise-georgien.html , Zugriff 23.3.2020

-        MSZ – Ministerstwo Spraw Zagranicznych Rzeczypospolitej Polskiej (25.5.2020): Informacje dla podró?uj?cych – Gruzja, https://www.gov.pl/web/dyplomacja/gruzja , Zugriff 10.6.2020

[…]

4.2 Südossetien

Letzte Änderung: 02.09.2020

Südossetien – amtliche Bezeichnung in Georgien auch: Region Tskhinvali – hat eine Fläche von ca. 3.900 km² (gov.ge o.D.) und eine Bevölkerung von ca. 53.000 (Jam 20.2.2016). Große Teile Südossetiens wurden nach dem Ende eines Bürgerkriegs 1992 de facto unabhängig. Der Krieg im Jahr 2008 führte zum Einmarsch russischer Truppen und zur Vertreibung der zuvor noch bestehenden georgischen Regierungspräsenz sowie etlicher ethnischer Georgier. Nur Russland und eine Handvoll anderer Staaten haben seither die Unabhängigkeit Südossetiens anerkannt. Das Territorium bleibt fast vollständig von Russland abhängig und Moskau übt einen entscheidenden Einfluss auf die Politik und die Regierungsführung aus (FH FH 4.3.2020s).

Im März 2019 drückte eine Resolution des UN-Menschenrechtsrates erneut große Besorgnis über die Menschenrechtssituation in Südossetien aus, wobei insbesondere Entführungen, willkürliche Festnahmen, Verletzung von Eigentumsrechten, das Fehlen muttersprachlichen Schulunterrichts, mangelnde Freizügigkeit und Diskriminierung aufgrund ethnischer Herkunft und Verweigerung des Rückkehrrechts für die geflüchtete georgische Bevölkerung genannt werden. Die Diskriminierung dieser Bevölkerungsteile kann als zielgerichtet bewertet werden, um diese zur Abwanderung zu bewegen. Dagegen ist die Anwesenheit der im Gebiet von Akhalgori [Leningor] lebenden Georgier gegenwärtig akzeptiert (AA 19.10.2019, vgl. FH 4.3.2020s). Die südossetischen de facto-Behörden verweigern den meisten wegen des Konflikts von 2008 vertriebenen ethnischen Georgiern die Rückkehr nach Südossetien und erlauben den meisten internationalen Organisationen keinen regelmäßigen Zugang nach Südossetien zur Leistung humanitärer Hilfe (USDOS 11.3.2020).

Die russische ’Grenzverfestigung’ (borderization) der administrativen Grenze (ABL) geht weiter, sodass Anrainer von ihren Gemeinden bzw. Lebensgrundlagen getrennt werden (USDOS 11.3.2020, vgl. AI 7.2019). Die Dorfbewohner - einige leben in den ärmsten Teilen des Landes verlieren Zugang zu Weiden, Ackerland und Obstgärten, zu Wasserquellen und Brennholz. Sie sind von ihren Verwandten und Einkommensgrundlagen ebenso abgeschnitten wie vom kulturellen und sozialen Leben. Jedes Jahr werden Hunderte von Menschen willkürlich festgehalten, während sie versuchen, die ABL zu überqueren (AI 7.2019).

Die Parlamentswahlen fanden im Juni 2019 statt. Trotz besserer Gesetze konnten sich viele Regierungskritiker und Anhänger der Opposition nicht zur Kandidatur anmelden, was der Regierungspartei half, ihre Dominanz im Parlament aufrechtzuerhalten. Moskau übt einen entscheidenden Einfluss auf Politik und Regierungsführung aus und schränkt die Möglichkeiten politischer Parteien erheblich ein, sich außerhalb eines engen politischen Spektrums frei zu betätigen (FH 4.3.2020s).

Die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit zwischen Südossetien und Georgien wurden 2019 verschärft. Wie in den vergangenen Jahren wurden Dutzende georgischer Bürger von südossetischen Grenzschutzbeamten in der Nähe der administrativen Grenze zum Rest Georgiens festgehalten und gegen Zahlung einer Geldstrafe freigelassen. Im Gegensatz zu vorangegangenen Jahren wurden die Grenzübergänge zu Kerngeorgien 2019 ohne Vorankündigung für längere Zeit geschlossen (FH 4.3.2019s).

Die lokalen Medien stehen weitgehend unter Kontrolle der Behörden, Die Redefreiheit wird unterdrückt und ein Klima von Angst und Einschüchterung ist weit verbreitet (AI 8.4.2020). Die lokalen Medien stehen weitgehend unter Kontrolle der Behörden, Selbstzensur ist weit verbreitet und gegen kritische Medien werden häufig Verläumdungsklagen eingebracht. Aufgrund des erheblichen russischen Einflusses auf die Innenpolitik und Entscheidungsfindung arbeitet die Regierung Südossetiens nicht transparent. Behörden-Korruption ist weit verbreitet. Ein systematischer Zugang diese zu bekämpfen besteht nicht. Die Justiz ist nicht unabhängig. Sie unterliegt politischer Einflussnahme und Manipulation und dient zur Bestrafung vermeintlicher politischer Gegner. Körperliche Übergriffe und schlechte Bedingungen sind Berichten zufolge in Gefängnissen und Haftanstalten weit verbreitet (FH 4.3.2019s).

Die Bewohner demonstrieren gelegentlich gegen Umweltzerstörung, das schleppende Tempo des Wiederaufbaus nach dem Krieg und seltener gegen politische Missstände. Die Versammlungsfreiheit ist jedoch stark eingeschränkt. Teilnehmer an nicht genehmigten Versammlungen laufen Gefahr, angeklagt zu werden (FH 4.3.2019s).

Die Mehrheit der Bevölkerung sind orthodoxe Christen. Es gibt aber auch eine beträchtliche muslimische Gemeinschaft. Ein Teil des Eigentums der georgisch-orthodoxen Kirche wird von der südossetisch-orthodoxen Kirche kontrolliert. Der Oberste Gerichtshof Südossetiens hat im Jahr 2017 die Zeugen Jehovas als extremistische Organisation verboten (FH 4.3.2019s).

Im Zuge der Eindämmung der COVID-19-Pandemie wurde Anfang April 2020 die Grenze zu Russland auch für den Güterverkehr geschlossen und somit Südossetien effektiv vom Rest der Welt isoliert (Eurasianet 19.4.2020; vgl. Sputnik 10.4.2020, 4.4.2020). Die Sperre bleibt bis zum 31. Juli aufrecht. Südossetische Staatsbürger, die von Russland nach Hause zurückkehren wollen, müssen zuerst einen Antrag beim südossetischen Konsulat in Nordossetien [Wladikawkas] stellen. Darüber hinaus haben die südossetischen Behörden die Grenze zu Georgien vollständig geschlossen (RES 6.7.2020; vgl. IWPR 30.5.2020).

Quellen:

-        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (19.10.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/201 9042/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Georgien_%28Stand_Juli_2019%29%2C_19.10..pdf, Zugriff 30.1.2020

-        AI – Amnesty International (8.4.2020): South Ossetia/Tskhinvali Region: Persecution of Journalists who speak out [EUR 56/2112/2020], https://www.amnesty.org/download/Documents/EUR562112 2020ENGLISH.pdf, Zugriff 20.4.2020

-        AI – Amnesty International: Georgia: Behind barbed wire (7.2019): Human rights toll of ’borderization’ in Georgia [EUR 56/0581/2019], https://www.ecoi.net/en/file/local/2012567/EUR5605812019 ENGLISH.PDF , Zugriff am 20.8.2019

-        Eurasianet (19.4.2020): Dashboard: Coronavirus in Eurasia, https://eurasianet.org/dashboard-cor onavirus-in-eurasia , Zugriff 20.4.2020

-        FH – Freedom House (4.3.2020s): Freedom in the World 2020 - South Ossetia, https://freedomh ouse.org/country/south-ossetia/freedom-world/2020, Zugriff 16.6.2020

-        gov.ge – Government of Georgia (o.D.): http://www.gov.ge/index.php?lang_id=GEO&sec_id=214 , Zugriff 17.1.2020

-        IWPR – Institute for War & Peace Reporting (30.5.2020): South Ossetia Grapples with Covid-19, https://iwpr.net/global-voices/south-ossetia-grapples-covid-19 , Zugriff 5.6.2020

-        Jam News (20.2.2016): How many people live today in South Ossetia?, https://jam-news.net/how -many-people-live-today-in-south-ossetia/ , Zugriff 17.1.2020

-        RES - Staatliche Nachrichtenagentur ’Res’ der Republik Südossetien (6.7.2020): ??????????? ??? 85: ? ????? ?????? ?? ???????? ????? ??????? ??????????? ?????????????, http://co minf.org/node/1166530895 , Zugriff 10.7.2020

-        Sputnik News Južnaja Osetija (10.4.2020): ??????? ????? ?????? ? ??????? ????? ??????? ?? 1 ???, https://sputnik-ossetia.ru/South_Ossetia/20200410/10401609/Granitsa-Yuzhnoy-Osetii -s-Rossiey-budet-zakryta-do-1-maya-.html , Zugriff 20.4.2020

-        Sputnik News Južnaja Osetija (4.4.2020): ????? ?????? ????????? ?????????? ???????? ????????? ? ???????, https://sputnik-ossetia.ru/South_Ossetia/20200404/10371566/YuzhnayaOsetiya-polnostyu-prekratila-dorozhnoe-soobschenie-s-Rossiey.html , Zugriff 20.4.2020

-        USDOS – U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices:

-        Georgia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/03/GEORGIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 12.3.2020

5 Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 02.09.2020

Georgien hat bei der Reform des Justizsektors bescheidene Fortschritte erzielt. Es gibt noch immer wichtige Herausforderungen, um die erzielten Fortschritte zu konsolidieren und die Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten. Die Zivilgesellschaft hat Bedenken hinsichtlich einer möglichen politischen Einmischung in die Justiz und den Medienpluralismus. Die wirksame Umsetzung der Rechtsvorschriften zu Menschenrechten und Antidiskriminierung stellt nach wie vor eine Herausforderung dar. Am 23.3.2018 schloss das georgische Parlament den Prozess der Verfassungsreform ab. Die überarbeitete Verfassung enthält neue Bes

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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