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90 Straßenverkehrsrecht, KraftfahrrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Aufhebung des Bescheides betreffend Verhängung einerVerwaltungsstrafe wegen einer mittels Section Control festgestelltenGeschwindigkeitsüberschreitung im Anlassfall; Verletzung imEigentumsrecht wegen fehlender Rechtsgrundlage mangelsordnungsgemäßer Festlegung der Messstrecke durch VerordnungSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.340,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 7. März 2005 wurde über den Beschwerdeführer gemäß §99 Abs3 lita iVm §52 lita Z10a Straßenverkehrsordnung (im Folgenden: StVO 1960) eine Verwaltungsstrafe iHv € 56,- verhängt, weil er auf der Donauuferautobahn (A 22) im Kaisermühlentunnel (km 1,4 bis km 3,7) in Richtung Stockerau mit einem Kraftfahrzeug die durch Verbotszeichen kundgemachte erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h überschritten habe. Seine durchschnittliche Geschwindigkeit habe auf der gemessenen Wegstrecke 92 km/h betragen, wobei die Überschreitung mit dem automatischen Geschwindigkeitsmesssystem (Section Control) festgestellt worden sei.
1.2. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 23. Mai 2005 keine Folge gegeben.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der sowohl die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten als auch die Verfassungswidrigkeit der §§52 lita Z10a iVm 100 Abs5b StVO 1960 und §134 Abs3b Kraftfahrgesetz (im Folgenden: KFG 1967) geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete jedoch keine Gegenschrift.
II. Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §100 Abs5b StVO 1960, BGBl. 159, in der Fassung des ArtIV des BG BGBl. I 80/2002 sowie des §134 Abs3b 1. Satz KFG 1967, BGBl. 267, in der Fassung des ArtI des BG BGBl. I 80/2002 ein. Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, G147,148/06 ua., hob der Verfassungsgerichtshof §100 Abs5b StVO 1960 nicht als verfassungswidrig auf und stellte im Übrigen das von Amts wegen eingeleitete Verfahren ein.
III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 13.587/1993 mwN, 15.364/1998, 15.768/2000, 16.113/2001, 16.430/2002) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
2. Im Erkenntnis vom heutigen Tag, G147,148/06 ua., hat der Verfassungsgerichtshof im Hinblick auf die in §100 Abs5b StVO 1960 enthaltene Formulierung "bestimmte Wegstrecke" festgehalten, dass die Festlegung und Anordnung der Wegstrecke den datenschutzrechtlichen Anforderungen an das automatische Geschwindigkeitsmesssystem entsprechend durch Verordnung erfolgen muss.
Da die im vorliegenden Verfahren maßgebliche Wegstrecke auf der A 22 im Bereich Kaisermühlentunnel (km 1,4 bis km 3,7) auf der die durchschnittliche Fahrgeschwindigkeit des Beschwerdeführers mittels eines automatischen Geschwindigkeitsmesssystems festgestellt wurde, nicht durch Verordnung iSd Erkenntnisses vom heutigen Tag, G147,148/06 ua., näher angeordnet war, entbehrt der angefochtene Bescheid insoweit der Rechtsgrundlage, als die Messstrecke nicht ordnungsgemäß iSd §100 Abs5b StVO 1960 festgelegt war.
Der Beschwerdeführer wurde somit durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.
Der Bescheid war daher aufzuheben.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von §360,- sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 180,-
enthalten.
V. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / Anlaßfall, Straßenpolizei, GeschwindigkeitsbeschränkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2007:B833.2005Zuletzt aktualisiert am
30.01.2009