TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/10 W195 2167502-1

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Veröffentlicht am 10.09.2021
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Entscheidungsdatum

10.09.2021

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W195 2167502-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.07.2017, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.01.2021 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde von XXXX wird insoferne stattgegeben als die Spruchpunkte II - IV aufgehoben werden und XXXX der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch zuerkannt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 29.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen einer am 11.10.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgten niederschriftlichen Erstbefragung gab der BF zu seinen Fluchtgründen zu Protokoll, von der oppositionellen Bangladesh Nationalist Party (im Folgenden: BNP) zu sein. Er sei von Mitgliedern der regierenden Awami League (im Folgenden: AL) wegen seiner Parteizugehörigkeit geschlagen und bedroht worden. Da diese den BF mit dem Umbringen bedroht hätten, habe er das Land verlassen.

I.2. Am 19.07.2017 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen an, Busfahrer gewesen zu sein. Die AL-Leute hätten den BF immer schlagen wollen, damit er sie zu verschiedenen Veranstaltungen unentgeltlich hinführe. Der BF habe sich geweigert, daher sei er von Mitgliedern der AL mehrmals geschlagen worden. Das erste Mal habe er Ohrfeigen bekommen und sei am Boden getreten wollen. Beim letzten Mal seien sie zum BF nachhause gekommen und hätten ihn und seinen Vater bedroht. Seine Mutter habe ihm gesagt, er sollte nicht nachhause kommen und sich versteckt halten. Seine Mutter und sein Schwager hätten ihm Geld gegeben, mit welchem er über XXXX nach XXXX aus Bangladesch geflohen sei.

Befragt, woher der BF gewusst hätte, dass die Leute von der AL gewesen seien, führte der BF aus, diese Leute seien von einem bestimmten Polizeibezirk gewesen. Immer nach ein paar Tagen, wenn eine Veranstaltung angestanden sei, seien die nächsten Bedrohungen gewesen. Oft hätten sie ihn auf der Straße angehalten und Geld mitgenommen. Der BF sei am Busfahren gewesen. Er sei angehalten worden und nach 100 Taka gefragt worden. Wenn er sich geweigert habe, hätte er eine Ohrfeige erhalten oder, wenn er nicht zu einer Veranstaltung gefahren sei, sei er geschlagen worden. Der BF habe Menschen transportiert. Bei der Bedrohung seien auch andere Fahrgäste im Bus gewesen, aber diese hätten sich nicht getraut, gegen sie etwas zu sagen. Es seien junge Burschen im Alter des BF oder etwas älter gewesen, sie hätten starke Körper gehabt. Es seien zehn bis 15 Menschen gewesen. Die Bedrohung sei am 06. oder 07.10.2015 gewesen. Der BF sei nicht zuhause gewesen. Wenn er dort gewesen wäre, hätten sie ihn umgebracht. Er wisse, dass er umgebracht werde, weil er zweimal an der Handfläche verletzt worden sei. Er sei mit einem Schnitt mit einem Messer verletzt worden. Der BF habe sich bei einer Tante versteckt gehalten. Strafrechtlich verurteilt sei der BF in Bangladesch nicht worden. In Bangladesch würden sie den BF umbringen, sein Vater sei sogar in Indien. Wenn die BNP an der Macht wäre, wäre eine Rückkehr kein Problem, wenn die AL an der Macht sei, werde der BF umgebracht, weil der BF und sein Vater BNP-Sympathisanten seien.

I.3 Mit dem angefochtenen Bescheid vom 21.07.2017, XXXX , wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, der BF habe eine Verfolgung in Bangladesch nicht glaubhaft machen können, weswegen dem BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, drohe. Unter Berücksichtigung der individuellen (persönlichen) Umstände des BF sei nicht davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland in eine ausweglose Situation gerate, weswegen auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen würden. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ vor und zudem würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.

I.4. Mit Schriftsatz vom 07.08.2017 wurde dieser Bescheid des BFA seitens des – im Beschwerdezeitpunkt durch die XXXX vertretenen – BF wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Gänze angefochten.

Neben Wiedergabe des bisherigen Verfahrensverlaufes, der behaupteten Fluchtgründe und weitwendiger Zitierung von Länderberichten wird darin im Wesentlichen vorgebracht, das BFA habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geführt und seiner Entscheidung mangelhafte Länderfeststellungen zugrunde gelegt. Es habe im Hinblick auf die angebotenen Beweismittel mangelnde Ermittlungen unternommen, das Parteiengehör verletzt und eine mangelhafte Beweiswürdigung unternommen. Daher sei der Bescheid inhaltlich rechtswidrig. Dem BF drohe Verfolgung iSd § 3 AsylG 2005. Zumindest aber hätte ihm der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werden müssen. Die Nichterteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz und die Erlassung einer Rückkehrentscheidung seien unzulässig, weil der BF über einen großen Freundeskreis verfüge und sehr um Integration bemüht sei.

Es wurden die Anträge gestellt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, ein medizinisches Sachverständigengutachten darüber, ob die Narben des BF auf die von ihm beschriebene Art entstanden wären, einzuholen, alle nicht geltend gemachten Rechtswidrigkeiten amtswegig aufzugreifen, den angefochtenen Bescheid zu beheben und dem BF Asyl zu gewähren, in eventu, Spruchpunkt II. zu beheben und dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu, Spruchpunkt III. aufzugeben bzw. dahingehend abzuändern, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig erklärt werde und dem BF ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erteilt werde sowie, in eventu, den Bescheid „ersatzlos“ zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung das BFA zurückzuverweisen.

I.5. Mit Schreiben vom 11.08.2017 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

I.6. Mit Schreiben vom 20.08.2019 teilte die XXXX mit, dass sie die rechtsfreundliche Vertretung übernommen habe. In weiterer Folge wurde Akteneinsicht genommen.

I.7. Mit Schreiben vom 29.12.2020 wurde zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geladen und damit dem BF auch das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangladesch (Stand November 2020) zur allfälligen Stellungnahme bis längstens im Rahmen der für den 18.01.2021 angesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung, übermittelt.

I.8. Am 18.01.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali und des ausgewiesenen Rechtsanwaltes des BF eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurde.

Eingangs bestätigte der BF, dass er gesund sei und der Verhandlung folgen könne.

Der BF habe „einmal im Monat oder alle zwei Monate einmal“ Kontakt zu seiner Familie. Diese bestehe aus seinen Eltern und Geschwistern, nämlich vier Brüdern und eine Schwester. Drei von ihnen arbeiten im Ausland ( XXXX ). Die Eltern würden vom Grundstücksverkauf und mit Unterstützung der verdienenden Kinder leben; sie hatten zuvor ein Marktgeschäft (Standplatz), welches sie ebenfalls verkauft hätten. Früher sei es ihnen finanziell gut gegangen, es habe sich verschlechtert. Verwandte habe der BF in Österreich keine.

Im Zuge der Verhandlung konnte festgestellt werden, dass eine Unterhaltung mit dem BF in deutscher Sprache nur schwer möglich ist. Der Sprachwortschatz ist für den Alltagsgebrauch ausreichend, die Antworten waren mehr durch Wortfetzen geprägt. Der BF meinte dazu, er könne sich „eigentlich schon verständigen“.

Da der BF bis zu diesem Zeitpunkt vor dem BVwG nicht angegeben hatte, dass er eine Ehefrau und ein Kind hat, wurde er gefragt, ob der BF Kinder habe. Nachgefragt bestätigte der BF, dass er ein Kind habe, welches bei den Großeltern mütterlicherseits lebe. Er sei auch seit 2002 „religiös“ verheiratet. Es sei ein Mädchen im gleichen Dorf gewesen, namens XXXX . „Ihr Geburtsdatum kenne ich nicht“ (BVwG S 8; andere Aussage: „ XXXX “ (AS 9); „1988“ (AS 55)), sie sei „sechs Jahre jünger als der BF“, welcher XXXX geboren ist.

Das Kind sei „2008“ auf die Welt gekommen (BVwG: S 8: „2008 … am 08.irgendetwas, ich weiß es nicht“; andere Aussage: „ XXXX “ (AS 9); „2006“ (AS 55)). Gefragt, wieso er dies nicht wisse, meinte der BF: „Ich habe kein Interesse diesbezüglich“ (BVwG S 8), er würde sie nicht mögen, „mit der Frau und mit dem Kind habe ich also das nicht“ (BVwG S 8).

Der Vater des BF habe ihn gezwungen, die Frau zu heiraten (BVwG 12), weil der BF angeblich homosexuell gewesen sei. Der BF sei „nach dem Tag unserer Hochzeit“ nach XXXX gegangen, seiner Frau habe dies nicht gefallen und sie sei zu ihren Eltern gegangen (BVwG S 15). Nach ca eineinhalb Monaten sei der BF nach Hause zurückgekehrt, sie sei bei den Schwiegereltern gewesen. Gefragt, ob sie danach zusammenwohnten, gab der BF an, „im Bett hat sie mich gezwungen mit ihr Sex zu haben. So entstand unser Kind“. Nachgefragt bestätigte der BF, dass er von seiner Ehefrau zum Sex gezwungen wurde. Nochmals nachgefragt, ob der BF seine Frau beschuldige, dass sie ihn vergewaltigt habe, meinte der BF zuerst „so in etwa“, um sodann mit einem klaren „Ja“ zu antworten (BVwG S 16).

Der BF hat seiner späteren Ehefrau vor der Hochzeit nicht erzählt, dass er homosexuell sei. Er habe sie über Zwang des Vaters geheiratet, weil „es ging um seine Ehre“. Der BF habe kein Interesse an Frauen (BVwG S 16). Gefragt, warum er nicht „nein“ gesagt habe, meinte der BF, er hätte ja nicht heiraten wollen, er habe alles versucht sie nicht zu heiraten, er habe sehr oft nein gesagt und hätte sehr viel geweint (BVwG S 17).

In seinem „13. oder 14. Lebensjahr“ hätte der BF bemerkt, dass er homosexuell sei; dies sei „in der 3. Klasse“ gewesen (BVwG S 17). Sein erster homosexueller Kontakt sei mit einem Cousin ms gewesen, welcher zwei Jahre älter sei. Es sei dies „bei meiner Tante“ gewesen. Die Tante wohne in einem bewaldeten Gebiet, „dort im Wald“ habe er Geschlechtsverkehr gehabt. Der BF sei die treibende Kraft gewesen. Es war „als ich in die 3. Klasse ging, als ich 14 Jahre alt war“ (BVwG S 17); dazu jedoch die widersprüchliche Aussage des BF, er sei „12 Jahre alt gewesen“, als er mit der Grundschule begonnen habe (BVwG S 21). In seinem Dorf sei es – im Gegensatz zu ganz Bangladesch – üblich, erst mit 12 Jahren in die Grundschule zu gehen, weil „dort sind die meisten sehr arm. Man muss Geld zahlen, um aufgenommen zu werden“. (BVwG S 21). Der BF sei bis in die 5. Klasse aufgestiegen, „aber dann wurde es beendet“ (BVwG S 13).

Nach seiner Hochzeit (2002) sei er nach XXXX gegangen und „lernte dort Auto zu fahren“. Zuerst habe er in einem Bus das Fahrgeld einkassiert (Schaffner), später sei er selber mit dem Bus, der 40 Sitzplätze hatte, gefahren (BVwG S 13). Der Bus gehörte einem privaten Eigentümer. Gefragt, ob der BF den Bus überhaupt fahren durfte, meinte der BF, „in Bangladesch ist alles erlaubt“. Nachgefragt, ob er nicht einen Führerschein gebraucht hätte, sagte der BF: „Wenn man in Bangladesch die Polizei mit ein paar Taka bestochen hat, wurde man freigelassen“. Er habe den Führerschein erst später erworben, er sei bereits ohne Führerschein die Busse gefahren. Den staatlichen Führerschein habe er „2004“ erworben (BVwG S 14). Damit widerspricht sich der BF, der in der gleichen Verhandlung aussagte, dass er bis auf eine „Voter-ID“ und einen Reisepass „sicher“ keine sonstigen staatlichen Dokumente hatte (BVwG S 12).

Seinen ersten homosexuellen Kontakt hatte der BF mit seinem Cousin als er „14 Jahre alt“ war. Der BF sei die treibende Kraft gewesen. Er hätte mit dem Cousin noch öfter homosexuellen Kontakt gehabt, aber nicht regelmäßig. Seine Familie habe von der Homosexualität des BF erfahren, weil er mit einem Feldarbeiter nach der Arbeit intim wurde. Die Ehefrau des Onkels vs hätte ihn erwischt und der Mutter „gepetzt“. Langsam hätte es auch der Vater mitbekommen, der ihn schimpfte. Die Tante hätte es weitererzählt, so verbreitete sich das im ganzen Dorf (BVwG S 20). Nachdem es im Dorf bekannt war, gab es einen Streit, der Vater sei beleidigt worden und sie hätten den BF aus der Dorfgemeinschaft ausschließen wollen.

Danach sei die Freundschaft zwischen dem BF und einen jungen Mann namens XXXX „warm“ geworden. Der BF sei bei ihm gewesen und sie hätten miteinander Sex gehabt. Die Beziehung zu diesem jungen Mann, dessen Vater Arzt war, hätte bis 2015 gedauert, bis er hierherkam. Er hätte alle zwei Monate mit seinem Freund Kontakt gehabt, auch während er mit seiner Ehefrau verheiratet war. XXXX sei jetzt selbst Arzt im Dorf.

Nachgefragt gab der BF an, dass er in Bangladesch mit fünf Männern homosexuellen Kontakt hatte. Homosexuelle hätte in Bangladesch große Probleme. Nachgefragt, ob es eine Homosexuellenszene in Bangladesch gäbe, verneinte dies der BF. Es gäbe auch keine Internetplattform für Homosexuelle in Bangladesch. Wiederum nachgefragt verneinte der BF auch, dass es Vereine oder Gruppierungen für Homosexuelle gäbe.

Homosexuelle würden in Bangladesch als „Transgender“ bezeichnet, so der BF. Man würde sie gesellschaftlich missachten. Auf die Frage seines Rechtsanwaltes, ob es eine strafrechtliche Verfolgung gäbe, sagte der BF „Wir werden angeekelt und die islamischen Gemeinschaften verfolgen uns“ (BVwG S 20).

In Österreich würde der BF in einer Beziehung mit „ XXXX “ und „ XXXX “ sein. Er habe auch noch mehrere Freunde. Mit XXXX hätte er vor sieben Monaten zum letzten Mal homosexuellen Kontakt gehabt. Jetzt habe dieser Kontakt zu XXXX . Der vorsitzende Richter warf ein, dass ihm der Fall des Asylwerbers XXXX auf Grund der richterlichen Tätigkeit bekannt sei und er „ XXXX “ als Zeugen in diesem Fall einvernommen hatte.

Der BF wohne in einem Heim im 10. Bezirk, dafür müsse er nichts zahlen. Er bekomme Unterstützung von der Caritas.

Der BF hätte männliche Freunde, aber keine Freundinnen. In der Früh würde er arbeiten (Verein XXXX , € 4 pro Stunde), danach würde er zu Mittag essen und sich ausruhen. Am Nachmittag ginge er in die Arbeit von XXXX , der als Reinigungskraft für Toiletten arbeite, konkret am Karlsplatz, am Schwedenplatz, Prater und Stephansplatz.

Der BF legte einige Dokumente (zB Bestätigungen von XXXX und XXXX ; Vereinsausweis XXXX ) und Fotografien (zwei davon mit homosexuellen Tenor, allerdings ist der BF nicht klar erkennbar) vor, die seine Homosexualität in Österreich bestätigen sollten.

Gefragt, ob der BF in Bangladesch strafrechtlich verurteilt worden sei, antwortete er mit „Ja“ (BVwG S 22). Nachgefragt, wann dies der Fall gewesen sei meinte der BF „das war … 20 … ich glaube es war 2008“. Gefragt, weshalb der BF verurteilt worden sei, meinte er, dass es ein Gerichtsurteil gäbe, sein Vater wisse darüber Bescheid, er sei einige Tage versteckt gewesen. Der Vater sei ein Führer der BNP gewesen, sie hätten ebenso die BNP unterstützt. Nach mehreren Ausflüchten meinte der BF, dass er die BNP unterstützte und er deshalb strafrechtlich verurteilt worden sei. Er könne es nicht erklären. Er sei als Fahrer tätig gewesen, sie wollten eine Demonstration machen und wenn er sie nicht gratis hin und her führte, wurde er geschlagen (BVwG S 22)

Abschließend wurde nochmals auf die Länderberichte sowie die aktuelle Corona-Situation eingegangen. Der engagierte Anwalt des BF wies darüber hinaus nochmals auf die Situation von homosexuellen Menschen in Bangladesch entsprechend den Länderberichten hin (BVwG S 23).

I.9. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.02.2021, W195 2167502-1/16E, wurde die Beschwerde abgewiesen.

I.10. Gegen diese Entscheidung brachte der BF eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof ein.

I.11. Der Verfassungsgerichtshof behob mit Erkenntnis vom 07.06.2021, E 959/2021-10, die Entscheidung des BVwG vom 02.02.2021 und führte – zusammengefasst - aus, dass das BVwG in Hinblick auf die aktuellen Länderberichte und der Situation von Homosexuellen in Bangladesch auch zu prüfen hätte, ob dem BF in seinem Herkunftsstaat asylrelevante Verfolgung drohe, oder ob eine solche Verfolgung gegebenenfalls in Hinblick auf Art 2 und 3 EMRK bei der Prüfung, ob dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sei, aufzugreifen sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der Volksgruppe der Bengalen sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Er sei religiös, halte sich aber nicht daran.

Seine Muttersprache ist Bengali. Seine Identität steht nicht fest, die Namensangabe erfolgt lediglich zur Bezeichnung des BF.

Der BF ist in Bangladesch geboren und hat zuletzt auch dort gelebt. Er hat in seinem Heimatland für fünf Jahre die Grundschule besucht, wobei die Altersangaben hinsichtlich des Besuchs der Grundschule widersprüchlich sind.

Vor seiner Ausreise aus Bangladesch hat der BF als Busfahrer gearbeitet.

Der BF ist seit 2002 verheiratet und hat einen Sohn. Seine Frau und sein Kind halten sich bei den Schwiegereltern im Dorf auf, wo sie auch arbeitet. Weiters besteht seine Familie aus den Eltern, vier Brüder und eine Schwester, die meisten davon leben in Bangladesch. Zwischen dem BF und seinen Verwandten besteht aufrechter regelmäßiger Kontakt.

Der BF ist im Oktober 2015 illegal in das Bundesgebiet eingereist. Er ist in die staatliche Grundversorgung einbezogen. Er geht in Österreich keiner Beschäftigung nach, lernt Deutsch und geht spazieren. Er hilft manchmal bei Reinigungsarbeiten eines gemeinnützigen Vereins gegen ein geringes Entgeld aus. Der BF ist Mitglied im XXXX .

Der BF verfügt über geringe Deutschkenntnisse. Er ist strafrechtlich unbescholten. Der BF ist gesund.

Der BF gab vor dem BVwG erstmalig an, dass er homosexuell sei; er stünde in einer „Beziehung“ mit einem Österreicher, mit dem er jedoch seit mehr als sieben Monaten keinen homosexuellen Verkehr mehr hatte; dieser Mann habe jetzt eine Beziehung zu einem anderen Asylwerber. Der BF habe noch mehrere andere männliche Freunde, aber keine Freundinnen.

I.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:

Der BF hat vor dem BFA ausschließlich politische Gründe als Fluchtgrund angegeben, er habe „sonst keine weiteren Gründe“ (BFA, AS 57).

Der BF behauptete vor dem BVwG, dass er „2008“ strafrechtlich (!) verurteilt wurde, weil er die „BNP“ unterstützt habe. Er könne es sich auch nicht erklären, sein Vater wisse alles darüber, sein Vater sei ein Führer der BNP gewesen (feststellende Anmerkung: 2008 war die BNP bis zu den Wahlen am 28.12.2008 Regierungspartei).

Auch in der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA hat sich der BF ausschließlich auf politische Fluchtgründe gestützt.

Der BF hat erstmalig in der Verhandlung vor dem BVwG am 18.01.2021 als Fluchtgrund seine Homosexualität angegeben.

Festgestellt wird, dass der BF vor dem BFA eine vollkommen andere Fluchtgeschichte erzählte als vor dem BVwG.

Zu den angeblich politischen Fluchtgründen wird festgestellt, dass der BF anführte, er sei als Busfahrer von einer Gruppe von Anhängern der regierenden Awami League geschlagen worden, wenn er sie nicht gratis transportiert habe; man habe auch Geld von ihm verlangt.

Zu den angeblich homosexuellen Fluchtgründen wird festgestellt, dass der BF diese erst in der Verhandlung vor dem BVwG anführte. Der BF brachte keinen konkreten, die Flucht auslösenden Anlassfall in Bangladesch zur Sprache, sondern allgemein, dass er das Land verlassen habe, weil er homosexuell sei, weil es ein „familiäres Problem mit den Dorfbewohnern gäbe.“ Deshalb sei der BF geflüchtet. Der BF behauptet, er habe mit 14 Jahren, somit 1997, seinen ersten homosexuellen Kontakt zu seinem Cousin gehabt. Eine Tante hätte später den BF bei einem sexuellen Kontakt mit einem Feldarbeiter erwischt und habe sie es seiner Familie mitgeteilt; die Tante habe es auch weitererzählt und so habe es das ganze Dorf erfahren.

Festgestellt wird, dass der BF hinsichtlich der homosexuellen Szene in Bangladesch nur sehr spärliche Kenntnisse hat.

Es wird festgestellt, dass der BF von staatlichen Autoritäten oder Institutionen in Bangladesch nicht verfolgt wird. Der BF wird weder von Behörden noch von Privatpersonen gesucht.

Es wird festgestellt, dass der BF homosexuell ist.

Festgestellt wird, dass dem BF auf Grund seiner behaupteten sexuellen Orientierung im Fall der Rückkehr nach Bangladesch eine konkret gegen seine Person gerichtete Verfolgung droht.

II.1.2. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:

SOGI - Sexuelle Orientierung und Genderidentität

Homosexuelle Handlungen sind illegal und können nach § 377 des „Bangladesh Penal Code, 1860“ (BPC) mit lebenslangen Freiheitsentzug (ILGA 3.2019), mit einer Haftstrafe von bis zu zehn Jahren, inklusive der Möglichkeit einer Geldstrafe bestraft werden (ILGA 3.2019; vgl. AA 27.7.2019). Das Gesetz wird nicht aktiv angewandt. Gerichtsverfahren oder Verurteilungen von Homosexuellen sind nicht bekannt (ÖB 8.2019). Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft (Homosexuelle, Bisexuelle, Transgender und Intersex) berichteten, dass die Polizei das Gesetz als Vorwand benutzt, um LGBTI-Personen sowie feminine Männer, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, zu schikanieren (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 27.7.2019).

Homosexualität ist gesellschaftlich absolut verpönt und wird von den Betroffenen nicht offen gelebt. Wo Homosexuelle als solche erkannt werden, haben sie mit gesellschaftlicher Diskriminierung, in Einzelfällen auch mit Misshandlungen bis hin zum Mord zu rechnen (ÖB 8.2019; vgl. HRW 14.1.2020). Jedes Jahr wird über dutzende Angriffe auf Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft berichtet (FH 2020). Bei einem durch das Human Rights Forum Bangladesh (HRFB) eingereichten Bericht beim UN-Ausschuss gegen Folter vom 29.6.2019 wurden für den Zeitraum 2013 bis 2018 insgesamt 434 Beschwerden wegen schikanöser Behandlungen oder Misshandlungen angeführt. Davon betrafen 294 Fälle Angriffe gegen Angehörige sexueller Minderheiten (HRFB 22.6.2019).

Eine besondere Rolle kommt dem „dritten Geschlecht“ zu, den sogenannten „Hijras“, Eunuchen und Personen mit unterentwickelten oder missgebildeten Geschlechtsorganen. Diese Gruppe ist aufgrund einer langen Tradition auf dem indischen Subkontinent im Bewusstsein der Gesellschaft präsent und quasi etabliert. Dieser Umstand schützt sie jedoch nicht vor Übergriffen und massiver gesellschaftlicher Diskriminierung (AA 27.7.2019), auch wenn viele Hijras in klar definierten und organisierten Gemeinschaften leben, die sich seit Generationen erhalten haben. Obwohl sie eine anerkannte Rolle in der Gesellschaft Bangladeschs innehaben, bleiben sie trotzdem marginalisiert (DFAT 22.8.2019). Die Regierung verabsäumte es, den Schutz der Rechte von Hijras ordnungsgemäß durchzusetzen (HRW 14.1.2020).

LGBT-Organisationen, insbesondere für Lesben, sind selten (USDOS 11.3.2020). Es gibt keine NGO für sexuelle Orientierung und Geschlechteridentität in Bangladesch, dafür aber NGOs wie „Boys of Bangladesh“, die „Bhandu Social Welfare Society“ und online Gemeinschaften wie „Roopbaan“, das lesbische Netzwerk „Shambhab“ und „Vivid Rainbow“ (ILGA 3.2019).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 19.3.2020

DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade (22.8.2019): DFAT Country Information Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2016264/country-information-report-bangladesh.pdf, Zugriff 6.4.2020

FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 1.4.2020

HRFB - Human Rights Forum Bangladesh (22.6.2019): veröffentlicht von CAT – UN Committee Against Torture: Stakeholders' Submission to the United Nations Committee against Torture, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014744/INT_CAT_CSS_BGD_35310_E.docx, Zugriff 6.4.2020

ILGA – International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (3.2019): State Sponsored Homophobia 2019 (Autor: Mendos, Lucas Ramon), https://www.ecoi.net/en/file/local/2004824/ILGA_State_Sponsored_Homophobia_2019.pdf, Zugriff 6.4.2020

ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch

USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 26.3.2020

II.2. Beweiswürdigung:

II.2.1. Hinsichtlich der Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des BF sowie zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und seiner Muttersprache wird den bereits im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen des BFA gefolgt, an denen sich im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht keine Zweifel ergeben haben, zumal diese Feststellungen, die auf den im Verfahren vor dem BFA getätigten eigenen Angaben des BF gründen, im vorliegenden Beschwerdeschriftsatz auch nicht beanstandet wurden.

Die Identität des BF konnte – mangels Vorliegens geeigneter Identitätsnachweise – seitens des Bundesverwaltungsgerichtes nicht festgestellt werden und der im Spruch angeführte Name und das angeführte Geburtsdatum des BF dienen lediglich zur Identifizierung des BF als Verfahrenspartei. Auch das BFA bediente sich der im Spruch angegeben Daten lediglich zur Zuordnung des BF im Administrativverfahren und dies wurde in der Beschwerde ebenso nicht moniert.

Die Feststellungen zur Herkunft des BF (geboren und aufgewachsen in Bangladesch), seiner absolvierten Schulausbildung, seinem Familienstand und seinen in Bangladesch aufhältigen Familienangehörigen legte ebenso bereits das BFA dem angefochtenen Bescheid zu Grunde, diese decken sich mit dem vom BF im Verfahren mehrfach übereinstimmend getätigten Angaben und wurden im Beschwerdeschriftsatz nicht bestritten.

Bemerkt wird in diesem Zusammenhang, dass der BF vor dem BVwG ein deutlich schlechteres Erinnerungsvermögen hinsichtlich seiner Ehefrau und seinem Kind darlegte, als er es offensichtlich in der Erstbefragung und bei der Einvernahme vor dem BFA zeigte. Das BVwG geht davon aus, dass dies im Zusammenhang mit dem erstmalig genannten Fluchtgrund der Homosexualität zusammenhängt, insbesondere auch wegen der demonstrativ und sprachlich zur Schau getragenen Abwertung und Interessenslosigkeit gegenüber seiner Ehefrau und seinem Kind.

Die im Oktober 2015 erfolgte illegale Einreise des BF ist aktenkundig. Dass der BF in die staatliche Grundversorgung einbezogen und er strafrechtlich unbescholten ist, geht aus einer Einsichtnahme in die österreichischen amtlichen Register (Grundversorgungs-Informationssystem, Fremdeninformationssystem, Zentrales Melderegister, Strafregister) hervor.

Dass der BF in Österreich Mitglied in einem Verein ist ergab sich erst vor dem BVwG.

Dass der BF über private Anknüpfungspunkte in Österreich verfügt, war seinen diesbezüglich getätigten Angaben erst in der Beschwerdeverhandlung zu entnehmen; allerdings ist dieser private Anknüpfungspunkt keine gesicherte Beziehung, sondern sexuelle Freundschaft.

Auch dem Beschwerdeschriftsatz lassen sich keine darüber hinausgehenden substantiierten Ausführungen dahingehend entnehmen; er beschränkt sich auf das Vorbringen, dass der BF bemüht sei, sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren und er viele Freunde habe. Ebenso wurden im Laufe des Verfahrens erst direkt in der Verhandlung vor dem BVwG Unterlagen vorgelegt, aus denen homosexuelle Kontakte in Österreich hervorgehen. Dass der BF am sozialen bzw. kulturellen Leben in Österreich teilnimmt – ausgenommen seine Mitgliedschaft beim XXXX - , konnte mangels diesbezüglicher Angaben des BF bzw. der Vorlage von entsprechenden Unterlagen jedenfalls nicht festgestellt werden.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF gründen ebenso auf dessen eigenen Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht. Im Laufe des Verfahrens wurden auch keine ärztlichen Unterlagen vorgelegt, die gesundheitliche Beeinträchtigungen des BF nachweisen würden.

II.2.2. Dem Fluchtvorbringen des BF, in Bangladesch politisch verfolgt worden zu sein, nämlich, als Busfahrer von AL-Mitgliedern misshandelt worden zu sein, sprach bereits das BFA die Glaubhaftigkeit ab.

Hingegen ist festzustellen, dass die nunmehrigen Erfahrungen des BF im Bereich der Homosexualität zu Schwierigkeiten bei einer allfälligen Rückkehr nach Bangladesch bewirken könnten.

II.2.2.1. Der BF behauptete bei der Erstbefragung, dass er wegen der Mitgliedschaft zur BNP von Mitgliedern der regierenden AL wegen seiner Parteizugehörigkeit geschlagen und mit dem Tod bedroht worden zu sein. Bei der Einvernahme vor dem BFA verneinte er mehrmals von sich aus eine Mitgliedschaft in der BNP. Auch vor dem BVwG hat der BF nicht behauptet, dass er Mitglied der BNP war.

Bei der Einvernahme vor dem BFA behauptete er im Widerspruch zu seinen Angaben in der Erstbefragung, dass Mitglieder der AL den BF bei seiner Arbeit als Busfahrer mehrmals mit dem Bus angehalten und von ihm verlangt hätten, unentgeltlich mit dem Bus zu einer Veranstaltung der AL gebracht zu werden. Wenn er dies verweigert hätte, sei er von AL Mitgliedern geohrfeigt und am Boden liegend getreten worden. Die Leute der AL seien auch einmal zum BF nachhause gekommen und hätten seinen Vater und ihn bedroht, er selbst sei aber gar nicht zuhause gewesen. Der BF behauptete, wenn die AL Leute ihn zuhause angetroffen hätten, wäre er von diesen umgebracht worden. Auf die Frage, warum man ihn umgebracht hätte, gab er als Grund an, dass er bei den Anhaltungen seines Busses zweimal an der Handfläche mit einem Messer verletzt worden wäre.

Der Aufforderung, die Bedrohungen zu konkretisieren bzw. sein Vorbringen zu substituieren, kam er nicht nach.

Zur ersten Bedrohung gab der BF vage an, dass diese vor ca. vier bis fünf Jahren stattgefunden habe. Die Person, die den BF geschlagen hätte, wäre nach Saudi-Arabien „gegangen“.

Die vom BF geltend gemachten bzw. befürchteten Übergriffe durch Private können die Gewährung des Status eines Asylberechtigten nicht begründen. Verfolgung iSd AsylG 2005 muss entweder von staatlichen Stellen ausgehen oder der betreffende Staat muss nicht in der Lage oder nicht gewillt sein, die von anderen Stellen ausgehenden Verfolgungen hintanzuhalten. Dass die staatlichen Behörden des Heimatlandes des BF nicht in der Lage und nicht gewillt gewesen wären, ihm Schutz vor Verfolgung zu gewähren, ist seinem Vorbringen nicht zu entnehmen.

Aber auch vor dem BVwG blieb der BF bezüglich seiner behaupteten Verfolgung aus politischen Gründen vage, unklar und letztlich unglaubwürdig. Er sei „2008“ strafrechtlich verurteilt worden, weil er Unterstützer der BNP gewesen sei (welche damals an der Macht war). Eine weitergehende Erklärung brachte der BF jedoch diesbezüglich nicht zustande und widersprach er sich komplett mit den Ausführungen vor dem BFA.

Beweismittel für sein Vorbringen, seine Person oder seine politischen Fluchtgründe betreffend, hat der BF nicht in Vorlage gebracht.

II.2.2.2. Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen vermochte der BF im Ergebnis daher nicht glaubhaft darzulegen, dass die von ihm vorgebrachten politischen Auseinandersetzungen mit Anhängern der AL tatsächlich stattgefunden haben und der BF einer unmittelbaren politischen Verfolgungsgefährdung durch diese ausgesetzt gewesen ist. Abgesehen davon und ungeachtet der Frage, ob der BF überhaupt Mitglied der BNP gewesen ist, wozu nichts hindeutet, gilt es in diesem Zusammenhang auch auf die Ausführungen unter Punkt II.3.1.1. der rechtlichen Beurteilung zur Asylrelevanz betreffend politisch motivierte Übergriffe von Sympathisanten und Parteigängern bzw. politischen Gruppierungen zu verweisen. An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass auch auf Grundlage der getroffenen Länderfeststellungen in Bangladesch nicht von einer generellen Schutzunfähigkeit des Staates oder einer flächendeckenden Inhaftierung oder Benachteiligung von Sympathisanten der BNP-Partei (lediglich aufgrund ihrer politischen Gesinnung) auszugehen ist.

Dem BF ist es nicht gelungen, ein fundiertes und substantiiertes Vorbringen rund um seine politischen und sexuellen Fluchtgründe im Herkunftsland darzulegen. Er hat – bezogen auf die politischen Gründe - vor dem BFA und vor dem Bundesverwaltungsgericht ein vages, abstraktes, unglaubhaftes und widersprüchliches Vorbringen dargelegt. Das darüber hinaus vorgebrachte sexuelle Fluchtvorbringen vor dem BVwG war, soweit es sich auf das Geschehen in Bangladesch bezog, ebenso unglaubwürdig und widersprüchlich.

In der Beweiswürdigung muss vorweg festgestellt werden, dass der BF sich selbst bei einfachen Fragen in Widersprüche verfing; dies begann schon damit, dass der BF in der Verhandlung vor dem BVwG angab, dass er nur eine Voter-ID sowie einen Reisepass hatte, aber sonst „sicher“ keine anderen Ausweise. Hinsichtlich eines Führerscheines – immerhin behauptete der BF, er sei früher „Schaffner“, dann „Busfahrer“ (40 Sitze) gewesen - musste der BF zugeben, dass er diesen Beruf ohne Führerschein ausübte bzw. diesen erst später erlangte.

Massiv erschüttert hat der BF aber seine Glaubwürdigkeit, indem er vor dem BVwG zuerst versuchte seine Ehefrau und sein Kind zu verschweigen, als er nach seiner Familie gefragt wurde.

Darüber hinaus hat der BF dadurch, dass er nach eigenen Aussagen seiner späteren Ehefrau gegenüber vor der Hochzeit nicht mitteilte, dass er homosexuell sei, zugegeben, dass er selbst ihm nahestehenden Menschen gegenüber die Wahrheit zu verheimlichen sucht. Der BF hatte auch nicht den Mut und die Konsequenz, sich wegen seiner nunmehr behaupteten Homosexualität gegen eine Hochzeit mit einer Frau zu wehren und sich diesbezüglich gegenüber seinen Vater durchzusetzen. Dass – nach den bloßen Behauptungen des BF - die Ehefrau den BF vergewaltigt habe, damit er ein Kind zeuge, ergänzt das Bild über den BF.

Besonders negativ für die Glaubwürdigkeit des BF ist aber auch das Vorbringen von zwei gänzlich verschiedenen Fluchtgeschichten vor dem BFA und dem BVwG. Vor dem BFA brachte der BF ausschließlich politisch motivierte Fluchtgründe vor; diese behielt er auch noch in seiner Beschwerde aufrecht. Erst vor dem BVwG brachte der BF plötzlich homosexuelle Gründe vor.

Der Fluchtgrund der Homosexualität wurde vom BF weder vor dem BFA noch in der Beschwerde vorgebracht, obwohl er in weiterer Folge angab, dass dieser Fluchtgrund schon seinerzeit bestand, als der BF noch in Bangladesch lebte.

Der BF hat jedoch nicht vorgebracht, dass bezüglich des Fluchtgrundes „Homosexualität“ das Verfahren vor dem BFA mangelhaft war.

Dem – rechtsfreundlich vertretenen - BF waren zu dem Fluchtgrund „Homosexualität“ die von ihm behaupteten Tatsachen und Beweismittel bereits vor der Entscheidung des Bundesamtes zugänglich.

Der BF wäre in der Lage gewesen, dieses Fluchtvorbringen bereits vor dem BFA oder zumindest in der Beschwerde vorzubringen.

Da der BF es jedoch unterlassen hat, das Fluchtvorbringen zu seiner „Homosexualität“ im Verfahren vor dem BFA vorzubringen, war diesem Vorbringen nunmehr im Rechtsmittelverfahren wenig Glaubwürdigkeit zuzumessen, soweit es sich dabei um eine (bereits erfolgte, seinerzeitige) Verfolgung in Bangladesch drehte.

Der BF hat auch inhaltlich dazu Unglaubwürdiges vorgebracht. Er habe als 14 Jähriger (widersprüchlich dazu „im 13. oder 14. Lebensjahr“) erste homosexuelle Kontakte zu seinem Cousin gehabt.

Er sei später von einer Tante beim Sex mit einem Feldarbeiter erwischt worden und habe diese es der Familie des BF sowie anderen Personen im Dorf weitererzählt. Weitergehende Reaktionen auf die Wahrnehmung seiner Homosexualität, eigene Erfahrungen, seinen Umgang damit, blieb der BF schuldig zu schildern. In Anbetracht der langen Zeit der zurückliegenden Geschichte erscheint auch eine „Verfolgung“ (als fluchtauslösendes Momentum) im Rahmen der Dorfgemeinschaft mehr als unglaubwürdig.

Der BF habe insgesamt in Bangladesch fünf Männer als Sexualpartner gehabt, auch während seiner Ehe. Da, wie den Schilderungen des BF zu entnehmen ist, auch seine Ehefrau aus dem gleichen Dorf stammt wie er (BVwG S 8), und diese nichts von der Homosexualität des BF wusste (BVwG S 16) ist es schlichtweg unglaubwürdig, dass eine Hochzeit erfolgte, nachdem schon „das ganze Dorf“ von der angeblichen Homosexualität des BF durch die Erzählungen seiner Tante erfahren habe (vgl. BVwG S 20).

Allein mit diesen widersprüchlichen Angaben wird deutlich, dass der BF kein homogenes Vorbringen erstattete, soweit es eine Fluchtgeschichte aus Gründen der Homosexualität betrifft. Darüber hinaus kennt der BF – trotz der Angaben in den Länderinformationen – nicht die homosexuelle Szene in Bangladesch, insbesondere ist ihm nicht bekannt, dass es Internet-Plattformen gibt, dass es Vereine und Clubs gibt, die von homosexuellen Männern bevorzugt werden und sind ihm auch allfällige strafrechtliche Bestimmungen nicht bekannt, wie sich aus der Beantwortung einer Frage durch den Rechtsanwalt des BF ergab. Es ist zwar richtig, dass es homosexuellen Männern in Bangladesch bei weitem nicht so leicht möglich gemacht wird, ihre Sexualität auszuleben, aber dem BF sind die Rahmenbedingungen dazu, insbesondere in den großen Städten, nicht bekannt. Dies lässt vermuten, dass sich der BF während seiner Anwesenheit in Bangladesch tatsächlich nicht mit dieser Thematik auseinandergesetzt hat, was aber zu erwarten wäre, wenn er damals homosexuellen Umgang bevorzugt hätte. Zwar versuchte der Anwalt des BF in der abschließenden Stellungnahme nochmals auf die Problematik für homosexuelle Männer in Bangladesch zu verweisen, ohne jedoch einen konkreten Bezug auf die Person des BF herzustellen.

Es muss aber auch konstatiert werden, dass der BF offensichtlich den Umgang zu einem homosexuellen Kreis in Österreich gefunden hat und Kontakt zu einem homosexuellen Österreicher hatte. Dies ergibt sich aus den vorgelegten Bestätigungen; die vorgelegten Fotografien sind diesbezüglich jedoch nicht heranziehbar, zeigen sie doch zum einen unverfängliche Situationen mit anderen Männern bzw sind die Fotos mit homosexuellem Inhalt, lediglich als Torsi bzw mit teils weggedrehtem Kopf abgelichtet, nicht eindeutig identifizierbar.

II.2.2.3. Im Ergebnis ist dem BF hinsichtlich seines Fluchtvorbringens bereits auf Grund der oben aufgezeigten Gründe die Glaubwürdigkeit abzusprechen. In einer Gesamtschau der Ausführungen des BF zu seinen Fluchtgründen vermittelte dieser letztlich den Eindruck, eine individuelle Verfolgungsgefährdung seiner Person auf Grundlage des in Bangladesch vorherrschenden Spannungsverhältnisses der beiden Parteien bzw. einer Ablehnung homosexueller Personen innerhalb einer Dorfgemeinschaft lediglich konstruieren zu wollen. Diese Beurteilung konnte allein auf Grund der vom BF vor dem BFA bzw. dem Bundesverwaltungsgericht getätigten (wenig substantiierten und teilweise widersprüchlichen bzw. nicht plausiblen Angaben) im Rahmen der freien Beweiswürdigung vorgenommen werden.

Auf Grund der in Österreich offensichtlich gelebten Homosexualität ist jedoch folgendes zu berücksichtigen:

Laut den aktuellen Länderfeststellungen (Stand Juni 2021) wird § 377 Strafgesetzbuch von Bangladesch zwar nicht aktiv angewandt, es aber als Vorwand benutzt, um LGBTI-Personen zu schikanieren. Ein offenes Bekenntnis zur Homosexualität ist in Bangladesch gesellschaftlich unmöglich und führt einerseits zur Ausgrenzung durch die dortige Gesellschaft und gesellschaftlichen Diskriminierungen. Jedes Jahr wird über dutzende Angriffe auf Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft berichtet. Dem BF, welcher Diskriminierungshandlungen im Falle seiner Rückkehr erwartet, droht daher in Bangladesch aufgrund seiner sexuellen Orientierung eine konkret gegen seine Person gerichtete Verfolgung.

II.2.3. Die getroffenen Feststellungen zum Herkunftsstaat stützen sich auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangladesch und die darin angeführten Quellen. Das Länderinformationsblatt zu Bangladesch wurde dem Rechtsvertreter des BF vor Durchführung der mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gebracht. In den angeführten Länderfeststellungen wird eine Vielzahl von Berichten verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen zusammengefasst, die ein ausgewogenes Bild betreffend die allgemeine Situation in Bangladesch zeigen. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, zumal die Länderinformationen seitens des vertretenen BF unbestritten geblieben sind.

Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich die Umstände unter Berücksichtigung der vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation bisher nicht (wesentlich) geändert haben.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Gemäß § 9 Abs. 2 FPG und § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA. Somit ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

II.3.1. Zu A) I.:

II.3.1.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates oder wegen Schutzes in einem EWR-Staat oder in der Schweiz zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist).

Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Ausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) – deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben – ist ein Flüchtling, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.“

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist somit die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.).

Verlangt wird eine „Verfolgungsgefahr“, wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Die Voraussetzung der „wohlbegründeten Furcht“ vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).

Die „Glaubhaftmachung“ wohlbegründeter Furcht gemäß § 3 AsylG 2005 setzt positiv getroffene Feststellungen von Seiten der Behörde und somit die Glaubhaftigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.06.1997, 95/01/0627). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Entscheidungsgrundlage dar. Dabei genügen aber nicht bloße Behauptungen, sondern bedarf es, um eine Anerkennung als Flüchtling zu erwirken, hierfür einer entsprechenden Glaubhaftmachung durch den Asylwerber (vgl. VwGH 04.11.1992, 92/01/0560).

Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252). Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel am Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen.

So entspricht es der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes bzw. Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens – niederschriftlichen Einvernahmen – unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen, oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, 95/20/0650; vgl. auch Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2004/83/EG – StatusRL, ABl. L Nr. 304, 12, sowie Putzer, Leitfaden Asylrecht2, [2011], Rz 31). Allgemein gehaltene Behauptungen reichen jedenfalls für eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl. VwGH 17.10.2007, 2006/07/0007).

Grundsätzlich obliegt es dem Asylwerber, alles Zweckdienliche, insbesondere seine wahre Bedrohungssituation in dem seiner Auffassung nach auf ihn zutreffenden Herkunftsstaat, für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (Vgl. VwGH 31.05.2001, 2001/20/0041; VwGH 23.07.1999, 98/20/0464). Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 28 AsylG 1997 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. VwGH 14.12.2000, 2000/20/0494; VwGH 06.10.1999, 98/01/0311; VwGH 14.10.1998, 98/01/0222). Die Ermittlungspflicht der Behörde geht auch nicht soweit, den Asylwerber zu erfolgversprechenden Argumenten und Vorbringen anzuleiten (vgl. VwGH 21.09.2000, 98/20/0361; VwGH 04.05.2000, 99/20/0599).

Wie der Beweiswürdigung (vgl. II.2.2.) zu entnehmen ist, ist es dem BF mit seinem Vorbringen nicht gelungen, eine in seinem Herkunftsstaat bestehende konkrete Verfolgungssituation aus politischen oder sexuellen Gründen für seine Person glaubhaft zu machen.

Auch wenn dem Vorbringen des BF, in Bangladesch einer Verfolgung die Glaubhaftigkeit abgesprochen wurde, ist der Vollständigkeit halber – wie oben bereits ausgeführt – dennoch darauf hinzuweisen, dass auf Grundlage der getroffenen Länderfeststellungen – auch wenn das politische und rechtsstaatliche System Bangladeschs nicht mitteleuropäischen Standards entspricht – in Bangladesch nicht von einer generellen Schutzunfähigkeit des Staates oder einer flächendeckenden Inhaftierung oder Benachteiligung von Sympathisanten der BNP (lediglich aufgrund ihrer politischen Gesinnung) auszugehen ist.

Darüber hinaus stellen politisch motivierte Übergriffe von Sympathisanten und Parteigängern bzw. politischen Gruppierungen im Hinblick auf die zitierte Judikatur keine staatliche Verfolgung oder eine in Bangladesch staatlich geduldete bzw. nicht mit Sanktionen verbundene Vorgangsweise dar (vgl. dazu erneut die seitens des BF nicht ausreichend bestrittenen Länderfeststellungen).

Im gesamten Verfahren ergaben sich auch keine Hinweise auf eine begründete Verfolgung des BF aus politischen oder (vergangenen, heimlichen) homosexuellen früheren Ereignissen.

Da sohin keine Umstände vorliegen, wonach es ausreichend wahrscheinlich wäre, dass der BF in seiner Heimat wegen früherer Ereignisse in asylrelevanter Weise bedroht wäre, ist die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten durch das BFA nicht zu beanstanden.

II.3.2.1. Zur Beschwerde und Aufhebung von Spruchpunkt II bis IV. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Dem BF, der keinen asylrelevanten Fluchtgrund in glaubwürdiger Weise darlegen konnte, war somit kein Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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