TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/17 G309 2229198-1

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Veröffentlicht am 17.09.2021
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Entscheidungsdatum

17.09.2021

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


G309 2229198-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER als Vorsitzenden, sowie die Richterin Mag. Beatrix LEHNER und den fachkundigen Laienrichter Gerald BRANDSTÄTTER als Beisitzer, in der Beschwerdesache des XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark vom 17.02.2020, OB: XXXX , betreffend der Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass nicht vorliegen, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 29.10.2019 via der zentralen Poststelle beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass ein. Dazu brachte der BF verschiedene medizinische Beweismittel (Befunde etc.) in Vorlage.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde zur Überprüfung der im Antrag gemachten Angaben ein Sachverständigengutachten auf Grund einer persönlichen Untersuchung durch einen Facharzt für Orthopädie eingeholt.

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 17.02.2020 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen und diese Entscheidung im Wesentlichen auf das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten gestützt.

4. Mit Schreiben vom 24.02.2020 erhob der BF binnen offener Frist gegen den Bescheid der belangten Behörde Beschwerde.

5. Seitens des erkennenden Gerichtes wurde die Amtssachverständige XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, mit der Begutachtung und Erstattung eines Gutachtens beauftragt.

6. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichtes im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG mit Schreiben vom 22.07.2021 zur Kenntnis gebracht und den Parteien die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern.

7. Der BF brachte am 06.08.2021 eine Stellungnahme ein, und führte zusammengefasst aus, dass er um den Parkausweis angesucht habe, da nicht nur er, sondern auch seine Frau ebenfalls erheblich behindert sei, er auf dem Land wohne, und auch Einkaufstüten udgl. zu schleppen wären. Seine Frau und er würden am Land wohnen, der Weg mit den öffentlichen Verkehrsmitteln würde fünf Stunden betragen, mit dem Auto nur eine Stunde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 60 (sechzig) von Hundert.

Der BF leidet an einer mittelgradigen Bewegungseinschränkung am linken Knie bei künstlichem Kniegelenk links, bei altersentsprechender Beweglichkeit, am Kniegelenk rechts nach künstlichem Kniegelenk 2013, einer degenerativen Gelenksveränderung an beiden Sprunggelenken bei altersentsprechender Beweglichkeit, Achillessehnenriss links operativ versorgt und ausgeheilt, Plattfuß beidseitig, Zehenamputation 3. Zehe rechts, einer mittelgradigen Bewegungseinschränkung an der linken Schulter bei inverser Schulterprothese 2/2019, bei degenerativer Veränderung an der linken Schulter nach septischer Arthritis 2005 und daraus ergebenden mehrfachen Folgeoperationen. Der BF leidet an Verätzung des rechten Fußes, Hautdeckung, nicht insulinpflichtigem Diabetes mellitus, hochgradigem Übergewicht, Beinvenenthrombose links, bei Kompressionsstrumpfversorgung, und ausgeheilter Hepatitis A.

Eine erhebliche Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten oder der körperlichen Belastbarkeit oder erhebliche psychische, neurologische oder intellektuelle Einschränkungen, eine schwere anhaltende Immunerkrankung bzw. eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit konnte nicht festgestellt werden.

Das selbständige Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen ohne fremde Hilfe und der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter den üblichen Bedingungen sind dem BF möglich und zumutbar.

Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung nicht zumutbar“ in den Behindertenpass liegen nicht vor.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt den vorgelegten Verwaltungsakten und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Das seitens des erkennenden Gerichtes eingeholte medizinische Sachverständigengutachten von XXXX vom 10.07.2021 ist schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen sowie zu deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Stellung genommen. Die getroffenen Einschätzungen basieren auf den erhobenen Befund und entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen. Das eingeholte Gutachten von XXXX kommt im Wesentlichen zu den gleichen Ergebnissen wie das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten des XXXX , Facharzt für Orthopädie.

In der Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme wurde seitens des BF nicht substantiiert aufgezeigt, welche gesundheitliche Einschränkung die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ergeben würden. Wie in der rechtlichen Beurteilung noch ausgeführt wird, kommt es bei der Beurteilung der Rechtsfrage, wann die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vorliegt, entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel an. Weitere Lebensumstände, z.B. ob öffentliche Verkehrsmittel überhaupt verkehren, oder wie weit die nächste Haltestelle für ein öffentliches Verkehrsmittel von der Wohnstätte entfernt liegt, können dabei nicht miteinbezogen werden.

Die eingeholten Sachverständigengutachten werden in freier Beweiswürdigung der Entscheidung des Gerichtes zu Grunde gelegt. Eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit ist nicht gegeben. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke ist mit entsprechendem Schuhwerk möglich, Niveauunterschiede sind bewältigbar und der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel ist unter üblichen Bedingungen möglich.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 BBG genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 BBG anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG) geregelt (§ 1 VwGVG).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt wird, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art. 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen. Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.04.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.06.1993).

Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt und ist durch seine „technische“ Natur – also medizinisches Fachwissen – gekennzeichnet. Da der Sachverhalt auch aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen, zu Mal auch keine Verfahrenspartei eine Verhandlung beantragte.

3.2. Zu Spruchteil A):

Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 42 Abs. 1 BBG zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderungen in den Voraussetzungen zu erwarten sind. Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird.

Gemäß § 1 Abs. 4 Z. 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung“ regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden (vgl. etwa VwGH 18.12.2006, Zl. 2006/11/0211; VwGH 20.04.2004, Zl. 2003/11/0078 ua.).

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche sowie bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, Zl. 2007/11/0080).

Gemäß § 29b Abs. 1 StVO (Straßenverkehrsordnung 1960) ist Inhabern und Inhaberinnen eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz, die über die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ verfügen, als Nachweis über die Berechtigungen nach Abs. 2 bis 4 auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Ausweis auszufolgen.

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).

Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:

Dem Gutachten der medizinischen Amtssachverständigen folgend, bewirken die Gesundheitsschädigungen des BF nachvollziehbar eine Einschränkung der Mobilität, jedoch nicht in einem erheblichen Ausmaß. Kürzere Wegstrecken können bewältigt werden, das Aus- und Einsteigen in öffentliche Verkehrsmittel ist möglich und die körperliche Belastbarkeit ist nicht in einem Maße eingeschränkt, dass die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel wesentlich erschwert oder unmöglich wäre. Auch ist das Vorliegen einer schweren anhaltenden Erkrankung des Immunsystems, erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit zu verneinen.

In seiner Stellungnahme vermochte der BF keine Einwände vorzubringen, welche den Schluss nahegelegt hätten, dass die Aussagen der ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind. Das Vorbringen bezog sich vielmehr auf den Umstand, dass die Gattin des BF ebenfalls eine erhebliche Behinderung aufweist und im ländlichen Bereich öffentliche Verkehrsmittel weit entfernt sind. Es kommt jedoch entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, wie etwa die Entfernung zwischen der Wohnung des BF und der nächstgelegenen Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel (vgl. VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258; VwGH 27.05.2014, Zl. 2014/11/0030).

Somit können die vom BF vorgebrachten Umstände, wie etwa die Wegstrecke zu den nächsten Haltestellen der öffentlichen Verkehrsmittel im ländlichen Bereich oder die sich die daraus ergebende Fahrzeitverlängerung, oder auch der notwendige Transport von Taschen beim Einkauf, nicht berücksichtigt werden.

Genauso verhält es sich mit den Einwendungen des BF, welche den Gesundheitszustand seiner Gattin betreffen. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist der Gesundheitszustand des BF, es ist seiner Gattin – soferne sie über einen Behindertenpass verfügt - unbenommen, selbst einen Antrag auf die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass zu stellen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde abzuweisen.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G309.2229198.1.00

Im RIS seit

12.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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