TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/24 W113 2201005-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.09.2021
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Entscheidungsdatum

24.09.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W113 2201005-1/15E

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 31.08.2021 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Katharina DAVID über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsbürger der Islamischen Republik Afghanistan, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.06.2018, Zahl 1091961500/151600114, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

1. Dem Beschwerdeführer wird der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

2. Die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheids werden ersatzlos behoben.

3. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet stellte der Beschwerdeführer am 22.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei seiner Erstbefragung gab er an, dass sein Vater und sein älterer Bruder in Afghanistan als Mechaniker gearbeitet hätten. Die Taliban hätten eine Zusammenarbeit von ihnen verlangt, sie hätten sich jedoch geweigert, weshalb sie umgebracht worden seien. Der Beschwerdeführer habe auch nicht mit ihnen zusammenarbeiten wollen, deshalb habe er sein Land verlassen.

2. Bei den Befragungen durch die belangte Behörde gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er nach dem Tod von Vater, Mutter und Bruder keinen Platz mehr in Afghanistan gehabt habe. Er wollte nicht lügen und angeben, dass er persönlich bedroht worden sei oder man ihn habe töten wollen.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf Internationalen Schutz bezüglich Asyl (Spruchpunkt I.) und subsidiären Schutz (Spruchpunkt II.) ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Für die freiwillige Ausreise wurde eine Frist von 14 Tagen gewährt (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus: Den Angaben des Beschwerdeführers, wonach er nach dem Tod seiner Eltern ein besseres Leben für sich und seine Familie gewünscht habe, werde Glauben geschenkt, sie würden jedoch keine Asylrelevanz aufweisen. Eine Rückkehr bzw. Wiederansiedelung in Kabul oder Herat sei möglich und zumutbar.

4. In der dagegen erhobenen Beschwerde wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer auf Grund seines Aufenthalts in Europa in Afghanistan als verwestlichter Rückkehrer wahrgenommen würde, die staatlichen Stellen nicht in der Lage wären, ihn vor Verfolgung durch die Taliban zu schützen, zuletzt wird unter Rückgriff auf verschiedene zitierte Quellen auf die prekäre Sicherheitslage hingewiesen und eine IFA ausgeschlossen.

5. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

6. Mit Schreiben vom 12.09.2018 wurden die damals aktuellen UNHCR-Richtlinien Afghanistan und eine fachärztliche Stellungnahme vom 15.01.2018 vorgelegt.

7. Mit Schreiben vom 23.08.2021 wurde der Fluchtgrund der Apostasie ergänzt und auf die aktuelle Sicherheitslage in Afghanistan verwiesen.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 31.08.2021 eine mündliche Verhandlung durch, im Zuge dessen der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt wurde. Nach Schluss des Beweisverfahrens wurden ihm mittels mündlicher Verkündung der Status des subsidiär Schutzberechtigten und eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer hat den im Rubrum genannten Namen und das dort genannte Geburtsdatum. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, seine Muttersprache ist Dari. Der Beschwerdeführer wurde in Mazar-e Sharif in Afghanistan geboren und ist dort aufgewachsen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer war in Afghanistan keiner Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung ausgesetzt und droht ihm im Falle einer Rückkehr auch keine Verfolgung aus diesen Gründen.

Der Beschwerdeführer besitzt nicht die innere Überzeugung, als Christ leben zu wollen. Die Konversion hat seine Persönlichkeit nicht wesentlich verändert. Er ist zwar am Weg zum Christentum zu konvertieren, aber noch weit davon entfernt, den christlichen Glauben als wesentlichen Bestandteil seiner Identität zu leben. Er tritt nicht spezifisch gegen den Islam oder gar religionsfeindlich auf. Er steht dem Islam nach wie vor gleichgültig gegenüber.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan wird der Beschwerdeführer seinem derzeitigen Interesse für den christlichen Glauben nicht mehr in einer solchen Weise nachkommen, dass er dieses Interesse nach außen zur Schau tragen würde. In Afghanistan hat niemand Kenntnis vom derzeitigen Interesse des Beschwerdeführers am Christentum in Österreich.

1.3. Zur Situation im Herkunftsstaat

Kurzinformation der Staatendokumentation

Aktuelle Entwicklungen und Informationen in Afghanistan

Stand: 20.8.2021

Aktuelle Lage

Die Spitzenpolitiker der Taliban sind aus Katar, wo viele von ihnen im Exil lebten, nach Afghanistan zurückgekehrt. Frauen werden Rechte gemäß der Scharia [islamisches Recht] genießen, so der Sprecher der Taliban. Nach Angaben des Weißen Hauses haben die Taliban versprochen, dass Zivilisten sicher zum Flughafen von Kabul reisen können. Berichten zufolge wurden Afghanen auf dem Weg dorthin von Taliban-Wachen verprügelt. Lokalen Berichten zufolge sind die Straßen von Kabul ruhig. Die Militanten sind in der ganzen Stadt unterwegs und besetzen Kontrollpunkte (bbc.com o.D.a).

Die internationalen Evakuierungsmissionen von Ausländerinnen und Ausländern sowie Ortskräften aus Afghanistan gehen weiter, immer wieder gibt es dabei Probleme. Die Angaben darüber, wie viele Menschen bereits in Sicherheit gebracht werden konnten, gehen auseinander, die Rede ist von 2.000 bis 4.000, hauptsächlich ausländisches Botschaftspersonal. Es mehren sich aktuell Zweifel, dass auch der Großteil der Ortskräfte aus dem Land gebracht werden kann. Bei Protesten gegen die Taliban in Jalalabad wurden unterdessen laut Augenzeugen drei Menschen getötet (orf.at o.D.a).

Jalalabad wurde kampflos von den Taliban eingenommen. Mit ihrer Einnahme sicherte sich die Gruppe wichtige Verbindungsstraßen zwischen Afghanistan und Pakistan. Am Mittwoch (18.8.2021) wurden jedoch Menschen in der Gegend dabei gefilmt, wie sie zur Unterstützung der alten afghanischen Flagge marschierten, bevor Berichten zufolge in der Nähe Schüsse abgefeuert wurden, um die Menschenmenge zu zerstreuen. Das von den Taliban neu ausgerufene Islamische Emirat Afghanistan hat bisher eine weiße Flagge mit einer schwarzen Schahada (Glaubensbekenntnis) verwendet. Die schwarz-rot-grüne Trikolore, die heute von den Demonstranten verwendet wurde, gilt als Symbol für die abgesetzte Regierung. Der Sprecher der Taliban erklärte, dass derzeit Gespräche über die künftige Nationalflagge geführt werden, wobei eine Entscheidung von der neuen Regierung getroffen werden soll (bbc.com o.D.b).

Während auf dem Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul weiter der Ausnahmezustand herrscht, hat es bei einer Kundgebung in einer Provinzhauptstadt erneut Tote gegeben. In der Stadt Asadabad in der Provinz Kunar wurden nach Angaben eines Augenzeugen mehrere Teilnehmer einer Kundgebung zum afghanischen Nationalfeiertag getötet. Widerstand bildete sich auch im Panjshirtal, eine Hochburg der Tadschiken nordöstlich von Kabul. In der „Washington Post“ forderte ihr Anführer Ahmad Massoud, Chef der Nationalen Widerstandsfront Afghanistans, Waffen für den Kampf gegen die Taliban. Er wolle den Kampf für eine freiheitliche Gesellschaft fortsetzen (orf.at o.D.c).

Einem Geheimdienstbericht für die UN zufolge verstärken die Taliban die Suche nach "Kollaborateuren". In mehreren Städten kam es zu weiteren Anti-Taliban-Protesten. Nach Angaben eines Taliban-Beamten wurden seit Sonntag mindestens 12 Menschen auf dem Flughafen von Kabul getötet. Westliche Länder evakuieren weiterhin Staatsangehörige und Afghanen, die für sie arbeiten. Der IWF erklärt, dass Afghanistan keinen Zugang mehr zu seinen Geldern haben wird (bbc.com o.D.d).

Vor den Taliban in Afghanistan flüchtende Menschen sind in wachsender medizinischer Not. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berichtete, dass in Kliniken in Kabul und anderen afghanischen Städten immer mehr Fälle von Durchfallerkrankungen, Mangelernährung, Bluthochdruck und Corona-Symptomen aufträten. Dazu kämen vermehrt Schwangerschaftskomplikationen. Die WHO habe zwei mobile Gesundheitsteams bereitgestellt, aber der Einsatz müsse wegen der Sicherheitslage immer wieder unterbrochen werden (zdf.de 18.8.2021).

Priorität für die VN hat derzeit, dass die UNAMA-Mission in Kabul bleibe. Derzeit befindet sich ein Teil des VN-Personals am Flughafen, um einen anderen Standort (unklar ob in AF) aufzusuchen und von dort die Tätigkeit fortzuführen. Oberste Priorität der VN sei es die Präsenz im Land sicherzustellen. Zwecks Sicherstellung der humanitären Hilfe werde auch mit den Taliban verhandelt (? Anerkennung). Ein Schlüsselelement dabei ist die VN-SR Verlängerung des UNAMA-Mandats am 17. September 2021 (VN 18.8.2021).

Exkurs:

Die Anführer der Taliban

Mit der Eroberung Kabuls haben die Taliban 20 Jahre nach ihrem Sturz wieder die Macht in Afghanistan übernommen. Dass sie sich in ersten öffentlichen Statements gemäßigter zeigen, wird von internationalen Beobachtern mit viel Skepsis beurteilt. Grund dafür ist unter anderem auch, dass an der Spitze der Miliz vor allem jene Männer stehen, die in den vergangenen Jahrzehnten für Terrorangriffe und Gräueltaten im Namen des Islam verantwortlich gemacht werden. Geheimdienstkreisen zufolge führen die Taliban derzeit Gespräche, wie ihre Regierung aussehen wird, welchen Namen und Struktur sie haben soll und wer sie führen wird. Demzufolge könnte Abdul Ghani Baradar einen Posten ähnlich einem Ministerpräsidenten erhalten („Sadar-e Asam“) und allen Ministern vorstehen. Er trat in den vergangenen Jahren als Verhandler und Führungsfigur als einer der wenigen Taliban Führer auch nach außen auf.

Wesentlich weniger international im Rampenlicht steht der eigentliche Taliban-Chef und „Anführer der Gläubigen“ (arabisch: amir al-mu’minin), Haibatullah Akhundzada. Er soll die endgültigen Entscheidungen über politische, religiöse und militärische Angelegenheiten der Taliban treffen. Der religiöse Hardliner gehört ebenfalls zur Gründergeneration der Miliz, während der ersten Taliban-Herrschaft fungierte er als oberster Richter des Scharia Gerichts, das für unzählige Todesurteile verantwortlich gemacht wird.

Der Oberste Rat der Taliban ernannte 2016 zugleich Mohammad Yaqoob und Sirajuddin Haqqani zu Akhundzadas Stellvertretern. Letzterer ist zugleich Anführer des für seinen Einsatz von Selbstmordattentätern bekannten Haqqani-Netzwerks, das von den USA als Terrororganisation eingestuft wird. Es soll für einige der größten Anschläge der vergangenen Jahre in Kabul verantwortlich sein, mehrere ranghohe afghanische Regierungsbeamte ermordet und etliche westliche Bürger entführt haben. Vermutet wird, dass es die Taliban Einsätze im gebirgigen Osten des Landes steuert und großen Einfluss in den Führungsgremien der Taliban besitzt. Der etwa 45-jährige Haqqani wird von den USA mit einem siebenstelligen Kopfgeld gesucht.

Zur alten Führungsriege gehört weiters Sher Mohammad Abbas Stanikzai. In der Taliban Regierung bis 2001 war er stellvertretender Außen- und Gesundheitsminister. 2015 wurde er unter Mansoor Akhtar Büroleiter der Taliban. Als Chefunterhändler führte er später die Taliban-Delegationen bei den Verhandlungen mit den USA und der afghanischen Regierung an.

Ein weiterer offenkundig hochrangiger Taliban ist der bereits seit Jahren als Sprecher der Miliz bekannte Zabihullah Mujahid. In einer ersten Pressekonferenz nach der Machtübernahme schlug er, im Gegensatz zu seinen früheren Aussagen, versöhnliche Töne gegenüber der afghanischen Bevölkerung und der internationalen Gemeinschaft an (orf.at o.D.b; vgl. bbc.com o.D.c).

Stärke der Taliban-Kampftruppen

Obwohl in den vergangenen Jahren 100.000 ausländische Soldaten im Land waren, konnten die Taliban-Führer eine offenkundig von ausländischen Geheimdiensten unterschätzte Kampftruppe zusammenstellen. Laut BBC geht man derzeit von rund 60.000 Kämpfern aus, mit Unterstützern aus anderen Milizen sollen fast 200.000 Männer aufseiten der Taliban den Sturz der Regierung ermöglicht haben. Völlig unklar ist noch, wie viele Soldaten aus der Armee übergelaufen sind (orf.at o.D.b).

Aktuelle Ereignisse aus den Medien Stand 30.08.2021

Am 26.08.2021 ereigneten sich am Flughafen Kabul Anschläge: Zahlreiche Tote, darunter 13 US-Militärangehörige: Der Abzug aus Afghanistan gestaltet sich für die USA und die NATO zum Alptraum. Es sprengten sich nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums mindestens zwei Selbstmordattentäter in die Luft. Eine Reihe von Kämpfern des IS habe anschließend das Feuer auf Zivilisten und Soldaten eröffnet, sagte US-General Kenneth McKenzie, der das US-Zentralkommando Centcom führt. Insgesamt dürften bei den Explosionen vor dem Flughafen mehr als 100 Menschen ums Leben gekommen sein. Ein Krankenhaus- und ein Taliban-Vertreter sprachen von mindestens 72 toten Zivilisten. Laut den Taliban kamen auch 28 ihrer Mitglieder bei der Explosion ums Leben. Hinzu kommen zahlreiche Menschen, die bei dem Anschlag verletzt wurden. Das US-Verteidigungsministerium erklärte, es seien auch 18 Soldaten verwundet worden (www.orf.at 27.08.2021, 0.22 Uhr, Update: 27.08.2021, 7.34 Uhr).

Auch wenn der Flughafen Kabul nach Angaben des Pentagon weiterhin komplett unter Kontrolle des US-Militärs stehe, wurden bei einem unbemannten US-Luftangriff in der afghanischen Provinz Nangarhar am 27.08.2021 nach Angaben des US-Militärs zwei ranghohe Vertreter des örtlichen Ablegers der Terrormiliz „Islamischer Staat” (IS) als Vergeltungsschlag für die Anschläge am Flughafen Kabul getötet. Ein weiterer sei verletzt worden. Es gebe nach bisherigen Erkenntnissen keine zivilen Opfer (news/APA/Samstag, 28.08.21, 18:53:54).

In der afghanischen Hauptstadt Kabul hat es einem Medienbericht zufolge einen Raketenangriff gegeben. Am Montagmorgen 30.08.2021 (Ortszeit) seien aus dem Norden der Stadt mehrere Raketen in Richtung Flughafen abgefeuert worden, schrieb der lokale Fernsehsender ToloNews mit Berufung auf Augenzeugen auf Twitter. Der Fernsehsender CNN berichtete unter Berufung auf US-Regierungsmitarbeiter, dass mindestens fünf Raketen in Richtung Flughafen abgefeuert worden seien (news/APA/Montag, 30.08.21, 06:36:51).

UNHCR Position

“[…] As the situation in Afghanistan is volatile and may remain uncertain for some time to come, coupled with an unfolding humanitarian emergency in the country, UNHCR calls on States to suspend the forcible return of nationals and former habitual residents of Afghanistan, including those who have had their asylum claims rejected. A moratorium on forced returns to Afghanistan would need to stay in place until the situation in the country has stabilized, pending an assessment of when the changed situation in the country would permit return in safety and dignity (UNHCR August 2021).

1.4. Zur Rückkehrmöglichkeit des Beschwerdeführers

Eine Rückkehr in sein Heimatland ist dem Beschwerdeführer derzeit nicht möglich, da eine solche mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit bedeuten würde.

Auch eine innerstaatliche Fluchtalternative ist derzeit nicht gegeben, da die prekäre Sicherheitslage das ganze Land betrifft und eine sichere Heimreise insbesondere aufgrund der Einstellung des zivilen Luftverkehrs nicht festgestellt werden kann.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen diesbezüglich unbedenklichen und gleichlautenden Angaben im Verwaltungsverfahren und vor Gericht.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit ergibt sich aus einem aktuellen Strafregisterauszug.

2.2. Zu den Feststellungen hinsichtlich seiner Fluchtvorbringen

Mit dem Vorbringen, wonach der Beschwerdeführer inzwischen Christ geworden sei, konnte eine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung aus den folgenden Gründen nicht glaubhaft gemacht werden:

Der Beschwerdeführer legte sehr überzeugend dar, dass er auf dem Weg ist, den christlichen Glauben zu verinnerlichen. Es bestand für das Gericht auch kein Zweifel daran, dass er diesen Weg fortsetzen wird, die Taufvorbereitung vermutlich weiterverfolgen und das Sakrament der Taufe empfangen wird. Das ergab sich zum einen aus seinen eigenen Angaben, mit welchen er einen engagierten Eindruck im Hinblick auf das Kennenlernen des christlichen Glaubens machte (vgl. VH-Schrift vom 31.08.2021, S. 7). Zum anderen bestätigte auch der Pfarrer, der die Taufvorbereitung durchführt, dass der Beschwerdeführer sehr motiviert ist und sich aus eigenem Antrieb für die Taufe interessiert (vgl. VH-Schrift vom 31.08.2021, S. 13-14).

Für das Gericht war jedoch nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer seinen jetzigen Glauben im Heimatland in einer Weise ausüben wird, dass ihm dadurch eine Verfolgung drohen würde. Der Beschwerdeführer gab an, immer schon seine Meinung – die westlich orientiert sei – gesagt zu haben, auch im Heimatdorf, in welchem die Taliban immer schon (nach Angaben des Beschwerdeführers seit 40 Jahren) da waren. Er ist auch nie besonders religiös gewesen und ist auch von seinen Eltern nicht angehalten worden, die muslimischen Riten, wie Fasten, einzuhalten. Der Beschwerdeführer gab zwar an, seine christlichen Glaubenssymbole, wie eine kleine Bibel, auf seinem Schreibtisch zu platzieren (was für das Gericht im Übrigen unglaubwürdig blieb – vgl. nächster Absatz), beten würde er allerdings zu Hause, weil es in Afghanistan keine Kirchen gibt (vgl. VH-Schrift vom 31.08.2021, S. 9 und 11). Für das Gericht ergab sich somit der Eindruck, dass der Beschwerdeführer zwar nicht die muslimischen Riten in aller Strenge einhalten wird im Fall einer Rückkehr in sein Heimatland, da er dies auch schon vor seiner Ausreise nicht getan hat. Er würde aber auch den christlichen Glauben nicht so nach außen tragen, dass er einer Verfolgung unterliegen würde. Dies ergibt sich zum einen aus dem gesunden Menschenverstand, den zu besitzen der Beschwerdeführer glaubhaft durch seine gesamte Vernehmung darlegte, aber auch dadurch, dass ganz selbstverständlich erklärte, seinen christlichen Glauben zu Hause ausüben zu wollen.

Die Angaben auf die Fragen der Beschwerdeführervertreterin, wonach der Beschwerdeführer in Afghanistan eine Untergrundkirche aufsuchen würde, wenn es eine solche gäbe, und er seine christlichen Symbole, wie die Bibel, auf seinem Schreibtisch platzieren würde, wirkten eher abgesprochen und führen nicht dazu, dass der Beschwerdeführer das Christentum glaubhaft in einer Weise nach außen tragen würde, die eine Verfolgung nach sich ziehen würde (vgl. VH-Schrift vom 31.08.2021, S. 11). Auch seine Angabe, seine Meinung im Heimatland kundzutun, weil „… In der Bibel steht, dass wenn man nicht betet, ist man kein Christ.“ fügte sich hier als aufgesetzt und nicht glaubwürdig ein, da die Antworten schnell und kurz formuliert gegeben wurden.

Insgesamt entstand für das Gericht der Eindruck, dass der Beschwerdeführer sehr unter den Umständen gelitten hat, die in seinem Heimatland herrschen und er deswegen auch stark traumatisiert wurde. Diese Umstände hat er insbesondere auf die islamische Religion zurückgeführt. Ein Abwenden von dieser Religion hin zu einer friedliebenden Religion wie dem Christentum ist für den Beschwerdeführer offenbar ein wichtiges Anliegen, um seinen Schmerz verarbeiten zu können und nach seinen Wertvorstellungen leben zu können. Er steht damit, nach dem Eindruck, den das Gericht gewinnen konnte, nicht dem Islam an sich feindlich gegenüber, sondern lehnt die Gewalttätigkeit ab, die von islamradikalen Kräften in Afghanistan ausgeht. Der islamischen Religion steht er eher gleichgültig gegenüber, hat sich nie besonders dafür interessiert und die Riten auch nicht mit großem Eifer eingehalten (vgl. VH-Schrift vom 31.08.2021, S. 5, 6 und 11).

Dennoch spricht auch der Zeitablauf der Zuwendung zum Christentum nicht dafür, dass er diese Religion in einem großen Ausmaß verinnerlicht hat, auch wenn seine Bemühungen dahingehend ersichtlich sind. Obwohl er schon in der Türkei 2016 mit der dortigen Kirche in Kontakt gekommen ist und sein Interesse geweckt wurde, hat er weder in der Ersteinvernahme noch in der Befragung vor der Behörde noch in seiner Beschwerde oder weiteren Schriftsätzen Angaben zu seiner Konversion oder dem Interesse am Christentum gemacht. Erst im letzten Schriftsatz vor der Beschwerdeverhandlung bekannte er sich dazu. Auf die Frage, warum er sein Interesse am Christentum nicht schon vorher bekundet habe, gab er für das Gericht sehr unglaubwürdig an, seine damalige Beschwerdevertretung (Diakonie) habe ihm davon abgeraten und überhaupt hätte er immer andere Vertreter bekommen und niemanden erreichen können (vgl. VH-Schrift vom 31.08.2021, S. 6). Mit der Taufvorbereitung hat der Beschwerdeführer erst kürzlich begonnen (vgl. Schrift vom 31.08.2021, S. 12). Die Angaben des Beschwerdeführers, dass er vorher auch Zeit zum Überlegen brauchte und dann den Kurs nicht machen habe können, weil es ihm schlecht ging und er sich auf seine Ausbildung konzentrieren musste, wirkte wie eine Ausrede. Die Ausbildung zum Fachsozialbetreuer ist noch nicht abgeschlossen und macht der Beschwerdeführer seit September 2021 den Taufvorbereitungskurs auch neben seiner Ausbildung.

Auch die Tatsache, dass der Beschwerdeführer seiner Familie noch nichts von seiner Konversion erzählt hat (mit einem Bruder und einem Onkel hat er spärlich Kontakt) spricht nicht dafür, dass er, sollte er nach Afghanistan zurückkehren, jedem davon erzählen würde (vgl. VH-Schrift vom 31.08.2021, S. 5). Dafür, dass in Afghanistan derzeit jemand Kenntnis vom Interesse des Beschwerdeführers am Christentum hat, haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, wenn nicht einmal seine eigene Familie davon weiß.

Die noch in der Erstbefragung vorgebrachte Verfolgung der Familie durch die Taliban revidierte der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde dahingehend, dass weder die Eltern gezielt von den Taliban getötet noch er persönlich bedroht worden sei. Da somit keine Verfolgung vorgebrachte wurde, erübrigten sich aus diesbezügliche Feststellungen.

2.3. Zur Situation im Herkunftsstaat

Die Länderfeststellungen gründen auf den oben wiedergegebenen Länderberichten der Staatendokumentation. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten. Sie erweisen sich für das Vorbringen des Beschwerdeführers auch als hinreichend aktuell und es hat sich seither aufgrund des Amtswissens die Lage im Heimatland nicht maßgeblich geändert, sodass die Länderberichte den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten. Die getroffenen Länderfeststellungen enthalten eine Vielzahl von Berichten, legen damit ein – so weit es in der derzeitigen Situation möglich ist – ausgewogenes Bild betreffend die allgemeine Situation in Afghanistan dar und beziehen sich zudem auch auf die persönlichen Umstände des Beschwerdeführers.

2.4. Zur Rückkehrmöglichkeit des Beschwerdeführers

Die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr nach Afghanistan nicht möglich ist, folgt aus den unter Punkt 1.3. festgestellten, notorischen Ereignissen seit Anfang August 2021. Vor diesem Hintergrund, insbesondere auch der Einnahme sämtlicher wichtiger Städte und der Machtergreifung durch die Taliban ist die Sicherheits- und Versorgungslage aufgrund des Umbruchs nicht beurteilbar.

Die Sicherheit des Flughafens von Kabul scheint derzeit nicht gegeben zu sein, es gilt dort der Ausnahmezustand und es wurden seit dem Einmarsch der Taliban in Kabul zahlreiche Menschen getötet. Derzeit soll die Suche nach „Kollaborateuren“ in der afghanischen Bevölkerung verstärkt werden. Bereits die ersten Tage nach der Übernahme des Landes durch die Taliban sind von Gewalt gegen Demonstranten und Racheaktionen geprägt, dies trotz der gemäßigten Worte der Taliban-Sprecher, denen international kaum Glauben geschenkt wird. Auch die sich überschlagenden Ereignisse rund um den Flughafen Kabul mit anschließendem Vergeltungsschlag der US-Streitkräfte gegen den IS in Afghanistan macht eine Beurteilung der Sicherheitslage im Land derzeit unmöglich.

Es würde eine Rückkehr für den Beschwerdeführer zum aktuellen Zeitpunkt für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen, zumal auch in Hinblick auf die unvorhersehbaren weiteren Entwicklungen, den fraglichen Weiterbestand staatlicher Ordnung und den notorischen Erfahrungen der Ausgestaltung von Ordnung unter den Taliban in den Jahren 1996 bis 2001 in Afghanistan (s. dazu auch die Ausführungen unter Punkt 1.3.).

Diese Einschätzung deckt sich auch mit der UNHCR-Position, wonach die Staaten aufgefordert werden, keine Abschiebungen nach Afghanistan vorzunehmen, bis die Sicherheitslage wieder stabil genug ist (vgl. Pkt. 1.3. Länderfeststellungen).

Eine Rückkehr ist dem Beschwerdeführer damit nicht möglich und besteht auch keine innerstaatliche Fluchtalternative, zumal eine sichere Reise in den Herkunftsstaat nicht festgestellt werden kann. Die Machtergreifung der Taliban betrifft das gesamte Land und resultiert daraus eine derzeit nicht zu beurteilende Beeinträchtigung der Sicherheitslage. Die wenigen Distrikte, die noch nicht unter ihrer Kontrolle sind, sind nicht sicher erreichbar, da ein internationaler Flughafen dort nicht besteht bzw. die zivile Luftverkehr von und nach Afghanistan derzeit eingestellt ist. Eine innerstaatliche Fluchtalternative steht dem Beschwerdeführer somit nicht offen.

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1.    Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids (Asyl)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 i.V.m. Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung droht.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen (VwGH 31.07.2018, Ra 2018/20/0182). Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0413; 30.08.2017, Ra 2017/18/0119; 25.01.2001, 2001/20/0011).

Für eine „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, 95/01/0454; VwGH 09.04.1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr – Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung – bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse, sondern erfordert eine Prognose (VwGH 16.02.2000, 99/01/0397). Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (VwGH 09.03.1999, 98/01/0318).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 15.03.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, 94/19/0183). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Erlassung der Entscheidung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Einer von Privatpersonen und privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH 21.04.2011, 2011/01/0100). Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0119; 28.10.2009, 2006/01/0793, mwN). Die Richtlinie (EU) 2011/95 (Statusrichtlinie) sieht einerseits vor, dass die staatliche Schutzfähigkeit zwar generell bei Einrichtung eines entsprechenden staatlichen Sicherheitssystems gewährleistet ist, verlangt aber anderseits eine Prüfung im Einzelfall, ob der Asylwerber unter Berücksichtigung seiner besonderen Umstände in der Lage ist, an diesem staatlichen Schutz wirksam teilzuhaben (VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0119).

Abgesehen davon, dass einer derartigen, nicht vom Staat sondern von Privatpersonen ausgehenden Bedrohung nur dann Asylrelevanz zuzubilligen wäre, wenn solche Übergriffe von staatlichen Stellen geduldet würden (VwGH 10.03.1993, 92/01/1090) bzw. wenn der betreffende Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt wäre, diese Verfolgung hintanzuhalten, hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang ausdrücklich klargestellt, dass die Asylgewährung für den Fall einer solchen Bedrohung nur dann in Betracht kommt, wenn diese von Privatpersonen ausgehende Verfolgung auf Konventionsgründe zurückzuführen ist (VwGH 23.11.2006, 2005/20/0551).

Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Im Falle der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers können positive Feststellungen von der Behörde nicht getroffen werden (VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0058). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051). Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (VwGH 15.03.2016, Ra 2015/01/0069, Rz 16).

Gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann („innerstaatliche Fluchtalternative“). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann (zur Rechtslage vor dem AsylG 2005: VwGH 15.03.2001, 99/20/0036; 15.03.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist – wie der Verwaltungsgerichtshof zur GFK judiziert – nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen – mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates – im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer „inländischen Flucht- oder Schutzalternative“ (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal wirtschaftliche Benachteiligungen auch dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 29.03.2001, 2000/20/0539; VwGH 08.09.1999, 98/01/0614).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 22.10.2002, 2000/01/0322; VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Dabei reicht für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (VwGH 23.02.2017, Ra 2016/20/0089).

Auch aus einer Mehrzahl allein jeweils nicht ausreichender Umstände im Einzelfall kann sich bei einer Gesamtschau die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus einem oder mehreren von asylrelevanten Gründen ergeben (VwGH 26.06.1996, 95/20/0423).

Daraus ergibt sich in der Sache:

Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine „begründete Furcht vor Verfolgung“ im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK, nicht gegeben. Dies vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass der Beschwerdeführer keine persönliche und konkrete Verfolgungsgefährdung aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählten Grund (glaubhaft) geltend gemacht hat.

Seine Konversion konnte der Beschwerdeführer, wie oben beweiswürdigend ausführlich dargelegt, nicht glaubhaft machen (zu den Voraussetzungen dazu siehe etwa VwGH 26.01.2021, Ra 2020/14/0575). Ein Asylgrund kann hierdurch nach Überzeugung des Gerichts nicht abgeleitet werden.

Im Hinblick auf das Vorbringen, der Beschwerdeführer wäre im Fall einer Rückkehr auf Grund seiner „verwestlichten“ Art nicht vor Verfolgungshandlungen geschützt, ist das Vorbringen nicht geeignet, eine asylrelevante Verfolgung geltend zu machen. Nach der Judikatur betrifft ein solches Risiko in erster Linie Frauen und Kinder, aber nicht Männer. Es sind nur sehr wenige Vorfällen im Zusammenhang mit der „Verwestlichung“ von Männern bekannt und müssten in der Person des Beschwerdeführers schon mehrere Merkmale einer deutlichen „Verwestlichung“ kumulieren, damit eine reale Gefahr einer Verfolgung bestehen könnte (VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0329). Solche risikoverstärkenden Merkmale sind im Verfahren aber nicht hervorgekommen. Allein der mehrjährige Aufenthalt in einem europäischen Land und die teilweise Anpassung an westliche Verhaltensweisen genügt nicht, um solche risikoverstärkenden Merkmale zu begründen.

Im Verfahren haben sich auch sonst keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfolgung aus anderen asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen.

Letztlich gilt es festzuhalten, dass auch die allgemeine Lage in Afghanistan nicht dergestalt ist, dass bereits jedem, der sich dort aufhält, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste: Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar (VwGH 17.06.1993, 92/01/1081; 14.03.1995, 94/20/0798). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (VwGH 09.05.1996, 95/20/0161; 30.04.1997, 95/01/0529; 08.09.1999, 98/01/0614). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist eine Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkte – nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung – zusammenhängt, was im vorliegenden Fall zu verneinen ist.

Die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten durch die belangte Behörde war im Ergebnis nicht zu beanstanden und die Beschwerde daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG i.V.m. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abzuweisen.

3.2.    Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids (Subsidiärer Schutz)

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, dessen Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wurde, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (VwGH 30.01.2018, Ra 2017/20/0406).

Um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 bzw 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüberhinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass ein "real risk" vorliegt, wenn stichhaltige Gründe ("substantial grounds") dafürsprechen, dass die betroffene Person im Falle der Rückkehr in die Heimat das reale Risiko (insbesondere) einer Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte zu gewärtigen hätte. Dafür spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob dieses reale Risiko in der allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat, in individuellen Risikofaktoren des Einzelnen oder in der Kombination beider Umstände begründet ist. Allerdings betont der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Rechtsprechung auch, dass nicht jede prekäre allgemeine Sicherheitslage ein reales Risiko i.S.d. Art. 3 EMRK hervorruft. Im Gegenteil lässt sich seiner Judikatur entnehmen, dass eine Situation genereller Gewalt nur in sehr extremen Fällen ("in the most extreme cases") diese Voraussetzung erfüllt (EGMR 28.11.2011, 8319/07 und 11.449/07, Sufi und Elmi, Rz 218, mit Hinweis auf EGMR 17.07.2008, 25.904/07, NA gegen Vereinigtes Königreich). In den übrigen Fällen bedarf es des Nachweises von besonderen Unterscheidungsmerkmalen ("special distinguishing features"), auf Grund derer sich die Situation des Betroffenen kritischer darstellt als für die Bevölkerung im Herkunftsstaat im Allgemeinen (EGMR 28.11.2011, 8319/07; 11.449/07, Sufi und Elmi, Rz 217).

Thurin (Der Schutz des Fremden vor rechtswidriger Abschiebung2, 2012, 203) fasst die bezughabenden Aussagen in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte dahingehend zusammen, dass der maßgebliche Unterschied zwischen einem "realen Risiko" und einer "bloßen Möglichkeit" prinzipiell im Vorliegen oder Nichtvorliegen von "special distinguishing features" zu erblicken ist, die auf ein "persönliches" ("personal") und "vorhersehbares" ("foreseeable") Risiko schließen lassen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bestehe nur in sehr extremen Fällen ("most extreme cases"), wenn die allgemeine Lage im Herkunftsstaat so ernst sei, dass praktisch jeder, der dorthin abgeschoben wird, einem realen und unmittelbar drohenden ("real and imminent") Risiko einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt sei. Diesfalls sei das reale Risiko bereits durch die extreme allgemeine Gefahrenlage im Zielstaat indiziert.

Auch im ergangenen Urteil der Großen Kammer vom 23.08.2016, 59.166/12, JK et al gg Schweden, beschäftigte sich der EGMR mit seiner einschlägigen Rechtsprechung und führte insbesondere aus, dass die Beweislast für das Vorliegen eines realen Risikos in Bezug auf individuelle Gefährdungsmomente für eine Person grundsätzlich bei dieser liege (Rz 91, 96), gleichzeitig aber die Schwierigkeiten, mit denen ein Asylwerber bei der Beschaffung von Beweismitteln konfrontiert sei, in Betracht zu ziehen seien und bei einem entsprechend substantiierten Vorbringen des Asylwerbers, weshalb sich seine Lage von jener anderer Personen im Herkunftsstaat unterscheide (Rz 94), im Zweifel zu seinen Gunsten zu entscheiden sei (Rz 97). Soweit es um die allgemeine Lage im Herkunftsstaat gehe, sei jedoch ein anderer Ansatz heranzuziehen. Diesbezüglich hätten die Asylbehörden vollen Zugang zu den relevanten Informationen und es liege an ihnen, die allgemeine Lage im betreffenden Staat (einschließlich der Schutzfähigkeit der Behörden im Herkunftsstaat) von Amts wegen festzustellen und nachzuweisen (Rz 98).

Der Tatbestand einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 orientiert sich an Art 15 lit. c Statusrichtlinie (RL (EG) 2011/95) und umfasst - wie der Gerichtshof der Europäischen Union erkannt hat - eine Schadensgefahr allgemeiner Art, die sich als "willkürlich" erweist, also sich auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann. Entscheidend für die Annahme einer solchen Gefährdung ist nach den Ausführungen des Gerichtshofes der Europäischen Union, dass der den bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson liefe bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr, einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Dabei ist zu beachten, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer sein wird, je mehr er möglicherweise zu belegen vermag, dass er auf Grund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist (EuGH 17.02.2009, C-465/07, Elgafaji; 30.01.2014, C-285/12, Diakité).

Auch die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes sind von diesen Erwägungen getragen: Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen (VwGH 26.02.2020, Ra 2019/18/0486).

Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307).

Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte zu verweisen, wonach es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (VwGH 26.04.2017, Ra 2017/19/16 mit Verweis auf EGMR 05.09.2013, 61.204/09).

Mit Beschluss des VfGH vom 18.08.2021, Zahl E 3115/2021, wurde einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend die (Fortsetzung der) Anhaltung in Schubhaft eines afghanischen Staatsangehörigen Folge gegeben. Begründend wurde – allerdings nur in der Pressemitteilung und nicht im Beschluss selbst – ausgeführt, dass vor dem Hintergrund der aktuellen Länderinformationen zu Afghanistan für den VfGH nicht zu erkennen sei, dass eine zeitnahe – die gesetzlichen Höchstgrenzen der Anhaltung in Schubhaft berücksichtigende – Abschiebung des Antragstellers in seinen Herkunftsstaat möglich sei. Die Verhängung und Aufrechterhaltung der Schubhaft (und der damit einhergehende Freiheitsentzug) erweisen sich jedoch nur dann als verhältnismäßig, wenn das zu sichernde Verfahren letztlich zu einer Abschiebung führen könne (Begründung veröffentlicht unter https://www.vfgh.gv.at/medien/Aufschiebende_Wirkung_fuer_Beschwerde_eines_Afghanen_.de.php, abgerufen am 23.09.2021).

Daraus ergibt sich in der Sache:

Den allgemein bekannten Länderfeststellungen ist zu entnehmen, dass die Lage nach der Machtergreifung der Taliban unübersichtlich und prekär ist. Daraus ergibt sich nach Ansicht des Gerichts, dass die derzeitige Lage in Afghanistan für den Beschwerdeführer die akute Gefahr einer Verletzung von Art. 2 bzw. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention mit sich bringt bzw. dass eine für den Beschwerdeführer als Zivilperson ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts nicht auszuschließen ist. Eine Rückführung des Beschwerdeführers würde somit einen Verstoß gegen Art. 2 und 3 EMRK darstellen. Diese Beurteilung bezieht sich auf ganz Afghanistan, womit dem Beschwerdeführer auch eine innerstaatliche Fluchtalternative derzeit nicht offensteht. Diese Ansicht scheint auch der VfGH zumindest in einer Pressemitteilung zu vertreten, die er unter Bezugnahme auf den obzitierten Beschluss vom 18.08.2021 veröffentlicht hat.

Ein Grund für den Ausschluss des Beschwerdeführers von der Zuerkennung von subsidiärem Schutz ist im Verfahren nicht hervorgekommen, insbesondere ist er in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Der Beschwerde war somit in diesem Punkt Folge zu geben und es war dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen und eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0281).

3.3. Behebung der Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheids

Vor dem Hintergrund des unter 3.2. zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten bleiben für die von der belangten Behörde erlassene Rückkehrentscheidung und Abschiebung kein Platz, weshalb die entsprechenden Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids zu beheben waren.

Zu B) Zulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist zulässig, da eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegt.

Das Bundesverwaltungsgericht weicht von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, die er beginnend mit der Entscheidung vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, als Rechtssatz in seiner Entscheidung vom 18.03.2016, Ra 2015/01/0255, begründete: „Die allgemeine Situation in Afghanistan ist nicht so gelagert, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art. 3 MRK verstoßen würde […]“ mit (Hinweis auf die Urteile des EGMR vom 12.01.2016, jeweils gegen Niederlande: S. D. M., Nr. 8161/07; A. G. R., Nr. 13 442/08; A. W. Q. und D. H., Nr. 25 077/06; S. S., Nr. 39 575/06; M. R. A. u.a., Nr. 46 856/07). Diese Rechtsprechung wurde vom VwGH zum einen direkt fortgeführt (vgl. 12.03.2020, 2019/01/0347, mit Hinweis auf Urteil des EGMR vom 25.02.2020, A.S.N. u. a. gg Niederlande, 68377/17 und 530/18 (Rz 105)). Zum anderen bringt der VwGH mit seinen stützenden Entscheidungen zum Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative (regelmäßig in Herat und Mazar-e-Sharif) zum Ausdruck, dass er an der oben zitierten Rechtsprechung festhält (etwa VwGH 27.04.2021, Ra 2020/19/0339-7).

Die gegenständliche Entscheidung weicht von dieser Rechtsprechung ab. Die Lage in ganz Afghanistan ist nach der Machtergreifung der Taliban unübersichtlich und prekär und somit dergestalt, dass eine Rückführung des Beschwerdeführers die akute Gefahr einer Verletzung von Art. 2 bzw. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention mit sich bringen würde.

Es handelt sich hierbei um eine Rechtsfrage, da die Prüfung des Vorliegens einer realen Gefahr im Sinn des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 eine rechtliche Beurteilung darstellt, die auf Basis der getroffenen Feststellungen zu erfolgen hat (vgl. etwa VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095).

Schlagworte

befristete Aufenthaltsberechtigung Glaubhaftmachung Konversion mangelnde Asylrelevanz Religion Revision zulässig Rückkehrsituation Sicherheitslage subsidiärer Schutz Verfolgungsgefahr westliche Orientierung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W113.2201005.1.00

Im RIS seit

12.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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