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50/01 Gewerbeordnung;Norm
GewO 1973 §74;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde
1. des J, 2. der X und 3. der T, alle in H und vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 1. Juli 1994, Zl. 316.463/2-III/A/2a/94, betreffend Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: G in H), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von S 13.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Johann/Pongau vom 4. September 1990 wurde der mitbeteiligten Partei - aufgrund ihres Ansuchens vom 18. Februar 1989 - "gemäß §§ 77, 81 in Verbindung mit § 376 Z. 11 Abs. 2 GewO 1973 i.d.g.F in Verbindung mit § 27 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz" die gewerbebehördliche Genehmigung "für Errichtung und Betrieb einer Änderung der bestehenden gastgewerblichen Betriebsanlage auf GP. 721/2 KG W, Gemeinde H durch Vergrößerung der gastgewerblichen Betriebsräume durch einen neuen Gastraum in einem ostseitigen Zubau, dessen Verbindung mit dem kleinen Gastraum im nordseitigen bestehenden Anbau sowie Errichtung einer südseitigen Gastterrasse insgesamt ohne wesentliche Erhöhung der Sitzplatzanzahl, Schaffung einer Anrichte und eines Lagerraumes im bisherigen Hauptgastraum sowie eines Gästeappartement im Obergeschoß, von Lagerräumen und Technikraum im Kellergeschoß; weiters einer Be- und Entlüftungsanlage für die gastgewerblichen Räume einschließlich WC und Küche sowie Neuordnung der Parkplätze auf GP. 721/3" unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen erteilt.
Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Berufung.
Mit Schreiben vom 24. Februar 1993 (eingelangt beim Amt der Salzburger Landesregierung am 26. Februar 1993) erklärte die mitbeteiligte Partei, "daß ich mein Ansuchen um gewerberechtliche Genehmigung hinsichtlich der Parkplätze zurückziehe".
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 1. Juni 1993 wurde die Berufung der Beschwerdeführer unter Spruchpunkt II." gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 81 Abs. 1, § 77 sowie § 74 Abs. 2 Z. 1 und 2 und Abs. 3 GewO 1973 als unbegründet abgewiesen" und unter Spruchpunkt III. die Berufung soweit sie das Verbot des Errichtens der Betriebsanlage durch Rechtsvorschriften beziehungsweise die Beschattung der Liegenschaft der Beschwerdeführer betroffen habe, als unzulässig zurückgewiesen; soweit die Berufung des Erstbeschwerdeführers die Gefährdung von Eigentum durch die Minderung des Wertes seiner Liegenschaft betroffen habe, wurde sie unter Spruchpunkt IV. gleichfalls als unzulässig zurückgewiesen. Unter Spruchpunkt I. des genannten Bescheides des Landeshauptmannes von Salzburg wurde der Spruch des erstinstanzlichen Genehmigungsbescheides "mit der Maßgabe abgeändert", daß der mitbeteiligten Partei "gemäß § 81 Abs. 1 in Verbindung mit § 74 Abs. 2 und § 77 GewO 1973 sowie § 27 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz die gewerbebehördliche Genehmigung zur Änderung der gastgewerblichen Betriebsanlage in H, W 30, auf GP. 721/2 KG W, durch Errichtung und Betrieb eines neuen Gastraumes (ostseitiger Zubau), dessen Verbindung mit einem kleinen Gastraum im nordseitigen Anbau (ehemalige Garage), einer Anrichte und eines Lagerraumes im bisherigen Hauptgastraum, Einrichtung der Küche samt Be- und Entlüftungsanlagen für die gastgewerbliche genützten Räume inkl. Küche- und WC-Anlagen, einem Gästeappartement im Obergeschoß und Lagerräumen und Technikraum im Kellergeschoß nach Maßgabe der einen wesentlichen Bescheidbestandteil bildenten Pläne und Unterlagen" unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen erteilt wurde. Auch dagegen erhoben die Beschwerdeführer Berufung.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 1. Juli 1994 wurde über die Berufung der Beschwerdeführer wie folgt abgesprochen:
"I.
Der Spruch des angefochtenen Bescheides und des diesem zugrundeliegenden Bescheides der Bezirkshauptmannschaft St. Johann/Pongau vom 4.9.1990, Zl. 2/152-608/25/90, wird dahingehend geändert, als die Bestimmung des § 77 GewO 1973 als gesetzliche Rechtsgrundlage ersatzlos gestrichen wird.
II.
Die Berufung wird abgewiesen.
III.
Die in der mündlichen Augenscheinsverhandlung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 15.12.1993 seitens der Berufungswerber gestellten Anträge werden abgewiesen."
Zur Begründung dieses Bescheides führte der Bundesminister im wesentlichen aus, die Bestimmung des § 77 GewO 1973 sei als Rechtsgrundlage ersatzlos zu streichen gewesen, da dem Verfahren ein "eindeutig als Antrag auf Änderung einer Betriebsanlage gemäß § 81 GewO 1994 deutbarer Antrag des Konsenswerbers zugrundeliegt". Die Genehmigungsbescheide (der Bezirkshauptmannschaft St. Johann/Pongau und des Landeshauptmannes von Salzburg) könnten aber nicht sowohl auf § 77 als auch auf § 81 GewO 1973 gestützt werden. Bei der gegenständlichen Betriebsanlage habe es sich um einen "Gastgewerbebetrieb in der Betriebsform einer Jausenstation" gehandelt. Die Betriebsbeschreibung vom 9. Jänner 1970 umfasse (nach der Verhandlungsniederschrift der Bezirkshauptmannschaft St. Johann/Pongau im Zuge des Verfahrens um Ansuchen einer Konzession) eine Sitzterrasse und acht bis zehn PKW-Parkplätze; die vor dem 1. August 1974 errichtete und betriebene Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei sei nicht genehmigungspflichtig gewesen. Die Möglichkeit des Randalierens von Gästen in oder vor Gaststätten oder die Lärmerregung durch Gäste (auch Kinder) beim Zu- oder Abgang von der Gaststätte begründe noch keine Genehmigungspflicht. Ein Recht auf gänzliche Fernhaltung jeglichen Geräusches stehe niemandem zu. Nach objektiven Gesichtspunkten seien bei der ursprünglich errichteten Beriebsanlage ungewöhnliche Geräusche (gemeint im Sinne von § 25 GewO 1859) nicht vorgelegen. Bei der Beurteilung von Geräuschen, die beim Abstellen von Fahrzeugen auf einem Parkplatz entstehen können, müsse auf die Ortsüblichkeit abgestellt werden. H samt dem Ortsteil W sei bei Errichtung der gegenständlichen Betriebsanlage touristisch "voll erschlossen" gewesen und es habe "reger Fremdenverkehrsbetrieb geherrscht". Daraus könne abgeleitet werden, daß in dieser Ortschaft Fahrmanöver eines PKWs und "normale Gespräche von Gästen" keine Ungewöhnlichkeit dargestellt hätten. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens (insbesondere aufgrund der Ergebnisse der mündlichen Augenscheinsverhandlung vom 15. Dezember 1993) habe spruchgemäß entschieden werden müssen, da es durch die Änderung der gegenständlichen Betriebsanlage zu keinen Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteiligen Einwirkungen für die Nachbarn komme.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des erst- und zweitbehördlichen Verfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen (den Akt über das von ihr durchgeführte Berufungsverfahren hat die belangte Behörde dem Verwaltungsgerichtshof - ohne Angabe von Gründen - nicht vorgelegt).
Die Beschwerdeführer haben auf die Gegenschrift der belangten Behörde am 4. Oktober 1995 eine Replik erstattet. Die mitbeteiligte Partei hat sich trotz gebotener Gelegenheit im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht geäußert.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, daß
"die beantragte Betriebsanlagengenehmigung bzw. Betriebsanlagenänderung nach den Bestimmung der §§ 81 ff und 74 ff GewO nicht erteilt, sondern aufgrund der von den Nachbarn erhobenen Einwendungen, insbesonders wegen unzumutbarer und gesundheitsgefährdender Lärmimmissionen, versagt wird; in eventu
die beantragte Betriebsanlagengenehmigung bzw. Betriebsanlagenänderung bzw. Betriebsanlagenerweiterung nur unter der Vorschreibung anderer Auflagen bewilligt wird, welche gewährleisten, daß es beim Betrieb einer derartigen verfahrensgegenständlichen gastgewerblichen Betriebsanlage nicht zum Auftreten von unzumutbaren oder gesundheitsgefährdenden Lärmimmissionen auf der Wohnliegenschaft der beschwerdeführenden Parteien kommt".
Die Beschwerde erweist sich schon aus folgenden Gründen als berechtigt:
Die belangte Behörde stützt die Anwendbarkeit des Tatbestandes der Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage (§ 81 GewO) darauf, daß die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der GewO 1973 (1. August 1974) bereits errichtete und betriebene Bertriebsanlage der mitbeteiligten Partei ("sogenannte Altanlage") nach den Bestimmungen der GewO 1859 nicht genehmigungspflichtig gewesen sei und zufolge der Übergangsbestimmung des "§ 376 Z. 11 Abs. 2 GewO 1994" daher keiner Genehmigung bedürfe.
Nach § 376 Z. 11 Abs. 2 GewO 1973 (gleichlautend übernommen auch in die Gewerberechtsnovelle 1992 und wortgleich mit § 376 Z. 11 Abs. 2 GewO 1994) bedürfen die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gewerbeordnung 1973 errichteten Betriebsanlagen, die nach den bisher geltenden Vorschriften nicht genehmigungspflichtig waren und nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes genehmigungspflichtig wären, keiner Genehmigung gemäß § 74 Abs. 2; § 79 und § 81 finden sinngemäß Anwendung.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mit Erkenntnis vom 25. Mai 1993, Zl. 92/04/0259, dargelegt hat, setzt die Anwendbarkeit der genannten Übergangsbestimmung voraus, daß eine Anlage, die am 1. August 1974 errichtet war, vor diesem Tag nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung 1859 nicht genehmigungspflichtig war, hingegen mit diesem Tag am Maßstab der damals in Kraft getretenen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1973 als genehmigungspflichtig zu qualifizieren gewesen wäre. Nur für solche Fälle schafft die in Rede stehende Übergangsbestimmung eine Ausnahme von der Genehmigungspflicht.
Hingegen fallen Anlagen, die am 1. August 1974 errichtet und weder vor diesem Tag nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung 1859 noch zunächst ab diesem Tag am Maßstab der Bestimmungen der Gewerbeordnung 1973 genehmigungspflichtig waren, nicht unter die genannte Übergangsbestimmung. Wurde eine solche Anlage nach dem 1. August 1974 derart verändert, daß mit dieser Veränderung die Genehmigungspflicht (nach der GewO 1973 bzw. 1994) neu eingetreten ist, so hat die behördliche Entscheidung über die Erteilung der Genehmigung im unmittelbaren Anwendungsbereich der §§ 74 und 77 GewO 1973 bzw. 1994, nicht jedoch auf der Grundlage des § 81 leg. cit. zu ergehen.
Für den Beschwerdefall bedeutet dies, daß die Anwendbarkeit der in Rede stehenden Übergangsbestimmung auf nur unvollständiger (nicht ausreichender) Grundlage beurteilt wurde, da die belangte Behörde unter Zugrundelegung der Betriebsbeschreibung vom 9. Jänner 1970 allein die Genehmigungspflicht der Anlage nach den Bestimmmungen der Gewerbeordnung 1859 verneinte, hingegen eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Anlage nach dem Maßstab der Gewerbeordnung 1973 am Stichtag ihres Inkrafttretens - 1. August 1974 - genehmigungspflichtig gewesen wäre, im angefochtenen Bescheid in sachverhaltsmäßiger und rechtlicher Hinsicht unterließ.
Solcherart steht aber noch gar nicht fest, ob die in Rede stehende Übergangsbestimmung - und demzufolge dann § 81 sinngemäß - Anwendung findet, oder ob für die bisher keinem gewerbebehördlichen Konsens in einem Betriebsanlagen-Verfahren unterzogene Anlage nicht eine Genehmigung im unmittelbaren Anwendungsbereich der §§ 74 und 77 GewO 1994 erforderlich ist.
Da die belangte Behörde somit die Rechtslage verkannte (und derart den maßgeblichen Sachverhalt unvollständig ermittelte und feststellte), belastete sie den angefochtenen Bescheid schon aus den dargelegten Gründen mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher (ohne weiteres Eingehen auf den Inhalt des Beschwerdevorbringens) gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994. Für die Eingabe Ordnungszahl 3 (Wiedervorlage der Beschwerde über entsprechenden Mängelbehebungsauftrag) gebührt den beschwerdeführenden Parteien kein Stempelgebührenaufwand, da die Beschwerde auch ohne Erteilung eines derartigen Auftrages mängelfrei einzubringen gewesen wäre.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1994040189.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
12.03.2012