Entscheidungsdatum
30.09.2021Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W265 2244952-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Mag.a Karin GASTINGER, MAS sowie die fachkundige Laienrichterin Dr.in Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 16.07.2021 betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin ist seit 2020 Inhaberin eines befristeten Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 v. H.
Sie stellte am 30.10.2020 beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass und legte dem ausgefüllten Antragsformular einen medizinischen Befund bei.
Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie und einer Ärztin für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag.
In diesem auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 22.03.2021 basierenden Gutachten vom 29.03.2021 wurde Folgendes – hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben – ausgeführt:
„Anamnese:
Neuerliche Begutachtung wegen Antrag auf Vornahme einer Zusatzeintragung.
Letztbegutachtung 10/2020 mit Zuerkennung eines GdB 50 v.H. für folgende Diagnosen: Hochgradige Funktionseinschränkung im Bereich beider Kniegelenke bei Zustand nach Totalendoprothese rechts mit habitueller Subluxation sowie höhergradige degenerative Veränderungen im Bereich des linken Kniegelenks mit bestehendem Knochenmarksödem in Tibiabereich 50%, chronisches Schmerzsyndrom 20%, Depression, Anpassungsstörung 20%.
Derzeitige Beschwerden:
"2016 wurde mein rechtes Knie operiert. Ich bin vor 1 Jahr hingefallen und die Kniescheibe ist verschoben. Das rechte Knie wird am 29.3.2021 in Floridsdorf operiert. Ich bekomme auch mit der Hüfte Probleme wegen dem schiefen Gehen. Ich gehe mit 1 Krücke. Ich kann nicht lange Gehen. Ich trage auch Genutrains an jedem Bein. Wegen den Schmerzen kann ich nicht schlafen. Ich bin depressiv und habe schon 2 mal überlegt, mir das Leben zu nehmen. Ich habe auch eine Fibromylagie. Ich kann nicht Liegen wegen den Schmerzen. Ich weiss nicht mehr, was ich wegen den Schmerzen machen soll. Hin und wieder schlafe ich am Sessel. Meine Hände sind auch geschwollen. Seit 2016 habe ich diese schrecklichen Schmerzen."
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Tramabene, Truxal, Berodual DA b. Bed., Pantoprazol, Diclostad Gel lokal, Paracetamol b. Bed., Temesta b. Bed., Pakrmed b. Bed., Duloxetin
Sozialanamnese:
verheiratet, keine Kinder, in befristeter Pension seit 1 Jahr
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
XXXX /FÄ für Psychiatrie und Neurologie 10/2020: Diagnose: Gonarthrose, Ein- und Durchschlafstörungen, Sonstiger chronischer Schmerz, Krämpfe und Spasmen der Muskulatur, Schädlicher Gebrauch von nichtabhängigkeitserzeugenden Substanzen: Analgetika (symptomatisch), Patella Verschiebung, iA Fibromyalgie, Asthma bronchiale, nicht näher bezeichnet, Anpassungsstörungen
mitgebrachter Befund:
XXXX /FÄ für Psychiatrie und Neurologie 03/2021: Diagnsoe: Patellaverschiebung rechts, Fibromyalgie, Asthma brochiale, nnb, Anpassungsstörung, Lumboischialgie, Kreuzschmerz, Unwohlsein und Ermüdung, sonstige Spondylose mit Radikulopathie, lumbale und sonstige Bandscheibenschäden mit Radikulopathie, reaktive Depressio… FÄ KO werden fortgesetzt, Knie-OP geplant für 29.3.2021
MRT der LWS 02/2021: Hochgradige hypertrophe Spondylarthrose mit absoluter Vertebralkanalstenose L5/S1 und relativer Stenose L4/5, kleiner rechts mediolateraler Prolaps L5/S1, kein Nachweis einer neuroforaminellen Enge.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
41-jährige Antragstellerin in gutem AZ, kommt alleine mit 1 Stützkrücke zur Untersuchung.
Ernährungszustand:
gut
Größe: 171,00 cm Gewicht: 80,00 kg Blutdruck:
Klinischer Status – Fachstatus:
Caput: HNAP frei, kein Meningismus, HWS ausreichend beweglich, Sprache unauffällig
Himnerven: Pupillen rund, isocor bds., Lichtreaktion prompt und konsensuell, Lidspalten gleich weit, Bulbusmotilität in allen Ebenen frei und koordiniert, kein pathologischer Nystagmus, keine Doppelbilder, HN VII seitengleich innerviert, basale HN frei.
OE: Trophik, Tonus und grobe Kraft stgl. unauffällig. VA: kein Absinken, Feinmotilität nicht beeinträchtigt, BSR, TSR, RPR seitengleich auslösbar, Knips bds. negativ, Eudiadochokinese bds., FNV bds. zielsicher, keine unwillkürlichen Bewegungen.
UE: Trophik, Tonus und grobe Kraft stgl. unauffällig. PV: kein Absinken, bei eingeschränkten Untersuchungsbedingungen keine manifesten Paresen fassbar, PSR bei liegenden Genutrain nicht prüfbar, ASR seitengleich untermittellebhaft auslösbar, Babinski bds. negativ, KHV bds. nicht durchgeführt, keine unwillkürlichen Bewegungen.
Sensibilität: allseits intakt. Angabe von Schmerzen v.a in LWS, Hüften und Beinen bds.
Gesamtmobilität – Gangbild:
Gangbild unter Angabe von Schmerzen verlangsamt und etwas uneleastisch, Gehen wird mit 1 Krücke demonstriert, Zehen- und Fersenstand unter Anhalten möglich
Status Psychicus:
wach, zur Person, örtlich, zeitlich orientiert, Konzentration, Aufmerksamkeit unauffällig, Mnestik altersentsprechend unauffällig, Antrieb erhalten, Stimmung klagsam, gedrückt, inhaltliche Fixierung auf somatische Beschwerden, Verdeutlichungstendenz, Affizierbarkeit in beiden Skalenbereichen gegeben, Ductus kohärent und zielführend, keine produktive Symptomatik, Durchschlafstörung
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1
Hochgradige Funktionseinschränkung im Bereich beider Kniegelenke bei Zustand nach
Totalendoprothese rechts mit habitueller Subluxation sowie höhergradige degenerative
Veränderungen im Bereich des linken Kniegelenks mit bestehendem Knochenmarksödem in
Tibiabereich
2
degenerative LWS-Veränderungen
3
Chronisches Schmerzsyndrom
4
Depression, Anpassungsstörung
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Neuaufnahme des Leidens degenerative LWS-Veränderungen. Keine Änderung der übrigen Leiden.
Asthma bronchiale erreicht keinen GdB, da nicht ausreichend fachärztlich befunddokumentiert.
Dauerzustand
x
Nachuntersuchung 08/2021 - weil NU 08/2021 gem. VGA. Nach geplanter OP rechtes Knie ist mit einer Besserung zu rechnen.
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine. Trotz Funktionseinschränkungen an beiden Kniegelenken und degenerativen LWS Veränderungen ist es der Antragstellerin möglich, Wegstrecken von 300-400m ohne erhebliche Erschwernis, allenfalls unter Verwendung eines einfachen Hilfsmittels zur Fortbewegung, zurückzulegen. Das sichere Besteigen mit Überwindung von Niveauunterschieden sowie der Transport sind möglich. Haltegriffe können benützt werden. Nach erfolgter Knie-OP ist mit einer Verbesserung des Leidenszustandes (insbesonders der Beweglichkeit und der Schmerzen) zu rechnen.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt ein Immundefekt vor im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten?
Nein.“
Mit Schreiben vom 29.03.2021 brachte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte ihr die Möglichkeit einer Stellungnahme ein.
Mit am 13.04.2021 eingelangtem Schreiben erstattete die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme, in der sie ausführte, sie hinke und habe große Schmerzen beim Gehen. Das Zurücklegen von 300-400 Meter könne sie nur unter extremen Schmerzen schaffen, nicht einmal mit Hilfe. Diese Distanz schaffe sie nur mit dem Auto. Am Tag der Untersuchung sei sie von einer Begleitperson begleitet worden. Sie habe entgegen der Annahme der Sachverständigen Asthma. Der Stellungnahme legte die Beschwerdeführerin medizinische Befunde bei.
Die belangte Behörde gab in der Folge ein weiteres Sachverständigengutachten der bereits befassten Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie und einer Ärztin für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag.
In diesem auf der Aktenlage basierenden Gutachten vom 31.05.2021 wurde Folgendes – hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben – ausgeführt:
„Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Im Rahmen des Parteiengehörs wird Einspruch gegen das SVG 03/2021 eingebracht. Die Antragstellerin ist mit der Ablehnung der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln" nicht einverstanden und reicht einen neuen Befund nach:
XXXX /FA für Lungenkrankheiten 03/2021: Anamnese: benötigt OP Freigabe für Knie-TEP re, Nik. ex seit 12/20, genug Luft, dzt. infektfrei. Status: freies VA ohne auskultierbare Nebengeräusche, SaO2 RL 99%, Lungenfunktion: restriktives Bild, periphere Obstruktion, Broncholyse: teilreversibel auf Betamimetika, RGA (Ruhe): in Ruhe altersgemäß unauffällige Blutgase, Durchleuchtung: altersgemäß unauffälliger Befund. Diagnose:
somatoforme Störung, DD COPD overlap, Asthma bronchiale
Medikation: Foster Druckg. Inhal 100/6mcg 120HB
inhalative Bedarfsmedikation, keine Einwand gegen OP in Vollnarkose
bereits vorgelegte Befunde:
XXXX /FA für Neurologie und Psychiatrie 03/2021: Diagnosen: Patella Verschiebung re, Fibromyalgie, Asthma bronchiale, nicht näher bezeichnet, Anpassungsstörungen,
Lumboischialgie, Kreuzschmerz, Unwohlsein und Ermüdung, Sonstige Spondylose mit
Radikuiopathie, Lumbale und sonstige Bandscheibenschäden mit Radikulopathie, Reaktive Depressio....FÄ KO werden fortgesetzt, Knie-OP geplant für 29.03.2021
XXXX /FÄ für Psychiatrie und Neurologie 10/2020: Diagnose: Gonarthrose, Ein- und
Durchschlafstörungen, Sonstiger chronischer Schmerz, Krämpfe und Spasmen der Muskulatur, Schädlicher Gebrauch von nichtabhängigkeitserzeugenden Substanzen:
Analgetika (symptomatisch), Patella Verschiebung, iA Fibromyalgie, Asthma bronchiale, nicht näher bezeichnet, Anpassungsstörungen
MRT der LWS 02/2021: Hochgradige hypertrophe Spondylarthrose mit absoluter Vertebralkanalstenose L5/S1 und relativer Stenose L4/5, kleiner rechts mediolateraler Prolaps L5/S1, kein Nachweis einer neuroforaminellen Enge.
Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel: gem. SVG 03/2021: Tramabene, Truxal, Berodual DA b. Bed., Pantoprazol, Diclostad Gel lokal, Paracetamol b. Bed., Temesta b. Bed., Pakrmed b. Bed., Duloxetin
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1
Hochgradige Funktionseinschränkung im Bereich beider Kniegelenke bei Zustand nach
Totalendoprothese rechts mit habitueller Subluxation sowie höhergradige degenerative
Veränderungen im Bereich des linken Kniegelenks mit bestehendem Knochenmarksödem in Tibiabereich
2
degenerative LWS-Veränderungen
3
Chronisches Schmerzsyndrom
4
Depression, Anpassungsstörung
5
Asthma bronchiale DD COPD overlap
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Neuaufnahme des Leidens Asthma bronchiale DD COPD overlap. Lt. lungenfachärztlichem Befund ist eine inhalative Bedarfsmedikation ausreichend. Eine wechselseitige, ungünstige Leidensbeeinflussung zum Hauptleiden liegt nicht vor.
Keine Änderung des GdBs.
?
Dauerzustand
?
Nachuntersuchung -
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine. Trotz Funktionseinschränkungen an beiden Kniegelenken und degenerativen LWS Veränderungen ist es der Antragstellerin möglich, Wegstrecken von 300-400m ohne erhebliche Erschwernis, allenfalls unter Verwendung eines einfachen Hilfsmittels zur Fortbewegung, zurückzulegen. Das sichere Besteigen mit Überwindung von Niveauunterschieden sowie der Transport sind möglich. Haltegriffe können benützt werden. Nach erfolgter Knie-OP ist mit einer Verbesserung des Leidenszustandes (insbesonders der Beweglichkeit und der Schmerzen) zu rechnen. Bei bestehendem Asthma bronchiale DD COPD overlap liegt keine maßgebliche Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit vor.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt ein Immundefekt vor im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten?
Nein.“
Mit angefochtenem Bescheid vom 16.07.2021 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung“ in den Behindertenpass ab. Im Ermittlungsverfahren sei ein Gutachten eingeholt worden, demzufolge die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorlägen. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Der Beschwerdeführerin sei Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Die nachgereichten Einwendungen würden keine ausreichend relevanten Sachverhalte beinhalten, welche eine Änderung des Gutachtens bewirken würden. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grund gelegt worden. Mit dem Bescheid wurden der Beschwerdeführerin die Sachverständigengutachten übermittelt.
Mit Schreiben vom 27.07.2021 erhob die Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde und führte im Wesentlichen aus, dass das Aktengutachten keinesfalls schlüssig sei. Die Feststellung, dass sie einen Fußweg von 800 Meter alleine zurücklegen könne, gleicht einer Frechheit. Dafür bräuchte sie neben ihren Krücken auch eine Begleitperson, und würde ihr nur unter sehr großen Schmerzen gelingen.
Mit Schreiben vom 02.08.2021 legte die belangte Behörde die Beschwerde und den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor, wo diese am 03.08.2021 einlangten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin eines Behindertenpasses mit einen Grad der Behinderung von 50 v. H.
Sie stellte am 30.10.2020 beim Sozialministeriumservice einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass.
Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
- Hochgradige Funktionseinschränkung im Bereich beider Kniegelenke bei Zustand nach Totalendoprothese rechts mit habitueller Subluxation sowie höhergradige degenerative Veränderungen im Bereich des linken Kniegelenks mit bestehendem Knöchenmarksödem im Tibialbereich
- Degenerative LWS-Veränderungen
- Chronisches Schmerzsyndrom
- Depression, Anpassungsstörung
- Asthma bronchiale DD COPD overlap
Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist der Beschwerdeführerin trotz dieser Funktionseinschränkungen möglich und zumutbar. Die Leidenszustände der Beschwerdeführerin stellen zweifellos eine Beeinträchtigung ihres Alltagslebens dar, schränken jedoch den Transport mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erheblich ein.
Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, der wechselseitigen Leidensbeeinflussung und insbesondere der Auswirkungen der Funktionseinschränkung auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen in den oben wiedergegebenen Sachverständigengutachten vom 29.03.2021 und 31.05.2021 zu Grunde gelegt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Behindertenpass und zur Antragsstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die zur Abweisung der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ führt, gründet sich auf die durch die belangte Behörde eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie und einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 29.03.2021 und 31.05.2021, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 22.03.2021 bzw. der Aktenlage. Dabei berücksichtigte die Sachverständige die von der Beschwerdeführerin in Vorlage gebrachten medizinischen Beweismittel.
Trotz der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkungen erreichen diese Einschränkungen kein Ausmaß, das eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bedingen würde. Die Sachverständige stellte aufgrund einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin diesbezüglich im Wesentlichen fest, dass keine der bei ihr festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zulassen würden. Trotz Funktionseinschränkungen an beiden Kniegelenken und degenerativen LWS Veränderungen ist es der Beschwerdeführerin möglich, Wegstrecken von 300-400 m ohne erhebliche Erschwernis, allenfalls unter Verwendung eines einfachen Hilfsmittels zur Fortbewegung, zurückzulegen. Das sichere Besteigen mit Überwindung von Niveauunterschieden sowie der Transport sind möglich. Haltegriffe können benützt werden. Nach erfolgter Knie-OP ist mit einer Verbesserung des Leidenszustandes (insbesondere der Beweglichkeit und der Schmerzen) zu rechnen.
Auch in ihrem zweiten, auf der Aktenlage basierenden Gutachten hielt die Sachverständige diese Einschätzungen vollinhaltlich aufrecht und führte nochmals aus, dass es der Beschwerdeführerin trotz Funktionseinschränkungen an beiden Kniegelenken und degenerativen LWS Veränderungen möglich ist, Wegstrecken von 300-400 m ohne erhebliche Erschwernis, allenfalls unter Verwendung eines einfachen Hilfsmittels zur Fortbewegung, zurückzulegen. Das sichere Besteigen mit Überwindung von Niveauunterschieden sowie der Transport sind möglich. Haltegriffe können benützt werden. Nach erfolgter Knie-OP ist mit einer Verbesserung des Leidenszustandes (insbesondere der Beweglichkeit und der Schmerzen) zu rechnen. Bei bestehendem Asthma bronchiale DD COPD overlap liegt keine maßgebliche Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit vor. Daher sei das Zurücklegen kurzer Wegstrecken oder die sichere Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel nicht erheblich erschwert.
Dem entgegnete die Beschwerdeführerin in der Beschwerde neben einer Schilderung ihrer Leidens- und Schmerzzustände im Wesentlichen, sie könne einer Wegstrecke von 800 m nicht zurücklegen Für diesen Weg bräuchte sie neben ihren Krücken auch eine Begleitperson und sie würde unter sehr großen Schmerzen leiden.
Diese Angaben wurden von der Beschwerdeführerin jedoch nicht durch medizinische Befunde belegt, sie widersprechen auch den Ergebnissen der klinischen Untersuchung durch die Sachverständige. Diese hielt wie bereits ausgeführt unter anderem aus, dass die Beschwerdeführerin trotz Funktionseinschränkungen an beiden Kniegelenken und degenerativen LWS-Veränderungen Wegstrecken von 300-400m ohne erhebliche Erschwernis, allenfalls unter Verwendung eines einfachen Hilfsmittels zu Fortbewegung, zurücklegen kann. Die sachverständige Gutachterin konnte sich dabei auf das von ihr beobachtete Gangbild der Beschwerdeführerin stützen. Dieses beschreib sie als unter Angabe von Schmerzen verlangsamt und etwas unelastisch, Gehen wird mit 1 Krücke demonstriert; Zehen- und Fersenstand unter Anhalten waren möglich. Weiters hielt die Sachverständige in der Beschreibung der unteren Extremitäten fest, dass sowohl Trophik, Tonus und grobe Kraft unauffällig und keine manifesten Paresen fassbar waren (vgl. Seite 2 des Gutachtens).
Ebenso wenig sind bei der Untersuchung Probleme mit dem Gleichgewicht, dem Überwinden von Niveauunterschieden oder dem Festhalten hervorgekommen. Aus dem Sachverständigengutachten geht hervor, dass das sichere Besteigen mit Überwindung von Niveauunterschieden sowie der Transport möglich sind. Haltegriffe können von der Beschwerdeführerin benützt werden. In diesem Zusammenhang hielt die Sachverständige zudem fest, dass nach erfolgter Knieoperation mit einer Verbesserung des Leidenszustandes, insbesondere der Beweglichkeit und der Schmerzen, zu rechnen ist. Insofern die Beschwerdeführerin in der Stellungnahme vom 13.04.2021 die Nichtberücksichtigung des Leidens Asthma monierte, wurde diesem Umstand im Sachverständigengutachten vom 31.05.2021 Rechnung getragen und dazu ausgeführt, dass das Leisten Asthma bronchiale DD COPD overlap laut lungenfachärztlichem Befund mittels inhalativer Bedarfsmedikation ausreichend behandelt ist. Zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel geht aus dem Sachverständigengutachten hervor, dass bei beistehendem Asthma bronchiale DD COPD overlap keine maßgebliche Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit vorliegt.
Das Begehren in der Beschwerde, wonach ihr das Zurücklegen einer Wegstrecke von 800 m nicht möglich sei, konnte im Rahmen der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin gerade nicht objektiviert werden. Auch die Verwendung eines Gehstockes bzw. einer Krücke steht der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht entgegen. Dass sich ihr Zustand seit der persönlichen Untersuchung im Rahmen des vorliegenden Gutachtens verschlechtert habe, geht aus der Beschwerde nicht hervor, die Beschwerdeführerin beschreib ihre Leiden durchaus ähnlich wie bereits gegenüber der Sachverständigen sowie in der Stellungnahme vom 13.04.2021.
Alle von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Aspekte ihrer Leidenszustände wurden damit in den Sachverständigengutachten entweder bereits berücksichtigt oder waren aus medizinischer Sicht nicht ausreichend objektivierbar.
Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen der Beschwerde keine neuen Befunde vor. Das Vorbringen in der Beschwerde war somit nicht geeignet, eine andere Beurteilung hinsichtlich der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel herbeizuführen bzw. bzw. eine zwischenzeitig eingetretene Verschlechterung der Leidenszustände zu belegen und allenfalls zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen.
Damit ist die Beschwerdeführerin den vorliegenden Sachverständigengutachten im Lichte obiger Ausführungen insgesamt nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).
Betreffend den Antrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens wird auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung verwiesen.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit der vorliegenden internistischen Sachverständigengutachten vom 29.03.2021 und 31.05.2021. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
1. Zur Entscheidung in der Sache
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
…
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
…
§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.
§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“
§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idg F BGBl II Nr. 263/2016 lautet – soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:
„§ 1 ….
(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
1. …….
2. ……
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller
Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1
Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(6)……“
In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 wird unter anderem – soweit im gegenständlichen Fall relevant – Folgendes ausgeführt:
„Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (neu nunmehr § 1 Abs. 4 Z. 3, BGBl. II Nr. 263/2016):
…
Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
…
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,
- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,
- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,
- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.
Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:
- anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID – sever combined immundeficiency),
- schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),
- fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,
- selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.
Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen, kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.
Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.
Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.
Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:
- vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,
- laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,
- Kleinwuchs,
- gut versorgte Ileostoma, Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss. Es kommt weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar,
- bei Inkontinenz, da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen. Lediglich bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar.“
…“
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).
Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.
Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).
Betreffend das Kalkül „kurze Wegstrecke“ wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 bis400 Metern ausgeht. (vgl. u. a. VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013)
Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt – auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen –, wurde in den seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie und einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 29.03.2021 und 31.05.2021 nachvollziehbar verneint, dass im Fall der Beschwerdeführerin – trotz der bei ihr vorliegenden Gesundheitsschädigungen – die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass vorliegen. Bei der Beschwerdeführerin liegen ausgehend von diesem Sachverständigengutachten aktuell keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten, psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen oder auch nicht das Vorliegen einer schweren anhaltenden Erkrankung des Immunsystems im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen vor.
Auch unter Berücksichtigung der bei der Beschwerdeführerin bestehenden dauerhaften Einschränkungen und der damit verbundenen Beeinträchtigungen im Alltag vermag diese noch nicht die Überschreitung der Schwelle der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun. Die dazu seitens des Gesetzgebers festgehaltenen Erläuterungen wurden im gegenständlichen Fall berücksichtigt und bestärken diese die Einschätzung, dass der Beschwerdeführerin die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel trotz ihrer zweifelsohne vorhandenen und festgestellten Gesundheitsschädigungen zumutbar ist.
Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen der Beschwerde, wie in der Beweiswürdigung bereits ausgeführt, keine Befunde vor, die geeignet wären, die durch die medizinische Sachverständige getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung ihres Zustandes zu belegen.
Da der Sachverhalt feststeht und die Sache daher entscheidungsreif ist, war dem in der Beschwerde gestellten Antrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nicht Folge zu geben, zumal bereits zwei medizinische Sachverständigengutachten eingeholt und der Entscheidung zu Grunde gelegt wurden. Die Beschwerdeführerin legte nicht dar, weshalb ein weiteres Gutachten erforderlich wäre oder zu welchem Beweisthema dieses beantragt würdn. Lediglich der Vollständigkeit halber ist auch darauf hinzuweisen, dass kein Rechtsanspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes besteht (vgl. VwGH 24.06.1997, 96/08/0114).
Die für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass erforderliche Voraussetzung einer erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit, der Funktionen der unteren Extremitäten, psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen oder des Vorliegens einer schweren anhaltenden Erkrankung des Immunsystems sind somit nicht erfüllt. Auch erreichen die übrigen Einschränkungen der Beschwerdeführerin kein Ausmaß, welches die Benützung der Verkehrsmittel unzumutbar erscheinen lässt.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in Betracht kommt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist;
3. wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde iSd § 24 Abs. 1 VwGVG weder beantragt, noch hält Bundesverwaltungsgericht eine solche für erforderlich.
Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachten geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W265.2244952.1.00Im RIS seit
12.11.2021Zuletzt aktualisiert am
12.11.2021