Entscheidungsdatum
30.09.2021Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W265 2243881-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Mag.a Karin GASTINGER, MAS sowie die fachkundige Laienrichterin Dr.in Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 19.05.2021, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte am 29.07.2020 beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und legte dem ausgefüllten Antragsformular einen medizinischen Befund bei.
Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 06.10.2020 basierenden Gutachten vom 07.10.2020 wurde Folgendes – hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben – ausgeführt:
„Anamnese:
Letzte hierortige Einstufung 9-2018 mit 30% (degenerative Gelenksveränderungen 30, degenerative Wirbelsäulenveränderungen 20, Tremor 20, arterieller Bluthochdruck 10)
1998 Hüft Totalendoprothese links
Arterielle Hypertonie bekannt – derzeit mit medikamentöser Therapie ausreichend eingestellt.
Derzeitige Beschwerden:
Der Antragswerber klagt „über Schlafstörungen seit die Frau gestorben ist ,
Rückenschmerzen von der Hüfte aus, er hatte eine Infektion drinnen gehabt, deswegen könne er sich nicht mehr operieren lassen, das ziehe sich in den Rücken hinauf, abends nehme er regelmäßig etwas zum einschmieren, er könne sich nicht bücken und habe beim Gehen schmerzen. Das komme alles von der Hüfte, auch Wetterabhängig . Er bräuchte dann eine Heimhilfe, weil alleine schaffe er es nicht, müsse um einen Zuschuß ansuchen, sonst müsse er in ein Heim. Bisher habe er sich alles selber gemacht.
Es ist schreckbar wenn man alleine ist, und so alt. Seine Wohnung möchte er nicht aufgeben wenn es nicht sein müsse.
Ein Zittern habe er schon, aber nur wenn der Löffel voll sei, oder etwas heilkiges - das sei eine Vererbung.
Er brauche unbedingt das Auto.
Von der Niere wisse er nichts, habe keinen Laborbefund mit Kreatininwert.
Auch beim Herzen spüre er nichts, er gehe was er könne. Fallweise sei es ein bißchen ungut.
Wenn er zu fett esse bekomme er Durchfall, wenn er vorsichtig sei , habe er das im Griff “
Keine spezifizierte Allergie bekannt
Anderwärtige schwere Krankheiten, Operationen oder Spitalsaufenthalte werden negiert. Lt. eigenen Angaben Benutzung der öffentlichen VM möglich, „hierher habe er nicht genau gewußt , wie er herkomme und habe deswegen ein Taxi genommen“
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Arthrotec, Candesartan, Enterobene, Finasterid, Inderal, Quetiapin, Tamsulosin, Urivesc
Sozialanamnese:
seit ca. 20 Jahren in Pension als XXXX Staplerfahrer, verwitwet seit ca. 2011, keine Kinder,
wohnt alleine in einer Gemeindewohnung im 2. Stock mit Lift, einige Stufen sind zu überwinden.
Kein Pflegegeld
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
2020-5 Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin:
Coxarthrosis bds, Hypertonie, Herzinsuffizienz
RDS mit chron Diarrhoe,
Niereninsuff
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
82 jähriger AW in gutem AZ kommt alleine ins Untersuchungszimmer
Rechtshänder ,
Ernährungszustand:
gut
Größe: 183,00 cm Gewicht: 71,00 kg Blutdruck: 130/90
Klinischer Status – Fachstatus:
Haut: und sichtbare Schleimhäute gut durchblutet, kein Ikterus, keine periphere oder zentrale Zyanose
Caput: HNAP frei, kein Meningismus, sichtbare Schleimhäute: unauffällig Zunge feucht, wird gerade hervorgestreckt , normal
PR unauffällig, Rachen: bland,
Gebiß: prothetisch, Hörvermögen ohne Hörgerät etwas eingeschränkt
Collum: Halsorgane unauffällig, keine Einflußstauung, keine Stenosegeräusche
Thorax: symmetrisch,
Cor : HT rhythmisch, mittellaut, normfrequent Puls: 72 / min
Pulmo: sonorer KS, Vesikuläratmen, Basen atemverschieblich, keine Dyspnoe in Ruhe und beim Gang im Zimmer
Abdomen: Bauchdecken im Thoraxniveau, Hepar nicht vergrößert, Lien nicht palpabel,
keine pathologischen Resistenzen tastbar, indolent,
NL bds. frei
Extremitäten:
OE: Tonus, Trophik und grobe Kraft altersentsprechend unauffällig.
Nacken und Schürzengriff möglich ,
partieller Intentionstremor, in den Gelenken altersentsprechend frei beweglich , Faustschluß beidseits unauffällig
, eine Sensibilitätsstörung wird nicht angegeben
Feinmotorik und Fingerfertigkeit altersentsprechend ungestört.
UE: Tonus, Trophik und grobe Kraft altersentsprechend unauffällig. blande
Narbenverhältnisse rechte Hüfte, Beugung rechte Hüfte bis 90°, links bis 110°, endllagige Funktionsstörung der Kniegelenke, sonst in den Gelenken altersentsprechend frei beweglich, Bandstabilität,
keine Sensibilitätsausfälle, selbständige Hebung beider Beine von der Unterlage möglich, Grobe Kraft an beiden Beinen seitengleich normal.
Fußpulse tastbar, verstärkte Venenzeichnung keine Ödeme
PSR: seitengleich unauffällig, Nervenstämme: frei, Lasegue: neg.
Wirbelsäule: In der Aufsicht gerade, weitgehend im Lot, in der Seitenansicht verstärkte Brustkyphose , BSD rechts + 1 cm , FBA: 40 cm, Aufrichten frei,
kein Klopfschmerz ,
zu 1/2 eingeschränkte Seitneigung und Seitdrehung der LWS, zu 1/4 eingeschränkte Beweglichkeit der HWS, Kinn-Brustabstand: 1 cm,
Hartspann der paravertebralen Muskulatur,
Gesamtmobilität – Gangbild:
kommt mit Halbschuhen und einem Stock etwas hinkend rechts , freier Stand und Gang sicher raumgreifend etwas hinkend möglich Zehenballen- und Fersengang sowie
Einbeinstand beidseits möglich. Die tiefe Hocke wird ohne Anhalten zu 1/3 durchgeführt. Vermag sich selbständig aus- und wieder anzuziehen
Status Psychicus:
Bewußtsein klar. gut kontaktfähig, Allseits orientiert, Gedanken in Form und Inhalt geordnet, psychomotorisch ausgeglichen, Merk- und Konzentrationsfähigkeit erhalten; keine produktive oder psychotische Symptomatik,
Antrieb unauffällig, Affekt : dysthym
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
Gdb %
1
Degenerative Wirbelsäulenveränderungen
Heranziehung dieser Position mit dem oberen Rahmensatz, da
Funktionseinschränkungen im Lendenwirbelsäule und
Halswirbelsäulenbereich mit Einschränkungen im Alltag ohne radikuläre Ausfälle
02.01.02
40
2
Degenerative Gelenksveränderungen
Heranziehung dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da mäßige
Funktionseinschränkungen der Hüft- und Kniegelenke bei Zustand nach Hüft Totalendoprothese rechts
02.02.02
30
3
Hypertensive Cardiomyopathie Fixer Rahmensatz
05.01.02
20
4
Essentieller Tremor
g.z. Heranziehung dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da leichtgradige Symptomatik
04.09.01
20
5
Reizdarmsyndrom
Heranziehung dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da ohne maßgebliche chronische Schleimhautveränderungen
07.04.04
10
Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
die führende funktionellen Einschränkung 1 wird durch Leiden 2 um 1 Stufe erhöht, da ein ungünstiges Zusammenwirken gegeben ist.
Leiden 3-5 erhöht nicht weiter, da keine maßgebliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Eine einschätzungsrelevantes Nierenleiden ist nicht befundbelegt
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: Verschlimmerung von Leiden 1-3 . Erstmalige Berücksichtigung von Leiden 5
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
Durch Verschlimmerung von Leiden 1+2 auch Anhebung des Gesamt Gdbs
?
Dauerzustand
?
Nachuntersuchung -
[…]
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine Bedingt durch die degenerativen Gelenks – und Wirbelsäulenveränderungen liegt eine moderate Gangablaufstörung vor welche jedoch das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke,(300400m), sowie das Ein-und Aussteigen und Mitfahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erheblich erschwert. Darüber hinaus führt auch das Zusammenwirken mit der Hypertonie und dem geringen Intentionstremor nicht zu einer maßgeblichen Behinderung der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
nein“
Mit Schreiben vom 07.10.2020 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer aufgrund seines Antrages vom 29.07.2020 mit, dass im medizinischen Ermittlungsverfahren ein Grad der Behinderung von 50 % festgestellt worden sei. Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragungen „Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor“ und „Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn einer Prothese“ würden vorliegen. Der Behindertenpass werde ihm in den nächsten Tagen übermittelt werden. Der Behindertenpass werde unbefristet ausgestellt.
Mit Begleitschreiben vom 11.10.2020 übermittelte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer den Behindertenpass mit den genannten Zusatzeintragungen.
Mit Eingabe vom 15.03.2021 stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis), der zugleich als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass gilt.
Mit Schreiben vom 16.03.2021 ersuchte die belangte Behörde den Beschwerdeführer, innerhalb von vier Wochen nach Erhalt dieses Schreiben aktuelle Befunde in Kopie (nicht älter als ein halbes Jahr) nachzureichen.
Der Beschwerdeführer legte keine neuen Befunde vor.
Mit Schreiben vom 16.04.2021 brachte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer das Sachverständigengutachten vom 07.10.2020 als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte ihm die Möglichkeit einer Stellungnahme ein. Die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ würden nicht vorliegen.
Der Beschwerdeführer erstattete keine Stellungnahme.
Mit angefochtenem Bescheid vom 19.05.2021 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung“ in den Behindertenpass ab. Im Ermittlungsverfahren sei ein Gutachten eingeholt worden. Nach diesem Gutachten würden die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Dem Beschwerdeführer sei Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Da eine Stellungnahme innerhalb der gesetzten Frist nicht eingelangt sei, habe vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht abgegangen werden können. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grund gelegt worden. Mit dem Bescheid wurde dem Beschwerdeführer das ärztliche Gutachten übermittelt.
Mit Schreiben vom 24.06.2021, eingelangt am 28.06.2021, erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Darin brachte er im Wesentlichen vor, dass er mit dem Ergebnis des ärztlichen Sachverständigengutachtens nicht einverstanden sei. Wegen seiner erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen sei ihm die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar. Seit einer Infektion in der Hüfte leide er an starken Rückenschmerzen, die von der Hüfte ausstrahlen. Dadurch verspüre er dauerhaft starke Schmerzen beim Gehen und könne sich auch nicht bücken. Aufgrund der Schmerzen könne er ohne fremde Hilfe und aus eigener Kraft maximal eine Gehstrecke von 200 Metern zurücklegen. Allgemein könne er sich nur mit einem Gehstock fortbewegen. Nach einer Strecke vom 200 Metern müsse er sich hinsetzen und nicht selten bis zu 20 Minuten pausieren. Die Schmerzen versuche er mit drei unterschiedlichen Salben hintanzuhalten, was manchmal besser, manchmal schlechter gelinge. Abgesehen davon sei ihm die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aber schon deshalb nicht zumutbar, weil er große Probleme mit dem Niveauunterschied beim Ein- und Aussteigen habe. In diesem Zusammenhang habe es bereits zwei Zwischenfälle gegeben, bei denen er unmittelbar nach dem Einstieg gestolpert und zu Boden gegangen sei. Zudem habe es einen weiteren Vorfall gegeben, bei dem er aufgrund seiner Gehschwierigkeiten durch das abrupte Losfahren der Straßenbahn zu Boden gegangen sei. Weiters habe er bereits mehrfach Glück gehabt, nicht weitere Male zu stürzen. Denn auch wenn er sich während der Fahrt festhalten habe können, habe er Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu halten und bestehe ständig die Gefahr, dass sein Fuß einsacke. Aufgrund seiner Leiden sei es ihm derzeit nicht möglich, einen Arzt selbstständig aufzusuchen, weshalb er keinen aktuellen Befund seines behandelnden Orthopäden einholen könne. Er ersuche um Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Orthopädie und Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Mit Schreiben vom 29.06.2021 legte die belangte Behörde die Beschwerde und den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor, wo diese am selben Tag einlangten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v. H.
Er stellte am 15.03.2021 beim Sozialministeriumservice einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass.
Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
- Degenerative Wirbelsäulenveränderungen
- Degenerative Gelenksveränderungen
- Hypertensive Cardiomyopathie
- Essentieller Tremor
- Reizdarmsyndrom
Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist dem Beschwerdeführer trotz dieser Funktionseinschränkungen möglich und zumutbar. Die Leidenszustände des Beschwerdeführers stellen zweifellos eine Beeinträchtigung seines Alltagslebens dar, schränken jedoch den Transport mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erheblich ein.
Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, der wechselseitigen Leidensbeeinflussung und insbesondere der Auswirkungen der Funktionseinschränkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen des oben wiedergegebenen ärztlichen Sachverständigengutachtens vom 07.10.2020 zu Grunde gelegt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Behindertenpass und zur Antragsstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die zur Abweisung der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ führt, gründet sich auf das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 07.10.2020, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 06.10.2020. Dabei berücksichtigte der Sachverständige die vom Beschwerdeführer in Vorlage gebrachten medizinischen Beweismittel. Das Gutachten ist schlüssig und nachvollziehbar, es weist keine Widersprüche auf.
Trotz der beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkungen erreichen diese Einschränkungen noch kein Ausmaß, das eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bedingen würde. Der ärztliche Sachverständige stellte dazu infolge einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers im Wesentlichen fest, dass bei diesem bedingt durch die degenerativen Gelenks- und Wirbelsäulenveränderungen zwar eine moderate Gangablaufstörung vorliegt, diese jedoch das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke (300–400 Meter), sowie das Ein- und Aussteigen und Mitfahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erheblich erschwert. Darüber hinaus führt auch das Zusammenwirken mit der Hypertonie und dem geringen Intentionstremor nicht zu einer maßgeblichen Behinderung der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel (vgl. S. 6 des Gutachtens)
Dem entgegnete der Beschwerdeführer in der Beschwerde im Wesentlichen, dass er aufgrund seiner starken Rückenschmerzen beim Gehen aus eigener Kraft maximal eine Strecke von 200 Metern zurücklegen und sich auch nicht bücken könne. Nach einer Strecke vom 200 Metern müsse er sich hinsetzen und bis zu 20 Minuten pausieren. Er könne sich auch nur mit einem Gehstock fortbewegen. Abgesehen davon sei ihm die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aber schon deshalb nicht zumutbar, weil er große Probleme mit dem Niveauunterschied beim Ein- und Aussteigen habe. In diesem Zusammenhang habe es bereits zwei Zwischenfälle gegeben, bei denen er nach dem Einstieg gestolpert und zu Boden gegangen sei. Zudem habe es einen weiteren Vorfall gegeben, bei dem er durch das abrupte Losfahren der Straßenbahn zu Boden gegangen sei. Auch dann, wenn er sich während der Fahrt festhalten habe können, habe er Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu halten und bestehe ständig die Gefahr, dass sein Fuß einsacke.
Diese Angaben wurden vom Beschwerdeführer jedoch nicht durch medizinische Befunde belegt, sie weichen auch deutlich von den Ergebnissen der klinischen Untersuchung durch den Sachverständigen ab. Dieser hielt wie bereits ausgeführt unter anderem fest, dass dem Beschwerdeführer trotz seiner moderaten Gangablaufstörung die Zurücklegung einer kurzen Wegstrecke von 300 bis 400 Metern, das Ein- und Aussteigen und das Mitfahren in öffentlichen Verkehrsmitteln durchaus zumutbar und möglich sind. Der sachverständige Gutachter konnte sich dabei auf das von ihm beobachtete Gangbild des Beschwerdeführers stützen. Dieses beschrieb er als rechts etwas hinkend, der freie Stand und Gang waren jedoch sicher und raumgreifend, wenn auch etwas hinkend, möglich. Auch der Zehenballen- und Fersengang sowie der beidseitige Einbeinstand waren möglich. Der Beschwerdeführer konnte die tiefe Hocke ohne Anhalten zu einem Drittel durchführen und vermochte sich selbstständig aus- und wieder anzuziehen (vgl. S. 3 des Gutachtens).
Ebenso wenig sind bei der Untersuchung Probleme mit dem Gleichgewicht, dem Überwinden von Niveauunterschieden oder dem Festhalten hervorgekommen. Aus dem Sachverständigengutachten geht hervor, dass dem Beschwerdeführer die selbstständige Hebung beider Beine möglich ist und keine Sensibilitätsausfülle an den unteren Extremitäten vorliegen. Faustschluss, Feinmotorik und Fingerfertigkeit waren unauffällig bzw. altersentsprechend ungestört (vgl. S. 3 des Gutachtens). Auch die Verwendung eines Gehstockes steht der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht entgegen. Im einzigen vom Beschwerdeführer vorgelegten medizinischen Befund, einer ärztlichen Diagnoseliste vom 20.05.2020, wurde die Einschätzung, er würde „einen Behinderten Parkplatz in der Nähe des Wohnsitzes brauchen“, nicht näher begründet. Zugleich ist darauf hinzuweisen, dass auch der Beschwerdeführer selbst bei der Befundaufnahme gegenüber dem Sachverständigen angab, dass ihm die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel möglich sei (vgl. S. 2 des Gutachtens).
Die überaus vage formulierte Behauptung in der Beschwerde, es sei dem Beschwerdeführer „aufgrund seiner Leiden“ derzeit nicht möglich, selbstständig einen Arzt aufzusuchen und aktuelle Befunde einzuholen, wäre selbst unter Zugrundelegung seiner eigenen Angaben zum Gesundheitszustand nicht nachvollziehbar. Welche gesundheitlichen Probleme es ihm konkret verunmöglichen würden, einen Arzt aufzusuchen, erläuterte er nicht. Dass sich sein Zustand seit der persönlichen Untersuchung im Rahmen des vorliegenden Gutachtens derart verschlechtert habe, geht aus der Beschwerde nicht hervor, der Beschwerdeführer beschrieb seine Leiden durchaus ähnlich wie bereits gegenüber dem Sachverständigen.
Alle vom Beschwerdeführer vorgebrachten Aspekte seiner Leidenszustände wurden damit in den Sachverständigengutachten entweder bereits berücksichtigt oder waren aus medizinischer Sicht nicht ausreichend objektivierbar.
Der Beschwerdeführer legte im Rahmen der Beschwerde keine neuen Befunde und somit auch keine Befunde vor, die geeignet gewesen wären, eine andere Beurteilung hinsichtlich der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel herbeizuführen bzw. eine zwischenzeitig eingetretene Verschlechterung der Leidenszustände zu belegen und allenfalls zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen.
Damit ist der Beschwerdeführer dem vorliegenden Sachverständigengutachten im Lichte obiger Ausführungen insgesamt nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).
Betreffend den Antrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens aus dem Fachbereich Orthopädie wird auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung verwiesen.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des Sachverständigengutachtens vom 07.10.2020. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
1. Zur Entscheidung in der Sache
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
…
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
…
§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.
§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“
§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idgF BGBl II Nr. 263/2016 lautet – soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:
„§ 1 ….
(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
1. …….
2. ……
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller
Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1
Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(6)…“
In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 wird unter anderem – soweit im gegenständlichen Fall relevant – Folgendes ausgeführt:
„Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (neu nunmehr § 1 Abs. 4 Z. 3, BGBl. II Nr. 263/2016):
…
Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
…
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,
- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,
- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,
- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.
Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:
- anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID – sever combined immundeficiency),
- schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),
- fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,
- selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.
Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen, kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.
Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.
Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.
Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:
- vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,
- laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,
- Kleinwuchs,
- gut versorgte Ileostoma, Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss. Es kommt weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar,
- bei Inkontinenz, da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen. Lediglich bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar.“
…“
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).
Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.
Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).
Betreffend das Kalkül „kurze Wegstrecke“ wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 bis 400 Metern ausgeht (vgl. u. a. Ro 2014/11/0013 vom 27.05.2014).
Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt – auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen –, wurde im seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 07.10.2020 nachvollziehbar verneint, dass im Fall des Beschwerdeführers – trotz der bei ihm vorliegenden Gesundheitsschädigungen – die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass vorliegen.
Beim Beschwerdeführer liegen ausgehend von diesen Sachverständigengutachten aktuell insbesondere wie ausgeführt keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor. Weiters sind keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, psychischer, neurologischer und intellektueller Fähigkeiten oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen objektiviert.
Auch unter Berücksichtigung der beim Beschwerdeführer bestehenden dauerhaften Einschränkungen und der damit verbundenen Beeinträchtigungen im Alltag vermag der Beschwerdeführer noch nicht die Überschreitung der Schwelle der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun. Die dazu seitens des Gesetzgebers festgehaltenen Erläuterungen wurden im gegenständlichen Fall berücksichtigt und diese bestärken die Einschätzung, dass dem Beschwerdeführer die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel trotz seiner zweifelsohne vorhandenen und festgestellten Gesundheitsschädigungen zumutbar ist.
Der Beschwerdeführer legte keine Befunde vor, die geeignet wären, die durch die medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung seines Zustandes zu belegen.
Da der Sachverhalt feststeht und die Sache daher entscheidungsreif ist, war dem in der Beschwerde gestellten Antrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens aus dem Fachbereich Orthopädie nicht Folge zu geben, zumal bereits ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt und der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde. Der Beschwerdeführer legte keine neuen Befunde vor und legte nicht näher dar, weshalb ein orthopädisches Gutachten erforderlich wäre oder weshalb von diesem über das bereits eingeholte Gutachten hinausgehende Erkenntnisse zu erwarten wären. Lediglich der Vollständigkeit halber ist auch darauf hinzuweisen, dass kein Rechtsanspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes besteht (vgl. VwGH 24.06.1997, 96/08/0114).
Die für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass erforderlichen Voraussetzungen von erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten sind somit nicht erfüllt. Für das Vorliegen weiterer Tatbestände des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen haben sich im gegenständlichen Fall keinerlei konkrete Anhaltspunkte ergeben. Auch erreichen die übrigen Einschränkungen des Beschwerdeführers kein Ausmaß, welches die Benützung der Verkehrsmittel unzumutbar erscheinen lässt.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in Betracht kommt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist;
3. wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der von der Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W265.2243881.1.00Im RIS seit
12.11.2021Zuletzt aktualisiert am
12.11.2021