TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/7 W207 2246547-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.10.2021
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Entscheidungsdatum

07.10.2021

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W207 2246547-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 17.08.2021, OB: XXXX , betreffend Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 42 Abs. 1 und § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) und § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen idgF abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Dem Beschwerdeführer wurde laut Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes am 23.10.2013 vom damaligen Bundessozialamt (nunmehr Sozialministeriumsservice, in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) ein Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 50 v.H. ausgestellt. Dies erfolgte auf Grundlage eines Sachverständigengutachtens einer Ärztin für vom 06.09.2013, in dem auf Grundlage der Bestimmungen der Anlage zur Einschätzungsverordnung die Funktionseinschränkungen (1.) „ausgeprägtes atopisches Ekzem seit dem 3. Lebensmonat allergische Disposition“, bewertet mit einem (Einzel-)Grad der Behinderung von 40 v.H. nach der Positionsnummer 01.01.02 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, (2.) „allergisches Asthmaleiden, Emphysemlunge“, bewertet mit einem (Einzel-)Grad der Behinderung von 30 v.H. nach der Positionsnummer 06.05.02 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, (3.) „manifeste Osteoporose ED 2008“, bewertet mit einem (Einzel-)Grad der Behinderung von 20 v.H. nach der Positionsnummer (g.Z.) 02.02.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, (4.) „Handgelenksarthrose beidseits ED 2013“, bewertet mit einem (Einzel-)Grad der Behinderung von 20 v.H. nach der Positionsnummer 02.06.21 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, sowie (5.) „Hypertonie“, bewertet mit einem (Einzel-)Grad der Behinderung von 10 v.H. nach der Positionsnummer 05.01.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, festgestellt wurden. Festgestellt wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H., da zwischen der erstgenannten und den zweit- und drittgenannten Funktionsstörungen eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliege, was den führenden Grad der Behinderung um eine Stufe erhöhe. In diesem Gutachten wurde außerdem ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.

Am 21.12.2020 stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO (Parkausweis für Menschen mit Behinderung), der entsprechend dem vom Beschwerdeführer unterzeichneten Antragsformular für den – auf den Beschwerdeführer zutreffenden – Fall, dass er nicht über einen Behindertenpass mit der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in diesem Behindertenpass verfügt, auch als Antrag auf Vornahme der genannten Zusatzeintragung in den Behindertenpass gilt. Diesem Antrag legte der Beschwerdeführer medizinische Unterlagen aus den Jahren 2014 und 2015, darunter insbesondere einen Patientenbrief vom 02.03.2015, bei.

Auf Ersuchen der belangten Behörde, aktuelle Befunde vorzulegen, legte der Beschwerdeführer einen Führerscheinbefund (Sehschärfe) vom 22.06.2020, einen orthopädischen Befundbericht vom 08.02.2021, einen pulmologischen Befund vom 13.10.2020 sowie einen otologischen Befund mit Audiometrie vom 11.06.2021 vor.

Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin auf Grundlage der Bestimmungen der Anlage zur Einschätzungsverordnung, datiert mit 08.07.2021 und basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 03.05.2021, ein. In diesem medizinischen Sachverständigengutachten wurde – hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben – Folgendes ausgeführt:

„…

Anamnese:

Herr X. kommt zur neuerlichen Untersuchung.

Die Knie-TEP li, die 2005 implantiert worden war, sitzt gut. Es werden keine Beschwerden beim gehen angegeben. Gelegentlich treten Schmerzen beim Liegen auf.

Alle Gelenke lassen sich gut bewegen, er tut sich jedoch schwer beim Aufstehen. Vor 2 Jahren verbrachte er einen Auftenthalt in B. Dieser hat ihm sehr gut getan. Seitens der Lunge ist der Zustand stabil.

Er erkrankte an einer Covid-19-Infektion und verbrachte 7 Tage in stationärer behandlung. Er wurde am 27.3.2021 entlassen. Es werden keine Einschränkungen mehr an der Lunge angegegen.

Der Zustand der Haut ist unter Verwendung verschiedener externer Therapie stabil.

Am linken Auge erkrankte er an einer Herpes-Infektion. Seither sieht er am linken Auge nur mehr Konturen. Das rechte Auge sieht gut. Er verwendet eine Lesebrille.

Er trägt beidseits Hörgeräte. Zur Hörminderung werden noch Befunde nachgebracht.

Der Blutdruck ist medikamentös gut eingestellt.

Seitens der Hypothyreose sind die Schilddrüsenwerte unter medikamentöser Substitutionstherapie stabil

Derzeitige Beschwerden:

VH-Flimmem, Hypertonie, Dauerantikoagulation seit 2017, Ulcus corneae, Prevenar 2013, Allergische Rhinitis, z.n„ Hamatothorax h. 1988, Exogen allergisches Asthma bronchiale, Neurodermitis

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Thyrex, Amlodipin, Xarelto, Lasix, Aprednislon, bei Bed.Xyzall, Salbutamol, Budesonid, Atorvastatin

Sozialanamnese:

Pensionist, früher bei Wiener Berufsfeuerwehr beschäftigt verheiratet, 1 Kind

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

-Allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten, Dr.T., 25.7.2013: ausgeprägtes atopisches Ekzem seit dem 3. Lebensmonat, allergische Disposition, allergisches Asthmaleiden, Emphysemlunge, manifeste Osteoporose ED 2008, Handgelenksarthrose bds ED 2013, Hypertonie: GdB 50%, Dauerzustand

-Dr. F. (FA f. Orthopädie), Befundbericht, 8.2.2021: Diagnose: Senk-Spreizfuß re mehr als li, Peritendinitis der Posticussehne re, Achillodynie re, Lumbalgie chronisch, Statische Wirbelsäuleninsuffizienz; Anamnese: Schmerzen re Ferse nach außergewöhnlicher Anstrengung; Therapie: Knöchelorthese re, Beratung; Procedere: antiphlogistische Umschläge über Nacht, Tragen der Knöchelorthese; Ko bei Bed -Dr. H.(FÄ f. Atmungs-u.Lungenerkrankungen), Befundbericht, 13.10.2020: Lungenfunktion: Altersentsprechend normale Flow- und Volumsparameter; Diagnose: VH- Flimmem, Hypertonie, Dauerantikoagulation seit 2017, Ulcus corneae, Prevenar 2013, Allergische Rhinitis, z.n„ Hamatothorax h. 1988, Exogen allergisches Asthma bronchiale, Neurodermitis; Ergebnis: langjähriges exogen allergisches Asthma bronchiale, allergische Rhinosinusitis, Neurodermitis; Budesonid und Mometason weiter – Dr. H. (FÄ f. Atmungs-u.Lungenerkrankungen), Befundbericht, 25.3.2021: Lungenfunktion: Altersentsprechend grenzwertig normale Flow- und Volumsparameter; Diagnose: VH-Flimmem, Hypertonie, Dauerantikoagulation seit 2017, Ulcus corneae, Prevenar 2013, Allergische Rhinitis, z.n„ Hamatothorax h. 1988, Exogen allergisches Asthma bronchiale, Neurodermitis; Therapie: Thyrex, Amlodipin, Xarelto, Lasix, Aprednislon, bei Bed.Xyzall, Salbutamol, Budesonid, Atorvastatin

-Dr. G. (Fä f. Augenheilkunde), Führerscheinbefund, 22.6.2020: Astigmatismus, Hyperopie, NORMOPHORIE, Presbyopie, Li: St.p.Kalkverätzung, St.p.perforiertes HH Ulcus os, Endo-patch KP os 10.14, atopische Dermatitis, Ruptur des Endo-patch os, St.p. PKP 04.15, st.p.Cat.OP od am 18.4.16, Pseudophakie od, St.p. PKP os, St.p. RE-PKP 2017 os; Visus c.c.: RA: 0,8; LA: HBZ+FZ-; Visus Nähe KNL; Beurteilung: erreicht die für die Führerscheinklasse 1 erforderliche Sehschärfe. Es besteht derzeit kein Hinweis auf eine progrediente Augenerkrankung.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

unauffällig

Ernährungszustand:

unauffällig

Größe: 182,00 cm Gewicht: 79,00 kg Blutdruck: 130/70

Klinischer Status - Fachstatus:

Atmung: reguläre Atemfreqenz in Ruhe, Lymphknotenstatus: keine vergrößerten Lymphknoten tastbar; Schädel: Augen:Pupillen isokor, mittelweit, Lesebrillenversorgung; Zähne: saniert; Hörgeräte bds; Halsorgane: Arterien: bds. tastbar; Venen: nicht gestaut; Schilddrüse: unauff. ,Thorax: symmetrisch, Lunge: vesikuläre Atmung, Herz: Herztöne rein, rhythmisch; Abdomen: im Thoraxniveau, Nierenlager: frei ; Wirbelsäule: WS nicht klopfempfindlich, Druckschmerz ISG re, HWS: frei beweglich, Seitneigen Rumpf:symmetrisch frei, Finger-Boden-Versuch: -20cm, Zehenspitzen-, Fersen- und Einbeinstand bds. durchführbar; Extremitäten:Obere Extremitäten: Grobe Kraft:seitengleich, Faustschluß: beidseits komplett,Spitzgriff und Fingerspreizen bds frei, Gelenke äußerlich unauffällig , Gelenke frei beweglich, Sensibilität: beidseits gleich,

Untere Extremitäten: blande Narbe re. Knie, Aktives Heben bds. frei; Hüftgelenke: Beweglichkeit beidseits nicht eingeschränkt; Kniegelenke: bds frei beweglich,kein Druckschmerz; Sprunggelenke: beidseits ohne Einschränkung ; Beschwielung: seitengleich typisch; Haut: generalisiert erythematöse und schuppende Veränderungen an der Haut

Gesamtmobilität - Gangbild:

Trägt Konfektionsschuhe zum Schlüpfen, Aufstehen aus dem Sitzen ohne Aufstützen, selbständiges An-/Ausziehen teils im Sitzen teils im Stehen möglich, Transfer Untersuchungsliege selbständig, wohnt in einem Einfamilienhaus, 9 Stufen zum Eingang, Keller und Dachboden, Stiegen Steigen zeitweise mit Anhalten, im Wechselschritt möglich, im Alltag selbständig, 1-1 ½ Stunden Spazieren möglich; Gangbild frei, flüssig, sicher, harmonisches Gangbild

Status Psychicus:

orientiert, Gedächtnis, Auffassung und Aufmerksamkeit unauffällig, Stimmung ausgeglichen

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd.

Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1

atopisches Ekzem seit der frühen Kindheit

2

exogen allergisches Asthma bronchiale

3

g.z.manifeste Osteoporose(ED 2008) ohne pathologische Frakturen

4

Handgelenksarthrosen beidseits(ED 2013)

5

Zustand nach Kniegelenksersatz rechts 2005 mit gutem Prothesensitz und freier Beweglichkeit

6

Hypertonie, Vorhofflimmern unter Dauerantikoagulation seit 2017

7

Störung des zentralen Sehens (Sehschärfe mit Korrektur); RA 0,8, LA: HBZ, FZ; Tab 1/Z9

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Die Leiden des Vorgutachtens bestehen weitgehend unverändert. Leiden 5 und 7 werden neu aufgenommen.

[x] Dauerzustand

1.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

keine -es ist ausreichend Kraft und Beweglichkeit in den unteren und oberen Extremitäten sowie ein flüssiges Gangbild zu verzeichnen, sodass das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel gegeben ist.

2.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt ein Immundefekt vor im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten?

nein

Gutachterliche Stellungnahme:

Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist zumutbar

…“

Die belangte Behörde holte weiters ein Sachverständigengutachten eines Arztes aus dem Fachgebiet der Hals-, Nasen- und Ohrenheilhunde auf Grundlage der Bestimmungen der Anlage zur Einschätzungsverordnung, datiert mit 12.07.2021, basierend auf der Aktenlage, ein. In diesem medizinischen Sachverständigengutachten wurde – hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - Folgendes ausgeführt:

„…

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

2013-09 allgmeinmed. VGA: Eine Hörstörung ist kommt nicht zur Sprache.

2021-06 Befund und Tonaudiogramm HNO-FÄ Dr. G.: Ist seit 2015 mit Hörgeräten versorgt. Im Tonaudiogramm Hörverlust Hochtonstörung beidseits, Hörverlust nach Röser rechts 50%, links 46%

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:

Hörgeräte lt. o.a. Unterlagen

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd.

Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1

Hörstörung beidseits - wäre nach Tab. Z3/K3 mit 30% GdB einzustufen - eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da deutliche Hochtonstörung beidseits.

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Hörstörung wird neu aufgenommen.

[x] Dauerzustand

1.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Eine Hörstörung behindert weder das Erreichen eines öffentlichen Verkehrsmittels noch das sichere Ein- und Aussteigen oder den sicheren Transport.

2.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt ein Immundefekt vor im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten?

nein

Gutachterliche Stellungnahme:

Aus HNO-Sicht besteht keine "Unzumutbarkeit".

…“

In der auf Basis der beiden oben genannten Gutachten erstellten Gesamtbeurteilung, datiert mit 14.07.2021, führte die beigezogene Sachverständige für Allgemeinmedizin – hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben -- Folgendes aus:

„…

Lfd.

Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1

atopisches Ekzem seit der frühen Kindheit

2

exogen allergisches Asthma bronchiale

3

g.z.manifeste Osteoporose(ED 2008) ohne pathologische Frakturen

4

Handgelenksarthrosen beidseits(ED 2013)

5

Zustand nach Kniegelenksersatz rechts 2005 mit gutem Prothesensitz und freier Beweglichkeit

6

Hypertonie, Vorhofflimmern unter Dauerantikoagulation seit 2017

7

Störung des zentralen Sehens (Sehschärfe mit Korrektur); RA 0,8, LA: HBZ, FZ; Tab 1/Z9

8

Hörstörung beidseits - wäre nach Tab. Z3/K3 mit 30% GdB einzustufen - eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da deutliche Hochtonstörung beidseits.

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Die Leiden des Vorgutachtens bestehen weitgehend unverändert. Leiden 5, 7 und 8 werden neu aufgenommen

[x] Dauerzustand

1.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

keine -es ist ausreichend Kraft und Beweglichkeit in den unteren und oberen Extremitäten sowie ein flüssiges Gangbild zu verzeichnen, sodass das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein-und Aussteigen sowie der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel gegeben ist. Eine Hörstörung behindert weder das Erreichen eines öffentlichen Verkehrsmittels noch das sichere Ein- und Aussteigen oder den sicheren Transport.

2.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt ein Immundefekt vor im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten?

nein

Gutachterliche Stellungnahme:

Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist zumutbar

…“

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 15.07.2021 wurde der Beschwerdeführer über das Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt, ihm die eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten übermittelt und dem Beschwerdeführer in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eine Stellungnahme abzugeben.

Der Beschwerdeführer brachte keine Stellungnahme ein.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 17.08.2021 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 21.12.2020 auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass im Ermittlungsverfahren Gutachten eingeholt worden seien. Nach diesen Gutachten würden die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Da innerhalb der im Schreiben vom 15.07.2021 eingeräumte Frist keine Stellungnahme des Beschwerdeführers eingelangt sei, habe vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht abgegangen werden können. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt worden.

Ein formaler bescheidmäßiger Abspruch über den Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO (Parkausweis) erfolgte durch das Sozialministeriumservice nicht.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit handschriftlichem Schreiben, bei der belangten Behörde eingelangt am 16.09.2021, ohne Vorlage neuer Beweismittel fristgerecht Beschwerde. Der Beschwerdeführer kündigte in dieser Beschwerde zwar an, dass „weitere Befunde folgen“ würden, jedoch erfolgte eine solche weitere Befundvorlage bis zum heutigen Tag nicht. Der Beschwerdeführer stellte unter einem im Rahmen dieser Beschwerde einen (neuen) Antrag auf Neufestsetzung des „Grades der Gehbehinderung“.

Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht am 20.09.2021 die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass der mit der Beschwerde eingelangte Antrag auf Neufestsetzung in einem eigenen Verfahren bearbeitet werde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H.

Am 21.12.2020 stellte der Beschwerdeführer beim Sozialministeriumservice den gegenständlichen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass.

Der Beschwerdeführer leidet unter folgenden Funktionseinschränkungen:

?        atopisches Ekzem seit der frühen Kindheit

?        exogen allergisches Asthma bronchiale

?        g.z.manifeste Osteoporose(ED 2008) ohne pathologische Frakturen

?        Handgelenksarthrosen beidseits (ED 2013)

?        Zustand nach Kniegelenksersatz rechts 2005 mit gutem Prothesensitz und freier Beweglichkeit

?        Hypertonie, Vorhofflimmern unter Dauerantikoagulation seit 2017

?        Störung des zentralen Sehens (Sehschärfe mit Korrektur); RA 0,8, LA: HBZ, FZ; Tab 1/Z9

?        Hörstörung beidseits, nach Tab. Z3/K3 mit 30% GdB einzustufen, da deutliche Hochtonstörung beidseits

Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist dem Beschwerdeführer zumutbar.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Befundungen und Beurteilungen in den folgenden von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten der nunmehrigen Entscheidung zugrunde gelegt: (1) das auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 03.05.2021 basierende allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten vom 08.07.2021, (2) das auf der Aktenlage basierende Sachverständigengutachten aus dem Gebiet der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde vom 12.07.2021 sowie (3) die auf den vorgenannten Sachverständigengutachten basierende Gesamtbeurteilung der Ärztin für Allgemeinmedizin vom 14.07.2021.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Vorliegen eines Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H. sowie zur gegenständlichen Antragstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zu den vorliegenden Funktionseinschränkungen und die Feststellung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die zur Abweisung der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ führt, gründen sich auf die seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten aus dem Gebiet der Allgemeinmedizin vom 08.07.2021, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 03.05.2021, aus dem Fachgebiet der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde vom 12.07.2021, beruhend auf den vom Beschwerdeführer vorgelegten otologischen Befunden sowie auf die auf Basis dieser Gutachten von der Ärztin für Allgemeinmedizin erstellte Gesamtbeurteilung vom 14.07.2021. Darin wurde auf Grundlage der zu berücksichtigenden und unbestritten vorliegenden Funktionseinschränkungen übereinstimmend festgestellt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für den Beschwerdeführer zumutbar ist.

Die von der belangten Behörde herangezogene Ärztin für Allgemeinmedizin gelangte in ihrem Gutachten vom 08.07.2021 unter den von ihr geprüften Gesichtspunkten zu dem Schluss, dass der Beschwerdeführer über ausreichend Kraft und Beweglichkeit in den unteren und oberen Extremitäten sowie über ein flüssiges Gangbild zu verfüge, sodass das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel möglich sei.

Diese Schlussfolgerungen finden auch Bestätigung in ihren Aufzeichnungen zur persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 03.05.2021 im Rahmen der (oben wiedergegebenen) Statuserhebung, wobei sie insbesondere feststellte, dass der Allgemein- und Ernährungszustand des Beschwerdeführers unauffällig sei, die Gelenke der unteren und oberen Extremitäten frei beweglich seien und dem Beschwerdeführer ein Faustschluss beidseits komplett möglich sei. Weiters hielt die medizinische Sachverständige fest, dass der Beschwerdeführer in der Lage sei, Stiegen – zeitweise mit Anhalten – zu steigen und ein bis eineinhalb Stunden spazieren zu gehen. Sein Gangbild habe sich frei, flüssig, sicher und harmonisch präsentiert.

Die Schlussfolgerung, dass dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei, steht auch mit den vom Beschwerdeführer anlässlich der Antragstellung vorgelegten Befunden im Einklang. Zwar ist dem Befundbericht vom 08.02.2021 zu entnehmen, dass sich der Beschwerdeführer wegen Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule und der unteren Extremitäten in Behandlung begeben hat, doch ist demselben Bericht zu entnehmen, dass eine Besserung der Beschwerden aufgrund der Therapie in Aussicht genommen wurde und sind in dem Befund überdies keine Auswirkungen auf das Gangbild des Beschwerdeführers objektiviert. Zudem datiert dieser Befund vor dem Zeitpunkt der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, die am 03.05.2021 stattfand und die oben dargestellten Ergebnisse beinhaltet.

Aus dem pulmologischen Befund vom 13.10.2020 ergibt sich zwar, dass der Beschwerdeführer an allergischem Asthma leidet, jedoch ist darüber hinaus keine erhebliche Funktionsbeeinträchtigung der Lunge, welche den Beschwerdeführer dauerhaft bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einschränken würde, dokumentiert. Zudem hat der Beschwerdeführer im Anamnesegespräch zwar angegeben, dass er infolge einer Covid-19-Infektion im März 2021 sieben Tag lang stationär betreut worden sei, aber keine fortbestehenden Einschränkungen der Lungenfunktion vorgebracht.

Die neu festgestellte Funktionsstörung des Sehvermögens durch die allgemeinmedizinische Sachverständige erfolgte unter Zugrundelegung des Führerscheinbefunds vom 22.06.2020, in welchem zwar eine Sichteinschränkung dokumentiert ist, jedoch eine progrediente Augenerkrankung verneint wird. Das Sehvermögen des Beschwerdeführers erreiche das für die Führerscheinklasse 1 erforderliche Maß – eine schwerwiegende Sehstörung des Beschwerdeführers liegt sohin nicht vor.

Der von der belangten Behörde beigezogene Arzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde nahm aufgrund der vorgelegten otologischen Befunde die Hörstörung des Beschwerdeführers als neues Leiden auf, doch stellte er fest, dass diese weder das Erreichen eines öffentlichen Verkehrsmittels noch das sichere Ein- und Aussteigen oder den sicheren Transport beeinträchtige; unabhängig davon ist die Hörstörung durch Hörgeräte bis zu einem gewissen Ausmaß kompensierbar.

Die in der Gesamtbeurteilung durch die beigezogene Ärztin für Allgemeinmedizin vom 14.07.2021 Schlussfolgerung, dass dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei, gründet sohin auf den schlüssigen Ausführungen in den Gutachten vom 08.07.2021 und 12.07.2021, die wiederum im Einklang mit den Ergebnissen der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers vom 03.05.2021 und den von diesem vorgelegten Befunden stehen.

Der Beschwerdeführer brachte zu den Sachverständigengutachten im Rahmen des ihm von der belangten Behörde eingeräumten Parteiengehörs weder eine Stellungnahme ein, noch trat er in seiner Beschwerde den Ausführungen und Beurteilungen der medizinischen Sachverständigen in konkreter Weise entgegen noch legte er weitere Befunde vor, die geeignet gewesen wären, die Beurteilungen der beigezogenen medizinischen Sachverständigen in Frage zu stellen bzw. zu entkräften; auch liegen keine von Amts wegen aufzugreifenden diesbezüglichen Anhaltspunkt vor.

Der Beschwerdeführer ist den von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten in der Beschwerde nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Es ist dem Beschwerdeführer daher nicht gelungen, die durch die medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden im Sinne nachhaltiger, zumindest sechs Monate dauernder Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparates zu belegen bzw. eine wesentliche Verschlimmerung bestehender Leiden zu dokumentieren und damit das Vorliegen erheblicher Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder der körperlichen Belastbarkeit im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten aus dem Gebiet der Allgemeinmedizin vom 08.07.2021, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 03.05.2021, aus dem Gebiet der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde vom 12.07.2021, beruhend auf den vom Beschwerdeführer vorgelegten otologischen Befunden sowie der auf Basis dieser Gutachten von der beigezogenen Ärztin für Allgemeinmedizin erstellten Gesamtbeurteilung vom 14.07.2021. Diese medizinischen Sachverständigengutachten werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

„§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“

§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 in der Fassung des BGBl. II Nr. 263/2016, lautet – soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:

„§ 1 …

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes

a)…

b)…

2. …

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-        erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-        erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-        erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-        eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-        eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(6)..."

In den Erläuterungen zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, StF: BGBl. II Nr. 495/2013, wird betreffend § 1 Abs. 2 Z 3 (in der Stammfassung) unter anderem – soweit im gegenständlichen Fall in Betracht kommend – Folgendes ausgeführt:
„§ 1 Abs. 2 Z 3:

Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-        arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-        Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

-        hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

-        Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

-        COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

-        Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

-        mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

-        Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

-        hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

-        schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

-        nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

-        anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID – sever combined immundeficiency),

-        schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B.: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

-        fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

-        selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen, kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.

Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.

Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.

Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:

-        vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,

-        laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,

-        Kleinwuchs,

-        gut versorgte Ileostoma, Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss. Es kommt weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar,

-        bei Inkontinenz, da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen. Lediglich bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar.“

Der Vollständigkeit halber ist zunächst darauf hinzuweisen, dass mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 17.08.2021 der Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ gemäß §§ 42 und 45 BBG abgewiesen wurde. Verfahrensgegenstand im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist somit auch nicht die Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung, sondern ausschließlich die Prüfung der Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung.

Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigten.

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt – auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen –, wurde in den im gegenständlichen Verfahren von der belangten Behörde eingeholten, auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers bzw. auf den vom ihm vorgelegten Befunden beruhenden medizinischen Sachverständigengutachten vom 08.07.2021 sowie 12.07.2021 und infolgedessen auch in der Gesamtbeurteilung vom 14.07.2021 nachvollziehbar verneint, dass im Fall des Beschwerdeführers – trotz der bei ihm unzweifelhaft vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen und unter Berücksichtigung dieser – die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass vorliegen. Beim Beschwerdeführer sind ausgehend davon aktuell keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der oberen und unteren Extremitäten, aber auch keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit – diese betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen –, keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen und auch nicht das Vorliegen einer schweren anhaltenden Erkrankung des Immunsystems im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen objektiviert.

Der Beschwerdeführer machte weder von der Möglichkeit Gebrauch, zu den eingeholten Gutachten Stellung zu nehmen, noch ging er in seiner Beschwerde konkret auf die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ein oder legte weitere Befunde vor.

Der Beschwerdeführer sohin den Ausführungen der beigezogenen medizinischen Sachverständigen, denen das Bundesverwaltungsgericht folgt, in der Beschwerde nicht substantiiert und insbesondere nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, er hat kein Sachverständigengutachten bzw. keine sachverständige Aussage vorgelegt, in welcher ausreichend substantiiert die Auffassung vertreten worden wäre, dass die Annahmen und Schlussfolgerungen der beigezogenen medizinischen Sachverständigen unzutreffend oder unschlüssig seien.

Es ist daher im Beschwerdefall zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung“ in den Behindertenpass nicht vorliegen.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer belegten Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung im Rahmen einer neuerlichen Antragstellung beim Sozialministeriumservice – allerdings nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG - in Betracht kommt.

Was schließlich den Umstand betrifft, dass die belangte Behörde über den Antrag auf Ausstellung eines § 29 b StVO-Parkausweises nicht bescheidmäßig abgesprochen hat, so ist der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass diese Frage mangels Vorliegens eines bekämpfbaren Bescheides nicht verfahrensgegenständlich ist im gegenständlichen Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Die Fragen der Art und des Ausmaßes der Funktionseinschränkungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurden unter Mitwirkung zweier ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen gehören dem Bereich zu, der von Sachverständ

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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