TE Vwgh Erkenntnis 1996/12/10 96/19/2653

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Veröffentlicht am 10.12.1996
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Index

E2D Assoziierung Türkei;
E2D E02401013;
E2D E05204000;
E2D E11401020;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/02 Familienrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

ARB1/80 Art6;
ARB1/80 Art7;
AufG 1992 §1 Abs3 Z1;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
EheG §23;
EheG §27;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Juli 1996, Zl. 119.480/2-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Juli 1996 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 10. April 1996, mit dem dem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht stattgegeben wurde, gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz (FrG) abgewiesen.

Die belangte Behörde nahm auf Grund der niederschriftlichen Angaben der österreichischen Ehegattin des Beschwerdeführers als erwiesen an, daß die Ehe mit dem Beschwerdeführer nur zum Schein geschlossen worden sei, um dem Beschwerdeführer die Erlangung fremdenrechtlicher Bewilligungen zu ermöglichen. Um welche Bewilligungen es sich genau gehandelt habe, wisse sie nicht. Es habe auch nie die Absicht bestanden, eine dem Wesen der Ehe entsprechende Lebensgemeinschaft aufzunehmen, und die Ehe sei auch nie vollzogen worden. Für die Verehelichung sei ihr ein Honorar von S 45.000,-- bezahlt worden, welches sie wegen Geldschwierigkeiten gebraucht habe. Unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die rechtsmißbräuchliche Eingehung einer Ehe durch einen Fremden zur Beschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen ein Verhalten darstelle, welches dazu führe, daß die öffentliche Ordnung durch den weiteren Aufenthalt des Fremden in Österreich gefährdet wäre, führte die belangte Behörde aus, daß der Antrag des Beschwerdeführers abzulehnen und er vom weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet auszuschließen sei. Was die "persönlichen Verhältnisse" des Beschwerdeführers anlange, sei festzustellen, daß nur die dargestellten familiären Beziehungen zu Österreich bestünden. Bei Abwägung der öffentlichen und der privaten Interessen des Beschwerdeführers im Rahmen des Art. 8 MRK sei auf Grund des angeführten Sachverhaltes den öffentlichen Interessen Priorität einzuräumen gewesen.

Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Insofern der Beschwerdeführer vorbringt, daß die Verweigerung einer Aufenthaltsbewilligung im Widerspruch zu dem am "12. September 1993" (richtig: 12. September 1963) abgeschlossenen Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei sowie der daran anschließenden Rechtsakte stehe, ist ihm zu entgegnen, daß der Beschwerdeführer selbst im Falle des Zutreffens seiner Behauptungen in seinen Rechten nicht verletzt wurde, weil ihm diesfalls eine sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebende Aufenthaltsberechtigung zustünde. Diesbezüglich wird auf die hg. Erkenntnisse vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/0424 und Zl. 95/19/1661, und deren ausführliche Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Der Beschwerdeführer tritt der Annahme der belangten Behörde, daß die von ihm am 22. Mai 1991 (mit einer österreichischen Staatsbürgerin) geschlossene - am 29. Juni 1993 (Rechtskraft 20. Juli 1993) geschiedene - Ehe zum Zweck der Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen eingegangen wurde, nicht entgegen.

Liegt eine Eheschließung zum Zweck der Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen vor, so stellt dies einen Rechtsmißbrauch und solcherart ein Verhalten dar, welches auch ohne zusätzliche Anhaltspunkte den Schluß rechtfertigt, daß der (weitere) Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung gefährden würde (vgl. etwa das Erkenntnis vom 21. September 1995, Zl. 95/19/0671, und die dort angeführte Vorjudikatur). Daß aber im Beschwerdefall eine rechtsmißbräuchliche Eingehung der Ehe als erwiesen und deshalb der Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG in Ansehung der Gefährdung der öffentlichen Ordnung als verwirklicht anzusehen sei, wurde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend und mit hinlänglicher Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht.

Der Beschwerdeführer rügt, daß es die belangte Behörde unterlassen habe, das beim BG Wien-Innere Stadt zu n C nn3/96 anhängige Verfahren betreffend Nichtigerklärung der gegenständlichen Ehe abzuwarten.

Daß die Ehe im Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides nicht mehr aufrecht war, ist rechtlich unerheblich. Gleiches gilt für den Umstand, daß die Ehe des Beschwerdeführers nicht für nichtig erklärt, sondern geschieden worden ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 3. November 1994, Zl. 94/18/0557). Für die Erfüllung des Tatbestandes des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG kommt es nämlich auf den zugrunde liegenden Sachverhalt und nicht auf eine allfällige Entscheidung eines Gerichtes an (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1996, Zl. 96/19/1566). Die belangte Behörde ist somit ungeachtet des § 27 Ehegesetz berechtigt, die Frage des Vorliegens des Sichtvermerksversagungsgrundes der Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG durch Eingehen einer Ehe ausschließlich zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen selbständig zu beurteilen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 96/19/0192).

Die Eingehung einer Ehe zum Schein zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen stellt einen Rechtsmißbrauch dar, welcher als Gefährdung der Ordnung auch im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK zu qualifizieren ist, sodaß diesfalls ein durch Versagung der Aufenthaltsbewilligung bewirkter Eingriff in das Privat- und Familienleben des Fremden gerechtfertigt ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. Juli 1995, Zl. 95/18/0757). Die im Gefolge des vom Beschwerdeführer zu vertretenden Rechtsmißbrauches entstandenen privaten Bindungen zu Österreich können schon deshalb keine zugunsten des Beschwerdeführers ausfallende Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 MRK bewirken, als es dem Interesse an einem geordneten Fremdenwesen grob zuwiderliefe, wenn sich ein Fremder auf eine solche Weise den tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer erzwingen könnte.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch des Berichters über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4 Organisationsrecht Justiz - Verwaltung Verweisung auf den Zivilrechtsweg VwRallg5/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996192653.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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