TE Bvwg Beschluss 2021/10/19 W237 2242104-2

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Veröffentlicht am 19.10.2021
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Entscheidungsdatum

19.10.2021

Norm

AlVG §24
AlVG §25
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §32 Abs2

Spruch


W237 2242104-2/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin WERNER als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Armin KLAUSER und Mag. Elke DE BUCK-LAINER als Beisitzer über den Antrag der XXXX , geb. XXXX , auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.08.2021 abgeschlossenen Verfahrens betreffend die Beschwerde gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wiener Neustadt vom 25.01.2021 beschlossen:

A)

Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird gemäß § 32 Abs. 2 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 25.01.2021 widerrief das Arbeitsmarktservice Wiener Neustadt (im Folgenden: AMS) gemäß § 24 Abs. 2 AlVG den Bezug des Arbeitslosengeldes bzw. berichtigte rückwirkend dessen Bemessung für den Zeitraum vom 01.01.2019 bis 20.06.2019 und verpflichtete die Antragstellerin gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in der Höhe von € 4.726,44. Begründend führte das AMS aus, dass die Antragstellerin die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung für den Zeitraum vom 01.01.2019 bis 20.06.2019 zu Unrecht bezogen habe, weil sie im gesamten Jahr 2019 als vollpflichtversichert bei der Sozialversicherung der Selbständigen im Dachverband aufscheine.

2. Die Antragstellerin erhob mit Schreiben vom 03.02.2021 gegen diesen Bescheid Beschwerde, die dem Bundesverwaltungsgericht am 03.05.2021 vorgelegt wurde.

Dieses wies die Beschwerde mit Erkenntnis vom 10.08.2021 mit der wesentlichen Begründung ab, dass die Antragstellerin im gesamten Jahr 2019 durchgehend selbständig erwerbstätig gewesen sei und daraus € 7.606,48 an Einkünften bezogen habe. Nach Abzug der im Einkommensteuerbescheid vom 19.06.2020 festgelegten Sonderausgaben gemäß § 18 EStG 1988 in Höhe von € 693,26 ergebe sich hieraus ein Einkommen im Jahr 2019 aus selbständiger Arbeit von € 6.913,22. Im Sinne des § 36a Abs. 7 AlVG betrage das monatliche Einkommen ein Zwölftel des Jahreseinkommens, somit € 576,10 (€ 6.913,22 : 12) im Jahr 2019. Da dieses über der für dieses Jahr geltenden monatlichen Geringfügigkeitsgrenze von € 446,81 liege, sei die Antragstellerin im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. b iVm Abs. 6 lit. c AlVG im beschwerdegegenständlichen Zeitraum vom 01.01.2019 bis 20.06.2019 nicht arbeitslos gewesen, weil keine Geringfügigkeit vorgelegen sei. Sie habe daher im genannten Zeitraum keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt, weshalb die die Zuerkennung desselben für diesen Zeitraum zu widerrufen sei. Das ausbezahlte Arbeitslosengeld in Höhe von € 4.726,44 sei gemäß § 25 Abs. 1 AlVG rückzufordern, zumal die Antragstellerin verpflichtet gewesen wäre, dem AMS die Aufnahme bzw. Ausübung ihrer selbständigen Tätigkeit unverzüglich zu melden. Diese habe sie bereits ab dem ersten Monat des beschwerdegegenständlichen Leistungszeitraums ausgeübt. Die Antragstellerin sei bereits im Arbeitslosengeldantrags-formular darauf hingewiesen und dazu verpflichtet worden, jede maßgebende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse bis spätestens eine Woche nach Eintritt des Ereignisses bekannt zu geben.

3. Mit an das AMS gerichtetem Schreiben vom 26.08.2021 legte die Antragstellerin einen „berichtigten Bescheid 2019 des Finanzamtes“ vor, aus dem hervorgehe, dass sie aus ihrer Tätigkeit in der zweiten Jahreshälfte 2019 € 2.386,48 eingenommen habe. Sie habe aber nur von 01.01. bis 20.06.2019 Arbeitslosengeld bezogen. Die Antragstellerin ersuchte mit handschriftlicher Ergänzung auf diesem Schreiben um Wiederaufnahme ihres Verfahrens im Sinne des § 69 AVG.

Das AMS legte dem Bundesverwaltungsgericht diesen Antrag samt Beilagen am 04.10.2021 vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Das Bundesverwaltungsgericht wies mit Erkenntnis vom 10.08.2021 die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Bescheid des AMS vom 25.01.2021 vollinhaltlich ab. Damit wurde gemäß § 24 Abs. 2 AlVG ihr Bezug des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum vom 01.01.2019 bis 20.06.2019 widerrufen und die Antragstellerin gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in der Höhe von € 4.726,44 verpflichtet.

Nach erfolglosem persönlichem Zustellversuch wurde diese Entscheidung für die Antragstellerin bei ihrem Wohnsitzpostamt beginnend mit 13.08.2021 hinterlegt und eine Hinterlegungsanzeige in ihrem Postfach hinterlassen. Die Antragstellerin holte die Sendung am 16.08.2021 von ihrem Postamt persönlich ab.

Mit (erneutem) Einkommensteuerbescheid 2019 vom 23.08.2021 legte das Finanzamt Österreich die Einkommensteuer mit € -751,00 fest und sprach aus, dass das Einkommen der Antragstellerin im Jahr 2019 € 9.983,94 betragen habe. Diesen Bescheid erhielt die Antragstellerin spätestens am 26.08.2021.

Unter Verweis auf diesen Bescheid beantragte sie mit an das AMS gerichtetem Schreiben vom 26.08.2021 die Wiederaufnahme ihres mit Erkenntnis vom 10.08.2021 abgeschlossenen Beschwerdeverfahrens; den Bescheid des Finanzamts Österreich vom 23.08.2021 legte sie ihrem Antrag bei. Der Antrag samt Anlage langte am 01.09.2021 beim AMS ein.

Das AMS legte den Wiederaufnahmeantrag samt Anlage am 04.10.2021 dem Bundesverwaltungsgericht vor.

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich zur Gänze aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.08.2021 bzw. dem diesen zugrundeliegenden Akteninhalt. Der Zustellvorgang des genannten Erkenntnisses ist für das Bundesverwaltungsgericht durch den retournierten Zustellschein zweifelsfrei ausgewiesen. Aus dem Umstand, dass die Antragstellerin den Einkommensteuerbescheid 2019 vom 23.08.2021 ihrem Antrag vom 26.08.2021 beilegte, ergibt sich, dass sie diesen Bescheid spätestens am 26.08.2021 erhalten haben muss.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Die maßgebliche Rechtsgrundlage des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG lautet:

„Wiederaufnahme des Verfahrens

§ 32. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn
1.         das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder
2.         neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder
3.         das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder
4.         nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

(4) Das Verwaltungsgericht hat die Parteien des abgeschlossenen Verfahrens von der Wiederaufnahme des Verfahrens unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

(5) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind die für seine Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.“

3.2. Die Antragstellerin begehrt mit ihrer Eingabe vom 26.08.2021 die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend ihre Beschwerde gegen den Bescheid des AMS vom 25.01.2021, mit dem ihr der Bezug des Arbeitslosengelds für den Zeitraum vom 01.01.2019 bis 20.06.2019 widerrufen und sie zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in der Höhe von € 4.726,44 verpflichtet wurde. Da dieses Verfahren durch das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.08.2021 – der Antragstellerin am 13.08.2021 durch Hinterlegung zugestellt – abgeschlossen wurde, richtet sich die Wiederaufnahme nach der zitierten Bestimmung des § 32 VwGVG (und nicht – wie von der Antragstellerin in ihrem Antrag angenommen – nach § 69 AVG).

3.3. Der Antrag erweist sich allerdings als verspätet:

Gemäß § 32 Abs. 2 VwGVG war der Antrag binnen zwei Wochen beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen, wobei die Frist mit dem Zeitpunkt begann, in dem die Antragstellerin von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangte. Dieser Zeitpunkt ist im vorliegenden Fall mit (spätestens) 26.08.2021 zu datieren, weil die Antragstellerin spätestens an diesem Tag vom Einkommensteuerbescheid 2019 vom 23.08.2021, auf den sich die Begründung ihres Wiederaufnahmeantrags stützt, Kenntnis erlangte.

Ihren Antrag adressierte sie allerdings an das AMS und nicht – wie gesetzlich vorgesehen – an das Bundesverwaltungsgericht. Der Antrag langte am 01.09.2021 beim AMS ein, das diesen erst am 04.10.2021 dem Bundesverwaltungsgericht vorlegte. Dass die Behörde den Antrag, für dessen Behandlung sie nicht zuständig war, sohin erst nach Ablauf der zweiwöchigen Frist des § 32 Abs. 2 VwGVG an das zuständige Verwaltungsgericht weiterleitete, geht gemäß § 6 Abs. 1 AVG auf Gefahr der Antragstellerin.

3.3. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ist daher als verspätet zurückzuweisen.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung; des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Dass die Einbringung eines (Wiederaufnahme-)Antrags an eine unzuständige Behörde nicht fristwahrend bzw. die Weiterleitung an die zuständige Stelle auf Gefahr des Einschreiters erfolgt, ergibt sich klar aus § 6 Abs. 1 AVG und entspricht jahrzehntelanger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Frist Verspätung Wiederaufnahmeantrag Wiederaufnahmegrund Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W237.2242104.2.00

Im RIS seit

12.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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