TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/22 W133 2242212-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.10.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

22.10.2021

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W133 2242212-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 14.12.2020, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid wie folgt abgeändert:

Dem Antrag des Beschwerdeführers vom 29.06.2020 auf Ausstellung eines Behindertenpasses wird stattgegeben. Der Grad der Behinderung beträgt 50 von Hundert. Der Behindertenpass ist befristet bis 30.04.2022 auszustellen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Am 29.06.2020 stellte der Beschwerdeführer beim Sozialministeriumssevice, Landesstelle Wien (in der Folge als „belangten Behörde“ bezeichnet), den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und legte diesem ein Befundkonvolut bei.

Ein bereits zuvor gestellter Antrag vom 14.11.2016 auf Ausstellung eines Behindertenpasses war von der belangten Behörde nach Einholung eines Gutachtens eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 09.05.2017 mit Bescheid vom 12.05.2017 abgewiesen worden, da der Beschwerdeführer mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 30 v.H. nicht die Voraussetzungen erfüllte.

Die belangte Behörde gab im vorliegenden Verfahren in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Einschätzungsverordnung vom 06.08.2020 in Auftrag. In diesem Gutachten wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd.

Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Amaurose links bei angeborener Dysplasie links mit komplikationsloser Prothesenversorgung und Sehverminderung auf 0,8 rechts

Tabelle Kolonne 9 Zeile 1

11.02.01

30

2

Depressio, Panikstörung

Heranziehung dieser Position mit 1 Stufe über dem unteren

Rahmensatz, da durch regelmäßige Medikamenteneinnahme stabilisierbar

03.06.01

20

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. eingeschätzt. Begründend führte der Gutachter aus, das führende Leiden 1 werde durch das Leiden 2 nicht erhöht, da keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliege. Im Vergleich zum Vorgutachten vom 09.05.2017 – das dieselben Funktionseinschränkungen und Leidenspositionen aufzählte – gebe es keine maßgeblichen Änderungen.

Mit Schreiben vom 06.08.2020 räumte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Das Gutachten vom selben Tag wurde dem Beschwerdeführer als Beilage übermittelt.

Mit Schreiben vom 16.10.2020, bei der belangten Behörde eingelangt am 19.10.2020, monierte der Beschwerdeführer die Einstufung beider Leiden als zu niedrig und ersuchte um eine Neubeurteilung durch Sachverständige des jeweiligen Fachgebiets. Weiters seien zusätzliche Erkrankungen, die sowohl körperliche Beschwerden als auch eine Verschlechterung seines psychischen Zustands bewirken würden, im Rahmen der Untersuchung nicht ausreichend erhoben worden. Diesbezüglich bitte der Beschwerdeführer um die Einholung eines Gutachtens aus dem Fachbereich Innere Medizin. Seiner Stellungnahme legte der Beschwerdeführer mehrere Atteste bei.

In der Folge holte die belangte Behörde eine ergänzende Stellungnahme des begutachtenden Arztes für Allgemeinmedizin vom 20.11.2020 ein, wonach sich aus den neu vorgelegten Befunden keine maßgeblichen Änderungen ergeben würden, weitere Leiden (Morbus Crohn, Fersensporn, Arterielle Hypertonie, Hämangiom des Leberlappens mit Lebersynthesestörung, Reizdarmsyndrom und Diabetes mellitus) nicht durch entsprechende fachärztliche Befunde dokumentiert seien und die vorgebrachte Hyperlipidämie als Risikofaktor für sich alleine keinen Grad der Behinderung bewirke.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 14.12.2020 wies die belangte Behörde daher den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab, da er mit dem festgestellten Grad der Behinderung von 30 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf das entsprechende Ergebnis der ärztlichen Begutachtung.

Mit Schreiben vom 22.01.2021, bei der belangten Behörde eingelangt am 25.01.2021, erhob der Beschwerdeführer unter Vorlage medizinischer Befunde fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin führt er zum Leiden 1 aus, dass die Prothesenversorgung im Gegensatz zu den Feststellungen des Gutachters nicht komplikationslos sei und zu Probleme mit seinem sehenden Auge führe. Sein in Leiden 2 dokumentierter psychischer Zustand habe sich laufend verschlechtert und er leide nun an einer schweren depressiven Episode und an Aggressionsdurchbrüchen, wodurch sein Sozialleben eingeschränkt sei; eine Psychotherapie sei in Aussicht genommen. Zudem habe er eine Intelligenzminderung und sei durch Kriegserlebnisse belastet. Weitere diagnostizierte Krankheiten (Morbus Crohn, Fersensporn, Hämangiom, Leberlappen, Hyperlipidämie, Diabetes mellitus, Arterielle Hypertonie und Magen-Darmleiden) würden seine psychische Stabilität und körperliche Belastungsfähigkeit weiter stören. Der Gutachter habe sowohl diese Leiden als auch die Wechselwirkungen zwischen den Leiden des Beschwerdeführers mangelhaft berücksichtigt. Der Beschwerdeführer ersuche daher um die Einholung neuer Gutachten aus den entsprechenden Fachgebieten.

Lfd.

Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

chronifizierte Depression mit Aggressionsdurchbrüchen

oberer Rahmensatz, da Depressio chronifiziert, nachvollziehbar sowie

dokumentierte Aggressionsdurchbrüche

03.06.01

40

2

Amaurose links bei angeborener Dysplasie links mit komplikationsloser Prothesenversorgung und Sehverminderung auf 0,8 rechts

Tabelle Kolonne 9 Zeile 1

11.02.01

30

Im Rahmen eines Beschwerdevorentscheidungsverfahren holte die belangte Behörde ein weiteres Gutachten eines Arztes für Psychiatrie vom 06.05.2021 ein. Darin wurde auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und der bisherigen Aktenlage, insbesondere der vom Beschwerdeführer der Stellungnahme vom 16.10.220 sowie der Beschwerde angeschlossenen Befunde, die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Grad der Behinderung von 50 v.H. eingeschätzt. Begründend führte der Gutachter aus, das führende Leiden 1 werde durch das Leiden 2 um eine Stufe erhöht, da eine maßgebliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliege. Aufgrund der durchgeführten Untersuchung und des neuen Befundes des Psychiaters des Beschwerdeführers vom 08.10.2020 werde das Leiden 1 um eine Stufe höher eingeschätzt als im Vorgutachten. Das Leiden 2 bleibe gleich. Die vorgebrachte Intelligenzminderung erreiche keinen Grad der Behinderung, da darüber weder Befunde, noch eine Erwähnung in den Diagnosen des betreuenden Psychiaters vorliegen würden. Da eine Besserung unter regelmäßiger fachärztlicher Betreuung sowie Etablierung einer Psychotherapie in Muttersprache möglich seien, sei eine Nachuntersuchung im April 2022 angebracht.

Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht am 06.05.2021 die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor. Im Schreiben zur Beschwerdevorlage wird ausgeführt, dass die Frist zur Beschwerdevorentscheidung bereits abgelaufen sei.

Mit Schreiben vom 06.07.2021, dem Beschwerdeführer zugestellt am 10.07.2021, informierte das Bundesverwaltungsgericht diesen über das Ergebnis der Beweisaufnahme und räumte ihm in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit ein, dazu eine Stellungnahme abzugeben. Das Gutachten des Arztes für Psychiatrie vom 06.05.2021 wurde dem Beschwerdeführer als Beilage übermittelt.

Der Beschwerdeführer erstattete innerhalb der ihm dafür eingeräumten Frist keine Stellungnahme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsbürger und hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich, wo ihm der Status eines Asylberechtigten zukommt.

Er stellte am 29.06.2020 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde.

Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1.       chronifizierte Depression mit Aggressionsdurchbrüchen

2.       Amaurose links bei angeborener Dysplasie links mit komplikationsloser Prothesenversorgung und Sehverminderung auf 0,8 rechts

Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt 50 v.H. Das führende Leiden 1 wird durch das Leiden 2 um eine Stufe erhöht, da eine maßgebliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt.

Eine vorgebrachte Intelligenzminderung erreicht keinen Grad der Behinderung, da darüber weder Befunde, noch eine Erwähnung in den Diagnosen des betreuenden Psychiaters vorliegen.

Die weiters vom Beschwerdeführer vorgebrachten Funktionsstörungen (Morbus Crohn, Diabetes mellitus, Arterielle Hypertonie und Magen-Darmleiden) konnten ohne Vorlage entsprechender Befunde nicht berücksichtigt und eingestuft werden. Fersensporn, Hämangiom und Hyperlipidämie stellen keine einschätzbaren Gesundheitsschädigungen dar.

Eine Besserung des Zustands des Beschwerdeführers – und damit des Gesamtgrades der Behinderung auf unter 50 v.H. – unter regelmäßiger fachärztlicher Betreuung und Etablierung einer Psychotherapie in seiner Muttersprache ist möglich, weshalb eine Nachuntersuchung im April 2022 geboten ist.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, medizinischer Einschätzung und deren wechselseitiger Leidensbeeinflussung werden die diesbezüglichen Beurteilungen in den von der belangten Behörde im Rahmen eines Beschwerdevorentscheidungsverfahrens eingeholten Gutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 06.08.2020 und eines Arztes für Psychiatrie vom 06.05.2021, in welchem hinsichtlich des psychiatrischen Leidens des Beschwerdeführers ein höherer Grad der Behinderung sowie ein höherer Gesamtgrad der Behinderung als im erstgenannten Gutachten festgestellt wurden, der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

Das aktuelle, von der belangten Behörde eingeholte Gutachten vom 06.08.2020 wurde vom Beschwerdeführer nicht mehr bestritten.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zum Asylstatus sowie und zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem im Akt aufliegenden ZMR-Auszug und seinen eigenen Angaben bei der Antragstellung in Verbindung mit den vorgelegten Kopien des Konventionsreisepasses sowie des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.03.2016, Zahl 1095954504/151826155. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung des Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Der Gesamtgrad der Behinderung und die festgestellten Funktionseinschränkungen – insbesondere hinsichtlich des Leidens 1 – beruhen maßgeblich auf dem von der belangten Behörde im Rahmen des Beschwerdevorentscheidungsverfahrens eingeholten Gutachten eines Arztes für Psychiatrie vom 06.05.2021. Darin wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Der Gutachter setzte sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden, den erstatteten Einwendungen und dem Vorgutachten vom 06.08.2020 auseinander. Die getroffenen Einschätzungen entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen und wurden auch entsprechend den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig zugeordnet.

Die im Vergleich zum Vorgutachten vom 06.08.2020 um zwei Stufen erhöhte Einstufung des psychiatrischen Leidens 1 (im Vorgutachten als Leiden 2 geführt) unter der Positionsnummer 03.06.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung (Depressive Störung – Dysthymie – leichten Grades) sowie infolgedessen des Gesamtgrades der Behinderung aufgrund negativer Leidensbeeinflussung wurde im Gutachten vom 06.05.2021 widerspruchsfrei und schlüssig begründet: Der begutachtende Sachverständige aus dem Bereich der Psychiatrie – der im Vergleich zum Erstgutachter mehr facheinschlägige Expertise aufweist – traf seine nunmehrige Einschätzung unter Bezugnahme auf den vom Beschwerdeführer vorgelegten Befund vom 08.10.2020 und nach einer neuerlichen persönlichen Untersuchung. Die Wahl des oberen Rahmensatzes mit einem Grad der Behinderung von 40 v.H. ist angesichts der objektivierten chronischen Depression mit Aggressionsdurchbrüchen nicht zu beanstanden. Der begutachtende Arzt für Psychiatrie führte zur Prognose weiters nachvollziehbar aus, dass eine Besserung des Leidens – insbesondere durch die vom Beschwerdeführer in Aussicht genommene Therapie in Muttersprache – möglich und die Einstufung deshalb im April 2022 neuerlich zu überprüfen sei.

Hinsichtlich einer vorgebrachten Intelligenzminderung ist die Einschätzung des begutachtenden Sachverständigen für Psychiatrie, dass diese mangels entsprechender Befunde – geschweige denn einer Erwähnung in den vorgelegten psychiatrischen Befunden – keinen Grad der Behinderung erreicht, ebenfalls nachvollziehbar.

Das Leiden 2 (im Vorgutachten Leiden 1) wurde vom Sachverständigen für Psychiatrie nicht anders als im Vorgutachten eingestuft, sondern die dortige Beurteilung übernommen. Die diesbezügliche Einstufung wurde bereits im Vorgutachten des Arztes für Allgemeinmedizin vom 06.08.2020 widerspruchsfrei und schlüssig begründet.

Sehstörungen sind gemäß den Vorgaben der Anlage der Einschätzungsverordnung maßgeblich nach der korrigierten Sehschärfe zu beurteilen. Daneben sind zusätzlich auch Ausfälle des Seh- und des Blickfeldes zu berücksichtigen. Die vom Sachverständigen für Allgemeinmedizin im Gutachten vom 06.08.2020 – und im Gutachten vom 06.05.2021 beibehaltene – Einstufung des Augenleidens des Beschwerdeführers mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. nach der Positionsnummer 11.02.01, Kolonne 9, Zeile 1, ist nicht zu beanstanden. Der begutachtende Arzt für Allgemeinmedizin begründete diese Einstufung unter Heranziehung der vorgelegten Befunde mit der Amaurose und angeborenen Dysplasie mit komplikationsloser Prothesenversorgung links und der Sehverminderung auf 0,8 rechts. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten (chronischen) Komplikationen bei der prothetischen Versorgung sind nicht durch entsprechende Befunde objektiviert. Sohin besteht kein Anlass für eine gesonderte höhere Einstufung hinsichtlich des linken Auges unter der Positionsnummer 11.02.03 (Verlust eines Auges ohne oder mit Prothetischer Versorgung mit chronischen Komplikationen).

Die weiters vom Beschwerdeführer vorgebrachten Funktionsstörungen (Morbus Crohn, Diabetes mellitus, Arterielle Hypertonie und Magen-Darmleiden) wurden nicht durch die Vorlage entsprechender Befunde objektiviert. Fersensporn, Hämangiom und Hyperlipidämie stellen für sich keine einschätzbaren Gesundheitsschädigungen gemäß der Anlage zur Einschätzungsverordnung dar. Die diesbezüglichen Ausführungen des erstbegutachtenden Arztes für Allgemeinmedizin im Gutachten vom 06.08.2020 sowie in der ergänzenden Stellungnahme vom 20.11.2020 sind nicht zu beanstanden. Mit dem der Beschwerde angeschlossenen Schreiben eines Allgemeinmediziners vom 21.01.2021 vermag der Beschwerdeführer diesen nicht fundiert entgegenzutreten. Entsprechend stellte auch der begutachtende Facharzt für Psychiatrie in seinem Gutachten vom 06.05.2021 von der Neubewertung des psychischen Leidens abgesehen keine Veränderung in Bezug auf das Vorgutachten vom 06.08.2020 fest.

Dem Beschwerdeführer wurde das von der belangten Behörde im Rahmen des Beschwerdevorverfahrens eingeholte aktuelle Gutachten vom 06.05.2021 durch das Bundesverwaltungsgericht zur Kenntnis gebracht; dieser brachte keinerlei Einwendung gegen das Gutachten vor.

Vonseiten des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des Gutachtens vom 06.05.2021. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(2) Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

...

§ 45.

(1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.“

Wie oben unter Punkt II.2. im Rahmen der beweiswürdigenden Ausführungen, auf die verwiesen wird, ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das von der belangten Behörde ergänzend eingeholte, schlüssige, nachvollziehbare und widerspruchsfreie Sachverständigengutachten vom 08.05.2021 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers aktuell 50 v.H. beträgt. Die Gesundheitsschädigungen wurden in dem Gutachten auch nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft. Auch die Feststellung in der Gesamtbeurteilung, dass das führende Leiden 1 durch das Leiden 2 um eine Stufe erhöht wird, da dieses sich maßgeblich ungünstig auswirkt, ist nicht zu beanstanden. Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, wurde das vorliegende aktuelle Gutachten vom Beschwerdeführer nicht bestritten.

Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers besteht seit der Antragstellung. Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, erfüllt.

Da eine Besserung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers durch fachärztliche Betreuung und Therapie und somit eine Änderung in den Voraussetzungen iSd § 42 Abs. 2 BBG möglich ist, ist der Behindertenpass befristet bis 30.04.2022 auszustellen. Eine Nachuntersuchung ist im April 2022 erforderlich.

Die belangte Behörde wird dem Beschwerdeführer somit in der Folge einen Behindertenpass, befristet mit 30.04.2022, auszustellen haben.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde, insbesondere aus dem von der belangten Behörde im Rahmen eines Beschwerdevorentscheidungsverfahrens ergänzend eingeholten Gutachten eines Arztes für Psychiatrie vom 06.05.2021. Dies lässt – gerade auch vor dem Hintergrund des Umstandes, dass von beiden Parteien des Verfahrens kein Verhandlungsantrag gestellt wurde und mit der Entscheidung der Beschwerde stattgegeben wird – die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W133.2242212.1.00

Im RIS seit

12.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten