Index
70/02 SchulorganisationNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerordnungLeitsatz
Sachlichkeit der COVID-19-Schulverordnung 2020/21 betreffend den ortsungebundenen Unterricht ("distance learning") für den Zeitraum vom 17.11.2020 bis 06.12.2020; ausreichende Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen im Verordnungsakt des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung; Anordnung des ortsungebundenen Unterrichts auf Grund wissenschaftlich belegter Unsicherheit über die Verbreitung von COVID-19, der epidemiologischen Lage zum Entscheidungszeitpunkt sowie der Möglichkeit der pädagogischen Betreuung am Schulstandort sachlich gerechtfertigt; Erfüllung des verfassungsrechtlichen Bildungsauftrags der Schule bei dauerhaft ortsungebundenem Unterricht nicht gewährleistetSpruch
I. Die Anträge werden abgewiesen, soweit sie sich gegen §13 Abs6 in Verbindung mit §34 der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID-19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2020/21 (COVID-19-Schulverordnung 2020/21 – C-SchVO 2020/21), BGBl II Nr 384/2020, idF BGBl II Nr 478/2020 richten.
II. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Anträge
Mit den gleichlautenden, auf Art139 Abs1 Z3 B-VG gestützten Anträgen begehren die Antragsteller, §13 Abs6 der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID-19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2020/21 (COVID-19-Schulverordnung 2020/21 – C-SchVO 2020/21), BGBl II 384/2020 idF BGBl II 478/2020, in eventu §13 Abs6 in Verbindung mit §34 C-SchVO 2020/21, BGBl II 384/2020 idF BGBl II 478/2020, in eventu §§31 und 34 C-SchVO 2020/21, BGBl II 384/2020 idF BGBl II 478/2020, in eventu §3 Z7, §§31 und 34 C-SchVO 2020/21, BGBl II 384/2020 idF BGBl II 478/2020, in eventu die C-SchVO 2020/21, BGBl II 384/2020 idF BGBl II 478/2020, als Ganzes, in eventu §3 Z7 C-SchVO 2020/21, BGBl II 384/2020, in eventu in §3 Z7 C-SchVO 2020/21, BGBl II 384/2020, die Wortfolge "an einem Ort, der nicht für schulische Zwecke bestimmt ist, mit Ausnahme von Schulveranstaltungen oder schulbezogenen Veranstaltungen" als gesetzwidrig aufzuheben.
II. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID-19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2020/21 (COVID-19-Schulverordnung 2020/21 – C-SchVO 2020/21), BGBl II 384/2020, idF BGBl II 478/2020 lauteten auszugsweise wie folgt (die mit dem Hauptantrag und dem ersten Eventualantrag angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"1. Teil
Allgemeine Bestimmungen
Ziel
§1. Diese Verordnung regelt schulorganisatorische, schulunterrichtsrechtliche und schulzeitrechtliche Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 im Schulwesen.
Geltungsbereich
§2. Diese Verordnung gilt für die im Schulorganisationsgesetz, BGBl Nr 242/1962, (im Folgenden: SchOG) sowie in ArtV Z2 der 5. SchOG-Novelle, BGBl Nr 323/1975, und im Land- und forstwirtschaftlichen Bundesschulgesetz, BGBl Nr 175/1966, sowie im Forstgesetz 1975, BGBl Nr 440/1975 geregelten öffentlichen und privaten Schulen.
Begriffsbestimmungen
§3. Im Sinne dieser Verordnung sind zu verstehen:
1. unter Ampelphase die im 1. bis 4. Abschnitte des 2. Teils dieser Verordnung jeweils festgelegten, mit einer Farbbezeichnung als Kurzbezeichnung versehenen, Abweichungen von schulorganisatorischen, schulrechtlichen und schulzeitrechtlichen Normen, von welchen gleichzeitig immer nur ein Abschnitt zur Anwendung gelangen kann;
2.–3. […]
6. unter Präsenzunterricht die Unterrichts- und Erziehungsarbeit mit Schülerinnen und Schülern in einem für schulische Zwecke bestimmten Gebäude oder auf Freiflächen;
7. unter ortsungebundenem Unterricht die Unterrichts- und Erziehungsarbeit unter Anwendung elektronischer Kommunikation an einem Ort, der nicht für schulische Zwecke bestimmt ist, mit Ausnahme von Schulveranstaltungen oder schulbezogenen Veranstaltungen;
8.–10. […]
2. Teil
Bestimmungen zu den Ampelphasen
1. Abschnitt
Bestimmungen für die Ampelphase 'Grün'
1. Unterabschnitt
Allgemeine Bestimmungen
Anwendungsbereich
§13. (1) Die Bestimmungen des 1. Abschnittes des 2. Teiles dieser Verordnung gelten für alle Schulen gemäß §2 dieser Verordnung, sofern die örtlich und sachlich zuständige Schulbehörde oder der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung nicht für einzelne, mehrere oder alle Schulen, Schulstandorte oder Teile von diesen aufgrund der zur Verfügung stehenden Daten und Informationen zum Zweck der Verhinderung der Verbreitung von SARS-CoV 2 oder COVID-19 die Anwendung eines anderen Abschnittes oder einzelner anderer Bestimmungen dieser Verordnung anordnet. Der Gesundheitsbehörde ist vor Erlass der Verordnung die Mitwirkung an der Entscheidung zu ermöglichen.
(2) Schulen, Schulstandorte oder Teile von diesen, auf welche dieser Abschnitt anzuwenden ist, befinden sich in der Ampelphase 'Grün'.
(3) Als Daten und Informationen gemäß Abs1, §17, §22 und §33 kommen neben den allgemeinen epidemiologischen Daten des örtlichen Einzugsgebietes einer Schule insbesondere die Zahl der infizierten und erkrankten Schülerinnen und Schüler, der mit Infizierten oder Erkrankten im gleichen Haushalt lebenden oder in direktem Kontakt gestandenen Schülerinnen und Schüler, der Anteil der nicht erklärbaren Erkrankungen und Infektionen von Schülerinnen und Schülern, oder die Bündelung von Infektionen oder Erkrankungen bei bestimmten, nachvollziehbar zuordenbaren, Klassen oder Schülergruppen in Betracht.
(4) Abweichend von den Bestimmungen dieser Verordnung, ausgenommen §6, und der Verordnungen von Schulbehörden gemäß §17 und §22 ist auf alle Schulen gemäß §2 für den Zeitraum vom 3. November 2020 bis zum 16. November 2020 der 3. Abschnitt des 2. Teiles dieser Verordnung anzuwenden. Für alle Schulen des 3. Unterabschnittes des 3. Abschnittes des 2. Teiles wird für den genannten Zeitraum ortsungebundener Unterricht mit der Maßgabe angeordnet, dass am 3. November 2020 alle für die Umstellung auf ortsungebundenen Unterricht erforderlichen Tätigkeiten, insbesondere durch Schülerinnen und Schüler, in der Schule durchgeführt werden können.
(5) Die Schulleitung von Schulen, welche sich nicht bereits gemäß Abs4 im ortsungebundenen Unterricht befinden, kann im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung im in Abs4 genannten Zeitraum für einen oder mehrere aufeinander folgende Schultage ortsungebundenen Unterricht für die Schule, Schulstufen, Klassen oder Gruppen anordnen, wenn dies zur Aufrechterhaltung eines geordneten Unterrichts, insbesondere wegen Anordnungen von Testungen auf Infektionen mit SARS-CoV 2 oder Erkrankungen an COVID 19 von Schülerinnen und Schülern oder Lehrpersonen, zwingend erforderlich ist.
(6) Abweichend von den Bestimmungen dieser Verordnung, ausgenommen §6, und der Verordnungen von Schulbehörden gemäß §17 und §22 sind vom 17. November bis 6. Dezember 2020 auf alle Schulen gemäß §2 die Bestimmungen für die Ampelphase 'Rot' (4. Abschnitt) anzuwenden.
[…]
2. Abschnitt
Bestimmungen für die Ampelphase 'Gelb'
1. Unterabschnitt
Allgemeine Bestimmungen
Anwendungsbereich
§17. Die Bestimmungen des 2. Abschnittes des 2. Teiles dieser Verordnung gelten für jene Schulen, Schulstandorte oder Teile von diesen, für welche die Schulbehörde dies aufgrund der zur Verfügung stehenden Daten und Informationen zum Zweck der Verhinderung der Verbreitung von SARS-CoV 2 oder COVID-19 im Einvernehmen mit der obersten Schulbehörde verordnet hat. Sie befinden sich in der Ampelphase 'Gelb'.
[…]
3. Abschnitt
Bestimmungen für die Ampelphase 'Orange'
1. Unterabschnitt
Allgemeine Bestimmungen
Anwendungsbereich
§22. Die Bestimmungen des 3. Abschnittes des 2. Teiles dieser Verordnung gelten für jene Schulen, Schulstandorte oder Teile von diesen, für welche die Schulbehörde dies aufgrund der zur Verfügung stehenden Daten und Informationen zum Zweck der Verhinderung der Verbreitung von SARS-CoV 2 oder COVID-19 im Einvernehmen mit der obersten Schulbehörde verordnet hat. Sie befinden sich in der Ampelphase 'Orange'.
[…]
3. Unterabschnitt
Besondere Bestimmungen für die allgemein bildenden höheren Schulen
ab der 9. Schulstufe, Berufsschulen, berufsbildenden mittleren und höheren
Schulen, land- und forstwirtschaftlichen Bundesschulen sowie für Schulen für
Berufstätige, Kollegs, Vorbereitungslehrgänge und Sonderformen
Anordnung des ortsungebundenen Unterrichts
§31. (1) Jede Schule hat mit Inkrafttreten der Entscheidung der Gesundheitsbehörde gemäß §6 oder mit Anordnung der Anwendbarkeit dieses Abschnittes durch die Schulbehörde den Unterricht in ortsungebundener Form durchzuführen. Mit Anwendbarkeit des 1. oder 2. Abschnittes des 2. Teils dieser Verordnung ist der Präsenzunterricht am Schulstandort binnen angemessener Frist, spätestens aber mit dem auf die Aufhebung folgenden Montag, wiederaufzunehmen.
(2) Abweichend von §6 SchOG und §5 des Land- und forstwirtschaftlichen Bundesschulgesetzes hat für die Dauer des ortsungebundenen Unterrichts der Unterricht in Freigegenständen und in unverbindlichen Übungen zu entfallen, außer
1. in den im Minderheitenschulgesetz für das Burgenland und im Minderheitenschulgesetz für Kärnten genannten Unterrichtssprachen an Schulen, auf welche das Minderheitenschulgesetz für das Burgenland oder das Minderheitenschulgesetz für Kärnten anzuwenden sind,
2. wenn sie den Erwerb von Zertifikaten, insbesondere in Fremdsprachen oder einer beruflichen Qualifikation, anstreben,
3. wenn sie zumindest teilweise durch Mittel des Europäischen Sozialfonds finanziert werden oder
4. wenn sie für die Vorbereitung, Zulassung oder Ablegung eines Prüfungsgebietes einer abschließenden Prüfung oder einer Zusatzprüfung gemäß §2 bis 6 der Universitätsberechtigungsverordnung – UBVO 1998 oder den Ersatz einer solchen erforderlich sind.
(3) Abweichend von Abs1 kann die Schulleitung oder die Schulbehörde für Schulstufen, Klassen oder Gruppen für einzelne oder mehrere zusammenhängende Tage oder einzelne Unterrichtsgegenstände Ausnahmen vom ortsungebundenen Unterricht anordnen.
[…]
4. Abschnitt
Bestimmungen für die Ampelphase 'Rot'
1. Unterabschnitt
Allgemeine Bestimmungen
Anwendungsbereich
§33. Die Bestimmungen des 4. Abschnittes des 2. Teiles dieser Verordnung gelten für jene Schulen, Schulstandorte oder Teile von diesen, für welche die Schulbehörde dies aufgrund der zur Verfügung stehenden Daten und Informationen zum Zweck der Verhinderung der Verbreitung von SARS-CoV 2 oder COVID-19 im Einvernehmen mit der obersten Schulbehörde verordnet hat. Sie befinden sich in der Ampelphase 'rot'.
Anordnung des ortsungebundenen Unterrichts
§34. (1) Jede Schule hat mit Inkrafttreten der Entscheidung gemäß §6 oder mit Anordnung der Anwendbarkeit dieses Abschnittes durch die Schulbehörde den Unterricht in ortsungebundener Form durchzuführen. Mit Anwendbarkeit eines anderen. Abschnittes des 2. Teils dieser Verordnung ist der Präsenzunterricht am Schulstandort, sofern nicht §31 anwendbar ist, binnen angemessener Frist, spätestens aber mit dem auf die Aufhebung folgenden Montag, wiederaufzunehmen.
(2) Abs1 gilt nicht für Sonderschulen. Schülerinnen und Schüler an diesen Schulen, welche sich aus mit der COVID-19-Pandemie in Zusammenhang stehenden Gründen nicht in der Lage sehen, am Unterricht teilzunehmen, kann die Erlaubnis zum Fernbleiben vom Unterricht aus wichtigen Gründen im Sinne des §9 Abs6 Schulpflichtgesetz 1985 oder §45 Abs4 SchUG erteilt werden.
(3) Abweichend von Abs1 kann die Schulleitung oder die Schulbehörde für Schulstufen, Klassen oder Gruppen an allgemein bildenden höheren Schulen ab der 9. Schulstufe, an Berufsschulen, an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen, an land- und forstwirtschaftlichen Bundesschulen sowie an Schulen für Berufstätige, Kollegs, Vorbereitungslehrgänge und Sonderformen für einzelne oder mehrere zusammenhängende Tage oder einzelne Unterrichtsgegenstände Ausnahmen vom ortsungebundenen Unterricht anordnen.
[…]
2. Unterabschnitt
Besondere Bestimmungen für die Volksschule, Mittelschule, Polytechnische
Schule sowie die 5. bis 8. Schulstufe der allgemein bildenden höheren Schulen
Ausnahmen vom ortsungebundenen Unterricht
§38. (1) Wenn Schülerinnen und Schüler im ortsungebundenen Unterricht zur Erfüllung der Arbeitsaufgaben einen geeigneten Arbeitsplatz, einen Zugang zu IT-Endgeräten oder eine pädagogische Unterstützung benötigen, oder eine häusliche Betreuung ansonsten nicht sichergestellt ist, sind sie in der Schule zu beaufsichtigen und in einer dem Unterricht im Lehrerteam gemäß §31a SchUG entsprechenden Form zu unterstützen. Die Schulleitung kann das Vorliegen eines Bedarfes auf pädagogische Unterstützung auch amtswegig feststellen und diese anordnen.
(2) Abweichend von §5 kann die Schulleitung die Schülerinnen und Schüler, die am Unterricht gemäß Abs1 teilnehmen, nach Maßgabe der organisatorischen und räumlichen Möglichkeiten und der pädagogischen Zweckmäßigkeit in klassen-, gruppen- oder schulstufenübergreifende Gruppen zusammenfassen. Die Bestimmungen gemäß §25 und §27 Abs1 bis 3 sind sinngemäß anzuwenden.
(3) Der Betreuungsteil ganztägiger Schulformen ist durchzuführen, wenn Schülerinnen und Schüler gemäß Abs1 zur ganztägigen Schulform angemeldet sind."
2. §13 Abs4 der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID-19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2020/21 (COVID-19-Schulverordnung 2020/21 – C-SchVO 2020/21), BGBl II 384/2020, idF BGBl II 538/2020 lautete auszugsweise wie folgt:
"§13. (1)–(3) […]
(4) Abweichend von den Bestimmungen dieser Verordnung, ausgenommen §6, und der Verordnungen von Schulbehörden gemäß §17 und §22 sind auf alle Schulen gemäß §2 für den Zeitraum vom 7. Dezember 2020 bis einschließlich 23. Dezember 2020 die Bestimmungen des 3. Abschnittes des 2. Teiles dieser Verordnung mit der Maßgabe, dass die Schülerinnen und Schüler in abschließenden Klassen vom ortsungebundenen Unterricht ausgenommen sind, anzuwenden.
(5)–(6) […]"
3. §13 Abs6 der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID-19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2020/21 (COVID-19-Schulverordnung 2020/21 – C-SchVO 2020/21), BGBl II 384/2020, idF BGBl II 594/2020 lautete auszugsweise wie folgt:
"§13. (1)–(5) […]
(6) Abweichend von den Bestimmungen dieser Verordnung, ausgenommen §6, und der Verordnungen von Schulbehörden gemäß §17 und §22 sind vom 7. Jänner bis einschließlich 17. Jänner 2021 auf alle Schulen gemäß §2 die Bestimmungen des 4. Abschnittes des 2. Teiles dieser Verordnung anzuwenden."
4. §82m des Bundesgesetzes über die Ordnung von Unterricht und Erziehung in den im Schulorganisationsgesetz geregelten Schulen (Schulunterrichtsgesetz – SchUG), BGBl 472/1986 (WV) idF BGBl I 23/2020, lautet wie folgt:
"Festlegung von Fristen und schuljahresübergreifenden Regelungen für die
Schuljahre 2019/20 und 2020/21 aufgrund von Maßnahmen zur Bekämpfung von
COVID-19
§82m. (1) In Ausnahme zu den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes kann der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung für die Schuljahre 2019/20 und 2020/21 mit Verordnung
1. bestehende Stichtage abweichend festsetzen und gesetzliche Fristen verkürzen, verlängern oder verlegen,
2. die Schulleitung ermächtigen oder verpflichten, in Abstimmung mit den die einzelnen Unterrichtsgegenstände unterrichtenden Lehrerinnen und Lehrern von der Aufteilung der Bildungs- und Lehraufgaben und des Lehrstoffes in den Lehrplänen auf die einzelnen Schulstufen oder Semester abzuweichen, Förderunterricht verpflichtend anzuordnen, den Besuch der gegenstandsbezogenen Lernzeit verpflichtend anzuordnen oder Ergänzungsunterricht vorzusehen,
3. den Einsatz von elektronischer Kommunikation für die Abhaltung von Konferenzen, für Unterricht und Leistungsfeststellung und -beurteilung regeln,
4. für Schularten, Schulformen, Schulen, Schulstandorte, einzelne Klassen oder Gruppen oder Teile von diesen bei ortsungebundenem Unterricht Leistungsfeststellung und -beurteilung regeln und
5. die Schulleitung ermächtigen oder verpflichten, die Unterrichtszeit in bestimmten Unterrichtsgegenständen teilweise oder zur Gänze auf Teile des Unterrichtsjahres zusammenzuziehen.
Diese Verordnung muss unter Angabe der Geltungsdauer und einer neuen Regelung jene gesetzlichen Bestimmungen benennen, von welchen abgewichen werden soll und kann rückwirkend mit 16. März 2020 in Kraft gesetzt werden.
(2) Unter Ergänzungsunterricht sind Unterrichtseinheiten zu verstehen, die zusätzlich zur lehrplanmäßig verordneten Stundentafel abgehalten werden, um im stundenplanmäßigen Unterricht nicht behandelten oder im ortsungebundenen Unterricht angeleitet erarbeiteten Lehrstoff zu behandeln. Ergänzungsunterricht und Förderunterricht können während des gesamten Schuljahres von Lehrkräften oder Lehramtsstudierenden durchgeführt werden. Die Teilnahme an diesem Unterricht kann als freiwillig oder für einzelne Schülerinnen oder Schüler verpflichtend geregelt werden.
(3) Ortsungebundener Unterricht umfasst die Vermittlung von Lehrstoff und die Unterstützung von Schülerinnen und Schülern unter Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel, deren Bereitstellung vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung unterstützt wird, (angeleitetes Erarbeiten) ohne physische Anwesenheit einer Mehrzahl von Schülerinnen und Schülern am gleichen Ort."
5. §132c des Bundesgesetzes vom 25.07.1962 über die Schulorganisation (Schulorganisationsgesetz – SchOG), BGBl 242/1962, idF BGBl I 23/2020 lautet wie folgt:
"Festlegung von Fristen und schuljahresübergreifenden Regelungen für die
Schuljahre 2019/20 und 2020/21 aufgrund von Maßnahmen zur Bekämpfung von
COVID-19
§132c. (1) In Ausnahme zu den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes kann der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung für die Schuljahre 2019/20 und 2020/21 mit Verordnung
1. bestehende Stichtage abweichend festsetzen und gesetzliche Fristen verkürzen, verlängern oder verlegen,
2. die Schulleitung ermächtigen oder verpflichten, in Abstimmung mit den die einzelnen Unterrichtsgegenstände unterrichtenden Lehrerinnen und Lehrern von der Aufteilung der Bildungs- und Lehraufgaben und des Lehrstoffes in den Lehrplänen auf die einzelnen Schulstufen oder Semester abzuweichen, Förderunterricht verpflichtend anzuordnen, den Besuch der gegenstandsbezogenen Lernzeit verpflichtend anzuordnen oder Ergänzungsunterricht vorzusehen,
3. den Einsatz von elektronischer Kommunikation für Unterricht, Leistungsfeststellung und -beurteilung regeln,
4. für Schularten, Schulformen, Schulen, Schulstandorte, einzelne Klassen oder Gruppen oder Teile von diesen einen ortsungebundenen Unterricht mit oder ohne angeleitetem Erarbeiten von Lehrstoffen anordnen und
5. an Berufsschulen die Schulleitung ermächtigen, an Stelle von Pflichtgegenständen verbindliche Übungen vorzusehen, wenn keine sichere Beurteilung möglich wäre.
Diese Verordnung muss unter Angabe der Geltungsdauer und einer neuen Regelung jene gesetzlichen Bestimmungen benennen, von welchen abgewichen werden soll und kann rückwirkend mit 16. März 2020 in Kraft gesetzt werden.
(2) Unter Ergänzungsunterricht sind Unterrichtseinheiten zu verstehen, die zusätzlich zur lehrplanmäßig verordneten Stundentafel abgehalten werden, um im stundenplanmäßigen Unterricht nicht behandelten oder im ortsungebundenen Unterricht angeleitet erarbeiteten Lehrstoff zu behandeln. Ergänzungsunterricht und Förderunterricht können während des gesamten Schuljahres von Lehrkräften oder Lehramtsstudierenden durchgeführt werden. Die Teilnahme an diesem Unterricht kann als freiwillig oder für einzelne Schülerinnen oder Schüler verpflichtend geregelt werden.
(3) Ortsungebundener Unterricht umfasst die Vermittlung von Lehrstoff und die Unterstützung von Schülerinnen und Schülern unter Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel, deren Bereitstellung vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung unterstützt wird, (angeleitetes Erarbeiten) ohne physische Anwesenheit einer Mehrzahl von Schülerinnen und Schülern am gleichen Ort."
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Die Antragsteller sind Schüler. In dem zu V574/2020 protokollierten Verfahren legt der Antragsteller seine Bedenken auszugsweise wie folgt dar (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen; die Bedenken der Antragsteller zu V575/2020, V577-578/2020, V595-596/2020 und V598/2020 sind im Wesentlichen gleichlautend):
"[…]
III. Antragslegitimation
Der Antragsteller ist Schüler einer von dem in Rede stehenden 'ortsungebundenen Unterricht' betroffenen Schule. Es handelt sich um eine Schule, die in den Geltungsbereich der C-SchVO 2020/21 sowie der sonst angeführten Rechtsgrundlagen fällt. Die bekämpften Bestimmungen sind für den Antragsteller als Normadressat tatsächlich ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden. Durch §13 Abs6 iVm §34 C-SchVO 2020/21 wird insofern die Rechtssphäre des Antragstellers verletzt, als ein Präsenzunterricht nicht mehr stattfindet, sondern die Schule auf Basis dieser Rechtslage einen 'ortsungebundenen Unterricht' angeordnet hat. Eine Konkretisierung der angefochtenen (generellen) Bestimmungen ist nicht erforderlich. Sie wirken unmittelbar für den Adressaten, indem sie ua zu ortsungebundenem Unterricht führen. Ein weiterer Akt der Vollziehung ist zur Wirksamkeit nicht vorgesehen.
[…]
Ausweislich §132c Abs3 Schulorganisationsgesetz und §82m Abs3 Schulunterrichtsgesetz, sohin der gesetzlichen Grundlage der C-SchVO, umfasst ortsungebundener Unterricht die Vermittlung von Lehrstoff und die Unterstützung von Schülerinnen und Schülern unter Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel, deren Bereitstellung vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung unterstützt wird, (angeleitetes Erarbeiten) ohne physische Anwesenheit einer Mehrzahl von Schülerinnen und Schülern am gleichen Ort. Ist der Unterricht in einem Schulgebäude ua aufgrund einer gesundheitsbehördlichen Entscheidung nicht möglich, so befinden sich die Schülerinnen und Schüler, im ortsungebundenen Unterricht (vgl §6 C-SchVO). Der Antragsteller ist sohin Normadressat und wird seines Rechtes auf Präsenzunterricht beschnitten.
Die Schüler (damit auch der Antragsteller) haben einen subjektiven Rechtsanspruch auf (unentgeltlichen) Schulbesuch sowie auf Darbietung des Lehrstoffes während der rechtmäßig vorgeschriebenen Schulzeit (vgl auch VfSlg 13.814/1994). Ein Rechtsanspruch auf Anwesenheit in der Schule wird durch die korrespondierende Schulpflicht bereits impliziert. Schüler haben den Unterricht während der vorgeschriebenen Schulzeit regelmäßig und pünktlich zu besuchen (§9 Abs1 Bundesgesetz über die Schulpflicht (Schulpflichtgesetz 1985), StF: BGBl Nr 76/1985 (WV) idgF). Ein Fernbleiben von der Schule ist während der Schulzeit nur im Falle gerechtfertigter Verhinderung des Schülers zulässig (§9 Abs2 Schulpflichtgesetz). Dementsprechend wurde ua in §28b Z3 Schulunterrichtsgesetz auch eine eigene Rechtsgrundlage für die Verwirklichung von elektronischem Unterricht (als Abweichung vom Normtypus des Präsenzunterrichts) geschaffen. Durch die gesetzlichen Grundlagen zur Schulpflicht wird der Rechtsanspruch auf Präsenzunterricht normativ anerkannt. Aus insbesondere Art2 1. ZPEMRK, Art17 und 18 StGG sowie Art14 GRC eröffnet sich zudem ein Recht auf Bildung, sodass auch in die verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte des Antragstellers eingegriffen wird.
Die anfechtungsgegenständlichen Normen greifen unmittelbar, aktuell und nicht bloß potenziell in die Rechtssphäre des Antragstellers ein.
Die Verordnung des 'ortsungebundenen Unterrichts', insbesondere §13 Abs6 C-SchVO 2020/21, aber auch die sonstigen genannten Bestimmungen sind zum Zeitpunkt der Antragstellung in Geltung. Der Antragsteller zählt, wie bereits dargelegt, zu dessen Adressat. Die angegebenen Bestimmungen sind unmittelbar auf ihn anwendbar.
Die Eingriffe in die Rechtsposition des Antragstellers erfolgen durch die bekämpfte Verordnung, wobei insbesondere die Bestimmungen über die Verhängung des ortsungebundenen Unterrichtes (§13 Abs6 iVm §34 C-SchVO 2020/21) eindeutig bestimmt sind. Aus den Bestimmungen geht klar hervor, dass ein Präsenzunterricht nicht mehr stattfindet, sondern mit der Anordnung der Anwendbarkeit des Abschnittes für die Ampelphase 'Rot' der Unterricht in ortsungebundener Form durchzuführen ist.
[…]
Ein anderer Weg als der gegenständliche Antrag zur verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle besteht für den Antragsteller nicht. Weder existiert eine Antragsmöglichkeit für Präsenzunterricht, noch ein Instanzenzug. Es fehlt damit bereits schlichtweg an der Möglichkeit eines Umweges, die Normbedenken nach Art144 B-VG an den VfGH heranzutragen. Die verfahrensgegenständlichen Bestimmungen wirken unmittelbar in die Sphäre des Antragstellers.
Die angefochtenen Bestimmungen sind zum Zeitpunkt der Antragstellung in Kraft und führen sohin zu einer aktuellen Beeinträchtigung der geschützten Rechtspositionen des Antragstellers.
[…]
Dem Rechtsschutzinteresse des Antragstellers an der Klärung, ob der durch die angefochtenen Verordnungsbestimmungen bewirkte Eingriff in seine (Grund-)Rechtssphäre recht- und letztlich verfassungsmäßig erfolgte nur in einem Verfahren nach Art139 Abs1 Z3 B-VG Rechnung getragen werden. Dieses Rechtsschutzinteresse, das insoweit über den Zeitraum hinausreicht, in dem die angefochtenen Bestimmungen in Kraft gestanden, bewirkt, dass (für den Fall einer Entscheidung des VfGH erst nach dem außer Kraft treten der angefochtenen Bestimmungen) im vorliegenden Fall die Rechtssphäre des Antragstellers auch zu einem späteren Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes berührt sein würde, und begründet die Wirksamkeit der angefochtenen Bestimmungen, auch wenn diese zwischenzeitig außer Kraft getreten sind. Dies insbesondere, da sie jederzeit verlängert und wieder in Kraft gesetzt werden können (vgl auch die Anfügungen in §13 C-SchVO 2020/21; insbesondere §13 Abs4 und 5 leg cit). Jeglicher Rechtsschutz wäre für den Antragsteller in bedenklicher Art und Weise ausgehebelt, könnte der Gesetzgeber/Verordnungsgeber (wie gegenständlich bereits erfolgt) durch Kettenentscheidungen (also Anwendbarkeit immer nur für kurze, zeitlich dicht hintereinander gestaffelte Zeitfenster vor oder nach Sessionen des VfGH) frei disponieren, ohne einer Kontrolle des VfGH zu unterliegen. Auch das mediale Interesse an den Schulschließungen ist enorm, sodass von erheblicher Bedeutung des Falles auszugehen ist.
[…]
IV. Darlegung der Bedenken
Anknüpfend an die Ausführungen zur Antragslegitimation (welche auch zum Vorbringen unter diesem Punkt erhoben werden) werden die verfassungsrechtlichen Bedenken vertieft wie folgt dargelegt:
A) Verfassungswidrige Verordnungsermächtigung / Verletzung des Bestimmtheitsgebotes
Die Verordnungsermächtigungen in §132c Schulorganisationsgesetz und §82m SchulUG widersprechen insbesondere dem in Art18 B-VG niedergelegten Bestimmtheitsgebot.
Art18 B-VG impliziert die Verpflichtung des Gesetzgebers, das Handeln der Verwaltung inhaltlich hinreichend zu determinieren. Gesetzliche Regelungen, die zu unbestimmt sind oder in anderer Weise das Handeln der Verwaltung nicht hinreichend genau bestimmen, sondern den Verwaltungsorganen einen zu großen Spielraum belassen, sind daher verfassungswidrig. So wird ein Erfordernis einer genauen gesetzlichen Determinierung auch für Verordnungen postuliert. Alle wesentlichen Inhalte und Merkmale der beabsichtigten Verordnungsregelung müssen auf das Gesetz rückführbar sein. Verfassungswidrig ist insoweit jedenfalls auch eine Einräumung von Ermessen ohne jede Eingrenzung (VfSlg 14.715/1996).
Den Bestimmtheitserfordernissen des Art18 B-VG ist der Gesetzgeber bei der Erlassung der §132c Schulorganisationsgesetz und §82m SchulUG nicht nachgekommen. Diese Bestimmungen legen ohne jegliche inhaltliche Bezugnahme auf COVID-19 fest, dass der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung ('BMBWF') für die Schuljahre 2019/20 und 2020/21 mittels Verordnung ua ortsungebundenen Unterricht anordnen kann (Abs1 Z4 der genannten Bestimmungen). Sie ermächtigen den Bundesminister sohin zur Erlassung einschränkender Verordnungen, die ua den ortsungebundenen Unterricht statuieren. Eine Bezugnahme zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 wird nicht einmal für notwendig befunden und erfolgt daher nicht. Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung erhält für die Schuljahre 2019/20 und 2020/21 weitreichende Eingriffsbefugnisse in das Grundrecht auf Bildung sowie das (gesetzliche) Recht auf Präsenzunterricht, auch ohne, dass es hier einer wie auch immer gearteten Rückkoppelung auf die Situation iZm COVID-19 bedarf.
Erkennbare Determinanten ergeben sich für die in §132c Schulorganisationsgesetz und §82m SchulUG genannten eingreifenden Anordnungen nicht. Das Gesetz bezieht sich für das Ergreifen der Maßnahmen selbst weder auf die COVID-19-Situation (die nicht normative Überschrift, dergemäß das alles sub titulo COVID-19-Bekämpfung erfolge kann hier freilich keinerlei Ansatzpunkt bieten) noch hält es zB fest ab welchem Verbreitungsgrad von COVID-19 die betreffenden Maßnahmen erlassen werden dürfen, noch werden Kriterien vorgegeben, anhand derer die Erforderlichkeit für derartige Maßnahme zu beurteilen ist. Schließlich werden auch keine Grenzen aufgezeigt, ab denen nicht mehr von einer 'Bekämpfung von COVID-19' gesprochen werden kann. Eine dokumentiert marginale Auftretenswahrscheinlichkeit (vgl nur die Ergebnisse der Monitoringstudie, die eine entsprechend geringe Inzidenz belegen, Beilage ./2) kann aber nicht ausreichen, um derart weitreichende Einschränkungen in Bezug auf das Recht auf Bildung (und letztlich gepaart mit den Bestimmungen der COVID-19-NotMV wonach auch das Recht auf persönliche Freiheit des Antragstellers eingeschränkt wird: aus §1 Abs1 Z4 Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, mit der besondere Schutzmaßnahmen zur Verhinderung einer Notsituation auf Grund von COVID-19 getroffen werden (COVID-19-Notmaßnahmenverordnung – COVID-19-NotMV), BGBl II 479/2020, folgt strafbewehrt dass nur, sofern dies erforderlich ist, zu Ausbildungszwecken der private Wohnbereich verlassen werden dürfe) vorzusehen. Dem Verordnungsgeber hinsichtlich der Erforderlichkeit derart eingriffsintensiver Maßnahmen völlig die Einschätzungsprärogative zu überlassen, ist verfassungsrechtlich nicht zulässig. §132c Schulorganisationsgesetz und §82m SchulUG sind daher ua wegen eines Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot (Art18 B-VG) verfassungswidrig.
Die Verordnungsermächtigung (ua zur Verordnung von ortsungebundenem Unterricht) erfolgt wie bereits erwähnt ohne Bezugnahme auf eine Verhinderung der Verbreitung von COVID-19. Auf dieser Grundlage untersagt in weiterer Folge §13 Abs6 iVm §34 C-SchVO 2020/21 Präsenzunterricht (durch die Anordnung ortsungebundenen Unterrichts).
Die Verordnungsermächtigung der §132c Schulorganisationsgesetz und §82m SchulUG determinieren den BMBWF als verordnungserlassende Behörde in nur sehr eingeschränkter Hinsicht:
Die §132c Schulorganisationsgesetz und §82m SchulUG sind wohl (wenngleich ohne Bezugnahme im normativ-bindenden Teil, sondern lediglich in der Überschrift) eine Reaktion des Gesetzgebers auf eine krisenhafte Situation durch das Auftreten des Coronavirus SARS-CoV-2 und die dadurch ausgelöste Coronavirus-Krankheit COVID-19. Ortsungebundener Unterricht (und die anderen genannten Maßnahmen) hat (haben) augenscheinlich den Gesundheitsschutz durch Schutz der Funktionsfähigkeit der Gesundheitsinfrastruktur zum Ziel. Dies freilich auf fragwürdiger Basis, betrachtet man das evidenzbasierte Material in den Beilagen.
Krisenhafte Situationen wie die vorliegende sind nach Auffassung des VfGH dadurch gekennzeichnet, dass staatliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Ursache, Auswirkungen und Verbreitung der Krankheit unter erheblichem Zeitdruck und insofern unter Unsicherheitsbedingungen getroffen werden müssen, als Wissen darüber zu einem großen Teil erst nach und nach gewonnen werden kann und Auswirkungen wie Verbreitung von COVID-19 notwendig einer Prognose unterliegen. Dies trifft gegenständlich freilich nicht mehr gänzlich zu. §132c Schulorganisationsgesetz und §82m SchulUG wurden mit BGBl I 23/2020 am 04. April 2020, sohin vor weit mehr als sieben Monaten, erlassen. Von Zeitdruck, mangelnder Sanierungsmöglichkeit (auch über die Sommerferien) oder Unsicherheitsbedingungen kann daher keinesfalls mehr gesprochen werden. Das Erfordernis, die Verordnung auf eine dem Art18 B-VG entsprechende Grundlage zu stellen, kann unter diesem Gesichtspunkt in Anbetracht des langen Bestehenszeitraums nicht aufgeweicht werden.
[…]
Überlässt der Gesetzgeber im Hinblick auf bestimmte tatsächliche Entwicklungen dem Verordnungsgeber die Entscheidung, welche aus einer Reihe möglicher, unterschiedlich weit gehender, aber jeweils Grundrechte auch intensiv einschränkender Maßnahmen er seiner Prognose zufolge und in Abwägung der betroffenen Interessen für erforderlich hält, hat der Verordnungsgeber seine Entscheidung auf dem in der konkreten Situation zeitlich und sachlich möglichen (vgl VfSlg 15.765/2000) und zumutbaren Informationsstand über die relevanten Umstände, auf die das Gesetz maßgeblich abstellt, und nach Durchführung der gebotenen Interessenabwägung zu treffen. Dabei muss er diese Umstände ermitteln und dies im Verordnungserlassungsverfahren entsprechend festhalten, um eine Überprüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung zu gewährleisten (darauf hat der Verfassungsgerichtshof bereits in mehrfachem Zusammenhang abgestellt, vgl VfSlg 11.972/1989, 17.161/2004, 20.095/2016).
Dies hat der Verordnungsgeber freilich bei Erlassung der C-SchVO 2020/21 und insbesondere bei Erlassung des §13 Abs6 der der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID-19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2020/21 (COVID-19-Schulverordnung 2020/21 – C-SchVO 2020/21), StF: BGBl II Nr 384/2020 idF BGBl II Nr 478/2020 außer Acht gelassen. Entgegen konkreter Forderungen, nicht ortsungebundenen Unterricht anzuordnen, zumal Schüler gerade keine Verbreiter von COVID-19 sind (vgl Beilagen ./2, ./3 und ./4) und in insoweit verkennender Interessenabwägung hat der BMBWF durch §13 Abs6 C-SchVO 2020/21 die Anwendbarkeit der Bestimmungen zur 'Ampelphase Rot' angeordnet und damit ortsungebundenen Unterricht verwirklicht. Darüber hinaus liegen (zumindest im RIS) keine auffindbaren Materialien zu den ermittelten Umstände, die zur Verordnungserlassung geführt haben, vor und wurden die Umstände im Verordnungserlassungsverfahren nicht entsprechend festgehalten, um eine Überprüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung zu gewährleisten. Es können maximal vage Vermutungen angestellt werden, was dem BMBWF zur Erlassung der Verordnung und im konkreten zur Anwendbarkeitserklärung der Bestimmungen über die Ampelphase 'Rot' bewogen hat.
Determiniert das Gesetz die Verordnung inhaltlich nicht so, dass der Verordnungsinhalt im Wesentlichen aus dem Gesetz folgt, sondern öffnet es die Spielräume für die Verwaltung so weit, dass ganz unterschiedliche Verordnungsinhalte aus dem Gesetz folgen können (wie gegenständlich), muss der Verordnungsgeber die nach dem Gesetz maßgeblichen Umstände entsprechend ermitteln und dies im Verordnungserlassungsverfahren auch nachvollziehbar festhalten, sodass nachgeprüft werden kann, ob die konkrete Verordnungsregelung dem Gesetz in der konkreten Situation entspricht (das ist der Kern der Judikatur, derzufolge das Gesetz in einem Ausmaß bestimmt sein muss, 'daß jeglicher Vollziehungsakt am Gesetz auf seine Rechtmäßigkeit hin gemessen werden kann', siehe zB VfSlg 12.133/1989). Ein Messen der konkreten Bestimmungen (§13 Abs6 C-SchVO 2020/21, §34 C-SchVO 2020/21) an den Gesetzesgrundlagen ist aufgrund der unbestimmten Offenheit des Gesetzes faktisch jedoch nicht möglich. Darüber hinaus mangelt es zweifelsohne an entsprechenden (öffentlichen) Materialien, die die Entscheidung des BMB[W]F nachvollziehbar darlegen (vor allem im Lichte der bekannten Argumente gegen die Umstellung auf 'distance learning').
Entgegen dem diesbezüglich in der Judikatur bestehenden klaren Postulat, Verordnungen auf eine entsprechende Faktenbasis durch Informationen und Daten zu stellen, trifft aufgrund der Bestimmungen des §132c Schulorganisationsgesetz und §82m SchulUG den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung nach dem Gesetzeswortlaut gerade keine Verpflichtung zum evidenzbasierten Vorgehen. Diese Verfassungswidrigkeit lässt sich nicht anders als durch ein gesamthaftes außer-Kraft treten der §132c Schulorganisationsgesetz und §82m SchulUG und in der Folge auch der darauf basierenden Verordnung beheben.
Insofern unterscheiden sich demokratische Gesetzgebung und generell abstrakte Rechtssetzung durch die Verwaltung im Wege von Verordnungen nach Art18 Abs2 B-VG. Die Determinierungswirkungen und damit die rechtsstaatliche und demokratische Bestimmung des Verordnungsgebers durch Art18 Abs2 B-VG zielen auf eine entsprechende Bindung bei der konkreten Verordnungserlassung ab.
Dabei hat der Verfassungsgerichtshof auch darauf hingewiesen, dass in einschlägigen Konstellationen der Normzweck auch gebieten kann, dass eine zum Zeitpunkt ihrer Erlassung dringend erforderliche – unter Umständen unter erleichterten Voraussetzungen zustande gekommene – Maßnahme dann rechtswidrig wird und aufzuheben ist, wenn der Grund für die Erlassung fortfällt (siehe VfSlg 15.765/2000).
Auch dies scheint fragwürdig, wurde der ortsungebundene Unterricht doch undifferenziert für die Dauer bis 6.12.2020 (§13 Abs6 C-SchVO 2020/21 iVm §34 C-SchVO 2020/21) angeordnet.
Als Zwischenergebnis lässt sich festhalten, dass nach Auffassung des Antragstellers bereits die §132c Schulorganisationsgesetz und §82m SchulUG wegen eines Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot (Art18 B-VG) verfassungswidrig sind, womit es sämtlichen der angefochtenen Bestimmungen an einer probaten gesetzlichen Grundlage mangelt.
B) Bedenken gegen §13 Abs6 der der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID-19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2020/21 (COVID-19-Schulverordnung 2020/21 – C-SchVO 2020/21), StF: BGBl II Nr 384/2020 idF BGBl II Nr 478/2020
Vorauszuschicken ist, dass §13 Abs6 C-SchVO 2020/21 nicht nur, wie bereits dargelegt, auf einer verfassungswidrigen Grundlage fußt, sondern insbesondere an einen dislozierten Ort in der Verordnung eingefügt wurde. Die Bestimmung findet sich im Abschnitt zur Ampelphase 'Grün'. Dieser ist aber bloß bei der Ampelphase 'Grün' anwendbar.
Die Bestimmungen des 1. Abschnittes des 2. Teiles der C-SchVO 2020/21 gelten für alle Schulen gemäß §2 der C-SchVO 2020/21, sofern (…) der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung nicht für einzelne, mehrere oder alle Schulen, Schulstandorte oder Teile von diesen aufgrund der zur Verfügung stehenden Daten und Informationen zum Zweck der Verhinderung der Verbreitung von SARS-CoV 2 oder COVID-19 die Anwendung eines anderen Abschnittes der C-SchVO 2020/21 anordnet.
Mit §13 Abs6 C-SchVO 2020/21 wird durch den BMBWF als verordnungserlassendes Organ festgelegt, dass auf alle umfassten Schulen die Bestimmungen für die Ampelphase 'Rot' (4. Abschnitt der C-SchVO 2020/21) anzuwenden sind. Ob es sich bei §13 Abs6 C-SchVO 2020/21 um eine Anordnung des BMBWF iSd §13 Abs1 C-SchVO 2020/21 handelt ist unklar (wobei wenn diese als solche klassifiziert wird die zwingend erforderliche Mitwirkung der Gesundheitsbehörde an der Entscheidung wohl fehlt und hier bereits ein Mangel im Erlassungsverfahren zu erkennen ist).
Mit dieser Festlegung ist allerdings der 1. Abschnitt des 2. Teiles der C-SchVO 2020/21 gerade nicht mehr anwendbar und entzieht sich der Verweis scheinbar selbst seinen Anwendungsbereich. §13 Abs6 C-SchVO 2020/21 befindet sich im 1. Abschnittes des 2. Teils der C-SchVO 2020/21, der allerdings nicht mehr anwendbar ist, zumal ja der 4. Abschnitt der C-SchVO 2020/21 gelten solle. Es kommt hier scheinbar zu einem Oszillieren zwischen Anwendbarkeit und Nichtanwendbarkeit der Ampelphase 'Rot'.
Damit liegt ein Verstoß gegen Art18 Abs1 B-VG offen zutage. Selbst mit fortgeschrittenen methodischen Fähigkeiten lässt sich das Verweisproblem kaum lösen. Die Vorschrift gilt, schließt aber durch Verweis auf einen anderen Abschnitt (bei systematischer Betrachtung) ihre eigene Geltung aus und gilt somit gleichzeitig nicht.
Mit Erkenntnis vom 14.07.2020, V411/2020, hat der VfGH ausgesprochen, dass dem Verordnungsgeber einen Einschätzungs- und Prognosespielraum, ob und inwieweit er zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 auch erhebliche Grundrechtsbeschränkungen für erforderlich hält, zukommt. Der Verordnungsgeber muss also in Ansehnung des Standes und der Ausbreitung von COVID-19 notwendig prognosenhaft beurteilen, inwiefern Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 geeignete (der Zielerreichung dienliche), erforderliche (gegenläufige Interessen weniger beschränkend und zugleich weniger effektiv nicht mögliche) und insgesamt angemessene (nicht hinnehmbare Grundrechtseinschränkungen ausschließende) Maßnahmen darstellen.
Mit Erkenntnis des VfGH vom 01.10.2020, G272/2020-11 ua, wurde betreffend §1 COVID-19-Maßnahmengesetz ausgesprochen: 'Angesichts der damit inhaltlich weitreichenden Ermächtigung des Verordnungsgebers verpflichtet §1 COVID-19-Maßnahmengesetz vor dem Hintergrund des Art18 Abs2 B-VG den Verordnungsgeber im einschlägigen Zusammenhang auch, die Wahrnehmung seines Entscheidungsspielraums im Lichte der gesetzlichen Zielsetzungen insoweit nachvollziehbar zu machen, als er im Verordnungserlassungsverfahren festhält, auf welcher Informationsbasis über die nach dem Gesetz maßgeblichen Umstände die Verordnungsentscheidung fußt und die gesetzlich vorgegebene Abwägungsentscheidung erfolgt ist. Die diesbezüglichen Anforderungen dürfen naturgemäß nicht überspannt werden, sie bestimmen sich maßgeblich danach, was in der konkreten Situation möglich und zumutbar ist.'
Diesen Anforderungen der Rechtsprechung genügt §13 Abs6 C-SchVO 2020/21 nicht. Es gab zu keinem Zeitpunkt entsprechende Informationen, die eine Umstellung auf die Ampelphase 'Rot' und damit einhergehend (§34 leg cit) eine Schulschließung (wobei Schulen als nicht minder systemrelevante Leistungen wie Altenheime oder dergleichen zu sehen sind) als indiziert anzeigten. Vielmehr deutete die Informationsbasis klar hin auf ein Offenhalten der Schulen (vgl nur die mediale Berichterstattung und insbesondere die Beilage ./4; APA-Bericht vom 12.11.2020, abrufbar unter: https://apa.at/news/coronaampelkommission-fuer-o