TE Vwgh Beschluss 2021/9/29 Ra 2021/01/0181

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Veröffentlicht am 29.09.2021
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Index

E1P
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
10/10 Grundrechte
10/11 Vereinsrecht Versammlungsrecht
19/05 Menschenrechte
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

B-VG Art133 Abs4
B-VG Art133 Abs5
B-VG Art133 Abs6 Z2
B-VG Art133 Abs6 Z3
B-VG Art144
B-VG Art144 Abs1
B-VG Art144 Abs3
MRK Art11
MRK Art11 Abs2
MRK Art6
StGG Art12
VerG 2002
VerG 2002 §12
VerG 2002 §29
VerG 2002 §31
VersammlungsG 1953
VersammlungsG 1953 §14 Abs1
VersammlungsG 1953 §2 Abs1
VersammlungsG 1953 §6
VwGG §28 Abs1 Z4
VwGG §28 Abs2
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z3
VwGG §42 Abs4
VwGG §63 Abs1
VwGVG 2014 §24
VwGVG 2014 §7 Abs4
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Kleiser, Dr. Fasching, Mag. Brandl und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision der Landespolizeidirektion Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 24. März 2021, Zl. VGW-103/048/3227/2021-2, betreffend eine Angelegenheit nach dem Versammlungsgesetz 1953 (mitbeteiligte Partei: X, vertreten durch Dr. Christoph Völk, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 4), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Vorgeschichte

1        Mit Schreiben vom 29. Jänner 2021 zeigte die mitbeteiligte Partei, eine politische Partei nach Parteiengesetz 2012, eine politische Kundgebung am Sonntag, den 31. Jänner 2021, in einem näher bezeichneten Zeitraum, an einem näher bezeichneten Ort in Wien und zu einem näher bezeichneten Thema bei der Landespolizeidirektion Wien (Amtsrevisionswerberin) an.

2        Diese angezeigte Versammlung wurde mit Bescheid der Amtsrevisionswerberin vom 30. Jänner 2021 gemäß § 6 Abs. 1 Versammlungsgesetz 1953 (im Folgenden: VersG) iVm Art. 11 Abs. 2 EMRK untersagt und die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde an das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen.

3        Begründend führte die Amtsrevisionswerberin im Wesentlichen aus, gemäß § 12 Abs. 2 der am 25. Jänner 2021 in Kraft getretenen 3. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung (3. COVID-19-NotMV) sei beim Betreten von Orten zum Zweck der Teilnahme an Versammlungen nach dem VersG gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens zwei Metern einzuhalten. Zusätzlich sei bei Versammlungen eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende und eng anliegende mechanische Schutzvorrichtung (MNS) zu tragen. Gemäß § 14 3. COVID-19-NotMV gelte als Betreten auch das Verweilen an diesen Orten.

4        Zur Frage, ob bei einer Versammlung von mehreren hundert bis mehreren tausend Menschen, die den verordneten Mindestabstand nicht einhielten und überwiegend keine MNS trügen, eine erhebliche Gefahr der Ansteckung unter den Versammlungsteilnehmern entstehen könne, habe der Gesundheitsdienst der Stadt Wien die Stellungnahme abgegeben,

„dass bei den neuen Virusvarianten Kontakte ohne Einhaltung des notwendigen Abstands und ohne Tragen von Schutzmasken aufgrund der erhöhten Übertragbarkeit in wenigen Tagen zu mehr Folgefällen führen können, als bisher beobachtet. Wenn Personen, die das Virus ausscheiden, an der Versammlung teilnehmen ohne den geforderten Abstand einzuhalten und ohne einen Mund-Nasenschutz zu tragen, kann es vor diesem Hintergrund zu Übertragungen kommen, die speziell auch aufgrund der fehlenden Nachvollziehbarkeit von Kontakten die Bemühungen zur Reduktion der Fallzahlen konterkarieren.“.

Diese (im Bescheid wiedergegebene) Stellungnahme führt einleitend aus:

„Die Corona-Kommission, als beratendes Gremium des für Gesundheit zuständigen Bundesministers weist in der letzten Empfehlung vom 21.1.2021 auf die erhöhte Übertragbarkeit der SARS-CoV-2 Virus Mutante B.1.1.7 und die sich daraus ergebende Gefahr eines neuerlichen sehr starken exponentiellen Anstiegs der Fallzahlen hin.“

5        Es sei zu erwarten, dass an der Versammlung der mitbeteiligten Partei nicht nur, wie in der Versammlungsanzeige angeführt, mehrere tausend Personen (zumindest 10.000, wenn man von den Zahlen anlässlich der letzten großen Proteste am 16. Jänner 2021 ausgehe) teilnähmen und sie (wie die Erfahrungen der letzten Wochen gezeigt hätten) zu einem großen Teil nicht den vorgeschriebenen eng anliegenden MNS tragen würden. Im Lichte der Expertise des Gesundheitsdienstes der Stadt Wien würde die Abhaltung der geplanten Versammlung jedenfalls eine Gefährdung im Hinblick auf das öffentliche Wohl darstellen, zumal die gesamtstaatlichen Bemühungen zur Reduktion der Fallzahlen konterkariert würden.

6        Nach Interessenabwägung im Lichte der Versammlungsfreiheit sei dem Interesse des Schutzes der Gesundheit höheres Gewicht beigemessen worden als dem Interesse des Veranstalters an der Abhaltung der Versammlung und den Interessen der Teilnehmer an deren kollektiven Meinungskundgabe. Im Hinblick auf Art. 11 Abs. 2 EMRK sei die Untersagung der angezeigten Versammlung zum Schutz der Gesundheit notwendig gewesen.

7        Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht).

Angefochtenes Erkenntnis

8        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Beschwerde der mitbeteiligten Partei Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und die Feststellung getroffen, dass die Untersagung zu Unrecht erfolgt sei (I.). Eine Revision wurde für unzulässig erklärt (II.).

9        Begründend führte das Verwaltungsgericht (ohne Beiziehung eines Sachverständigen, ohne mündliche Verhandlung und ohne Einräumung von Parteiengehör) nach Anführung von § 6 Abs. 1 VersG und Art. 11 Abs. 1 und 2 EMRK wie folgt aus (auszugsweise Wiedergabe aus der bereits im Rechtsinformationssystem - RIS - veröffentlichten, anonymisierten Fassung):

„Den Ausführungen in der Beschwerde ist in allen Punkten zuzustimmen. Des Weiteren mangelt es dem Bescheid aus folgenden Gründen an einer haltbaren Begründung für eine Untersagung:

...

Darüber hinaus ist zu der beauftragten ‚Information aus gesundheitlicher Sicht‘ Nachstehendes auszuführen:

Der Gesundheitsdienst der Stadt Wien verwendet darin die Wörter ‚Fallzahlen’, ‚Testergebnisse‘, ‚Fallgeschehen‘ sowie ‚Anzahl an Infektionen‘. Dieses Durcheinanderwerfen der Begriffe wird einer wissenschaftlichen Beurteilung der Seuchenlage nicht gerecht. ... Damit bleibt es schon damit offen, von welchen Zahlen die ‚Information‘ ausgeht. Die ‚Information‘ nimmt Bezug auf die Empfehlung der Corona-Kommission vom 21.1.2021. Es ist mangels Angaben nicht nachvollziehbar, ob die dieser Empfehlung zugrundeliegenden Zahlen nur jene Personen enthalten, die nach den Richtlinien der WHO zur Interpretation von PCR-Tests vom 20.01.2021 untersucht wurden. ...

Es erfüllt somit keiner der drei vom Gesundheitsminister definierten ‚bestätigten Fälle‘ die Erfordernisse des Begriffs ‚Kranker/Infizierter‘ der WHO.

Das alleinige Abstellen auf den PCR-Test (bestätigter Fall 1) wird von der WHO abgelehnt, siehe oben.

Das Abstellen auf eine Antigen-Feststellung mit klinischen Kriterien (bestätigter Fall 2) läßt offen, ob die klinische Abklärung durch einen Arzt erfolgt ist, dem sie ausschließlich vorbehalten ist; maW: ob eine Person krank ist oder gesund, muss von einem Arzt getroffen werden (vgl. § 2 Abs. 2 Z 1 und 2 Ärztegesetz 1998, BGBl. I. Nr. 169/1998 idF BGBl. I Nr. 31/2021).

Zu den Antigentests ist überdies zu bemerken, ...

Sollte die Corona-Kommission die Falldefinition des Gesundheitsministers zugrunde gelegt haben, und nicht jene der WHO; so ist jegliche Feststellung der Zahlen für ‚Kranke/Infizierte‘ falsch.

...

Insgesamt ist bezüglich der ‚Information‘ des Gesundheitsdienstes der Stadt Wien und der darauf fußenden Begründung des Untersagungsbescheides festzuhalten, dass zum Seuchengeschehen keine validen und evidenzbasierten Aussagen und Feststellungen vorliegen.

Dies wird unterstrichen durch die ‚Limitationen‘ der Corona-Kommission, lautend ‚Es kann kein Rückschluss auf die Wirksamkeit einzelner Maßnahmen gezogen werden, da davon auszugehen ist, dass diese in Wechselwirkung zueinander stehen und sich in ihrer Wirkung gegenseitig beeinflussen.‘.

Zur rechtlichen Beurteilung einer nicht verwertbaren Information zur Seuchenlage sowie der Einschätzung des LVT ist ergänzend auszuführen:

Die bloße, abstrakte Befürchtung eines konsenswidrigen Betriebes kann - hier im Betriebsanlagenrecht - nicht zu einer prophylaktischen Versagung einer Bewilligung führen (vgl. VwGH vom 21.12.2004, 2002/04/0124; vom 30.06.2004, 2001/04/0204).

Umso mehr dies bei einem Grund- und Freiheitsrecht, dem der Freiheit zu Versammlungen, zu gelten. Wie der Verfassungsgerichtshof ständig judiziert hat (vgl. VfGH vom 30.06.2004, B491/03; vom 30.08.2008, B663/08, beginnend mit RGH vom 23.01.1905, 691/1904), reichen bloße allgemeine Befürchtungen nicht aus für eine Untersagung einer Versammlung.

Die Untersagung der Versammlung erfolgte zu Unrecht, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.“

10       Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht textbausteinartig. Eine Begründung für die Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung findet sich nicht.

11       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision.

12       Die mitbeteiligte Partei erstattete nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof eine Revisionsbeantwortung.

Vorbringen der Amtsrevision

13       Die Amtsrevisionswerberin führt zunächst zur Zulässigkeit der Revision im Hinblick auf Art. 133 Abs. 5 B-VG aus, die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, nach der Fragen des Eingriffs in den Kernbereich der Versammlungs- und Vereinsfreiheit gemäß dieser Bestimmung von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen wären und daher auch keine Amtsrevision zulässig wäre (Verweis auf VwGH 9.11.2020, Ra 2020/01/0370, und 27.2.2018, Ra 2017/01/0105), sei für den vorliegenden Fall nicht einschlägig.

14       Mit der Erhebung der vorliegenden Amtsrevision befinde sich das Verfahren in einem Stadium, in dem es noch nicht um die Frage eines Eingriffs in den Kernbereich der Versammlungsfreiheit gehe. Vielmehr sei vorliegend Beurteilungsgegenstand, ob das Verwaltungsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts, der als Grundlage für eine Entscheidung in dieser Frage diene, jene verfahrensrechtlichen Grundsätze eingehalten habe, die durch die Verwaltungsverfahrensgesetze bzw. das VwGVG garantiert werden sollten, und ob das Verwaltungsgericht bei Einhaltung dieser Grundsätze zu einem anderen Ergebnis gelangen hätte können. So würde vorliegend durch die Amtsrevision Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gerügt.

15       Sollte sich der Verwaltungsgerichtshof dieser Zulässigkeitsargumentation nicht anschließen, werde in eventu ersucht, von der bisherigen Rechtsprechung in dieser Frage abzugehen. Dies werde damit begründet, dass es sich bei der hier erhobenen Amtsrevision um keine Zuständigkeit des VfGH im Sinne des Art. 133 Abs. 5 B-VG handle, weil sich die Zuständigkeit des VfGH in der Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit ausschließlich aus Art. 144 Abs. 1 B-VG ergebe und diese nicht die Entscheidung über Beschwerden von Amtsparteien umfasse. Auch zeigten die Erläuterungen (Verweis auf RV 1618 BlgNR 24. GP), dass die Amtsrevision an den Verwaltungsgerichtshof durch die Verwaltungsgerichtbarkeits-Novelle 2012 ohne Einschränkung eingeführt werden sollte. Offenbar hatte der Verwaltungsgerichtshof die Vorläuferbestimmung des Art. 133 Abs. 5 B-VG (Art. 133 Z 1 B-VG idF vor der Verwaltungsgerichtbarkeits-Novelle 2012) ebenso auf die Zuständigkeit des VfGH nach Art. 144 Abs. 1 B-VG eingegrenzt gesehen (Verweis auf VwGH 23.9.1998, 97/01/1065).

16       Zur Zulässigkeit der Revision im Hinblick auf Art. 133 Abs. 4 B-VG (Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung) bringt die Amtsrevision vor, das Verwaltungsgericht sei von der (näher bezeichneten) „klaren“ Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung hätte durchführen müssen. Dass die Amtsrevisionswerberin auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet habe, ändere im Hinblick auf den Verhandlungsantrag der mitbeteiligten Partei und die Erforderlichkeit zur Wahrung des Parteiengehörs nichts.

17       Im Falle einer mündlichen Verhandlung hätte die Amtsrevisionswerberin vorgebracht, „dass die Schutzwirkung von FFP 2-Masken wissenschaftlich belegt ist, dass PCR-Tests als Diagnosestandard gelten, dass auch mit höheren Ct-Werten replikationsfähige Viren nachgewiesen werden und die Infektiosität von zahlreichen Faktoren abhängt und Antigentests sinnvolle Elemente von Teststrategien sind und hätte dieses mit einer amtssachverständigen Äußerung der obersten Gesundheitsbehörde belegt. ... Zur Untermauerung der Gefährdung der Gesundheit von Menschen in großem Ausmaß durch eine große Menschenmenge bei gleichzeitigem Nichteinhalten von Mindestabständen und Maskengeboten“ hätte die Amtsrevisionswerberin die Bestellung eines medizinischen Sachverständigen beantragt. Dieser hätte die entsprechende konkrete Gesundheitsgefahr mit einem entsprechenden Gutachten dargelegt, wodurch das Verwaltungsgericht zu einer anderen Sachverhaltsfeststellung und Bestätigung des behördlichen Untersagungsbescheides hätte kommen müssen, „weil die Interessensabwägung der Hintanhaltung der festgestellten Gesundheitsgefahren gegenüber dem grundrechtlich geschützten Interesse an der Durchführung der Versammlung zu Gunsten des öffentlichen Wohls (Gesundheitswahrung) ausgefallen wäre“. Auch hätte die Amtsrevisionswerberin ihren Rechtsstandpunkt vorbringen können.

18       Weiter sei das Verwaltungsgericht von der (näher bezeichneten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, nach der das Verwaltungsgericht ohne besonderes Fachwissen des entscheidenden Richters in den Bereichen der Virologie, Infektiologie, Epidemie und Pandemie einen (medizinischen) Sachverständigen hätte heranziehen müssen, um diese Fachfragen beurteilen zu können.

19       Der bestellte Sachverständige hätte die entsprechende konkrete Gesundheitsgefahr in einem entsprechenden Gutachten dargelegt, wodurch das Verwaltungsgericht zu einer anderen Sachverhaltsfeststellung und Bestätigung des behördlichen Untersagungsbescheides hätte kommen müssen, „weil dann die Interessensabwägung zwischen der Hintanhaltung der festgestellten Gesundheitsgefahren gegenüber dem grundrechtlich geschützten Interesse an der Durchführung der Versammlung zu Gunsten des öffentlichen Wohls (Gesundheitswahrung) ausgefallen wäre“.

20       Zuletzt sei das Verwaltungsgericht von der „klaren“ Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Grundsatz der Einräumung von Parteiengehör abgewichen, weil es in seine rechtliche Würdigung Sachverhaltselemente (die von ihm erhobenen Beweismittel) einbezogen habe, die den Parteien nicht bekannt gewesen seien.

21       Hätte das Verwaltungsgericht Parteiengehör gewährt, hätte die Amtsrevisionswerberin dieselben Einwendungen vorgebracht und denselben Antrag auf Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen eingebracht wie zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung und zum fehlenden Sachverständigenbeweis ausgeführt worden sei. Dadurch hätte das Verwaltungsgericht zu einer anderen Sachverhaltsfeststellung und Bestätigung des behördlichen Untersagungsbescheides kommen müssen, „weil dann - nach Feststellung der entsprechenden Gesundheitsgefahr - die Interessenabwägung zwischen der Hintanhaltung der festgestellten Gesundheitsgefahren gegenüber dem grundrechtlich geschützten Interesse an der Durchführung der Versammlung zu Gunsten des öffentlichen Wohls (Gesundheitswahrung) ausgefallen wäre“.

22       Sodann macht die Amtsrevision auch näher bezeichnete Begründungsmängel des angefochtenen Erkenntnisses geltend.

Vorbringen der mitbeteiligten Partei

23       Die mitbeteiligte Partei bringt in ihrer Revisionsbeantwortung zur (ihrer Auffassung nach fehlenden) Zulässigkeit der Revision im Wesentlichen vor, nach näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne die Verletzung tragender Verfahrensgrundsätze nur dann zur Aufhebung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung führen, wenn das Verwaltungsgericht bei Einhaltung der verletzten Verfahrensvorschrift zu einem anderen Erkenntnis oder Beschluss hätte kommen müssen.

24       In der vorliegenden Rechtssache müsste der Verwaltungsgerichtshof demnach bei Prüfung der Zulässigkeit der Revision prüfen, ob das Verwaltungsgericht aufgrund des konkreten Vorbringens der Amtsrevisionswerberin zu einer anderen Entscheidung hätte kommen können. Dies sei freilich nur unter Beachtung der in Art. 11 Abs. 2 EMRK genannten Vorgaben möglich. Der behauptete Verfahrensmangel könne nur dann wesentlich sein, wenn er Einfluss auf die Entscheidung in der Sache habe könnte. Damit müsste der Verwaltungsgerichtshof aber materiell und somit den Kernbereich prüfen.

25       Die Klärung derartiger Fragen obliege aber ausschließlich dem VfGH. In diesem Zusammenhang verweist die Revisionsbeantwortung auf das Erkenntnis des VfGH 8.10.2010, B 1161/09, VfSlg. 19.208, wonach die Zuständigkeit des VfGH nach Art. 144 B-VG bei behaupteter Verletzung des Vereinsrechts auch die verfahrensrechtlichen Fragen umfasse.

26       Hinzu komme, dass die Amtsrevisionswerberin zur Begründung der Untersagung der Versammlung nachgetragene Überlegungen liefere.

27       Sodann bringt die mitbeteiligte Partei vor, warum ihrer Auffassung nach die von der Amtsrevision behaupteten Verfahrensfehler nicht vorlägen.

Keine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes nach Art. 133 Abs. 5 B-VG

Keine Zuständigkeit für Eingriffe in den Kernbereich:

28       Mit Beschluss vom 27. Februar 2018, Ra 2017/01/0105, hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, er sei für Fragen des Eingriffs in den Kernbereich der Grundrechte auf Versammlungs- und Vereinsfreiheit gemäß Art. 133 Abs. 5 B-VG nicht zuständig, und führte dazu aus:

„10 Der Verwaltungsgerichtshof hat in der Vergangenheit - der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes folgend - wiederholt ausgesprochen, dass ausschließlich der Verfassungsgerichtshof für Beschwerden, in denen ein materieller Verstoß gegen die freie Vereinsbildung oder -betätigung regelnde gesetzliche Vorschriften behauptet wird, zuständig ist. Für eine solche Angelegenheit (Art. 133 Z 1 B-VG aF) erachtete sich der Verwaltungsgerichtshof nicht zuständig (vgl. etwa VwGH 24.1.2013, 2013/01/0003, mit Hinweis auf VwGH 31.5.2012, 2012/01/0016, und 11.12.2009, 2009/17/0227).

11 Diese Rechtsprechung folgte der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, wonach hinsichtlich der Grundrechte auf Versammlungs- und Vereinsfreiheit jede unrichtige Anwendung der einfachgesetzlichen Ausführungsbestimmungen (einschließlich wesentlicher Verfahrensmängel) als eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts im Sinne des Art. 144 B-VG zu werten und daher ausschließlich von ihm und nicht vom Verwaltungsgerichtshof zu prüfen sei (sog. ‚Feinprüfungsjudikatur‘ bei Grundrechten mit Ausgestaltungsvorbehalt; vgl. etwa VfSlg. 9103/1981, 14.367/1995, 15.109/1998, 17.126/2004, 19.078/2010; vgl. weiters die überblicksweise Darstellung bei Hengstschläger, Vereins- und Versammlungsfreiheit - Ausführungs- oder Eingriffsvorbehalt, in: FS Holzinger (2017) S. 328 ff). Es trete in jedem solchen Fall die Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit des Verfassungsgerichtshofes ein, die nach Art. 133 Z 1 B-VG (aF) die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausschließe, weshalb auch dem Antrag gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nicht Folge zu geben sei (vgl. etwa das Erkenntnis VfSlg 19.078).

12 Beginnend mit seinem (zum Versammlungsrecht ergangenen) Erkenntnis VfSlg 19.818/2013 hat sich der Verfassungsgerichtshof von seiner ‚Feinprüfungsjudikatur‘ im dargestellten umfassenden Sinn abgewendet. Er vertritt seither die Auffassung, dass lediglich Entscheidungen, die den Kernbereich der Versammlungsfreiheit betreffen - wie die Untersagung oder die Auflösung einer Versammlung -, in seine ausschließliche Zuständigkeit fallen, er darüber hinaus aber nicht zu prüfen habe, ob die angefochtene Entscheidung in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht‘ (vgl. in diesem Sinne auch VfSlg. 19.852/2014, 19.961/2015 und 19.962/2015). Der Verfassungsgerichtshof tritt in Beschwerdesachen, die Angelegenheiten des Versammlungsrechts außerhalb des Kernbereichs betreffen, die Beschwerde im Falle der Ablehnung ihrer Behandlung nunmehr auch gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (vgl. etwa die Beschlüsse vom 9. Juni 2017, E 536/2017-8, bzw. vom 31. Juli 2017, E 536/2017-11).

13 Diese Judikatur hat der Verfassungsgerichtshof in weiterer Folge auf das Grundrecht auf Vereinsfreiheit übertragen:

14 Demgemäß obliegt dem Verfassungsgerichtshof zB. in Fragen der Bestrafung eines Vereinsorgans wegen Verstoßes gegen Anzeigepflichten nach § 31 VereinsG lediglich die verfassungsrechtliche ‚Grobprüfung‘ (vgl. VfSlg 19.994/2015); im Übrigen besteht in derartigen Fragen nunmehr eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur ‚Feinprüfung‘.

15 Die behördliche Auflösung eines Vereins selbst (§ 29 VerG) wie auch die Erklärung, dass die Vereinsgründung nicht gestattet ist (§ 12 VerG), sind hingegen, so wie die Beurteilung der Frage, ob überhaupt ein Verein iSd Art. 11 EMRK vorliegt, Entscheidungen, die den Kernbereich der Vereinsfreiheit betreffen. Eingriffe sind nur zulässig, wenn sie zur Erreichung der in Art. 11 Abs. 2 EMRK genannten Ziele zwingend notwendig sind. Eine Entscheidung darüber obliegt (Anm: wie bisher) dem Verfassungsgerichtshof (vgl. VfSlg. 20.057/2016, sowie zuletzt VfGH 12.12.2016, E 580/2016, jeweils mwN).

16 Fragen des Eingriffs in den Kernbereich der Grundrechte auf Versammlungs- und Vereinsfreiheit betreffen sohin Rechtssachen, die gemäß Art. 133 Abs. 5 B-VG (nach wie vor) von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen sind, zumal auch die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz bzw. das Revisionsmodell keine Auswirkungen auf die diesbezügliche Kompetenzabgrenzung zwischen Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof entfaltete (vgl. Hengstschläger, aaO., S. 343).“

29       Diese Rechtsprechung setzte der Verwaltungsgerichtshof zu der (hier maßgeblichen) Versammlungsfreiheit in mehreren Entscheidungen fort:

30       Die Übertretung des § 2 Abs. 1 VersG (Pflicht des Veranstalters zur Anzeige einer beabsichtigten Versammlung) wurde als eine Angelegenheit außerhalb des Kernbereichs der Versammlungsfreiheit angesehen (vgl. VwGH 22.3.2018, Ra 2017/01/0359, mwN). Dasselbe gilt für die Übertretung des § 14 Abs. 1 VersG (Pflicht, eine für aufgelöst erklärte Versammlung sogleich zu verlassen und auseinanderzugehen: vgl. VwGH 6.11.2018, Ra 2018/01/0243).

31       Betraf der beim Verwaltungsgericht angefochtene Bescheid die Untersagung einer Versammlung und somit den Kernbereich der Versammlungsfreiheit, war aber Gegenstand des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichtes alleine die Rechtzeitigkeit der Beschwerde, so betraf diese verfahrensrechtliche Frage die Anwendung des einfachen Gesetzes und somit nicht den Kernbereich der Versammlungsfreiheit (vgl. VwGH 25.9.2018, Ra 2018/01/0276, mit Verweis auf den Abtretungsbeschluss in dieser Rechtssache VfGH 27.2.2018, E 60/2018-5).

32       Der VfGH betonte auch in seiner jüngeren Rechtsprechung mehrfach, dass Maßnahmen, welche die Freiheit der Versammlung in besonders gravierender Weise beeinträchtigen und bei denen daher eine strengere Kontrolle geboten ist, den Kernbereich des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit berühren. Dazu zählt der VfGH die Auflösung der Versammlung selbst, die auf § 6 VersG gestützte Untersagung im Vorfeld des Stattfindens einer Versammlung und die Frage, ob eine Versammlung iSd Art. 11 EMRK vorliegt (vgl. zu allem jüngst VfGH 17.6.2021, E 3728/2020, Rn. 15, mwN; vgl. weiter VfGH 24.2.2021, E 2867/2020, ebenso mwN).

Keine Zuständigkeit auch bei Amtsrevisionen:

33       Im zitierten Beschluss vom 27. Februar 2018, Ra 2017/01/0105, hielt der Verwaltungsgerichtshof weiter fest:

„17 Zur Beurteilung der vom Amtsrevisionswerber angenommenen Zulässigkeit der behördlichen Auflösung des Vereins (hier: nach § 31 Abs. 3 IslamG) ist der Verwaltungsgerichtshof somit nicht zuständig. Dass diese Frage im Wege einer Amtsrevision an den Verwaltungsgerichtshof herangetragen wurde, ändert nach Art. 133 Abs. 5 B-VG nichts.“

34       In einer weiteren Entscheidung (vgl. VwGH 9.11.2020, Ra 2020/01/0370) bestätigte der Verwaltungsgerichtshof diese Rechtsprechung (Rn. 12 f) und führte ergänzend aus:

„Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes, wonach der Verwaltungsgerichtshof zuständig ist, über Amtsbeschwerden, ‚welche objektive Rechtswidrigkeit (nicht aber Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm) von Bescheiden behaupten‘, zu erkennen, selbst wenn die Rechtswidrigkeit auf der Verletzung eines verfassungsgesetzlich geschützten Rechtes beruhen sollte (vgl. VwGH 23.9.1998, 97/01/1065), ist vorliegend nicht einschlägig, da sie vor Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtbarkeits-Novelle 2012 ergangen ist. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung des VfGH hinzuweisen, nach der eine Entscheidung darüber, ob Eingriffe in den Kernbereich der Vereinsfreiheit zur Erreichung der in Art. 11 Abs. 2 EMRK genannten Ziele zwingend notwendig sind, (allein) dem VfGH obliegt (vgl. so zu § 12 VerG VfGH 8.3.2016, E 1477/2015 = VfSlg. 20.057, Rn. 17, und VfGH 26.6.2018, E 4261/2017 = VfSlg. 20.261, Rn. 15; vgl. so auch Hengstschläger, Vereins- und Versammlungsfreiheit - Ausführungs- oder Eingriffsvorbehalt, in: FS Holzinger (2017) S. 346 f).“

35       Die von der Amtsrevision vorgetragenen Argumente bieten keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzugehen:

36       Die Amtsrevision führt im Wesentlichen aus, bei der Amtsrevision handle es sich um keine Zuständigkeit des VfGH im Sinne des Art.133 Abs. 5 B-VG, weil sich die Zuständigkeit des VfGH in der Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit ausschließlich aus Art. 144 Abs. 1 B-VG ergebe und diese nicht die Entscheidung über Beschwerden von Amtsparteien umfasse.

37       Gemäß Art. 133 Abs. 5 B-VG sind Rechtssachen, die zur Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gehören, von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen.

38       Die Argumentation der Amtsrevision verfolgt einen formellen Ansatz, indem sie die Wortfolge in Art. 133 Abs. 5 B-VG „die zur Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gehören“ bzw. den Begriff der „Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes“ in dieser Verfassungsbestimmung formell im Sinne der im B-VG, insbesondere in Art. 144 B-VG normierten Zuständigkeiten des VfGH versteht und dabei ins Treffen führt, dass die Amtspartei gemäß Art. 144 B-VG nicht legitimiert ist, die Verfassungswidrigkeit mittels Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof geltend zu machen.

39       Dagegen hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zu Art. 133 Abs. 5 B-VG mit einem materiellen Ansatz auf den Inhalt des jeweiligen Vorbringens bzw. die darin aufgeworfene Rechtsfrage abgestellt. So führte der Verwaltungsgerichtshof in jüngerer Zeit etwa aus: „Mit dem im Revisionspunkt angeführten Recht auf Eigentum schlechthin wird kein subjektives Recht im Sinne des § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG bezeichnet. Zur Prüfung einer behaupteten Verletzung dieses Rechtes ist der Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 5 B-VG nicht berufen, weil es sich um ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht handelt“ (VwGH 19.4.2021, Ra 2021/05/0048-0050, mwN) oder „Im Übrigen handelt es sich dabei um ein Vorbringen, wie es in Art. 144 Abs. 1 B-VG als Prozessvoraussetzung für ein Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof umschrieben ist [...], sodass gemäß Art. 133 Abs. 5 B-VG eine in die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes fallende Rechtsfrage nicht aufgezeigt wird“ (vgl. VwGH 12.4.2021, Ra 2020/11/0070-0071, mwN) sowie „Soweit der Revisionswerber diesbezüglich einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz moniert, genügt der Hinweis, dass verfassungsrechtliche Rechtsfragen nicht zur Zulässigkeit der Revision führen können“ (vgl. VwGH 5.2.2021, Ra 2019/13/0109, mwN). Noch deutlicher hält der Verwaltungsgerichtshof dies in folgender Rechtsprechung zum Asylgesetz 2005 fest: „Soweit die Revision unter diesem Punkt weiters die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht nach Art. 8 EMRK behauptet, ist auszuführen, dass der Verwaltungsgerichtshof zur Prüfung einer Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte, die gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG als Prozessvoraussetzungen für ein Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof umschrieben sind, gemäß Art. 133 Abs. 5 B-VG nicht berufen ist“ (vgl. VwGH 19.7.2021, Ra 2021/18/0114, mwN).

40       Der materielle Ansatz in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Art. 133 Abs. 5 B-VG zeigt sich auch in der Aussage, dass die Zuständigkeit zur Entscheidung darüber, inwieweit Erkenntnisse oder Beschlüsse von Verwaltungsgerichten gegen verfassungsrechtliche Bestimmungen verstoßen, allein dem Verfassungsgerichtshof zukommt (vgl. VwGH 26.7.2016, Ra 2016/05/0062, mwN) und mit einem Verstoß gegen verfassungsrechtliche Bestimmungen eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht begründet werden kann (vgl. VwGH 26.3.2021, Ra 2021/05/0043-0044, mwN).

41       Im Zusammenhang mit Amtsrevisionen hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, er sei nach der ständigen hg. Rechtsprechung zur Prüfung einer Verletzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten - wie etwa des in der (dortigen) Zulässigkeitsbegründung angesprochenen Gleichheitssatzes - gemäß Art. 133 Abs. 5 B-VG nicht berufen (vgl. VwGH 30.1.2019, Ra 2018/02/0311, mwN).Im Übrigen kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Zulässigkeit der Revision nicht mit der Behauptung der Verfassungswidrigkeit einer generellen Norm begründet werden. Dies gilt auch für die Revision einer Amtspartei, deren Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof mangels Verletzung in einem subjektiven Recht unzulässig wäre. Ist die Amtspartei nicht legitimiert, die Verfassungswidrigkeit mittels Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof geltend zu machen, bewirkt die Behauptung der Verfassungswidrigkeit umso weniger die Zulässigkeit der Revision vor dem Verwaltungsgerichtshof (vgl. VwGH 18.5.2020, Ra 2019/12/0042-0043, mwN).

42       Ist für die Beurteilung der Zuständigkeit nach Art. 133 Abs. 5 B-VG der Inhalt des jeweiligen Vorbringens bzw. die darin aufgeworfene Rechtsfrage maßgeblich, so macht es auch keinen Unterschied, dass eine verfassungsrechtliche Frage - wie in der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausgeführt -im Wege einer Amtsrevision an den Verwaltungsgerichtshof herangetragen wurde.

43       Diese Sichtweise wird durch die Rechtsprechung des VfGH zu § 28 Abs. 2 VwGG und dem darin angesprochenen Rechtsbehelf der Amtsrevision bestätigt. So führte der VfGH im Erkenntnis vom 7. Oktober 2020, G 196/2020, zu Art. 133 Abs. 5 B-VG wie folgt aus:

„ 2.7. Zum behaupteten Verstoß gegen Art. 133 Abs. 5 B-VG:

2.7.1. Das antragstellende Gericht trägt in seinem Antrag weiters das Bedenken vor, die angefochtene Bestimmung des § 28 Abs. 2 VwGG bewirke einen Verstoß gegen das ‚verfassungsrechtliche Strukturprinzip der Konzentration der Verfassungsgerichtsbarkeit beim VfGH (Art. 133 Abs. 5 B-VG)‘. Nach Rechtsauffassung des antragstellenden Gerichtes könne in Anbetracht der Rechtslage nicht ausgeschlossen werden, dass mit einer Amtsrevision auch verfassungsrechtliche Fragen vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend gemacht werden.

2.7.2. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes lässt sich aus § 28 Abs. 2 VwGG nicht folgern, dass im Wege der Amtsrevision Rechtsverletzungsbehauptungen iSd Art. 144 B-VG oder die Verfassungswidrigkeit einer generellen Norm geltend gemacht werden können. Ein solches Vorbringen ist von vornherein nicht geeignet, die Zulässigkeit der Revision zu begründen (vgl zB VwGH 27.6.2017, Ra 2017/12/0042 mwN). Dies gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch für die Revision einer Amtspartei, deren Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof mangels Verletzung in einem subjektiven Recht unzulässig wäre. Ist die Amtspartei nicht legitimiert, die Verfassungswidrigkeit mittels Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof geltend zu machen, bewirkt die Behauptung der Verfassungswidrigkeit umso weniger die Zulässigkeit der Revision vor dem Verwaltungsgerichtshof (zB VwGH 18.5.2020, Ra 2019/12/0042). Freilich bliebe es einer Amtspartei aber unbenommen, im Rahmen einer Amtsrevision anzuregen, der Verwaltungsgerichtshof wolle einen Normenprüfungsantrag beim Verfassungsgerichtshof stellen, wozu dieser berechtigt bzw. bei Vorliegen von Bedenken sogar (von Amts wegen) verpflichtet ist.

2.8. Der Verfassungsgerichtshof kann dem antragstellenden Gericht auch darin nicht folgen, dass der angefochtene § 28 Abs. 2 VwGG das rechtsstaatliche Grundprinzip der Bundesverfassung verletzt.“

44       Durch diese Rechtsprechung hat der VfGH (mit Rückgriff auf die - auch oben wiedergegebene - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) klargestellt, dass, gerade weil die Amtspartei nicht legitimiert ist, die Verfassungswidrigkeit mittels Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof geltend zu machen, die Behauptung der Verfassungswidrigkeit umso weniger die Zulässigkeit der Revision vor dem Verwaltungsgerichtshof bewirken kann.

45       Damit ist für die Zuständigkeitsabgrenzung nach Art. 133 Abs. 5 B-VG (in einer materiellen Betrachtungsweise) entscheidend, dass Angelegenheiten, die zur Zuständigkeit des VfGH gehören, vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht behandelt werden dürfen (vgl. Kolar, Kompetenzüberschneidungen zwischen den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts - Koordination oder gegenseitige Blockade?, in Gotthard/Hofstätter/Ivankovics/Neubauer/Pirker/Scharfe/Trappl, Willgruber [Hrsg.], Kooperation und Koordination als Rechtsentwicklungstrends 2014, 50).

46       In diesem Sinne obliegt die Entscheidung in Fragen der Verhältnismäßigkeit von Eingriffen in den Kernbereich des Grundrechtes der Versammlungsfreiheit nach Art. 11 EMRK allein dem VfGH (vgl. Hengstschläger, aaO, S 345), wie dies auch in der obzitierten Entscheidung VwGH 9.11.2020, Ra 2020/01/0370, festgehalten wurde.

47       Aus diesen Erwägungen sieht der Verwaltungsgerichtshof keinen Anlass, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzugehen, nach der Fragen des Eingriffs in den Kernbereich der Grundrechte auf Versammlungs- und Vereinsfreiheit gemäß Art. 133 Abs. 5 B-VG von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen sind, auch wenn diese Fragen im Wege einer Amtsrevision an den Verwaltungsgerichtshof herangetragen wurden. Wie angeführt zählt der VfGH die Auflösung der Versammlung selbst, die auf § 6 VersG gestützte Untersagung im Vorfeld einer Versammlung und die Frage, ob eine Versammlung iSd Art. 11 EMRK vorliegt, zum Kernbereich der Versammlungsfreiheit.

Auch keine Zuständigkeit für verfahrensrechtliche Fragen im Kernbereich:

48       Dies gilt auch für die Frage der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes für verfahrensrechtliche Fragen im Zusammenhang mit einer Entscheidung eines Verwaltungsgerichts, die den Kernbereich der Versammlungs- oder Vereinsfreiheit zum Inhalt hat.

49       Ausgangspunkt der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur fehlenden Zuständigkeit nach Art. 133 Abs. 5 B-VG war - wie dargestellt - die Rechtsprechung des VfGH, mit der sich der VfGH beginnend mit VfSlg 19.818/2013 von seiner „Feinprüfungsjudikatur“ abgewendet hat.

50       Im Erkenntnis VfSlg 19.818/2013 führte der VfGH unter anderem aus, der VfGH hat nicht zu prüfen, ob der angefochtene Bescheid „in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht“ (Rn. 26). Dem lag zugrunde, dass beim VfGH ein Bescheid (eines unabhängigen Verwaltungssenates) angefochten war, mit dem der Beschwerdeführer bestraft wurde, weil er trotz Aufforderung die behördlich aufgelöste Versammlung nicht verließ (Rn. 20). Dazu hielt der VfGH fest: „Wurde jedoch eine Versammlung in verfassungsrechtlich zulässiger Weise aufgelöst, sind die im Gefolge der Auflösung bestehenden Verpflichtungen der Versammlungsteilnehmer, wie etwa jene gemäß §14 VersammlungsG, und deren Durchsetzung in der Regel folglich bloß einfachgesetzliche Fragestellungen“ (Rn. 18). Gegenstand der dortigen Entscheidung des Verwaltungsgerichtes war eine Übertretung des § 14 Abs. 1 VersG (Pflicht, eine für aufgelöst erklärte Versammlung sogleich zu verlassen und auseinanderzugehen), daher eine Angelegenheit, die auch vom Verwaltungsgerichtshof als bereits außerhalb des Kernbereichs der Versammlungsfreiheit angesehen wurde (vgl. VwGH 6.11.2018, Ra 2018/01/0243).

51       Zum Kernbereich der Vereinsfreiheit hielt der VfGH fest, „Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob das Landesverwaltungsgericht die über den Beschwerdeführer gemäß § 31 Z 4 lit. b iVm § 14 Abs. 2 VerG verhängte Verwaltungsstrafe vor dem Hintergrund seiner in der Beschwerde gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis und in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht selbst getätigten Aussage, er sei Vorsitzender bzw. Obmann des Vereins, zu Recht bestätigt hat, nicht anzustellen“ (vgl. VfGH 2.7.2015, E 1219/2014, Rn. 14 = VfSlg. 19.994). Auch dort war Gegenstand der Entscheidung des Verwaltungsgerichts alleine eine Bestrafung wegen der Ordnungsvorschrift des § 14 Abs. 2 VersG und nicht eine Maßnahme, die den Kernbereich (dort) der Vereinsfreiheit berührte.

52       Auf der Linie dieser Rechtsprechung griff der VfGH bei Entscheidungen im Kernbereich der Versammlungsfreiheit auch verfahrensrechtliche Fragen (dort die Frage, ob eine als „Bescheid“ bezeichnete Erledigung betreffend die Untersagung einer angezeigten Versammlung die gemäß § 58 Abs. 3 iVm § 18 Abs. 4 AVG vorgesehenen Formen der Ausfertigung erfüllte - Rn. 15) auf, die zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts wegen Unzuständigkeit (Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter) führte (vgl. VfGH 8.10.2020, E 332/2020).

53       Auch die Frage der Beschwerdelegitimation vor dem Verwaltungsgericht betreffend eine Untersagung einer angezeigten Versammlung behandelte der VfGH als eine Frage des Kernbereichs der Versammlungsfreiheit, weil der Kernbereich des Rechts auf Versammlungsfreiheit auch das Recht einschließt, die Untersagung einer Versammlung auf deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Dabei verwies der VfGH auf seine ständige Rechtsprechung, dass allein die Beschwerdeerhebung nach dem Termin einer untersagten Versammlung die Beschwerdelegitimation nicht entfallen lässt (vgl. VfGH 7.3.2019, E 3224/2018, Rn. 9 = VfSlg. 20.312).

54       Im Zusammenhang mit der Auflösung eines Vereines griff der VfGH auch verfahrensrechtliche Fragen (dort die Frage, ob der Auflösungsbescheid an eine Abwesenheitskuratorin nach § 11 AVG fristgerecht zugestellt wurde) auf, die zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts wegen Unzuständigkeit (Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter) führte (vgl. VfGH 12.12.2016, E 583/2016, VfSlg. 20.118).

55       Im Beschwerdefall der Zurückweisung einer Beschwerde gegen die Auflösung eines Vereins durch ein Verwaltungsgericht mangels Parteistellung nach § 8 AVG kam der VfGH zum Ergebnis, der „beschwerdeführende Verein ist durch die Zurückweisung der Beschwerde durch das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg nicht in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Vereinsfreiheit verletzt worden“. „Insoweit die Beschwerde weitere Rechtswidrigkeiten behauptet, genügt es darauf hinzuweisen, dass der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen hat, ob der angefochtene Beschluss in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht“ (vgl. VfGH 12.12.2016, E 580/2016, Rn. 25 und 27 = VfSlg. 20.117).

56       Im (zum obzitierten Beschluss VwGH 25.9.2018, Ra 2018/01/0276, führenden) Abtretungsbeschluss vom 27. Februar 2018, E 60/2018-5, führte der VfGH aus, die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen seien zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen habe, dass die Beschwerde nach Ablauf der Rechtsmittelfrist eingebracht worden und daher als verspätet anzusehen sei, nicht anzustellen.

57       Diese Rechtsprechung zeigt, dass der VfGH bei Entscheidungen, welche Fragen des Eingriffs in den Kernbereich der Grundrechte auf Versammlungs- und Vereinsfreiheit betreffen, immer wieder damit in Zusammenhang stehende bzw. diesen Entscheidungen zugrunde liegende verfahrensrechtliche Fragen aufgreift. Gleichzeigt betont der VfGH aber auch, dass er auch bei Entscheidungen, welche Fragen des Eingriffs in den Kernbereich der Grundrechte auf Versammlungs- und Vereinsfreiheit betreffen (vgl. VfGH 12.12.2016, E 580/2016, VfSlg. 20.117, die Auflösung eines Vereins betreffend) nicht zu prüfen hat, ob der angefochtene Beschluss (des Verwaltungsgerichts) „in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht“.

58       Für die Beantwortung der vorliegend aufgeworfenen Frage, ob eine Amtsrevision vor dem Verwaltungsgerichtshof auch bei Entscheidungen, deren Gegenstand ein Eingriff in den Kernbereich der Grundrechte auf Versammlungs- und Vereinsfreiheit ist, eine Verletzung von (einfachgesetzlichen) Verfahrensvorschriften geltend machen darf, ist grundsätzlich auf Folgendes hinzuweisen:

59       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes ist die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler in konkreter Weise, also fallbezogen darzulegen (vgl. für viele VwGH 26.5.2021, Ra 2021/01/0159, mwN). Der Rechtsmittelwerber muss die entscheidenden Tatsachen behaupten, die dem Verwaltungsgericht wegen des Verfahrensmangels unbekannt geblieben sind. Er darf sich etwa nicht darauf beschränken, den Mangel bloß aufzuzeigen, sondern muss konkret darlegen, welches Vorbringen er im Fall der Einräumung des vermissten Parteiengehörs erstattet hätte und inwiefern das Gericht dadurch zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre (vgl. etwa VwGH 23.10.2020, Ra 2020/13/0081, mwN).

60       Bereits die Zulässigkeit der Revision setzt neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für den Revisionswerber günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu führen. Der Revisionswerber hat daher die Entscheidungswesentlichkeit des Mangels konkret zu behaupten. Er darf sich nicht darauf beschränken, einen Verfahrensmangel (bloß) zu relevieren, ohne die Relevanz für den Verfahrensausgang durch ein konkretes tatsächliches Vorbringen aufzuzeigen. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen, darzulegen (vgl. für viele etwa VwGH 28.4.2021, Ra 2019/04/0027-0034, mwN).

61       Diese Anforderung für die Geltendmachung von Verfahrensfehlern gilt auch für die Amtsrevision, selbst wenn in dieser das Unterbleiben einer an sich gebotenen Verhandlung releviert wird, weil die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde in einer von ihr erhobenen Revision nicht die Verletzung subjektiver Rechte (etwa nach Art. 6 EMRK oder des Art. 47 GRC), sondern einen objektiven Verstoß gegen Verfahrensbestimmungen geltend macht (vgl. VwGH 8.3.2021, Ra 2020/14/0341).

62       Gerade weil nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Entscheidungswesentlichkeit des Mangels konkret zu behaupten ist, erfordert die Prüfung der Relevanz eines behaupteten Verfahrensfehlers einen Rückgriff auf die materielle Rechtslage. So erkennt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung etwa im Baurecht, dass Verfahrensfehler für die Nachbarn nur dann von Relevanz sein können, wenn damit eine Verletzung ihrer materiellen Nachbarrechte gegeben wäre, da die Verfahrensrechte einer Partei nicht weiter als ihre materiellen Rechte gehen (vgl. etwa VwGH 11.12.2020, Ra 2018/06/0247-0249, mwN). Auch in anderen Bereichen hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass die behauptete Verletzung einer Verfahrensvorschrift (dort im Recht auf Durchführung eines Verbesserungsverfahrens) nicht losgelöst von materiellen Rechten zu einer Verletzung subjektiver Rechte führen kann (vgl. beispielsweise VwGH 30.1.2015, Ra 2014/17/0025-0027, mwN).

63       An diesem notwendigen Rückgriff auf die materielle Rechtslage ändert auch nichts, dass es bei der Ausübung der der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde im Rahmen ihrer Amtsrevision nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG zukommenden Parteistellung im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof im Gegensatz zu einer Parteirevision, bei der die Geltendmachung einer Verletzung von Verfahrensvorschriften keinen Revisionspunkt (nach § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG) darstellt (vgl. etwa VwGH 27.11.2020, Ra 2020/01/0312, mwN), nicht um die Geltendmachung subjektiver Rechte geht (vgl. etwa VwGH 8.3.2021, Ra 2020/14/0341, mwN; vgl. zu diesen wesentlichen Unterschieden zwischen den beiden Rechtschutzinstrumenten auch VfGH 7.10.2020, G 196/2020, mwN). Denn für die Prüfung der Relevanz, also ob der behauptete Verfahrensfehler für den Verfahrensausgang entscheidungswesentlich ist, ist in der Regel - ausgenommen prozessuale Fragen wie etwa die Rechtzeitigkeit einer Beschwerde (vgl. VwGH 25.9.2018, Ra 2018/01/0276) - immer zu prüfen, ob die bei Vermeidung des Verfahrensfehlers konkret dargelegte günstigere Sachverhaltsgrundlage nach der materiellen Rechtslage überhaupt von Bedeutung ist.

64       Die Prüfung der Relevanz eines Verfahrensfehlers durch den Verwaltungsgerichtshof kann auch bei Amtsrevisionen - unter Berücksichtigung der dargestellten Zuständigkeitsverteilung zwischen Verwaltungsgerichtshof und VfGH in Fragen des Kernbereichs der Versammlungs- und Vereinsfreiheit - nur soweit erfolgen, als keine inhaltliche Prüfung des Kernbereichs durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt. Eine solche Prüfung obliegt - wie dargestellt - alleine und ausschließlich dem VfGH.

65       Bei der oben angeführten verfahrensrechtlichen (prozessualen) Frage der Rechtzeitigkeit einer Beschwerde an das Verwaltungsgericht (betreffend die Untersagung einer Versammlung; vgl. dazu VwGH 25.9.2018, Ra 2018/01/0276, und VfGH 27.2.2018, E 60/2018-5) handelte es sich um eine Frage, die jedenfalls ohne Rückgriff auf den Kernbereich der Versammlungsfreiheit und auf die Rechtsrichtigkeit der Untersagung zu prüfen und zu beantworten war.

66       Welche Rechtswidrigkeiten in der Rechtssache VfSlg. 20.117/2016 behauptet wurden, zu denen der VfGH dort hingewiesen hat, dass er nicht zu prüfen habe, ob der angefochtene Beschluss (des Verwaltungsgerichts) „in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht“ (vgl. VfGH 12.12.2016, E 580/2016, VfSlg. 20.117), ist dem zitierten Beschluss nicht ausdrücklich zu entnehmen. Es ist dieser Entscheidung aber deutlich zu entnehmen, dass alle Fragen, die nur mit Rückgriff auf den Kernbereich der Vereinsfreiheit, insbesondere die Frage, ab welchem Zeitpunkt ehemalige Mitglieder eines Vereins Beschwerde erheben können und ob sie dadurch in ihrer Vereinsfreiheit beschränkt werden, vom VfGH selbst geprüft wurden (vgl. Rn. 23).

67       In der vorliegenden Rechtssache steht dagegen fest, dass die von der Amtsrevision geltend gemachten Verfahrensfehler vom Verwaltungsgerichtshof ohne Rückgriff auf den Kernbereich der Versammlungsfreiheit nicht auf ihre Relevanz überprüft werden können:

68       Alle Verfahrensfehler betreffen Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu den von der Amtsrevisionswerberin herangezogenen Gründen der Untersagung der Versammlung, wie im Übrigen auch das Vorbringen der Amtsrevisionswerberin zur Relevanz der von ihr behaupteten Verfahrensfehler zeigt.

69       Ob diese Gründe aber überhaupt eine Untersagung der Versammlung tragen würden, ist eine Frage des Kernbereichs und kann daher vom Verwaltungsgerichtshof nicht beurteilt werden. So ist wiederum auf den VfGH zu verweisen, der in diesem Zusammenhang festhält:

„§ 6 Versammlungsgesetz 1953 sieht vor, dass Versammlungen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet, von der Behörde zu untersagen sind. Für die Auflösung der Versammlung selbst und mehr noch für eine auf § 6 Versammlungsgesetz 1953 gestützte Untersagung im Vorfeld des Stattfindens einer Versammlung ist (ebenso wie bei der Frage, ob eine Versammlung iSd Art. 11 EMRK vorliegt) eine strengere Kontrolle geboten. Diese Maßnahmen beeinträchtigen die Freiheit der Versammlung in besonders gravierender Weise und berühren den Kernbereich des Grundrechts. Sie sind daher nur zulässig, wenn sie zur Erreichung der in Art. 11 Abs. 2 EMRK genannten Ziele zwingend notwendig sind, sodass die Untersagung einer Versammlung stets nur ultima ratio sein kann“ (vgl. VfGH 17.6.2021, E 3728/2020, mwN).

70       In diesem Zusammenhang ist auch zu bedenken, dass ansonsten der Verwaltungsgerichtshof bei Vorliegen eines Verfahrensmangels die im Zusammenhang mit der Frage dessen Relevanz von ihm getroffene materiellrechtliche Beurteilung im Kernbereich des Grundrechtes auf Versammlungsfreiheit im Fall der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung wegen dieses Verfahrensmangels gemäß § 63 Abs. 1 VwGG an das Verwaltungsgericht für das fortgesetzte Verfahren überbände (vgl. zur Herstellung des der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustands iSd § 63 VwGG bei einer Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften etwa VwGH 23.6.2021, Ra 2020/18/0400, mwN). Im Fall einer meritorischen Erledigung gemäß § 42 Abs. 4 VwGG - von welcher Möglichkeit der Verwaltungsgerichtshof unter den in dieser Gesetzesbestimmung angeführten weiteren Voraussetzungen Gebrauch machen könnte - spräche er damit über eine - wie oben dargelegt - gemäß Art. 133 Abs. 5 B-VG der Zuständigkeit des VfGH vorbehaltene Rechtssache endgültig ab (vgl. zu den Voraussetzungen nach § 42 Abs. 4 VwGG etwa VwGH 7.5.2021, Ra 2020/10/0174, mwN).

71       Aus diesen Erwägungen sind auch verfahrensrechtliche Fragen im Zusammenhang mit einer Entscheidung eines Verwaltungsgerichts, die den Kernbereich der Versammlungs- oder Vereinsfreiheit zum Inhalt hat, gemäß Art. 133 Abs. 5 B-VG von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen, auch wenn diese Fragen im Wege einer Amtsrevision an den Verwaltungsgerichtshof herangetragen wurden.

Fallbezogene Beurteilung

72       Vorliegend hat das angefochtene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Untersagung einer von der mitbeteiligten Partei angezeigten Versammlung zum Gegenstand.

73       Wie dargestellt, zählt der VfGH die auf § 6 VersG gestützte Untersagung im Vorfeld des Stattfindens einer Versammlung zum Kernbereich des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit und sind Fragen des Eingriffs in diesen Kernbereich gemäß Art. 133 Abs. 5 B-VG von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen, auch wenn diese Fragen im Wege einer Amtsrevision an den Verwaltungsgerichtshof herangetragen wurden.

74       Aus den angeführten Erwägungen ist der Verwaltungsgerichtshof in der vorliegenden Rechtssache für die Beurteilung der von der Amtsrevision behaupteten Verfahrensfehler gemäß Art. 133 Abs. 5 B-VG nicht zuständig und erweist sich die Amtsrevision aus diesem Grund als unzulässig.

75       Insofern bleibt dem Verwaltungsgerichtshof eine Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses verwehrt.

Ergebnis

76       Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs.

Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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