TE Vwgh Erkenntnis 1996/12/10 95/19/0519

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Veröffentlicht am 10.12.1996
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Index

19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
25/02 Strafvollzug;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
MRK Art8 Abs2;
StGB §146;
StGB §147;
StGB §15;
StVG §6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des F in G, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. Juni 1995, Zl. 113.334/2-III/11/95, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. Juni 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufG) i.V.m. § 10 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz (FrG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung ua. eingewendet, er sei seit November 1992 mit einer Österreicherin verheiratet und stets einer "ordentlichen Beschäftigung nachgegangen".

§ 5 AufG schließe die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung aus, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund, etwa der des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG vorliege. Der Beschwerdeführer sei am 4. November 1994 rechtskräftig vom Landesgericht für Strafsachen Graz, AZ 5 EVr 1937/94, wegen §§ 146, 147 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, davon 10 Monate bedingt, verurteilt worden. Der Beschwerdeführer sei nicht gewillt, sich entsprechend der in Österreich geltenden Rechtsvorschriften zu verhalten. Auf Grund der Schwere des vom Beschwerdeführer begangenen Vergehens liege ein zwingender Sichtvermerksversagungsgrund vor. Die öffentlichen Interessen überwögen daher die privaten Interessen des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Beschwerdeführer rügt in seiner Beschwerde die Interessensabwägung der belangten Behörde als verfehlt. Überdies habe die belangte Behörde nicht dargelegt, warum der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden solle. Eine derartige Gefährdung liege in Wahrheit nicht vor; dies ergebe sich schon daraus, daß das Landesgericht für Strafsachen Graz einen Strafaufschub unter anderem deshalb gewährt habe, da der Beschwerdeführer weder für die Sicherheit des Staates noch für die von Personen oder des Eigentums gefährlich sei.

Des weiteren liege eine Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, da die belangte Behörde dem Beschwerdeführer keine Möglichkeit gegeben habe, zu § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG Stellung zu nehmen. Wäre dem Beschwerdeführer diese Möglichkeit eingeräumt worden, so hätte er dargelegt, daß die Verurteilung nicht wegen eines vollendeten Deliktes, sondern wegen Versuchs erfolgte, daß weiters der größte Teil der Strafe (nämlich ein Jahr) unter Setzung einer Probezeit bedingt nachgesehen worden sei und daß schließlich dem Beschwerdeführer der Strafaufschub genehmigt und vom Strafgericht dazu ausgeführt worden sei, daß in der Person des Beschwerdeführers keine Gefährdung vorliege.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit seinem Vorbringen verstößt der Beschwerdeführer nicht gegen das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG, da die belangte Behörde erstmals vom Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG Gebrauch gemacht hat, ohne dem Beschwerdeführer hiezu Parteiengehör einzuräumen. Das Vorbringen ist aber nicht geeignet, die Relevanz des Verfahrensmangels aufzuzeigen, da die belangte Behörde auch in Kenntnis der Einwände des Beschwerdeführers nicht zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Denn aus der Schwere der dem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz wegen §§ 146, 147 StGB zugrundeliegenden Tat - im konkreten Fall (versuchter) schwerer Versicherungsbetrug, somit eine Tat, die mit Vorsatz begangen wurde - durfte die belangte Behörde zu Recht schließen, daß der weitere Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung gefährden werde. Im konkreten Fall wäre sogar der Tatbestand gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt.

An der Gefährdungsprognose vermag der Umstand, daß der Beschwerdeführer die Tat nicht vollenden konnte, nichts zu ändern. Ebenso ist es ohne Bedeutung, daß ein Teil der Verurteilung nur bedingt erfolgte, weil die belangte Behörde die aus dem Aufenthalt des Fremden resultierende Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit unabhängig von einem Ausspruch des Gerichtes betreffend eine bedingte Strafnachsicht zu beurteilen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1993, Zl. 93/18/0217, uva.). Letztlich geht auch der Einwand betreffend den "Strafaufschub" ins Leere, da sich der Gegenstand der von den Strafgerichten gemäß § 6 StVG anzustellenden Prognose ("besondere Gefährlichkeit") vor Gewährung eines Vollstreckungsaufschubes vom Inhalt der Beurteilung nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG unterscheidet und zudem keine Bindungswirkung für die Behörde des Verfahrens zur Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung besteht.

Auch das Vorbringen zur Interessensabwägung führt die Beschwerde nicht zum Erfolg.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde bei Anwendung des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG grundsätzlich auf die privaten und familiären Interessen des Fremden Bedacht zu nehmen, und zwar derart, daß sie zu prüfen hat, ob ein Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit derart gefährden würde, daß die im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben rechtfertigen. Diesem Gebot hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall entsprochen. Sie hat die in der Beschwerde geltend gemachten diesbezüglichen Umstände - Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin seit 1992, Bestand bzw. Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses - in der Begründung des angefochtenen Bescheides angeführt und sie daher der Interessensabwägung iSd Art. 8 MRK zugrundegelegt. Die belangte Behörde ging zu Recht davon aus, daß diese privaten Interessen des Beschwerdeführers im Vergleich zu den durch die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers beeinträchtigten öffentlichen Interessen nicht zugunsten des Beschwerdeführers ausschlagen können.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995190519.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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