TE Vwgh Beschluss 2021/10/20 Ra 2021/14/0304

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Veröffentlicht am 20.10.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §9 Abs2 Z8
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des X Y, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried/Innkreis, Promenade 3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Juli 2021, W233 2207998-1/15E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte am 24. September 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 und brachte zusammengefasst vor, er sei von Mitgliedern der Asa’ib Ahl al-Haqq Miliz verfolgt und bedroht worden.

2        Mit Bescheid vom 19. September 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei, und legte eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Der Revisionswerber wendet sich zur Begründung der Zulässigkeit der Revision gegen die im Rahmen der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorgenommene Interessenabwägung, wonach das Bundesverwaltungsgericht die Frage einer zukünftig erwartbaren Selbsterhaltungsfähigkeit in Österreich durch eine erlaubte Beschäftigung nicht geprüft habe. Außerdem sei das Abstellen auf einen unsicheren Aufenthalt als abschwächenden Faktor bei Irakern „eher unzulässig“. Auch habe das Verwaltungsgericht die gesundheitliche Situation des Revisionswerbers ignoriert.

8        Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. VwGH 19.7.2021, Ra 2021/14/0231, mwN).

9        Davon ausgehend hat das Bundesverwaltungsgericht die in der Revision ins Treffen geführten integrativen Aspekte - insbesondere auch der grundsätzliche Wille des Revisionswerbers zur beruflichen Eingliederung durch Verrichtung unterschiedlicher gemeinnütziger und ehrenamtlicher Arbeiten sowie die seit 25. Juni 2021 selbständig ausgeübte Tätigkeit - fallbezogen genügend berücksichtigt. Dass der Frage der Selbsterhaltungsfähigkeit des Revisionswerbers vor dem Hintergrund der vom Bundesverwaltungsgericht sonst festgestellten Umstände (Aufenthaltsdauer, Sprachkenntnisse, Grad der Integration etc.) fallbezogen eine solche Bedeutung zukäme, die zu einem anderen Ergebnis führen müsste (vgl. VwGH 30.10.2019, Ra 2019/14/0391, mwN), zeigt die Revision nicht auf.

10       Im Übrigen hat das Bundesverwaltungsgericht zutreffend auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hingewiesen, wonach es im Sinn des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-Verfahrensgesetz maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 14.7.2021, Ra 2021/14/0158, mwN).

11       Wenn die Revision vorbringt, das Bundesverwaltungsgericht habe bei der Interessenabwägung die Magenschleimhautentzündung des Revisionswerbers, die in Österreich medizinisch behandelt werde, ignoriert, ist darauf zu erwidern, dass es einem Fremden obliegt, substantiiert darzulegen, auf Grund welcher Umstände eine bestimmte medizinische Behandlung für ihn notwendig sei und dass diese nur in Österreich erfolgen könnte. Denn nur dann wäre ein sich daraus (allenfalls) ergebendes privates Interesse im Sinn des Art. 8 EMRK an einem Verbleib in Österreich - auch in seinem Gewicht - beurteilbar (vgl. VwGH 15.6.2021, Ra 2021/19/0071, mwN). Ein solches Vorbringen wurde indes nicht erstattet.

12       Die Revision vermag nicht aufzuzeigen, dass das Bundesverwaltungsgericht ausgehend von den getroffenen Feststellungen bei der im Einzelfall vorgenommenen Gewichtung der festgestellten Umstände die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgestellten Leitlinien missachtet oder in unvertretbarer Weise zur Anwendung gebracht hätte.

13       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 20. Oktober 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021140304.L00

Im RIS seit

12.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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