TE Vwgh Beschluss 2021/10/20 Ra 2021/09/0158

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Veröffentlicht am 20.10.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

B-VG Art133 Abs4
EpidemieG 1950 §24
EpidemieG 1950 §25
EpidemieG 1950 §32
EpidemieG 1950 §32 Abs1 Z1
EpidemieG 1950 §32 Abs1 Z7
EpidemieG 1950 §7
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision der A AG in B, vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gauermanngasse 2, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 30. März 2021, Zl. VGW-101/020/988/2021-6, betreffend Ansprüche nach dem Epidemiegesetz 1950 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 10. November 2020 wurde der Antrag der Revisionswerberin vom 15. Mai 2020 auf Zuerkennung einer Vergütung gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) für das einem näher bezeichneten Arbeitnehmer während dessen Absonderung vom 28. März bis 13. April 2020 fortbezahlte Entgelt „zurückgewiesen“.

2        Begründend ging die belangte Behörde davon aus, dass das Antreten der verpflichtenden selbstüberwachten Heimquarantäne - sofern kein negatives ärztliches Zeugnis in Bezug auf SARS-CoV-2 vorgelegt habe werden können - eine Voraussetzung für die Einreise nach Österreich gewesen sei, diese verwirkliche jedoch keinen der in § 32 Abs. 1 EpiG taxativ aufgezählten Tatbestände. Da keine behördliche Maßnahme im Sinne des § 32 Abs. 1 EpiG verfügt worden sei, sei das Ansuchen auf Vergütung des Verdienstentganges mangels Anspruchsgrundlage „zurückzuweisen“.

3        In der dagegen von der Revisionswerberin erhobenen Beschwerde wurde vorgebracht, dass der in Rede stehende Arbeitnehmer nach einem Urlaubsaufenthalt in Thailand mit dem Flugzeug am 28. März 2020 nach München und von dort per Zug nach Wien gereist sei, wo er am Morgen des 29. März 2020 angekommen sei. Er habe am Bahnhof Salzburg umsteigen müssen, als er aus dem Zug ausgestiegen sei, sei er von einem Polizisten zu einer provisorisch eingerichteten Stelle der „Einwanderungsbehörde“ geleitet worden, wo ihm mitgeteilt worden sei, dass er sich für zwei Wochen in Quarantäne begeben müsse; er habe auch ein Einreiseformular unterschreiben müssen. Im Weiteren vertrat die Revisionswerberin mit umfangreichen Darlegungen die Ansicht, dass die auf Grund der vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gestützt auf § 25 EpiG erlassenen Verordnung über Maßnahmen bei der Einreise aus Italien, BGBl. II Nr. 87/2020 (gemeint: in der Fassung der Verordnung über Maßnahmen bei der Einreise aus Italien, der Schweiz, Liechtenstein, Deutschland, Ungarn und Slowenien, BGBl. II Nr. 104/2020), angeordnete Heimquarantäne einer Absonderung bzw. Überwachung im Sinne der §§ 7 und 17 EpiG gleichzuhalten und gemäß § 32 EpiG zu vergüten sei.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 30. März 2021 wurde diese Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Antrag der Revisionswerberin abgewiesen wurde. Weiters wurde die Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig erklärt.

5        Begründend führte das Verwaltungsgericht - soweit hier von Relevanz - aus, die Aufzählung der Alternativen in § 32 Abs. 1 EpiG sei als taxativ anzusehen. Die verordneten Maßnahmen in Form von Einreisebeschränkungen aus dem Ausland im Sinne des § 25 leg. cit. rechtfertigten keinen Vergütungsanspruch nach § 32 Abs. 1 EpiG.

6        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich als unzulässig erweist:

7        Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (vgl. VwGH 5.3.2021, Ra 2020/09/0072; 21.12.2020, Ra 2020/09/0065 bis 0066; 15.9.2020, Ra 2020/09/0030). Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. In der Zulässigkeitsbegründung ist daher konkret darzutun, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 29.1.2020, Ra 2019/09/0162; 25.4.2019, Ra 2019/09/0060; 7.7.2016, Ro 2016/09/0006).

10       Die Frage, ob die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegen, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage mittlerweile durch den Verwaltungsgerichtshof geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. VwGH 23.4.2021, Ra 2021/09/0070; 25.2.2020, Ra 2019/09/0108; 21.2.2020, Ra 2019/09/0116).

11       In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden außerordentlichen Revision wird geltend gemacht, in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei nicht geklärt, ob „die durch § 2 in der 111. VO normierte 14-tägige selbstüberwachte Heimquarantäne eine Maßnahme iSd § 32 Abs. 1 EpiG“ darstelle.

12       Dazu ist die Revisionswerberin auf die jüngste Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen: In den hg. Beschlüssen vom 23. April 2021, Ra 2020/09/0070, und vom 8. Juni 2021, Ra 2021/09/0091, auf deren Begründungen gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz iVm Abs. 9 VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits eine interpretative Erweiterung des Anwendungsbereiches des § 32 Abs. 1 Z 1 EpiG aufgrund von „generellen Quarantäneanordnungen“ verneint (vgl. zur Entschädigung für Verdienstentgang wegen Heimquarantäne nach Reiserückkehr auch VfGH 2.3.2021, E 4202/2020; siehe weiters VfGH 26.11.2020, E 3544/2020, wonach gegen die in § 32 Abs. 1 Z 7 EpiG zum Ausdruck kommende Differenzierung, dass zwar Entschädigungen im Falle kleinräumiger Verkehrsbeschränkungen nach § 24 EpiG, nicht jedoch im Falle - letztlich alle betreffender - Verkehrsbeschränkungen gegenüber dem Ausland nach § 25 EpiG gewährt werden, keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen).

13       In der Zulässigkeitsbegründung wird im Weiteren geltend gemacht, in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei nicht geklärt, ob „die nicht in Bescheidform ergangene Aufforderung zum Antritt einer 14-tägigen Heimquarantäne als ein auf § 7 EpiG gestützter Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu deuten“ sei. § 7 EpiG schließe nicht aus, dass die Anordnung der Absonderung auch in der Form eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erfolgen könne.

14       Mit diesem Vorbringen wird allerdings nicht dargelegt, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängen sollte, lassen sich dem Vorbringen der Revisionswerberin im behördlichen Verfahren und im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht doch keine ausreichenden Hinweise darauf entnehmen, dass im Revisionsfall ein derartiger, der Gesundheitsbehörde zurechenbarer und die Absonderung gemäß § 7 EpiG des in Rede stehenden Arbeitnehmers für den angesprochenen Zeitraum verfügender Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vorgelegen wäre. Derartiges wurde von der Revisionswerberin im Verfahren vor der Behörde bzw. in der Beschwerde an das Verwaltungsgericht auch nicht behauptet. Aus dem oben wiedergegebenen Vorbringen der Revisionswerberin lässt sich ein derartiger behördlicher Akt jedenfalls nicht ableiten. Das Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage kann aber nicht mit einem Vorbringen begründet werden, das unter das Neuerungsverbot fällt (vgl. VwGH 18.2.2021, Ra 2021/16/0006; 23.4.2018, Ra 2017/11/0221; 23.4.2015, Ra 2015/07/0031, VwSlg. 19104 A).

15       Soweit in der Zulässigkeitsbegründung im Weiteren geltend gemacht wird, in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei nicht geklärt, „ob die Revisionswerberin hinsichtlich der durch eine Absonderungsmaßnahme iSd § 7 EpiG an der Erbringung der Dienstleistung gehinderten Beamten des Bundes, die der Revisionswerberin zur Dienstleistung zugewiesen sind, Anspruch auf Vergütung nach § 32 EpiG“ habe, und in diesem Zusammenhang ein Abweichen des Verwaltungsgerichtes von der hg. Rechtsprechung zur Verhandlungspflicht und zur amtswegigen Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts behauptet wird, wird nicht dargelegt, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängen sollte, liegt im Revisionsfall doch nach dem Gesagten keine derartige Absonderungsmaßnahme iSd § 7 EpiG vor. Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass eine Revision unzulässig ist, wenn das angefochtene Erkenntnis - wie hier - auf einer tragfähigen Alternativbegründung beruht und dieser Begründung keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zugrunde liegt. Wenn einer tragfähigen Alternativbegründung keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zugrunde liegt, kann die Revision zurückgewiesen werden, selbst wenn davon auszugehen wäre, dass die anderen Begründungsalternativen unzutreffend waren (vgl. VwGH 4.5.2021, Ra 2020/10/0081, mwN).

16       Da in der Revision somit keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

17       Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 20. Oktober 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021090158.L00

Im RIS seit

12.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

30.11.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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