TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/6 W170 2236183-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.08.2021
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Entscheidungsdatum

06.08.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §68
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W170 2236183-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.07.2021, Zl. XXXX , zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 28 Abs. 2 VwGVG, 68 AVG, 10, 57 AsylG 2005, 46, 52 f, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige und rechtzeitige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. XXXX (in Folge: beschwerdeführende Partei) stellte nach einer Einreise Anfang Jänner 2020 am 02.01.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: Bundesamt) vom 09.09.2020, Zl. 1256639508/200006087, sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde. Unter einem wurde der beschwerdeführenden Partei ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Iran zulässig sei. Schließlich wurde der beschwerdeführenden Partei eine zweiwöchige Frist für dessen freiwillige Ausreise gewährt. Der Bescheid wurde der beschwerdeführenden Partei am 21.09.2020 zugestellt.

1.2. Die gegen diesen Bescheid erhobene, rechtzeitige Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.02.2021, Gz. XXXX vollinhaltlich abgewiesen. Das Erkenntnis wurde der beschwerdeführenden Partei am 11.02.2021 zugestellt.

1.3. Am 27.05.2021 stellte die beschwerdeführende Partei abermals einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde einer Erstbefragung unterzogen. In dieser gab sie an, es habe bei seiner Einvernahme Missverständnisse gegeben nunmehr habe er genügend Dokumente, die seine Aussagen bestätigen würden. Seit ca. einem Jahr sei er regelmäßig in der Kirche, in etwa einem Monat werde er getauft.

Bei den niederschriftlichen Einvernahmen vor dem Bundesamt gab er an, die nunmehr vorgelegten Dokumente habe ein Anwalt für ihn im Iran besorgt, am 10.01.1398 (30.03.2019) habe er die Vollmacht hierzu geschickt, etwa eine Woche später habe er die Dokumente bekommen. Zu seinem Gesundheitszustand führte er aus, er sei seit der negativen Entscheidung psychisch und körperlich völlig am Ende. Seit einigen Monaten gehe er regelmäßig in die Kirche und sei gläubiger Christ.

1.4. Mit im Spruch bezeichneten Bescheid wurde der unter 1.3. dargestellte Antrag auf internationalen Schutz sowohl internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) zurückgewiesen. Der beschwerdeführenden Partei wurde ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen ihn wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.), festgestellt, dass seine Abschiebung nach Iran zulässig sei (Spruchpunkt V.) sowie festgehalten, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht besteht (Spruchpunkt VI.). Gegen die beschwerdeführende Partei wurde ein auf Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.). Der Bescheid wurde der beschwerdeführenden Partei am 15.07.2021 zugestellt.

1.5. Gegen den im Spruch bezeichneten und unter 1.4. dargestellten Bescheid richtet sich die am 28.07.2021 beim Bundesamt eingebrachte, verfahrensgegenständliche Beschwerde. Darin führte die beschwerdeführende Partei unter anderem aus, sie nehme regelmäßig an einem wöchentlich stattfindenden Glaubenskurs teil und werde im August 2021 ins Katechumenat zur Taufvorbereitung aufgenommen.

1.6. Die Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht samt dem bezugshabenden Verwaltungsakt mit 30.07.2021 vorgelegt.

1.7. Die beschwerdeführende Partei führt den im Spruch genannten Namen und das oben genannte Geburtsdatum. Seine Identität steht nicht fest. Er ist iranischer Staatsangehöriger, stammt aus XXXX und gehört der Volksgruppe der Perser an, seine Muttersprache ist Farsi.

1.8. Die beschwerdeführende Partei wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien, 13 Hv 39/20b, vom 15.06.2020, wegen der am 02.01.2020 und Anfang Jänner 2020 begangenen Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden, nach §§ 223 Abs. 2, 224 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, wobei diese bedingt nachgesehen und eine Probezeit von drei Jahren festgesetzt wurde. Aus dem Urteil geht hervor, dass die beschwerdeführende Partei Exekutivbeamte im Zuge ihres Streifendienstes ansprach und angab ohne Papiere eingereist zu sein, dabei wurde bei der beschwerdeführenden Partei ein gefälschter griechischer Personalausweis gefunden und sichergestellt.

1.9. Die beschwerdeführende Partei befand sich in psychotherapeutischer Behandlung, derzeit befindet sie sich aber nicht mehr in Behandlung; an schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten leidet sie nicht. Seit Februar 2020 befindet sich die beschwerdeführende Partei in der Grundversorgung und bestreitet so ihren Lebensunterhalt. Die beschwerdeführende Partei hat keine Familienangehörigen in Österreich, in Iran bestehen nach wie vor familiäre Anknüpfungspunkte.

1.10. Der Folgeantrag enthält – von der Konversion zum Christentum abgesehen – kein neues Vorbringen. Die vorgebrachte Sachverhaltsänderung, nämlich die behauptete Konversion zum Christentum, enthält keinen glaubhaften Kern.

1.11. Zur Lage in Iran wird festgestellt:

XXXX wird von den iranischen Behörden kontrolliert, es liegen dort keine kriegs- oder bürgerkriegsähnlichen Zustände vor.

Weiters wird zur Lage in Iran festgestellt, dass Iran eine islamische Republik ist, deren Verfassung islamische und demokratische Elemente kennt, eine demokratische Verfassung im europäischen Sinn besteht aber nicht.

Die allgemeine Sicherheitslage ist mit Ausnahme der Provinzen Sistan-Belutschistan, Kurdistan und West-Aserbaidschan, in denen es immer wieder zu Konflikten zwischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppen und Anschlägen gegen die Sicherheitskräfte kommt, ruhig, wobei latente Spannungen bestehen.

Die Justiz untersteht in Einzelfällen massivem Einfluss der Sicherheitsbehörden, Gerichtsverfahren erfüllen internationale Standards nicht. Es kommt immer wieder zu willkürlichen Verhaftungen, insbesondere im Zusammenhang mit politischer Überzeugung und werden nach wie vor Körperstrafen, grausame und unmenschliche Strafen (zB. Peitschenhiebe, Amputationen) und die Todesstrafe angewandt.

Auffälliges Hören von (westlicher) Musik, die Äußerung einer eigenen Meinung zum Islam, gemeinsame Autofahrten junger nicht verheirateter Männer und Frauen, gemischtgeschlechtliche Partys oder das verstoßen gegen Bekleidungsvorschriften kann den Unmut zufällig anwesender Basijs bzw. mit diesen sympathisierenden Personen hervorrufen. Es kann auch zu einem Verprügeln durch Basij kommen.

In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha‘i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen. Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten „Buchreligionen“ (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als „mohareb“ (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Nicht einmal Zeugen Jehovas missionieren in Iran. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist. Selbst anerkannte religiöse Minderheiten – Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen – werden also diskriminiert. Vertreter dieser religiösen Minderheiten betonen immer wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung – im Vergleich mit anderen Ländern der Region – nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen. Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa – unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke – eigene Vertreter im Parlament. Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten. Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden und ihre politische Vertretung bleibt schwach. Wichtige politische Ämter stehen ausschließlich schiitischen Muslimen offen. Auch in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht kommen Minderheiten nicht dieselben Rechte zu wie Muslimen. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft/Familien ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Diskriminierung geht jedoch hauptsächlich auf staatliche Akteure zurück. Nicht anerkannte religiöse Gruppen – Baha’i, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten – werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert. Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt. Schiitische Religionsführer, welche die Regierungspolitik nicht unterstützen, sind weiterhin Einschüchterungen und Verhaftungen ausgesetzt. Laut der in den USA ansässigen NGO „United for Iran“ befanden sich 2019 mindestens 109 Angehörige religiöser Minderheitengruppen aufgrund des Praktizierens ihrer Religion in Haft. Personen, die sich zum Atheismus bekennen, laufen Gefahr, willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt oder wegen Apostasie (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie jedoch sehr selten (wenn überhaupt noch vorhanden), bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gab es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war.

Seit der islamischen Revolution hat sich das iranische Gesundheitssystem konstant stark verbessert. Die iranische Verfassung sichert jedem Staatsbürger das Recht zu, den jeweiligen höchst erreichbaren Gesundheitszustand zu genießen. Die Verwirklichung dieses Zieles obliegt dem Ministerium für Gesundheit und medizinische Ausbildung. Jede Provinz beheimatet mindestens eine medizinische Universität, deren Rektor die Verantwortung für das Gesundheitswesen in der betroffenen Provinz trägt. Neben dem zuständigen Ministerium und den Universitäten gibt es auch Gesundheitsdienstleister des privaten Sektors und NGOs. Diese bedienen jedoch eher die sekundäre und tertiäre Versorgung, während die Primär-/Grundversorgung (z.B. Impfungen, Schwangerschaftsvorsorge) staatlich getragen wird. Darüber hinaus gibt es im ganzen Land viele NGOs und Wohltätigkeitsorganisationen, die Gesundheitseinrichtungen betreiben, deren Zugang auf einer Bedarfsanalyse basiert, ohne dass auf einen vorherigen Versicherungsschutz Bezug genommen wird. Die Mahak-Gesellschaft zur Unterstützung krebskranker Kinder ist beispielsweise ein bekanntes gemeinnütziges Forschungs-, Krankenhaus- und Rehabilitationszentrum für Kinder mit Krebs. Die Patienten werden von Ärzten im ganzen Land an Mahak überwiesen. Laut einem Vertreter von Mahak wird jedes Kind, bei dem Krebs diagnostiziert wird, entweder im Mahak-Krankenhaus oder in anderen Krankenhäusern behandelt. Mahak deckt auch die Behandlung von Patienten in anderen Krankenhäusern im Iran ab. Die Behandlung ist kostenlos und die Patienten müssen nicht versichert sein, um eine Behandlung zu erhalten. Selbst Verwandte können bei der Begleitung ihrer kranken Kinder eine Finanzierung für die Unterkunft erhalten. Mahak empfängt Krebspatienten auch aus mehreren Nachbarländern. Notfallhilfe bei Natur- oder menschlich verursachten Katastrophen wird durch den gut ausgestatteten und flächendeckend organisierten iranischen Roten Halbmond besorgt. Der Rote Halbmond ist auch die zentrale Stelle für den Import von speziellen Medikamenten, die für Patienten in speziellen Apotheken erhältlich sind. In jedem Bezirk gibt es Ärzte sowie Kliniken, die dazu verpflichtet sind, Notfälle zu jeder Zeit aufzunehmen. In weniger dringenden Fällen sollte der Patient zunächst sein Gesundheitscenter kontaktieren und einen Termin vereinbaren. Im Gesundheitswesen zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle. Das Gesundheitswesen ist zwar fast flächendeckend – laut WHO haben 98% aller Iraner Zugang zu ärztlicher Versorgung, die Qualität schwankt jedoch. Die spezialisierte, medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischem Standard. In Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau möglich. Auch wenn der Zugang zu gesundheitlicher Erstversorgung größtenteils gewährleistet ist, gibt es dennoch gravierende Qualitätsunterschiede einzelner Regionen. Zum Beispiel liegt der Unterschied der Lebenserwartung im Vergleich mancher Regionen bei bis zu 24 Jahren. Folgende sieben Provinzen weisen eine niedrigere Qualität als die Referenz-Provinz Teheran auf: Gilan, Hamadan, Kermanschah, Khuzestan, Tschahar Mahal und Bachtiyari, Süd-Khorasan, sowie Sistan und Belutschistan. Politische Reformen wurden bereits unternommen, um einen gleichmäßigeren Zugang zu Gesundheitsdiensten zu schaffen. Nichtsdestotrotz gibt es noch eine Vielzahl an Haushalten, die sich keine ausreichende gesundheitliche Versorgung leisten können. Gesundheitsdienste sind geographisch nicht nach Häufigkeit von Bedürfnissen, sondern eher nach Wohlstand verteilt. Die medizinische Grundversorgung basiert auf ca. 19.000 ländlichen Gesundheitshäusern, die von jeweils einem männlichen und einer weiblichen „Behvarz“ (Gesundheitspersonal, das nach der regulären elfjährigen Schulbildung zwei Jahre praktisch und theoretisch ausgebildet wird) geleitet werden. Jedes dieser Gesundheitshäuser ist für Gesundheitsvorsorge (u.a. Impfungen, Betreuung von Schwangerschaften) und für durchschnittlich ca. 1.500 Personen zuständig, wobei die Qualität der Versorgung als zufriedenstellend beurteilt wird, und mehr als 85% der ländlichen Bevölkerung in dieser Weise „nahversorgt“ werden. In Städten übernehmen sogenannte „Gesundheitsposten“ in den Bezirken die Aufgabe der ländlichen Gesundheitshäuser. Auf der nächsten Ebene sind die ländlichen Gesundheitszentren (ca. 3.000 landesweit) zu finden, die jeweils von einem Allgemeinmediziner geleitet werden. Sie überwachen und beraten die Gesundheitshäuser, übernehmen ambulante Behandlungen und übergeben schwierigere Fälle an ca. 730 städtische, öffentliche Krankenhäuser, die in jeder größeren Stadt zu finden sind. 90% der Bevölkerung in ländlichen als auch ärmeren Regionen hat Zugang zu essenziellen Gesundheitsdienstleistungen (IOM 2019). Weitere staatliche Institutionen wie die Iranian National Oil Corporation, die Justiz und Revolutionsgarden betreiben ihre eigenen Krankenhäuser. Die medizinische Belegschaft im Iran umfasst insgesamt mehr als 51.000 Allgemeinärzte, 32.000 Fachärzte, 115.000 Krankenschwestern, 33.000 Hebammen und 35.000 örtliche Gesundheitshelfer (behvarz). Es ist anzuführen, dass der Anteil der Out-of-pocket-Zahlungen durch die Patienten in den letzten Jahren erheblich zurückgegangen ist. Vor dem Health Transformation Plan im Jahr 2014 waren Out-of-pocket-Zahlungen die Hauptfinanzierungsquelle, und lagen über 50% der Kosten. 2010 erreichten die Zahlungen einen Höchststand von 58%, während sie bis 2016 auf 35,5% zurückgingen. Dies ist jedoch noch weit von dem erklärten Ziel entfernt, die Out-of-pocket-Zahlungen auf unter 30% zu senken. Dies bedeutet, dass das Zahlungssystem nach wie vor weitgehend auf Servicegebühren sowohl im öffentlichen als auch im privaten Gesundheitswesen basiert. Die Kosten für Krankenhäuser werden unter anderem dadurch gesenkt, dass die Versorgung des Kranken mit Gütern des täglichen Bedarfs, etwa Essen, immer noch weitestgehend seiner Familie zufällt. Der Iran verwendet interne Referenzpreise für Arzneimittel, was bedeutet, dass Arzneimittel zum Preis des Referenz-Arzneimittels erstattet werden und die Patienten die Möglichkeit haben, teurere Arzneimittel zu kaufen und die zusätzlichen Kosten zu bezahlen. Der Erstattungspreis wird von der Regierung festgelegt, während Hersteller, Händler oder Einzelhändler ihren eigenen Arzneimittelpreis festlegen können. Die Regierung versucht kostenfreie medizinische Behandlung und Medikamentenversorgung für alle Iraner zu gewährleisten, insofern gibt es zwei verschiedene Krankenversicherungen: entweder durch die Arbeit oder privat. Beide gehören zur staatlichen iranischen Krankenversicherung TAMIN EJTEMAEI. Kinder sind zumeist durch die Krankenversicherung der Eltern abgedeckt. Versicherung durch Arbeit: Regierungsangestellte profitieren vom kostenfreien Zugang zur staatlichen Krankenversicherung. Private Firmen decken die Unfallversicherung für ihre eigenen Mitarbeiter. Private Versicherung: Mit Ausnahme von Regierungsangestellten müssen sich alle iranischen Bürger selbst privat versichern, wenn deren Arbeitgeber dies nicht bereits erledigen. Um die Versicherung zu erhalten, sind eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto und eine komplette medizinische Untersuchung notwendig. Salamat Versicherung: Diese neue Versicherung wird vom Ministerium für Gesundheit angeboten und deckt bis zu 90% der Behandlungskosten. Die Registrierung erfolgt online unter: http://www.bimesalamat.ir/isc/ISC.html. Die Registrierung erfordert eine geringe Gebühr. Pro Jahr sollten 2,450.000 IRR vom Begünstigten eingezahlt werden. Es gibt Ärzte und private Zentren, die eine öffentliche und/oder SALAMAT-Versicherung akzeptieren, um einen Teil der Ausgaben zu decken. Um zu 90% abgedeckt zu sein, muss man sich auf staatliche bzw. öffentliche Krankenhäuser und Zentren beziehen. TAMIN EJTEMAEI Krankenhäuser decken 100% der versicherten Kunden ab. Die „Organisation für die Versicherung medizinischer Dienste“ (MSIO) wurde 1994 gegründet, um Beamte und alle Personen, die nicht von anderen Versicherungsorganisationen berücksichtigt wurden, zu versichern. Für anerkannte Flüchtlinge wurde eine eigene Versicherungsorganisation geschaffen. Daneben kümmern sich Wohltätigkeitsorganisationen, u.a. die „Imam Khomeini Stiftung“, um nicht versicherte Personen, etwa Mittellose oder nicht anerkannte Flüchtlinge, wobei letztere kaum Chancen auf eine gute Gesundheitsversorgung haben. Alle iranischen Staatsbürger inklusive Rückkehrende haben Anspruch auf grundlegende Gesundheitsleistungen (PHC) sowie weitere Angebote. Es gibt, wie bereits oben beschrieben, zwei verschiedene Arten von Krankenversicherung: Versicherung über den Arbeitsplatz oder private Versicherung. Beide werden von der öffentlichen Versicherung im Iran TAMIN EJTEMAEI verwaltet. Die Anmeldung erfolgt über www.tamin.ir/. Die Leistungen variieren dabei je nach gewähltem Versicherungsschema. Informationen zu verschiedenen Varianten erhält man bei der Anmeldung. Notwendige Dokumente: Eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto, und ein vollständiges medizinisches Check-up sind notwendig. Weitere Dokumente können noch verlangt werden. Zuschüsse hängen von der gewählten Versicherung des Klienten ab, über die er/sie während der Registrierung ausführlich informiert wird. Jegliche Kosten werden vom Arbeitgeber getragen, sobald die Person eine Arbeit in Iran aufnimmt. Andernfalls müssen die Kosten selber getragen werden. Für schutzbedürftige Gruppen im Iran gibt es zwei Arten von Zentren: Öffentliche und private. Die öffentlichen Einrichtungen sind in der Regel überlaufen und es gibt lange Wartezeiten, weshalb Personen, die über die nötigen Mittel verfügen sich oft an kleinere spezialisierte private Zentren wenden. Die populärste Organisation ist BEHZISTI, welche Projekte zu Genderfragen, älteren Menschen, Behinderten (inklusive psychischer Probleme), ethnischer und religiöser Minderheiten, etc. anbietet. Außerdem werden Drogensüchtige, alleinerziehende Mütter, Personen mit Einschränkungen etc. unterstützt. Zu den Dienstleistungen zählen unter anderem psychosoziale Betreuung, Beratungsgespräche, Unterkünfte, Rehabilitationsleistungen, Suchtbehandlungen, etc. Es gibt einige Zentren unter Aufsicht der BEHZISTI Organisation, welche Personen in Not Hilfe gewähren. Solche Leistungen sind kostenfrei. Aufgrund der hohen Nachfrage und einiger Beschränkungen bevorzugen viele zahlungspflichtige private Zentren. Im Zuge der aktuellen Sanktionen gegen den Iran ist es zu gelegentlichen Engpässen beim Import von speziellen Medikamentengruppen gekommen. Obwohl auf dem Papier Medikamente und Lebensmittel von den Sanktionen nicht betroffen sind, ist es seit 2020 u.a. wegen fehlenden Zahlungskanälen zu mehr Engpässen bei bestimmten Medikamenten wie z.B. Insuline gekommen. Das Gesundheitsministerium ist sehr bemüht, den Bedarf an Medikamenten zu decken. Aufgrund der mangelnden Devisen aber steigen die Preise der Medikamente die vom Ausland eingeführt werden sollen von Tag zu Tag, so dass schwache Gesellschaftsschichten sich diese nicht mehr leisten können. Diese Situation wird bei offiziellen Gesprächen von iranischen Funktionären immer wieder als Kritikpunkt gegenüber der Politik des Westens angesprochen. Im Generellen gibt es aber keine ernsten Mängel an Medizin, Fachärzten oder Equipment im öffentlichen Gesundheitssystem. Pharmazeutika werden zumeist unter Führung des Gesundheitsministeriums aus dem Ausland importiert. Zusätzlich gibt es für Bürger Privatkrankenhäuser mit Spezialleistungen in größeren Ballungsräumen. Die öffentlichen Einrichtungen bieten zwar grundsätzlich fast alle Leistungen zu sehr niedrigen Preisen an, aber aufgrund langer Wartezeiten und überfüllter Zentren, entscheiden sich einige für die kostenintensivere Behandlung bei privaten Gesundheitsträgern.

Iran gilt als eines der am stärksten von Corona betroffenen Länder und ist nun auch von einer dritten COVID-19-Infektionswelle stark betroffen. Regionale Schwerpunkte sind dabei kaum auszumachen, da das Ansteckungsrisiko flächendeckend sehr hoch ist. Städte und Provinzen sind je nach Infektionszahlen in unterschiedliche Risikogruppen eingeteilt (rot = kritische Situation, orange = hohes Risiko, gelb = geringes Risiko). Die Zahl der Neuinfektionen bewegt sich den offiziellen Zahlen zufolge weiterhin auf einem hohen, und weiter steigenden Niveau, die Zahl der täglichen Todesopfer ist auch im Steigen begriffen. Aktuelle Informationen und detaillierte Zahlen bieten das iranische Gesundheitsministerium und die Weltgesundheitsorganisation WHO. Die Auslastung der medizinischen Einrichtungen ist sehr hoch, verschiedentlich gibt es Engpässe bei der Versorgung mit Schutzausrüstung und Medikamenten. Die Spitäler kämpfen mit Überlastung. Für alle der 31 Provinzen inklusive Teheran gilt die Situation als sehr besorgniserregend. Personen, die in den Iran auf dem Luftweg einreisen wollen, haben einen negativen molekularbiologischen Test auf SARS-CoV-2 aus dem Abreisestaat in englischer Sprache mit sich zu führen und vorzuweisen. Das ärztliche Zeugnis darf bei der Einreise nicht älter als 96 Stunden sein. Kann das Gesundheitszeugnis nicht vorgelegt werden, wird ausländischen Staatsangehörigen die Einreise nach Iran verwehrt. Iranische Staatsangehörige (Doppelstaatsbürger reisen in der Regel mit ihrem iranischen Reisepass ein) werden unter Aufsicht des Gesundheitsministeriums in ein Flughafenhotel eingewiesen, dessen Kosten selbst zu tragen sind. Mit eigenhändiger Unterschrift ist zu bestätigen, dass das Hotel nicht verlassen werden darf. Die 14-tägige Quarantäne kann durch einen negativen molekularbiologischen Test beendet werden. Positiv auf COVID-19 getestete Passagiere werden in ein Krankenhaus in Teheran oder andere Isolationsstationen verbracht. Seit 21.11.2020 gilt für alle Provinzhauptstädte und zahlreiche weitere Städte ein zunächst zweiwöchiger Lockdown mit weitreichenden Verkehrseinschränkungen, obwohl sich die iranische Regierung – aus Angst vor Protesten – lang gegen einen Lockdown gewehrt hat. Der Reiseverkehr zwischen diesen rot eingestuften Städten ist grundsätzlich untersagt. In Teheran gilt von 21 Uhr bis 4 Uhr ein Fahrverbot für Privatfahrzeuge. Ab 22 Uhr gilt dies auch für den öffentlichen Nahverkehr. Taxis verkehren auch nach 22 Uhr. Es kommt – abgesehen vom Lebensmittelhandel und systemrelevanten Einrichtungen – ebenfalls zu landesweiten Betriebsschließungen. Im Alltag ist derzeit vor allem in orangen und roten Regionen wieder mit Einschränkungen bei Öffnungszeiten und Serviceangebot zu rechnen. Vorübergehend werden weitergehende Beschränkungen eingeführt (z.B. Schließungen von Restaurants, Sporteinrichtungen, religiösen Einrichtungen usw.). Einrichtungen für den essentiellen Lebensbedarf wie Supermärkte und Apotheken bleiben geöffnet. Davon sind u.a. Teheran sowie der Großteil der Provinzhauptstädte und weitere Großstädte betroffen. In roten Regionen bleiben Touristenziele teilweise geschlossen. Camping in öffentlichen Parks ist grundsätzlich untersagt. Behörden bleiben geöffnet, werden aber nur mit einem Drittel der üblichen Mitarbeiter besetzt. In allen Schulen und Universitäten wird auf Fernunterricht umgestellt. Die iranischen Behörden rufen weiterhin dazu auf, möglichst soziale Kontakte zu meiden sowie persönliche Hygiene- und Schutzmaßnahmen zu ergreifen und öffentliche Transportmittel zu meiden. Es gilt eine generelle Maskenpflicht an allen öffentlichen Orten, in geschlossenen Räumlichkeiten sowie im öffentlichen Nahverkehr. Künftig soll die Polizei stärker gegen Verstöße vorgehen, Strafen für Verstöße gegen die Auflagen wurden angekündigt. Die Regierung hat ein Hilfspaket für Haushalte und Arbeitgeberbetriebe in der Höhe von 24 Mrd. USD beschlossen. 4 Mio. Haushalte sollen einen zinsfreien Mikrokredit von umgerechnet 62 bzw. 124 USD erhalten.

Hinsichtlich der festgestellten Lage in Iran ist es seit 11.02.2021 zu keiner relevanten Verschlechterung gekommen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu 1.1. bis 1.09. ergeben sich aus Einsicht in den unbedenklichen Verwaltungsakt und in den Akt zum Erstverfahren, hinsichtlich 1.11. aus einem Vergleich der Länderberichte im Erstverfahren und dem nunmehrigen Verfahren sowie aus der vom Bundesamt in das Verfahren eingebrachten Länderinformation der Staatendokumentation.

Dass das Vorbringen – von der Konversion zu Christentum abgesehen – keine neue Fluchtgründe enthält, ergibt sich aus dem Vergleich des Vorbringens im Erstverfahren mit dem Vorbringen im gegenständlichen Folgeantragsverfahren.

Die beschwerdeführende Partei brachte wie bereits im Erstverfahren vor, sie sei wegen Alkoholbesitzes vor ein Gericht geladen worden bei einer Rückkehr drohe ihr die Verhaftung. Die nunmehr vorgelegten Dokumente stellen kein neues Vorbringen dar, sondern sollen als Nachweis für das ursprüngliche Fluchtvorbringen dienen. Nach Angaben der beschwerdeführenden Partei habe diese die Dokumente über einen Anwalt erhalten, diesem habe sie am 30.03.2019 eine Vollmacht ausgestellt und etwa eine Woche später die Unterlagen bekommen. Dieses Datum fand sich auch auf der vorgelegten Urkunde. Über die Unterlagen hätte sie demnach zu einem Zeitpunkt vor der Erstantragstellung verfügt. Wieso die beschwerdeführende Partei die Dokumente nicht früher vorbrachte, konnte diese nicht schlüssig darlegen. Dass die beschwerdeführende Partei gleichzeitig angab, die Unterlagen nach seiner negativen Entscheidung erhalten zu haben, ist daher nicht nachvollziehbar. Darüber hinaus wusste die beschwerdeführende Partei über den Inhalt der vorgelegten Dokumente nur grob Bescheid. Auch kann ohnehin nur von einer geminderten Beweiskraft der unüberprüfbaren Urkunden ausgegangen werden, da die beschwerdeführende Partei bereits einmal wegen der Verwendung falscher Urkunden verurteilt wurde und die vorgelegten Dokumente nach den Angaben der beschwerdeführenden Partei nur in Iran abrufbar sind und sich daher einer Kontrolle durch die Österreichischen Behörden entziehen. Wäre das Dokument, das zum Entscheidungszeitpunkt im Erstverfahren jedenfalls schon bestanden hat, der beschwerdeführenden Partei erst nach der Erledigung des Erstantrages zur Verfügung gestanden, wäre im Übrigen ein Wiederaufnahmeantrag und nicht ein neuerlicher Antrag auf internationalen Schutz zu wählen gewesen.

Lediglich neu vorgebracht wurde, dass die beschwerdeführende Partei nunmehr zum Christentum konvertiert sei. Dieses Vorbringen enthält allerdings keinen glaubhaften Kern.

Hierzu brachte die beschwerdeführende Partei in ihrer Einvernahme am 08.06.2021 vor, sie besuche seit einigen Monaten die Kirche, vor zwei Monaten habe sie mit einem Glaubenskurs begonnen. Bei seiner Einvernahme am 25.06.2021 gab die beschwerdeführende Partei an, in XXXX – wo diese nunmehr wohnt – nicht die Kirche zu besuchen, da diese die Online-Kirche besuche, zu diesem Zeitpunkt war sie seit etwa einem Monat in XXXX gemeldet. Den nächstfolgenden christlichen Feiertag konnte die beschwerdeführende Partei bei beiden Einvernahmen nicht nennen.

Es ist nicht nachvollziehbar, dass es bei der beschwerdeführenden Partei in dem überaus kurzen Zeitraum seitdem diese Kirche und Glaubenskurse besucht, zu einer Verinnerlichung des christlichen Glaubens gekommen wäre, zumal jedenfalls zum Zeitpunkt der Entscheidung im Erstverfahren bzw. in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 19.01.2021 nach seinen Ausführungen kein Interesse am Christentum bestand. Dass sich die beschwerdeführende Partei nicht scheut, wegen des beabsichtigten Erfolges – dem Verbleib in Österreich – falsches Zeugnis abzulegen, lässt sich auch mit der Verurteilung wegen Urkundenfälschung in Einklang bringen. Daher gelang es der beschwerdeführenden Partei auch nicht, die behaupteten Konversion mit einem glaubhaften Kern vorzutragen; es handelt sich offensichtlich viel mehr um eine Scheinkonversion aus asyltaktischen Gründen, um insbesondere im gegenständlichen Verfahren erfolgreich zu sein.

Insgesamt war daher festzustellen, dass sich der Folgeantrag nicht auf ein neues Vorbringen, dem ein glaubhafter Kern zukommt, stützt.

3. Rechtlich folgt daraus:

Zu A)

3.1. Zur Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheids:

Infolge des in § 17 VwGVG normierten Ausschlusses der Anwendbarkeit des 4. Hauptstücks des AVG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, welcher auch die in § 68 Abs. 1 AVG normierte Zurückweisung wegen entschiedener Sache umfasst, kommt eine unmittelbare Zurückweisung einer Angelegenheit aufgrund der genannten Bestimmung durch das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich nicht in Betracht. Davon unberührt bleibt, dass das Verwaltungsgericht im Verfahren über Bescheidbeschwerden zur Überprüfung der rechtmäßigen Anwendung von § 68 AVG in Bescheiden durch die Verwaltungsbehörde berufen ist (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7
BFA-VG, K10.; vgl. auch VfSlg. 19.882/2014).

Die Zurückweisung des neuerlichen Antrags wegen entschiedener Sache hat durch verfahrensrechtlichen Bescheid zu erfolgen (VwSlg 5133 A/1965; VwGH 30.05.1995, 93/08/0207; Antoniolli/Koja 598; Thienel/Schulev-Steindl5 300; Kolonovits/Muzak/Stöger10 Rz 649), der hinsichtlich der Form und des Inhalts den sonstigen Bestimmungen über Bescheide unterliegt. Er hat neben dem Spruch auch eine Begründung betreffend die Identität der Sach- und Rechtslage sowie eine Rechtsmittelbelehrung zu enthalten (FB III, 25; Mannlicher/Quell AVG § 68 Anm 9) und ist im für die betroffene Verwaltungssache maßgeblichen Instanzenzug (Antoniolli/Koja 598; Mannlicher/Quell AVG § 68 Anm 9) einschließlich Beschwerde an das in der Hauptsache zuständige Verwaltungsgericht (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger10 Rz 649) anfechtbar.

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer in den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; 30.05.1995, 93/08/0207; VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; VwGH 07.06.2000, 99/01/0321).

„Entschiedene Sache“ im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; VwGH 27.09.2000, 98/12/0057; VwGH 25.04.2002, 2000/07/0235). Einem zweiten Antrag auf internationalen Schutz, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Antrag auf internationalen Schutz verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (zum Asylantrag: VwGH 10.06.1998, 96/20/0266), nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zum Asylantrag: VwGH 25.4.2007, 2004/20/0100) ist jedoch nicht nur von der Rechtskraft der Entscheidung umfasst, was der Beschwerdeführer im Erstverfahren vorgebracht hat, sondern auch, was er hätte vorbringen können. Im AsylG 2005 ist – im Gegensatz zum AsylG 1997 – über einen Antrag auf internationalen Schutz zu entscheiden. Ein Antrag auf internationalen Schutz ist gemäß § 2 Abs. 2 Z 13 AsylG 2005 das – auf welche Weise auch immer artikulierte – Ersuchen eines Fremden in Österreich, sich dem Schutz Österreichs unterstellen zu dürfen; der Antrag gilt als Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und bei Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten als Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten. Ein Antrag auf internationalen Schutz wird nicht auf einen bestimmten Sachverhalt gestellt, sondern umfasst in seiner Allgemeinheit alle Tatsachen, die – nach erfolgter rechtlicher Würdigung – zur Gewährung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten führen können; daher ist es der Behörde auch nicht verwehrt, den jeweiligen Status auf Grund von Tatsachen zu gewähren, die zwar außerhalb des Vorbringens des Asylwerbers liegen, jedoch amtsbekannt sind. Daher umfasst die Rechtskraftwirkung einer (rechtskräftigen) Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz alle zuvor gegebenen Tatsachen. Soll diese Rechtskraft durchbrochen werden – etwa weil ein neues Beweismittel eine andere Beurteilung nahe legt – bedarf es eines Wiederaufnahmeantrages, nicht eines Folgeantrages.

Dem geänderten Sachverhalt muss nach der ständigen Judikatur des VwGH Entscheidungsrelevanz zukommen (vgl. VwGH 15.12.1992, 91/08/0166; VwGH 16.12.1992, 92/12/0127; VwGH 23.11.1993, 91/04/0205; VwGH 26.04.1994, 93/08/0212; VwGH 30.01.1995, 94/10/0162). Die Verpflichtung der Behörde zu einer neuen Sachentscheidung wird nur durch eine solche Änderung des Sachverhalts bewirkt, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteienbegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (VwSlg. 7762 A; VwGH 29.11.1983, 83/07/0274; VwGH 21.02.1991, 90/09/0162; VwGH 10.06.1991, 89/10/0078; VwGH 04.08.1992, 88/12/0169; VwGH 18.03.1994, 94/12/0034; siehe auch VwSlg. 12.511 A, VwGH 05.05.1960, 1202/58; VwGH 03.12.1990, 90/19/0072). Dabei muss die neue Sachentscheidung – obgleich auch diese Möglichkeit besteht – nicht zu einem anderen von der seinerzeitigen Entscheidung abweichenden Ergebnis führen. Die behauptete Sachverhaltsänderung hat zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufzuweisen, dem Asylrelevanz zukommt (VwGH 21.03.2006, 2006/01/0028, sowie VwGH 18.06.2014, Ra 2014/01/0029, mwN). Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH 24.06.2014, Ra 2014/19/0018).

Als Vergleichsbescheid (Vergleichserkenntnis) ist der Bescheid (das Erkenntnis) heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. in Bezug auf mehrere Folgeanträge VwGH 26.07.2005, 2005/20/0226, mwN). Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung (nach Rechtskraft der zuletzt in der Sache ergangenen Entscheidung) zu entnehmen sein, die – falls feststellbar – zu einem anderen Ergebnis als im ersten Verfahren führen kann, wobei die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen muss, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (vgl. das schon zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 04.11.2004 mwN). Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers (und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden) auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen. (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; vgl. auch VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684; VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344)

Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein „Fortbestehen und Weiterwirken“ behauptet; vgl. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit einem solchen Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321).

Ein auf das AsylG gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise – für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status – auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U 1533/10; VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344 mwN).

Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG ist somit die Frage, ob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die neuerlichen Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen gehabt hätte bzw. ob es die Anträge zu Recht abgewiesen hat.

Die beschwerdeführende Partei behauptete im gegenständlichen Antrag erneut, dass ihm in Iran eine Verhaftung und Gefängnisstrafe sowie Verfolgung aufgrund des Abfalls vom Islam samt Konversion zum Christentum drohe. Diese Fluchtgründe – mit Ausnahme der Konversion zum Christentum – wurden bereits im Erstverfahren bearbeitet und führten zur Abweisung des Antrags; sie wurden auch nicht glaubhaft gesteigert, zumal die nunmehr neu vorgelegten Urkunden lediglich zum Nachweis des bereits rechtskräftig entschiedenen Sachverhalts dienen. Das darüber hinaus erstatteten Vorbringen – die Konversion zum Christentum – enthält keinen glaubwürdigen Kern.

Der Folgeantrag der beschwerdeführenden Parteien auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sind, weshalb die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. der angefochtenen Bescheide mit dieser Maßgabe abzuweisen ist.

Wie vorhin bereits ausgeführt, ist das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich eines Folgeantrages in einem Asylverfahren nach dem AsylG 2005 überdies verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sondern auch in Bezug auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einer Prüfung zu unterziehen (vgl. VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344).

Auch im Hinblick auf Art. 3 EMRK ist nicht erkennbar, dass die Rückführung der beschwerdeführenden Partei nach Iran zu einem unzulässigen Eingriff führen würde und sie bei einer Rückkehr in eine Situation geraten würde, die eine Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK mit sich brächte oder ihr jedwede Lebensgrundlage fehlen würde.

Aus den im angefochtenen Bescheid enthaltenen Länderfeststellungen zu Iran ergibt sich, dass kein Grund besteht, davon auszugehen, dass jeder zurückgekehrte Staatsbürger einer reellen Gefahr einer Gefährdung gemäß Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, sodass nicht von einem Rückführungshindernis im Lichte der Art. 2 und 3 EMRK auszugehen ist. Dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist aufgrund der Länderberichte auch darin beizupflichten, dass sich die Lage im Herkunftsstaat seit der Entscheidung im vorangegangenen Asylverfahren nicht wesentlich geändert und zudem keineswegs verschlechtert hat. Weiters ist darauf hinzuweisen, dass eine Zugehörigkeit der beschwerdeführenden Partei zu einer COVID-19-Risikogruppe nicht einmal behauptet wurde. Die bescherdeführende Partei brachte lediglich vor einmal die Woche zu einem Psychotherapeuten in Salzburg gegangen zu sein und Medikamente genommen zu haben, wobei er zum Zeitpunkt der Einvernahme angab keine Medikamente mehr zu nehmen und auch nicht angab in XXXX , wo er zu diesem Zeitpunkt gemeldet war, erneut in psychotherapeutischer Behandlung zu sein; daher würde sich diesbezüglich nach einer Rückkehr nach Iran keine Änderung ergeben. Auch in der Beschwerde wurde kein substantiiertes Vorbringen dahingehend erstattet.

Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die beschwerdeführende Partei nach ihrer Rückkehr in ihr Heimatland in eine ausweglose Lebenssituation geraten könnte. Die beschwerdeführende Partei ist in Iran aufgewachsen, und verfügt dort noch über familiäre Anknüpfungspunkte. Die beschwerdeführende Partei ist grundsätzlich arbeitsfähig, es ist daher nicht ersichtlich und hat die beschwerdeführende Partei auch nicht dargetan, weshalb es ihr nicht möglich sein sollte für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Insgesamt könnte die beschwerdeführende Partei bei einer Rückkehr – zusätzlich zu ihrer Selbsterhaltungsfähigkeit – auch auf familiäre Unterstützung zurückgreifen, welche sie vor einer Obdachlosigkeit und existenziellen Notlage bewahren würde.

Da sohin weder in der maßgeblichen Sachlage, und zwar weder im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre der beschwerdeführenden Partei gelegen ist, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist, noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vorhinein als ausgeschlossen scheinen ließe, liegt entschiedene Sache vor, über welche nicht neuerlich meritorisch entschieden werden konnte.

Die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache war sohin rechtmäßig, weshalb die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen ist.

3.2. Zur Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. bis VI.:

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil der Aufenthalt der beschwerdeführenden Parteien weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist, noch die beschwerdeführenden Parteien Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 3 FPG wurden. Weder haben die beschwerdeführenden Parteien das Vorliegen einer der Gründe des § 57 FPG behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhalts im Ermittlungsverfahren hervor.

Diesbezüglich ist die Beschwerde daher abzuweisen.

Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 sowie gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG ist eine Entscheidung nach AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird. Zur Anwendbarkeit von § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 bei Zurückweisungen gemäß § 68 AVG siehe VwGH 31.03.2020, Ra 2019/14/0209.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben der beschwerdeführenden Parteien eingegriffen, so ist die Erlassung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8. Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Da eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung aus dem Erstverfahren gegen die beschwerdeführende Partei vorliegt, ist das Bundesverwaltungsgericht, so kein geänderter Sachverhalt vorliegt, an diese Entscheidung gebunden (VwGH 16.05.2019, Ra 2018/21/0232).

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung – nunmehr Rückkehrentscheidung – nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – die dort genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423).

Was einen allfälligen Eingriff in das Familienleben der beschwerdeführenden Parteien betrifft, ist Folgendes festzuhalten:

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215; vgl. auch VfGH 12.03.2014, U 1904/2013). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

Die beschwerdeführenden Partei verfügt im Bundesgebiet über keine Verwandten, weshalb die Rückkehrentscheidung keine Verletzung in das Recht der beschwerdeführenden Partei auf Achtung des Familienlebens darstellt.

Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls lediglich in das Privatleben der beschwerdeführenden Parteien eingreifen. Unter dem „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua. gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu. Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, weil – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, davon aus, dass „der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren […] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 ua. mwH). Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner langjährigen Rechtsprechung zu Ausweisungen Fremder wiederholt ausgesprochen, dass die EMRK Fremden nicht das Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Land garantiert und die Konventionsstaaten im Allgemeinen nicht verpflichtet sind, die Wahl des Aufenthaltslandes durch Einwanderer zu respektieren und auf ihrem Territorium die Familienzusammenführung zu gestatten. Dennoch kann in einem Fall, der sowohl die Achtung des Familienlebens, als auch Fragen der Einwanderung betrifft, der Umfang der staatlichen Verpflichtung, Familienangehörigen von im Staat ansässigen Personen Aufenthalt zu gewähren – je nach der Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse – variieren (vgl. z.B. EGMR 05.09.2000, Solomon v. Niederlande, Appl. 44328/98; EGMR 09.10.2003, Slivenko v. Lettland, Appl. 48321/99; EGMR 22.04.2004, Radovanovic v. Österreich, Appl. 42703/98; EGMR 31.01.2006, da Silva und Hoogkamer v. Niederlande, Appl. 50435/99; EGMR 31.07.2008, Darren Omoregie ua v. Norwegen, Appl. 265/07).

Die Dauer des Aufenthaltes der beschwerdeführenden Partei im Bundesgebiet seit seiner Antragstellung im Jänner 2020 beträgt etwa 1 ½ Jahre. Wegen des überaus kurzen Aufenthalts der beschwerdeführenden Partei im Bundesgebiet und der bereits rechtskräftigen Rückkehrentscheidung aus dem Erstverfahren sind deren Interessen an ihrem Verbleib gegenüber den öffentlichen Interessen erheblich gemindert. Auch konnte die beschwerdeführende Partei keine nennenswerten Integrationsschritte setzen. Weiters kann noch von einer starken Bindung zum Herkunftsstaat ausgegangen werden, zumal die beschwerdeführende Partei einen Großteil ihres Lebens dort verbrachte, die Landessprache spricht und noch über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt. Insgesamt wiegen die öffentlichen Interessen hinsichtlich der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Zuwanderungs- und Fremdenpolizeiwesen sowie der Verhinderung strafbarer Handlungen schwerer. Dies deshalb weil sich die beschwerdeführende Partei bereits strafrechtlich verurteilt wurde und nach der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung bei der ihr eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise gesetzt wurde, weiterhin im Bundesgebiet aufhielt und somit schwerwiegend gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts verstoßen und darüber hinaus weitere unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.

Das Bundesverwaltungsgericht vermag somit keine unzumutbaren Härten in einer Rückkehr der beschwerdeführenden Partei in ihren Herkunftsstaat zu erkennen. Den privaten Interessen der beschwerdeführenden Partei an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen unter anderem die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen und der Verhinderung von Straftaten gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251). Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrags verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf, wiegen im vorliegenden Fall schwerer als die Interessen der beschwerdeführenden Partei am Verbleib in Österreich.

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes der beschwerdeführenden Partei im Bundesgebiet ihr persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, wonach im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

Mit einer Refoulement-Beurteilung in Bezug auf den Herkunftsstaat eines Fremden geht eine zu beachtende Rechtskraftwirkung einher, deren Durchbrechung nur dann gerechtfertigt ist, wenn sich nach Erlassung der in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung der Sachverhalt oder die Rechtsvorschriften wesentlich geändert haben, also eine neue Sache vorliegt, für die die Rechtskraftwirkung der ursprünglichen Entscheidung nicht mehr gilt. Von einer nachträglichen Änderung der Sache ist der Fall zu unterscheiden, dass der Sachverhalt anders rechtlich beurteilt wird oder neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die bereits im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung vorgelegen, aber erst später bekannt geworden sind. Die schon vor Erlassung der Entscheidung bestehende Sachlage ist von der Rechtskraft des Bescheides erfasst und bindet Gerichte und Behörde, solange diese Entscheidung dem Rechtsbestand angehört (vgl. VwGH 18.1.2017, Ra 2016/18/0293). Es ist nicht zu sehen, warum das für das Verhältnis einer Feststellung über die Unzulässigkeit (insbesondere) einer Abschiebung nach § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG zur Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG anders sein sollte (VwGH 24.01.2019, Ro 2018/21/0011).

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung der beschwerdeführenden Parteien in ihrem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar. Daher wird auch die Rechtskraft der Rückkehrentscheidung aus dem Erstverfahren nicht durchbrochen und ist die diesbezügliche Beschwerde abzuweisen.

Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, dass die Abschiebung gemäß § 46 leg.cit. in einen bestimmten Staat zulässig ist.

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Das entspricht dem Tatbestand des § 8 Abs. 1 AsylG. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wurde bereits mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.11.2019 rechtskräftig verneint.

Auch den in den angefochtenen Bescheiden enthaltenen Länderfeststellungen zur aktuellen Lage in Iran, welche der jüngsten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge auch im vorliegenden Fall zu beachten sind (vgl. VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119; 24.05.2016, Ra 2016/21/0101), ist keine die beschwerdeführenden Parteien treffende Situation im angeführten Sinne zu entnehmen.

Auch lassen die Länderfeststellungen den Schluss nicht zu, dass die Sicherheitslage im Herkunftsstaat dergestalt wäre, dass jedermann mit vor dem Hintergrund von Art. 2 und 3 EMRK maßgeblichen Übergriffen zu rechnen hätte. Ferner ist die Versorgungslage im Herkunftsstaat an sich gewährleistet.

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 2 FPG unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestünde eine innerstaatliche Fluchtalternative. Dies entspricht dem Tatbestand des § 3 AsylG 2005. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.02.2021 rechtskräftig verneint. Maßgebliche Änderungen des Sachverhalts haben sich weder in der Person der beschwerdeführenden Partei noch in der allgemeinen Lage in Iran ergeben.

Die Abschiebung ist schließlich nach § 50 Abs. 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für Iran nicht. Die Abschiebung der beschwerdeführenden Partei nach Iran ist daher zulässig und die diesbezügliche Beschwerde ist abzuweisen.

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt, die gemäß Abs. 1a 1. Fall leg.cit. nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG besteht.

Eine solche liegt hier vor, daher ist auch der Spruchpunkt VI. rechtsrichtig.

Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. bis VI. der angefochtenen Bescheide war daher abzuweisen.

3.3. Zur Beschwerde gegen den Spruchpunkt VII.:

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG kann mit einer Rückkehrentscheidung vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten. Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Au

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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