TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/23 W183 2245553-1

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Veröffentlicht am 23.08.2021
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Entscheidungsdatum

23.08.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
GEG §9 Abs2
VwGVG §8a Abs1

Spruch


W183 2245553-1/2E

I.

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin MMag. Dr. PIELER als Einzelrichterin über den Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe im Verfahren über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien vom 29.06.2021, Zl. XXXX , betreffend den Nachlass von Gerichtsgebühren:

A)

Der Antrag wird gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II.

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. PIELER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien vom 29.06.2021, Zl. XXXX , betreffend den Nachlass von Gerichtsgebühren zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 9 Abs. 2 GEG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.     Mit Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom 26.05.2020 wurden dem Beschwerdeführer Gerichtsgebühren in Höhe von EUR 107,00 gemäß TP 1 GGG (Bemessungsgrundlage EUR 750,00) sowie eine Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs. 1 GEG in Höhe von EUR 8,00 vorgeschrieben, somit insgesamt Gebühren in Höhe von EUR 115,00. Die Kosten für den Antrag der Republik Österreich auf Bewilligung der Fahrnis- und Gehaltsexekution wegen der Forderung von EUR 115,00 wurden mit EUR 41,70 beziffert.

2.       Im Rahmen des Antrags auf Bewilligung der Verfahrenshilfe betreffend dieses Exekutionsverfahren ( XXXX ) ersuchte der Beschwerdeführer, die Forderung für uneinbringlich zu erklären, und begründete dies im Wesentlichen mit der Bestreitung der Exekutionsforderung.

3.        Mit dem angefochtenen Bescheid (zugestellt am 05.07.2021) wurde dem Antrag des Beschwerdeführers, die geschuldeten Gerichtsgebühren in einer Gesamthöhe von EUR 156,70 nachzulassen, nicht stattgegeben. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass der Antragsteller Eigentümer einer Liegenschaft sei und über ein Einkommen in Höhe von EUR 901,00 verfüge. Auch seien im Nachlassverfahren Einwendungen gegen die Richtigkeit der Titelentscheidung unbeachtlich.

4.       Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 02.08.2021 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und brachte darin im Wesentlichen vor, dass bei diversen näher genannten Verfahren befangene Richter entschieden hätten und Fehler passiert seien. Es werde daher die Bewilligung von Verfahrenshilfe beantragt sowie der Nachlass der Kosten wegen finanzieller Armut.

Beigeschlossen war ein Vermögensbekenntnis, wonach der Beschwerdeführer als Pensionist 14-mal jährlich EUR 961,00 beziehe und über eine hochverschuldete Landwirtschaft verfüge.

5.             Mit Schriftsatz vom 12.08.2021 (eingelangt am 18.08.2021) legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.        Der Beschwerdeführer ist verpflichtet, Gebühren in Höhe von EUR 156,70 zu zahlen.

1.2.       Der Beschwerdeführer bezieht 14-mal jährlich EUR 961,00 als Einkommen.

1.3.       Der Beschwerdeführer ist grundbücherlicher Eigentümer der Liegenschaft zu EZ XXXX

2. Beweiswürdigung:   

Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten, unstrittigen Verwaltungsunterlagen, der Beschwerde samt Beilage sowie dem Grundbuchsauszug vom 23.08.2021.

3. Rechtliche Beurteilung:    

3.1.    Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung besteht somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit.
Zu I. A)

3.2.    Gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG ist einer Partei, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies aufgrund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 GRC geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für die Gewährung von Verfahrenshilfe müssen alle vier Voraussetzungen kumulativ vorliegen (vgl. EDER/MARTSCHIN/SCHMID, Das Verfahrensrecht der Verwaltunggerichte2, § 8a K 5).

3.3.    Im vorliegenden Fall ist Gegenstand der beabsichtigten Anfechtung ein aufgrund des Gerichtlichen Einbringungsgesetzes erlassener Bescheid (konkret geht es um den Nachlass von Gerichtsgebühren).

Wie der Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen hat, fallen Angelegenheiten der Gerichtsgebühren nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK (vgl. VwGH 11.01.2016, Ra 2015/16/0132). Gerichtsgebühren sind Bundesabgaben, weshalb ihre Vorschreibung keine Entscheidung über "civil rights" i.S.d. Art. 6 EMRK ist (VwGH 24.09.2009, 2008/16/0051).

Darüber hinaus erscheint im gegenständlichen Fall bereits aufgrund der Aktenlage die Rechtsverfolgung aussichtslos, weil der Beschwerdeführer über Liegenschaftsvermögen verfügt und die dem gegenüberstehende Forderung in Höhe von EUR 156,70 keine besondere Härte darstellt (siehe unten).

Mangels Vorliegens jedenfalls zweier - von § 8a Abs. 1 VwGVG geforderter - Erfordernisse war daher der Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe abzuweisen.
Zu II. A)

3.4.    Gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gem. Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 9 Abs. 2 Gerichtliches Einbringungsgesetz, BGBl. Nr. 288/1962 (GEG), können Gebühren und Kosten auf Antrag nachgelassen werden, wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre oder wenn der Nachlass im öffentlichen Interesse gelegen ist.

Die Gewährung eines Nachlasses nach § 9 Abs. 2 GEG setzt voraus, dass sowohl die Entrichtung zu einem späteren Zeitpunkt als auch die Entrichtung in – allenfalls sehr kleinen – Monatsraten noch immer eine besondere Härte darstellen würde, sodass nur mehr die endgültige Erlassung die Härte beseitigt. Wirtschaftliche Schwierigkeiten vorübergehender Natur rechtfertigen zwar eine Stundung (Ratengewährung), aber keinen Nachlass (VwGH 18.09.2007, 2007/16/0144 m.w.N.). Da ein Antrag auf Stundung gemäß § 9 Abs. 1 GEG gegenständlich nicht gestellt wurde, ist hier darauf nicht weiter einzugehen.

Bei der Bestimmung des § 9 Abs. 2 GEG handelt es sich um eine Ermessensvorschrift, doch ist das Recht der Behörde, von diesem Ermessen Gebrauch zu machen, vom Vorliegen einer der beiden im Gesetz genannten Alternativvoraussetzungen abhängig. In diesem Zusammenhang kommt sowohl eine besondere Härte infolge einer sachlichen Unbilligkeit der Einbringung als auch eine solche infolge Vorliegens individueller Gründe in Betracht, die die Einbringung der gesetzmäßig vorgeschriebenen Gerichtsgebühren als besondere Härte erscheinen ließen. Diese Voraussetzung hat die Justizverwaltungsbehörde in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen (VwGH 25.06.2013, 2009/17/0164).

Das Bundesverwaltungsgericht trifft seine Entscheidung auch vor dem Hintergrund, dass an der Einhebung von Abgaben ein öffentliches Interesse besteht, weil ohne sie dem Staat die Mittel zur Erfüllung seiner Aufgaben fehlen würden. Dies gilt auch für die Einhebung von Gerichtsgebühren (VwGH 31.10.1991, 90/16/0227). Ein Nachlass kann somit nur bei tatsächlichem Vorliegen einer vom Antragsteller belegten besonderen Härte gewährt werden. Aus der Formulierung „besonderer Härte“ ist ersichtlich, dass es sich um Ausnahmefälle handeln muss und nicht bereits eine voraussichtliche allgemeine schlechte wirtschaftliche Lage zu einem Nachlass berechtigt. In diesem Zusammenhang ist auch anzumerken, dass es einem Gebührenschuldner zumutbar ist, aktiv an der Verbesserung seiner wirtschaftlichen Situation zu arbeiten und er hierbei ein ernsthaftes Bemühen an den Tag legen muss. Des Weiteren ist im Nachlassverfahren die konkrete Gebührenschuld im Verhältnis zum Vermögen bzw. zum (auch in Zukunft erzielbaren) Einkommen – unter Einbeziehung des Alters des Beschwerdeführers – zu betrachten, weshalb eine Entscheidung stets auf den Einzelfall bezogen ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH ist es in einem Verfahren über den Nachlass von Gerichtsgebühren Sache des Antragstellers, einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen aller jener Umstände darzutun, auf die der Nachlass gestützt werden kann. Im Nachlassverfahren trifft den Antragsteller somit eine erhöhte Mitwirkungspflicht (VwGH 29.06.2006, 2006/16/0021 m.w.N.; vgl. auch VwGH 29.04.2013, 2010/16/0182).

Zu den für eine verlässliche Beurteilung der Frage des allfälligen Vorliegens der von § 9 Abs. 2 GEG geforderten besonderen Härte unerlässlichen Umständen gehört naturgemäß die Frage, ob der Nachlasswerber über Vermögen verfügt und gegebenenfalls in welchem Ausmaß bzw. in welcher Art. Enthält der Nachlassantrag keine Angaben zum Vermögen des Antragstellers, so ist die Behörde nicht verpflichtet, diesen zu weiteren Aufklärungen zu veranlassen. In diesem Fall ist daher die Behörde berechtigt, den Antrag ohne weitere Erhebungen abzuweisen (VwGH 18.10.2005, 2005/16/0200 mwN; vgl. die in Wais/Dokalik, Gerichtsgebühren13 (2017) § 9 GEG E 18ff genannte Judikatur des VwGH). Das Vorhandensein eines die Abgabenschuld beträchtlich übersteigenden Liegenschaftsvermögens steht der Annahme einer besonderen Härte iSd § 9 Abs. 2 GEG entgegen (VwGH 21.12.1998, 98/17/0180).

3.5.    Im gegenständlichen Fall steht fest, dass der Gebührenschuld in Höhe von EUR 156,70 Liegenschaftsvermögen und auch ein regelmäßiges Pensionseinkommen gegenüberstehen.

Die Gebührenforderung ist im Verhältnis zum Vermögen des Beschwerdeführers eine höhenmäßig überschaubare Summe. Dem Beschwerdeführer kann die allenfalls ratenmäßige Zahlung dieser Gebührenschuld zugemutet werden – ein derartiger Antrag wurde gegenständlich jedoch nicht gestellt.

Zu den Vorbringen betreffend die angeblich zu Unrecht getroffenen Entscheidungen in den zugrundeliegenden Verfahren ist festzuhalten, dass in einem Nachsichtverfahren dafür kein Raum zur Überprüfung besteht (vgl. zB VwGH 03.12.1986, 86/16/0024).

Das Bundesverwaltungsgericht gelangt somit abschließend zu dem Ergebnis, dass dem angefochtenen Bescheid keine Rechtswidrigkeit im Sinne des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG anzulasten ist und die Beschwerde daher gemäß § 9 Abs. 2 GEG abzuweisen war.

3.6.     Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. Im vorliegenden Fall geht der Sachverhalt eindeutig aus den Akten hervor und lässt die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten. Die Notwendigkeit der Durchführung einer Verhandlung ist auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC nicht ersichtlich (vgl. dazu auch VwGH 26.06.2003, 2000/16/0305, wonach die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Verfahren zur Vorschreibung/Einbringung von Gerichtsgebühren nicht erforderlich ist, und VwGH 11.01.2016, Ra 2015/16/0132, wonach Angelegenheiten der Gerichtsgebühren nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK fallen).

3.4.    Zu I. und II. B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die unter Punkt 3.3. zitierte Judikatur). Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Aussichtslosigkeit besondere Härte Gerichtsgebühren Gerichtsgebührenpflicht Liegenschaftseigentum Nachlass von Gerichtsgebühren Nachlassantrag Verfahrenshilfe Vermögensverhältnisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W183.2245553.1.00

Im RIS seit

11.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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