Entscheidungsdatum
16.09.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W136 2238333-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid der Zivildienstserviceagentur vom 28.12.2020, Zl. 473862/28/ZD/1220, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 13 Abs. 1 Z 2 ZDG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer - dessen Tauglichkeit zum Wehrdienst erstmals am 23.10.2015 festgestellt wurde - brachte am 23.05.2018 eine mängelfreie Zivildiensterklärung ein.
2. Mit Bescheid vom 06.06.2018 stellte die Zivildienstserviceagentur (im Folgenden ZD) gemäß § 5 Abs. 4 ZDG aufgrund der mängelfreien Zivildiensterklärung den Eintritt der Zivildienstpflicht des Beschwerdeführers mit 23.05.2018 fest.
3. Daraufhin wies die ZD den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 10.01.2019 der Einrichtung „Sekretariat der österreichischen Kinderfreunde – Landesorganisation Niederösterreich“ vom 01.04.2019 bis 28.12.2019 zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes zu.
4. Mit Schreiben vom 29.10.2019 informierte die ZD den Beschwerdeführer über die vorzeitige Entlassung nach § 19a Abs. 2 ZDG (Dienstunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen) mit 11.10.2019 (letzter Arbeitstag).
5. In der Folge wurde der Beschwerdeführer mit Bescheid der ZD vom 02.07.2020 der Einrichtung „Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, Gruppe Gesundheit und Soziales“ vom 01.01.2021 bis 19.03.2021 zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes zugewiesen.
6. Am 23.11.2020 brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Aufschub ein, der im Verbesserungsverfahren von der ZD in einen „Antrag auf befristete Befreiung“ von der Verpflichtung zur Leistung des Zivildienstes nach § 13 Abs. 1 Z 2 ZDG umgewandelt wurde und den der Beschwerdeführer zusammengefasst wie folgt begründete: Es sei ihm aufgrund seiner aktuellen Arbeitssituation nicht möglich zu diesem Zeitpunkt die restlichen Zivildiensttage abzuleisten. Er sei in seinem Betrieb gerade in der Anlernphase bzw Weiterbildungsphase und diese könne leider nicht unterbrochen werden. Da er eine Familie habe sei es ihm sehr wichtig, dass er bestmöglich in seiner Arbeitsstelle alle notwendigen Weiterbildungen absolviere, um seine Arbeitsstelle zu behalten. Er sei natürlich bereit zu einem späteren Zeitpunkt seinen Zivildienst zu leisten.
7. Mit weiterem Bescheid der ZD vom 27.11.2010 wurde der Beschwerdeführer der Einrichtung „Abteilung Personal und Organisation/NÖ LGA“ von 01.01.2021 (Dienstantritt 04.01.2021, 09:00 Uhr) bis 19.03.2021 zur weiteren Leistung des ordentlichen Zivildienstes zugewiesen (Versetzung zu einer anderen Einrichtung).
8. Mit Schreiben der ZD vom 30.11.2020 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, Beweismittel zum Nachweis der Anspruchsvoraussetzungen nach § 13 Abs. 1 Z 2 ZDG vorzulegen, insbesondere das Einkommen der letzten 6 Monate, Meldenachweis zu allen an seiner Adresse gemeldeten Personen, finanzielle Verbindlichkeiten (Ratenvereinbarungen, Exekutionen etc.), Versicherungsdatenauszug (ÖGK), Dienstvertrag und Anmeldung bei der Gebietskrankenkasse, eine Stellungnahme des Dienstgebers und Schulungsnachweise.
9. Mit am 17.12.2020 eingelangtem Schreiben legte der Beschwerdeführer folgende Beweismittel betreffend seine wirtschaftlichen und familiären Verhältnisse vor:
? Kontoauszüge und Verträge über Ausgaben des Jahres 2020 (Handyvertrag, Teilzahlungsvertrag Kreditraten, etc.),
? Meldezettel des Beschwerdeführers, seiner Frau und der zwei Töchter,
? Nachweis über Unterhaltszahlungen der Tochter seiner Frau,
? Auszug über die Höhe des Karenzgeldes und Bestätigung der Familienbeihilfe,
? Dienstvertrag (wonach der Beschwerdeführer am 01.02.2020 in das Dienstverhältnis eingetreten ist),
? diverse Lohnzettel seines Arbeitgebers,
? Unterlagen über den Kauf eines Reihenhauses, aus denen hervorgeht, dass der Beschwerdeführer sich dafür zu einer monatlichen Rückzahlung einer Kreditrate ab 01.01.2021 iHv € 742,63 für die Dauer von 30 Jahren verpflichtet hat.
Der Aufforderung, eine Stellungnahme des Dienstgebers vorzulegen, ist der Beschwerdeführer mit der Begründung, dass die zuständige Person wegen Corona nicht anwesend gewesen sei, nicht nachgekommen und wurde eine Nachreichung in Aussicht gestellt. Die Anmeldung bei der Gebietskrankenkasse sowie Schulungsnachweise wurden ebenso wenig vorgelegt.
Dazu führte der Beschwerdeführer begründend an, dass sich seine monatlichen Kosten auf ca. € 3.000,00 belaufen würden, ohne Berücksichtigung der Kosten für unvorhersehbare Ausgaben. Da sich seine Frau noch fast ein Jahr in Karenz befinden würde und kein Einkommen außer Karenzgeld, Alimente und Familienbeihilfe habe, was monatlich nur € 1.090,00 ausmache, sei es sehr wichtig, dass er weiterhin seinen Arbeitsplatz behalten könne. Aktuell befinde er sich drei Wochen in der Position des Maschinenfahrers, wo er aber noch angelernt werde. Wenn er jetzt für mehrere Wochen wegmüsste, würde er nicht mehr zurück an diese Position können, was für ihn bedeuten würde, er wäre im Betrieb höchstwahrscheinlich an einer ganz anderen Maschine tätig, wo er wieder nur Hilfstätigkeiten ausüben dürfe und das bedeuten würde, er habe um ein Jahr umsonst etwas gelernt. Es könne auch sein, dass er generell eine viel schlechtere Position bekomme, wo er auch deutlich weniger verdienen würde, was auf lange Sicht bedeute, dass er die Kreditraten und Sonstiges nicht mehr bezahlen könne. Es gehe demnach um die Zukunft seiner Familie.
10. Mit dem bekämpften Bescheid vom 28.12.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes gemäß § 13 Abs. 1 Z 2 ZDG abgewiesen.
Begründend führte die Behörde nach Darstellung der Rechtslage und des Verfahrensganges im Wesentlichen aus, dass bestehende finanzielle Verpflichtungen nur dann als besonders rücksichtswürdige Interessen beachtete werden könnten, wenn dem Antragsteller zum Zeitpunkt des Eingehens dieser Verpflichtungen nicht bekannt war, dass er weiterhin mit der Leistung des Zivildienstes zu rechnen habe. In diesem Wissen hätte der Beschwerdeführer keine Verpflichtungen eingehen dürfen, deren Erfüllung während der Leistung des ordentlichen Zivildienstes erschwert sein würde. Die Aufnahme finanzieller Verbindlichkeiten könnten im Falle des Beschwerdeführers zu keiner befristeten Befreiung nach § 13 ZDG führen, da die Verbindlichkeiten in Verletzung der Harmonisierungspflicht aufgenommen worden seien. Es sei somit festzuhalten, dass der Beschwerdeführer hätte wissen müssen, dass nach seiner Entlassung per 11.10.2019 eine neuerliche Zuweisung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes möglich sei. In diesem Wissen hätte der Beschwerdeführer keine finanzielle Verpflichtung eingehen dürfen, deren Rückzahlung während der Leistungen des ordentlichen Zivildienstes erschwert werde.
Jeder Zivildienstpflichtige habe die Möglichkeit, sich eigenständig um eine rasche Zuweisung zu bemühen, nehme er diese Möglichkeit nicht in Anspruch, werde er amtswegig – möglicherweise auch zu einem ihm nicht genehmen Zeitpunkt - zugewiesen.
Zivildienstpflichtige hätten außerdem nach Maßgabe des § 25 ZDG unter anderem Anspruch auf Pauschalvergütung, Reisekostenvergütung, Kranken- und Unterhaltsversicherung, Familienunterhalt und Wohnkostenbeihilfe, wodurch deren und allenfalls Unterhaltsanspruchsberechtigte soziale Sicherstellung gewährleistet werde.
In Würdigung des vorgebrachten Sachverhaltes sei davon auszugehen, dass jeder Zivildienstpflichtige in Kenntnis der noch vor ihm liegenden Dienstleistung alle seine persönlichen und wirtschaftlichen Lebensumstände so einrichten müsse, dass vorhersehbare Schwierigkeiten bei Leistung des Zivildienstes vermieden würden (Harmonisierungspflicht, VwGH 17.12.1998, Zl. 98/11/018). Da der angeführte Sachverhalt nicht geeignet gewesen wäre, die gesetzlichen Voraussetzungen zu erfüllen, sei der Antrag abzuweisen gewesen.
11. Gegen den Bescheid vom 28.12.2020 erhob der Beschwerdeführer am 30.12.2020 (eingelangt bei der ZD am selben Tag) rechtzeitig eine (irrtümlich als Einspruch bezeichnete) Beschwerde.
Begründend wurde ausgeführt, dass er die Ausführungen im angefochtenen Bescheid über seine Harmonisierungspflicht nicht einsehe, zumal er weder mit dem Kauf des Hauses noch mit anderen Dingen hätte länger warten können, zumal es diese Situation eben genau zu diesem Zeitpunkt und dann wieder erst in 10 Jahren gegeben hätte. Weiters sei es so, dass er nicht verstehe, wieso alles andere nicht berücksichtig werden könne. Er habe ausführlich alle Ausgaben aufgelistet, so dass eigentlich ersichtlich sein müsste, dass das Zivildienstgehalt, Beihilfen und Sonstiges nicht so hoch sein könnten, wie sein aktueller Lohn, welchen er benötige um monatlich über die Runden zu kommen. Er würde auch noch ein Schreiben des Arbeitgebers nachreichen. Sollte das nicht möglich sein, bitte er um eine andere Zivildienststelle zu einem anderen Zeitpunkt. Ein Antritt am 04.10.2021 sei nicht möglich. Sobald er es mit seinem Arbeitgeber abklären könne, was aktuell wegen Betriebsurlaubes nicht möglich sei, würde er sich bemühen eine andere Stelle zu finden.
12. Mit Anschreiben der ZD vom 04.01.2021 wurden die Beschwerde und der gegenständliche Verfahrensakt dem BVwG (eingelangt am 05.01.2021) vorgelegt.
13. Mit Schreiben vom 08.07.2021 teilte das Magistrat der Stadt St. Pölten die Abtretung des wegen Nichtantritts zum Zivildienst eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahrens gegen den Beschwerdeführer nach § 22 Abs. 1 iVm § 60 ZDG an die Bezirkshauptmannschaft Melk mit.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Die Beschwerde wurde rechtzeitig erhoben und ist zulässig.
Die Tauglichkeit des Beschwerdeführers zum Wehrdienst wurde von der Stellungskommission laut unbestrittener Aktenlage erstmals am 23.10.2015 festgestellt. Für das Bundesverwaltungsgericht steht weiters der unter Punkt I dargelegte Sachverhalt, was den Zeitpunkt des Eintrittes der Zivildienstpflicht des Beschwerdeführers betrifft, unstrittig fest. Dies ergibt sich aus der Aktenlage.
Weiters steht fest, dass dem Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Eingehens seiner Verpflichtungen, insbesondere dem Kauf des Reihenhauses im Dezember 2020 und der dafür eingegangen Kreditschuld iHv € 742,63 monatlich ab dem Jahr 2021 für die Dauer von 30 Jahren bekannt war, dass er seit seiner vorzeitigen Entlassung aus dem Zivildienst am 11.10.2019 noch die restliche Zeit seines ordentlichen Zivildienstes von nicht ganz drei Monaten abzuleisten hat.
Diese Feststellung gründet ebenfalls auf den dem Verwaltungsakt beiliegenden Unterlagen und wird auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten.
2. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 4 leg.cit. kann das Verwaltungsgericht, soweit das Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt, ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.
Letzteres ist hier der Fall. Ebenso liegen im gegenständlichen Fall keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Entfall einer mündlichen Verhandlung allenfalls Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) oder Art. 47 der Charta der Grundrechte der europäischen Union entgegenstehen könnten. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat etwa in seiner Entscheidung vom 5. September 2002, Speil v. Austria, no. 42057/98, unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte ("where the facts are not disputed and a tribunal is only called upon to decide on questions of law of no particular complexity, an oral hearing may not be required under Article 6 § 1"; vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.02.2014, Zl. 2013/07/0169). Eine solche Fallkonstellation lag auch im Beschwerdefall vor.
Der Unterlassung der Verhandlung steht Art. 6 EMRK nicht entgegen, weil im gegenständlichen Verfahren die maßgeblichen Fakten nicht bestritten waren und es im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nur um Rechtsfragen ohne besondere Komplexität ging. Im Hinblick auf das Erfordernis der Effizienz und Ökonomie konnte die Verhandlung daher entfallen (vgl. die Entscheidung des EGMR vom 13. März 2012, Nr. 13.556/07, Efferl/Österreich).
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG haben die Verwaltungsgerichte die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg.cit. hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden nach Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu Spruchpunkt A)
Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Zivildienstgesetzes 1986 – ZDG, BGBl. Nr. 679/1986 idgF, von Bedeutung:
„§ 13. (1) Die Zivildienstserviceagentur hat den Zivildienstpflichtigen - gleichgültig ob er bereits Zivildienst leistet oder noch nicht - von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes zu befreien
1. von Amts wegen, wenn und solange es Belange des Zivildienstes oder sonstige öffentliche Interessen - insbesondere gesamtwirtschaftliche, familienpolitische oder Interessen der Entwicklungshilfe - erfordern,
2. auf Antrag des Zivildienstpflichtigen, wenn und solange es besonders berücksichtigungswürdige wirtschaftliche, familiäre oder auf Grund einer eingetragenen Partnerschaft bestehende Interessen erfordern.
(2) Der Bescheid, mit dem die Befreiung verfügt wird, setzt einen allfälligen Zuweisungsbescheid außer Kraft.
(3) Die Zivildienstserviceagentur hat die Befreiung (Abs. 1) zu widerrufen, wenn die Voraussetzung für die Befreiung wegfällt.
(4)…“
Die belangte Behörde hat die Abweisung des Antrages im Wesentlichen damit begründet, dass das wirtschaftliche Interesse des Beschwerdeführers an der Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung seines Zivildienstes nicht besonders rücksichtswürdig im Sinne des bezogenen Gesetzes ist, da der Beschwerdeführer die ihm obliegende Harmonisierungspflicht verletzt habe.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Zivildienstpflichtige – ebenso wie Wehrpflichtige – gehalten, ihre wirtschaftlichen Dispositionen so zu treffen, dass für den Fall der Zuweisung bzw. Einberufung zur Ableistung des Dienstes voraussehbare Schwierigkeiten vermieden und nicht durch die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit solche Schwierigkeiten erst geschaffen werden. Unterlässt es der Betreffende, seine wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der von ihm zu erwartenden Dienstleistungsverpflichtung zu harmonisieren, so können die daraus abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen nicht als besonders rücksichtswürdig im Sinne der die Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Dienstes regelnden Bestimmungen angesehen werden. Sind wirtschaftliche Schwierigkeiten die Folge der Verletzung dieser sogenannten "Harmonisierungspflicht", können sie als Grundlage für die Befreiung nicht herangezogen werden (vgl. VwGH 17.07.2009, Zl. 2008/11/0145; 24.07.2013, Zl. 2010/11/0140, mwN).
Finanzielle Verpflichtungen könnten nur dann als besonders rücksichtswürdige Interessen Beachtung finden, wenn dem Zivildienstpflichtigen im Zeitpunkt des Eingehens dieser Verpflichtungen nicht bekannt gewesen wäre, dass er weiterhin mit einer Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes zu rechnen habe (VwGH 18.12.1990, Zl. 90/11/0104).
Der Beschwerdeführer hätte daher in Kenntnis der noch vor ihm liegenden Zivildienstleistung auf die Planung und Gestaltung seiner privaten und wirtschaftlichen Angelegenheiten im Interesse einer Harmonisierung mit der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes Bedacht zu nehmen gehabt.
Wie die belangte Behörde bereits richtig festgestellt hat, weiß der Beschwerdeführer seit der Feststellung seiner Tauglichkeit bzw. seit Annahme seiner Zivildiensterklärung, dass er den Zivildienst leisten wird müssen. Ebenso muss dem Beschwerdeführer nach seiner vorzeitigen Entlassung aus dem Zivildienst am 11.10.2019 bewusst gewesen sein, dass er noch die restliche Zeit seines ordentlichen Zivildienstes von nicht ganz drei Monaten abzuleisten hat. Anstatt die persönlichen Anschaffungen, insbesondere den Kauf des Reihenhauses, so zu gestalten, dass er den restlichen Zivildienst hätte davor ableisten können und sich rechtzeitig um eine Zuweisung von den ausständigen nicht ganz drei Monaten zu bemühen, hat er einen Kredit mit einer Laufzeit von 30 Jahren iHv € 742,63 monatlich ab dem Jahr 2021 aufgenommen und sich dadurch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, denen er sich jetzt ausgesetzt sieht, erst geschaffen und gegen seine Harmonisierungspflicht verstoßen.
Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ist für diesen nichts gewonnen, gibt es doch nicht den geringsten Hinweis darauf, dass der Beschwerdeführer im Wissen um seine seit 23.05.2018 bestehende Zivildienstpflicht bzw. dem Zeitpunkt seiner vorzeitigen Entlassung nach Teilableistung des Zivildienstes am 11.10.2019 irgendwelche Vorkehrungen getroffen hat, um vorhersehbare Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Leistung des Zivildienstes zu vermeiden. Der Beschwerdeführer hat vielmehr im Wissen um seine bereits drohende ausständige Ableistung der restlichen Zivildienstpflicht von nicht ganz drei Monaten (Zuweisung für den Termin 04.10.2021 bereits mit Bescheid vom 02.07.2020 und erneut zu einer anderen Einrichtung mit Bescheid vom 27.11.2020) weitere Dispositionen getroffen und bewusst beabsichtigt, seine Zuweisung noch weiter hinauszuzögern.
Er gibt in seiner Beschwerde auch an, dass er seinen Arbeitsplatz (Beginn laut Dienstvertrag am 01.02.2020) bewusst so gewählt habe und es sich nicht erlauben könne, dort wegen seiner ausstehenden Zivildienstpflicht eventuell bei einer Rückkehr für eine Zeit lang weniger zu verdienen, damit er sich den Kauf des Hauses leisten könne, womit er doch gleichzeitig zugesteht, seine beruflichen und wirtschaftlichen Dispositionen ohne Berücksichtigung seiner bestehenden Zivildienstplicht getroffen zu haben.
Von einem familiären Interesse im Sinne des § 13 Abs. 1 Z 2 ZDG kann - unabhängig von der besonderen Rücksichtswürdigkeit - nur dann gesprochen werden, wenn ein Familienangehöriger in seinen eigenen Belangen der Unterstützung durch den Zivildienstpflichtigen bedarf, die ihm dieser aber wegen der Ableistung des ordentlichen Zivildienstes nicht gewähren könnte; als besonders rücksichtswürdig im Sinne der bezogenen Gesetzesstelle ist dieses Interesse nur dann zu werten, wenn durch die Nichtunterstützung des Angehörigen durch den Zivildienstpflichtigen während der Zeit seines ordentlichen Zivildienstes eine Gefährdung der Gesundheit des Angehörigen oder sonstiger lebenswichtiger Interessen des Angehörigen zu befürchten ist. Eine solche besondere Rücksichtswürdigkeit ist dann auszuschließen, wenn der Angehörige die ihm während der in Aussicht genommenen Zeit der Ableistung des ordentlichen Zivildienstes entgehende Unterstützung durch den Zivildienstpflichtigen durch einen ihm möglichen und zumutbaren (Mehr)Einsatz seiner Kräfte und Fähigkeiten, verbunden mit einer möglichen Rationalisierung der Tätigkeit, bei der er vom Zivildienstpflichtigen sonst unterstützt wird, und einer zumutbaren Einschränkung der Tätigkeit selbst ausgleichen kann. Ist dadurch allein ein Ersatz der Unterstützung durch den Zivildienstpflichtigen nicht möglich, so scheidet dennoch eine besondere Rücksichtswürdigkeit des an sich gegebenen familiären Interesses aus, wenn anderen (an sich zur Verrichtung der entfallenden Tätigkeiten des Zivildienstpflichtigen fähigen) Angehörigen des betroffenen Angehörigen des Zivildienstpflichtigen ein vorübergehender Einsatz ihrer Kräfte und Fähigkeiten zumutbar ist oder wenn dem betroffenen Angehörigen die (für die Dauer des Zivildienstes) vorübergehende Heranziehung familienfremder Personen möglich und zumutbar ist.
Wenngleich vom BvwG nicht verkannt wird, dass den Beschwerdeführer Sorgepflichten für seine Familie (Frau in Karenz und zwei mj. Kinder) treffen, ist für diesen damit nichts gewonnen, zumal die belangte Behörde zu Recht darauf verweist, dass den Zivildienstpflichtigen und allenfalls deren Unterhaltsanspruchsberechtigten soziale Sicherstellung nach Maßgabe des § 25 ZDG gewährleistet wird, indem die Möglichkeit auf Pauschalvergütung, Reisekostenvergütung, Kranken- und Unterhaltsversicherung, Familienunterhalt und Wohnkostenbeihilfe, besteht.
Die unterhalts- und unterstützungsbedürftige Frau und die zwei Kinder des Beschwerdeführers leben in einem mittlerweile gekauften Reihenhaus, für das sie monatliche Kreditraten abzahlen. Dass der Beschwerdeführer für Betreuungstätigkeiten innerhalb der Familie gebraucht oder unentbehrlich wäre, wurde nicht vorgebracht und war auch sonst nicht ersichtlich. Unter Verweis auf die obigen Ausführungen zur Harmonisierungspflicht ist es der Familie ist insbesondere im Hinblick auf die kurze Zeitspanne der ausstehenden Zivildienstleistung von nicht einmal vollen drei Monaten zumutbar, den finanziellen Ausfall des Beschwerdeführers zu kompensieren. Eine Gefährdung der Gesundheit der Frau oder der Kinder oder deren sonstiger lebenswichtiger Interessen ist dadurch nicht zu befürchten.
Im Ergebnis können die vom Beschwerdeführer geltend gemachten allfälligen wirtschaftlichen und familiären Verpflichtungen daher fallbezogen nicht als besonders rücksichtswürdige Interessen Beachtung finden und somit nicht zur Gewährung einer Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes führen.
Da der Antrag des Beschwerdeführers auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes von der belangten Behörde im Ergebnis zu Recht abgewiesen wurde, war der Beschwerde keine Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die oben dargestellte umfangreiche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zeigt zudem, dass die für den gegenständlichen Fall maßgebliche Rechtsfrage, nämlich die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes, von dieser einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Befreiungsantrag befristete Befreiung familiäre Interessen Harmonisierungspflicht Kreditraten ordentlicher Zivildienst Tauglichkeit wirtschaftliche Interessen Zivildiener ZivildienstpflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W136.2238333.1.00Im RIS seit
11.11.2021Zuletzt aktualisiert am
11.11.2021