TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/5 W166 2215584-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.10.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

05.10.2021

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W166 2215584-1/27E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER als Vorsitzende und Richterin Mag. Ivona GRUBESIC sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Verein Suara, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 17.01.2019, wegen Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.03.2021, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben.

Der Grad der Behinderung von XXXX beträgt nunmehr 50 v.H.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin war im Besitz eines bis zum 31.12.2018 befristet ausgestellten Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung (GdB) von 100 v.H. Der Grad der Behinderung wurde basierend auf einem Gutachten vom 20.11.2013 festgestellt, worin die bei der Beschwerdeführerin bestehende Gesundheitsschädigung Anaplastisches Ependymom, Strahlen- und Chemotherapie unter Heranziehung der Einschätzungsverordnung mit 100 v.H. eingeschätzt wurde.

Die Beschwerdeführerin brachte am 05.09.2018 einen Antrag auf Verlängerung des bis zum 31.12.2018 befristeten Behindertenpasses ein und legte diverse medizinische Beweismittel vor.

Das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten aus dem Bereich der Allgemeinmedizin vom 17.12.2018 brachte im Wesentlichen folgendes Ergebnis:

„Anamnese:

anaplastisches Ependymoms links, Operation im 4/2012 in XXXX , Rezidiv im 8/2012 mit epileptischen Anfällen, Totalresektion im 11/2012 in XXXX

siehe auch VGA von 09.10.2013: anaplastisches Ependymoms links 100% NU 12/2018

Derzeitige Beschwerden:

Alle Nachsorgeuntersuchungen sind bis jetzt in Ordnung, kein weiteren Rezidiv. Zur Kontrolle muss ich 1mal im Jahr. Mit dem Levebon habe ich keine epileptischen Anfälle.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Levebon, Oleovit D3

Sozialanamnese:

Hat einen Deutschkurs besucht, lebt bei den Eltern, macht derzeit einen Computerkurs

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Siehe auch FLAG-GA vom 15.09.2015

3/2012 erfolgte in XXXX die Diagnosestellung eines anaplastischen Ependymoms links, Operation im 4/2012 in XXXX , Rezidiv im 8/2012 mit epileptischen Anfällen, Totalresektion im 11/2012 in XXXX (Neurochirurgie XXXX ), seither regelmäßige Betreuung in Abständen von ca. 3 Monaten an der Kinderonkologie des XXXX . Strahlentherapie und Chemotherapie zuletzt 9-2013 Diagnose: Zustand nach Anaplastischem Ependymom 11-2012 50%, Epilepsie 20% Gesamt GdB60% NU 12/2017
XXXX vom 14.05.2018

Anaplastisches Ependymom (links hoch fronto-parietal)

Erstdiagnose März 2012 in XXXX ( XXXX )

Subtotalresektion am 10.04.2012 in XXXX ( XXXX )

Rezidiv August 2012 mit fokalen epileptischen Anfallen

Totalresektion am 11.11.2012 (Prof. XXXX / XXXX )

St. p. Hemiparese (distal- u. Bein-betont) rechts

Symptomatische Epilepsie

Periphere Polyneuropathie

Hochtonhörverlust

Osteoporose

MRT- Neurocranium vom 20.03.2018: Es zeigt sich im Vergleich zur letzten Voruntersuchung vom 29.08.2017 und auch im la- Vergleich keine relevante Befunddynamik: Weiterhin kein NW eines Rest- Oder Rezidivtumors bei St.p. Resektion eines Ependymoms links frontoparietal. Auch spinal kein NW eines sekundarblastomatosen Geschehens

mitgebrachter Befund:

Neuropsychologisches Gutachten, XXXX vom 26.02.2018. Vorstellungsgrund war eine Verlaufskontrolle 5 Jahre nach der Diagnosestellung eines Hirntumors. Zusammenfassung: Bei der Untersuchung XXXX kognitiver Fähigkeiten und Fertigkeiten erreichte sie fast insgesamt ausschließlich Ergebnisse unterhalb ihrer Altersnorm. Es konnte eine verlangsamte Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit und visum-motorische Koordination, sowie Schwierigkeiten im Umdenken zwischen verschiedenen Aufgaben (Flexibilität im Denken) ermittelt werden. Leichte Schwierigkeiten bei der Aufrechterhaltung der der Aufmerksamkeit und der Reaktionsbereitschaft. Gute Visuellräumliche Wahrnehmung. Abruf der Information aus dem Gedächtnis (visuelles Gedächtnis) viele Schwierigkeiten, da sie sich nur an wenige Details erinnern konnte. Geringes Körperliches und psychisches Wohlbefinden. Sprachliche Fähigkeiten sollten im Rahmen eines Deutschkurses vertieft werden. Zusätzlich gezielte Förderung der oben beschriebenen Teilleistungsschwächen empfohlen.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

gut

Ernährungszustand: adipös

Größe: 153,00 cm Gewicht: 78,00 kg Blutdruck: 110/60

Klinischer Status — Fachstatus:

22 Jahre

Haut/Farbe: rosig sichtbare Schleimhäute gut durchblutet

Caput: Reaktionslose Narbe hochparietal links, dort verminderter Haarwuchs, Visus: unauffällig Hörvermögen nicht eingeschränkt keine Lippenzyanose, Sensorium: altersentsprechend, HNA frei

Collum: SD: schluckverschieblich, keine Einflusstauung, Lymphknoten: nicht palpabel

Thorax. Symmetrisch, elastisch,

Cor: Rhythmisch, rein, normfrequent

Pulmo: Vesikuläratmung, keine Atemnebengeräusche, keine Dyspnoe

Abdomen: Bauchdecke: weich, kein Druckschmerz, keine Resistenzen tastbar,

Hepar am Ribo, Lien nicht palp. Nierenlager: Frei.

Pulse: Allseits tastbar

Obere Extremität: Symmetrische Muskelverhältnisse. Nackengriff und Schürzengriff bds. uneingeschränkt durchführbar, grobe Kraft bds. nicht vermindert, Faustschluß und Spitzgriff bds. durchführbar. Die übrigen Gelenke altersentsprechend frei beweglich. Sensibilität wird unauffällig angegeben, Dyshidrotisches Ekzem im Bereich der rechten Hand.

Untere Extremität: Zehenspitzen sowie Einbeinstand bds. durchführbar, Fersenstand rechts nicht möglich, beide Beine von der Unterlage abhebbar, grobe Kraft rechtes geringgradig vermindert, freie Beweglichkeit in Hüftgelenken und Kniegelenken, bandstabil, kein Erguss, symmetrische Muskelverhältnisse, Sensibilität wird unauffällig angegeben keine Varikositas, keine Ödeme bds.,

Wirbelsäule: Kein Klopfschmerz, Finger-Bodenabstand im Stehen: 10cm Rotation und Seitwärtsneigung in allen Ebenen frei beweglich

Gesamtmobilität — Gangbild:

leicht hinkendes Gangbild, kein Gangbild

Status Psychicus:

klar, orientiert

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Pos.Nr.

Gdb%

1

Zustand nach Anaplastischem Ependymom 11-2012 sowie nach Strahlen- und Chemotherapie

2 Stufen über dem unteren Rahmensatz, da nur geringgradige Hemiparese rechte untere Extremität. Die Teilleistungsschwierigkeiten sind in dieser Position mit berücksichtigt.

04.01.01

30

2

Epilepsie

unterer Rahmensatz im 3. Jahr unter Medikation anfallsfrei

04.10.01

20

         Gesamtgrad der Behinderung 30 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

weil der führende GdB unter der Position 1 durch Leiden 2 nicht erhöht wird, da keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Besserung des Leidens nach nach Ablauf der Heilungsbewährung ohne Rezidivgeschehen, Hinzukommen von Leiden 2

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Absenkung des GdB um 7 Stufen

Dauerzustand.“

Im Wege des Parteiengehörs räumte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die Möglichkeit ein zum eingeholten Gutachten binnen zwei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben und legte die Beschwerdeführerin daraufhin einen Brief der XXXX vom 09.01.2019 vor, in welchem die Problematik des Hirntumors der Beschwerdeführerin beschrieben wird.

In einer daraufhin von der belangten Behörde eingeholten Stellungnahme vom 17.01.2019 der bereits befassten allgemeinmedizinischen Sachverständigen führte diese aus, wie folgt:

„Stellungnahme zum nachgereichten Befund XXXX vom 09.01.2019

Zustand nach Hirntumor (Anaplastisches Ependymom) mit intensiver Strahlen- und Chemotherapeutische statt, Therapieende August 2013. Es bestehen wiederkehrende Schmerzen in den Beinen sowie auch Kopfschmerzen, sowie psychische Probleme. In Hinblick auf ihre Lebensqualität zeigt sich ein geringes körperliches und psychisches Wohlbefinden. Schwierigkeiten bestehen beim Lernen und Merken bei der Aufmerksamkeit und Konzentration sowie der Verarbeitungsgeschwindigkeit.

Da, nach Ablauf der 5-jährigen Heilungsbewährung, kein Rezidivgeschehen dokumentiert ist, musste der Behinderungsgrad, gemäß der geltenden Richtlinien, (EVO), abgesenkt werden, wobei auch die Folgebeschwerden, miterfasst sind. Insgesamt ergeben sich daher keine neuen Aspekte hinsichtlich noch nicht adäquat berücksichtigte, relevanter Leidenszustände, sodass an der bereits vorhandenen Beurteilung festgehalten wird.“

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17.01.2019 sprach die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle und wies den Antrag ab. In der Begründung des Bescheides verwies die belangte Behörde auf die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens, welche als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt wurden. Daraus ergebe sich ein Grad der Behinderung 30 v.H. und seien damit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt. Mit dem Bescheid wurde der Beschwerdeführerin das allgemeinmedizinische Gutachten vom 17.12.2018 sowie die ergänzende Stellungnahme vom 17.01.2019 übermittelt.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin das Rechtsmittel der Beschwerde und brachte darin im Wesentlichen vor, dass aus dem Gutachten nicht schlüssig hervorgehe, wie es zu dieser eklatanten Verbesserung des Grades der Behinderung von 100 % auf 30% gekommen sei. Aus dem Bescheid gehe nicht hervor, welche Arztbriefe und Stellungnahmen wie gewichtet wurden, um zu dieser Einschätzung zu kommen. Aus dem vorgelegten Arztbrief der XXXX vom 09.01.2019 gehe hervor, dass die Beschwerdeführerin regelmäßig zu Nachsorgeuntersuchungen erscheine. Des Weiteren habe die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Erkrankung und der damit verbundenen Behandlung mit körperlichen und vor allem auch psychosozialen Spätfolgen zu kämpfen. Sie habe wiederkehrende Schmerzen in den Beinen sowie auch Kopfschmerzen. Zudem würden sich Schwierigkeiten beim Lernen und Merken, bei der Aufmerksamkeit und Konzentration sowie der Verarbeitungsgeschwindigkeit zeigen.

Zusätzlich werde ein weiterer Bericht der behandelnden Psychotherapeutin vom 19.02.2019 in Vorlage gebracht, aus welchem hervorgehe, dass eine chronische und massive Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes nach wie vor gegeben sei.

Die Beschwerdeführerin stellte in ihrem Beschwerdeschreiben einen Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung.

Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 06.03.2019 zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Erkenntnis des ho. Gerichtes, Zl. 2215584-1/3E vom 27.03.2019 wurde die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

Der Verwaltungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 30.09.2020, Zl. Ra 2019/11/0066-8 das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf, und führte dazu Nachfolgendes aus:

„(…) So hat die Revisionswerberin mit ihrer Beschwerde das Schreiben einer Psychotherapeutin vorgelegt, wonach dieses „kürzlich“ einen epileptischen Anfall erlitten habe, was für die Einstufung der festgestellten Funktionseinschränkung „Epilepsie“ nicht von vornherein unmaßgeblich war (vgl. Position 4.10. der Einschätzungsverordnung). Demgegenüber beruht das vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegte ärztliche Gutachten noch darauf, dass die Revisionswerberin im dritten Jahr „anfallsfrei“ sei. Es stand daher keineswegs fest, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ, sodass die Voraussetzungen für das Absehen von der mündlichen Verhandlung gem. § 24 Abs. 4 VwGVG nicht vorlagen.

Auch bringt die Revision zu Recht vor, dass sich das Verwaltungsgericht nicht nachvollziehbar mit dem Arztbrief vom 9. Jänner 2019 genannten psychischen Problemen und neuropsychologischen Beeinträchtigungen befasst hat, zu denen die ärztliche Sachverständige in ihrer Stellungnahme vom 17. Jänner 2019 nur ausgeführt hat, dass die „Folgebeschwerden“ von der von ihr getroffenen Einschätzung „miterfasst“ seinen. Auch unter diesem Gesichtspunkt hätte das Verwaltungsgericht nicht von einem geklärten Sachverhalt ausgehen dürfen.“

Bezugnehmend auf die Entscheidung des VwGH wurde die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 18.11.2020 aufgefordert, im Sinne dieser Entscheidung entsprechende medizinische bzw. fachärztliche Beweismittel binnen einer Frist von vier Wochen vorzulegen. Seitens der Beschwerdeführerin wurden keine Beweismittel vorgelegt.

Mit Schriftstück vom 10.02.2021 wurde die vertretene Beschwerdeführerin, eine Dolmetscherin sowie die belangte Behörde zur öffentlichen mündlichen Verhandlung geladen. Seitens der belangten Behörde nahm kein Vertreter teil.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung und mit Schreiben vom 16.04.2021 wurden medizinische Beweismittel vorgelegt.

Zur Beurteilung der vorgelegten Beweismittel und Bezug nehmend auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin und unter Beiziehung eines Dolmetschers, vom 08.06.2021 eingeholt, in welchem Nachfolgendes ausgeführt wurde:

„Anamnese: Kommt in Begleitung eines Dolmetschers, der übersetzt. Es besteht ein Zustand nach Resektion eines Ependymoms Grad III li frontal und eine strukturelle Epilepsie zusätzlich besteht bei einem Discusprolaps L4/5 ein L5 Syndrom re mit Vorfußheberschwäche re

Nervenärztliche Betreuung: ambulante Betreuung im XXXX , seit 4/2 GZ XXXX

Subjektive derzeitige Beschwerden: Kopfschmerzen (wetterabhängig), epileptische Anfälle (zuletzt 3.6.21, 2020 insgesamt 7 Anfälle)

Sozialanamnese: lebt mit Mutter, Schwester, keine Beschäftigung, kein Pflegegeld, keine Erwachsenvertretung

Medikamente (neurologisch/psychiatrisch: Levebon 2x750mg, Vimpat 150mg, Analgetica b. Bed.

Neurostatus:

Die Hirnnerven sind unauffällig, die Optomotorik ist intakt, an den oberen Extremitäten bestehen keine Paresen.

Die Muskeleigenreflexe sind seitengleich mittellebhaft auslösbar, die Koordination ist intakt, an den unteren Extremitäten bestehen li keine Paresen, re Vorfußheber/Großzehenheberschwäche KG 4

Fersen/ Zehenspitzen/ Einbeinstand li. möglich re sehr erschwert die Muskeleigenreflexe sind seitengleich untermittellebhaft auslösbar. Die Koordination ist intakt, die Pyramidenzeichen sind an den oberen und unteren Extremitäten negativ. Die Sensibilität wird allseits als intakt angegeben, bis auf Hypästhesien re Ue distal betont

Das Gangbild ist ohne Hilfsmittel unauff.

Psychiatrischer Status:

Örtlich, zeitlich, zur Person und situativ ausreichend orientiert, keine Antriebsstörung, Auffassung regelrecht, Affekt ausgeglichen, Stimmungslage dysthym, in beiden Skalenbereichen affizierbar, keine Ein und Durchschlafstörung, keine produktive Symptomatik, keine Suizidalität.

Diagnosen:

Strukturelle Epilepsie      04.10.02   50%

Unterer Rahmensatz, da Anfälle mehrmals jährlich in Abständen von Monaten

Zustand nach anaplastischem Ependymom li frontal 04.01.01   30%

2 Stufen Über unterem Rahmensatz, da geringe Restparese re U Die Teilleistungsschwäche ist in der Position inkludiert.

Gesamt GdB 50%

Das führende Leiden wird durch Leiden Nr.2 nicht angehoben, da kein relevantes, ungünstiges Zusammenwirken.

Abl. 37-38, 35, 34: Von nervenfachärztlicher Seite wurde die Beurteilung geändert und der GdB erhöht, weil eine Anfallsfrequenz in Abstand von Monaten vorliegt unter weiter antiepileptischer Therapie. Die Kopfschmerzen werden nicht gesondert eingestuft bei Analgetikaeinnahme bei Bedarf.

Abl. 43/212+43/120,43/109, 43/92, 43/90 43/76:

Der Zustand nach Ependymom li frontal wurde entsprechend den objektivierbaren Funktionsausfällen eingestuft, eine gesonderte antidepressive med. Therapie findet nicht statt.

Zu dem bisherigen Ergebnis ergibt sich insofern eine Änderung, als die Epilepsie mit einem höheren GdB entsprechend der Anfallsfrequenz eingestuft wurde.“

Mit Schreiben vom 18.06.2021 wurden der vertretenen Beschwerdeführerin, nachweislich zugestellt am 22.06.2021, und der belangten Behörde gemäß § 45 Abs. 3 AVG das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nachweislich zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt binnen zwei Wochen ab Zustellung eine Stellungnahme abzugeben.

Es wurden keine Stellungnahmen eingebracht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Russischen Föderation und hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich.

Der Beschwerdeführerin wurde ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 100 v.H. befristet bis zum 31.12.2018 ausgestellt, basierend auf der Funktionseinschränkung Anaplastisches Ependymom mit Strahlen- und Chemotherapie.

Die Beschwerdeführerin stellte am 21.08.2018 einen Antrag auf Verlängerung des bis zum 31.12.2018 befristeten Behindertenpasses.

Der Grad der Behinderung wurde nach Ablauf der Heilungsbewährung und Verbesserung des Leidens unter Zugrundelegung eines allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens vom 17.12.2018 von 100 v.H. auf 30 v.H. herabgesetzt.

Das Bundesverwaltungsgericht holte ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vom 08.06.2021 ein.

Bei der Beschwerdeführerin liegen aktuell folgende dauernde Funktionseinschränkungen, beurteilt nach den Positionsnummern (= Pos.Nr.) der Anlage zur Einschätzungsverordnung (=EVO) vor, wobei es sich bei der Funktionseinschränkung 1 um das führende Leiden handelt:

Leiden 1 Strukturelle Epilepsie      04.10.02 50%

Leiden 2 Zustand nach Anaplastischem Ependymom li frontal  04.01.01 30%

Das führende Leiden 1 wird durch Leiden 2 nicht angehoben, da kein relevantes, ungünstiges Zusammenwirken besteht.

Die Strukturelle Epilepsie ist unter antiepileptischer Therapie mit einer Anfallsfrequenz mehrmals jährlich im Abstand von Monaten verbunden. Das Vorliegen von Kopfschmerzen ist in der Beurteilung dieses Leidens berücksichtigt, eine Einnahme von Analgetika findet bei Bedarf statt.

Der Zustand nach Anaplastischem Ependymom wurde entsprechend den objektivierbaren Funktionsausfällen eingestuft, eine gesonderte antidepressive medizinische Therapie findet nicht statt.

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt 50 v.H.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zum Wohnsitz, Behindertenpass und Antrag der Beschwerdeführerin ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zu den bei der Beschwerdeführerin aktuell vorliegenden Funktionseinschränkungen beruhen auf dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vom 08.06.2021, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin.

Die getroffene Einschätzung, basierend auf den im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen klinischen Befund, entspricht den festgestellten Funktionseinschränkungen.

In dem fachärztlichen Gutachten wurde auf die Art der Leiden und dessen Ausmaß ausführlich eingegangen.

In der mündlichen Verhandlung hatte die Beschwerdeführerin die Möglichkeit ihren gesundheitlichen Zustand darzulegen. Von der Vorsitzenden Richterin dazu befragt, gab die Beschwerdeführerin an, sie sei immer müde und habe in der Nacht einen epileptischen Anfall gehabt. Sie habe fast immer Kopf- und Beinschmerzen. Die Beschwerdeführerin gab weiters an, sie könne nicht lange sitzen und auch nicht lange gehen. Konkret zu ihren epileptischen Anfällen befragt, gab die Beschwerdeführerin an, fünf bis sechs Jahre nach ihrer Operation habe sie keine epileptischen Anfälle gehabt, im Jänner 2019 hätten die Anfälle begonnen, sie bekomme sie in unterschiedlichen Abständen, auch trotz der Einnahme von Medikamenten. Sie sei in regelmäßiger fachärztlicher Kontrolle.

Daraufhin wurden in der mündlichen Verhandlung seitens des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin ein ambulanter Patientenbrief vom XXXX vom 03.03.2021, ein neuropsychologisches Gutachten vom XXXX vom 02.03.2020 und ein Befund einer Epilepsie Ambulanz vom 12.01.2021 vorgelegt.

Auf den Vorhalt der Vorsitzenden Richterin, in einem Befund des XXXX werde dringend eine Vorstellung beim Psychiater bzw. Psychologen empfohlen, und die Frage, ob die Beschwerdeführerin in psychiatrischer oder psychologischer Behandlung sei, gab sie an eine Psychologin regelmäßig besucht zu haben, sie könne sich nicht mehr erinnern in welchem Zeitraum, aber sie glaube es sei drei oder vier Jahre lang gewesen. Die in der mündlichen Verhandlung anwesende Mutter der Beschwerdeführerin gab dazu an, es könnte auch sein, dass die Beschwerdeführerin vier oder fünf Jahre zur Psychotherapeutin gegangen sei, sie sei jedenfalls regelmäßig und immer pünktlich dort gewesen. Der Beschwerdeführerin wurde in der mündlichen Verhandlung eine Frist eingeräumt um Unterlagen betreffend ihre in Anspruch genommene Psychotherapie vorzulegen. In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin weiters vorgebracht, seit dem Jahr 2014 zwei Mal im Jahr eine Physiotherapie zu machen. Die Physiotherapien würden ihr helfen, sie fühle sich danach immer besser und könne ihre Füße besser bewegen.

Mit Schreiben vom 16.04.2021 wurde eine Bestätigung einer Psychotherapeutin vom 07.04.2021 vorgelegt, wonach die Beschwerdeführerin im Zeitraum 25.04.2017 bis 15.12.2020 psychotherapeutische Behandlungen im Ausmaß von 78 Therapieeinheiten in Anspruch genommen hat.

Der nach der mündlichen Behandlung - zur Beurteilung der Angaben der Beschwerdeführerin und der vorgelegten medizinischen Beweismittel – herangezogene Facharzt für Neurologie und Psychiatrie hat in seinem Gutachten vom 08.06.2021, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin, das Leiden 1 Strukturelle Epilepsie nach der EVO unter der Pos.Nr. 04.10.02 mit dem unteren Rahmensatz, da Anfälle mehrmals in Abständen von Monaten auftreten mit einem GdB von 50%, und Leiden 2 Zustand nach anaplastischem Ependymom li frontal unter der Pos.Nr. 04.01.01 mit dem unteren Rahmensatz, da geringe Parese re Ue mit einem GdB von 30% eingeschätzt. Der fachärztliche Sachverständige führte weiters aus, die Kopfschmerzen würden bei Einnahme von Analgetika bei Bedarf nicht gesondert eingestuft und seien in Leiden 1 mitberücksichtigt, Leiden 2 wurde entsprechend den objektivierbaren Funktionsausfällen eingestuft, eine gesonderte antidepressive medizinische Therapie findet nicht statt, die angeführte Teilleistungsschwäche ist inkludiert. Im Gutachten wurde weiters festgestellt, das führende Leiden 1 wird durch Leiden 2 nicht angehoben, da kein relevantes, ungünstiges Zusammenwirken besteht. Insgesamt ergibt sich aber zu dem bisherigen Ergebnis bzw. Vorgutachten vom 21.08.2018 insofern eine Änderung, als die Epilepsie mit einem höheren GdB entsprechend der Anfallsfrequenz eingestuft wurde.

Die Beschwerdeführerin hat im Rahmen des ihr zu diesem Ermittlungsergebnis (fachärztliches Sachverständigengutachten vom 08.06.2021) eingeräumten Parteiengehörs keine Stellungnahme abgegeben. Die Beschwerdeführerin ist dem vorliegenden fachärztlichen Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Sie hat kein Sachverständigengutachten oder eine sachverständige Aussage vorgelegt, in welcher die Auffassung vertreten worden wäre, dass die Annahmen und Schlussfolgerungen des befassten Sachverständigen unschlüssig oder unzutreffend seien.

Das vorliegende ärztliche Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie ist vollständig, schlüssig und frei von Widersprüchen, und es bestehen seitens des Bundesverwaltungsgerichtes keine Zweifel an der Richtigkeit des Gutachtensergebnisses und der erfolgten Beurteilung durch den Sachverständige. Das Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Antragstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Zu Spruchpunkt A) Stattgabe der Beschwerde

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1.       ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4.       für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5.       sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. 2r. 22/1970, angehören.

Gemäß § 40 Abs. 2 BBG ist Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hierzu ermächtigt ist.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers /§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetzes, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen sachverständigen einzuschätzen, wenn

1.       nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hierfür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorgesehen oder

2.       zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3.       ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

Gemäß § 45 Abs. 1 Bundesbehindertengesetz sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs. 2 Bundesbehindertengesetz ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 leg. cit. nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 35 Abs. 1 EStG steht dem Steuerpflichtigen, der außergewöhnliche Belastungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung hat und weder der Steuerpflichtige nach sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) erhält, ein Freibetrag gemäß Abs. 3 leg. cit. zu.

Gemäß § 35 Abs. 2 EStG bestimmt sich die Höhe des Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1.       in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hierfür maßgebenden Einschätzung,

2.       in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 162/2010, die die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständige Stelle nachzuweisen.

Zuständige Stelle ist:

-        der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947)-

-        Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

-        In allen übrigen Fällen sowie beim Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Arten das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; diese hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung diese Bestimmungen ergangen Bescheid zu erstellen.

Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung, BGBl. II 261/2010 idF BGBl II 251/2012 (Einschätzungsverordnung), lauten auszugsweise:

„Behinderung

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Wie bereits in der Beweiswürdigung ausgeführt, wurde das führende Leiden 1 durch das 2 nicht angehoben, da kein relevantes, ungünstiges Zusammenwirken gegeben ist.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.“

Betreffend die bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Leiden ist der Anlage zur Einschätzungsverordnung Nachfolgendes zu entnehmen:

„04      Nervensystem

04.01 Cerebrale Lähmungen

04.01.01 Leichten Grades 10 – 40 %

10 – 20 %: Feinmotorische Störung und Schwäche einzelner Muskelgruppen

30 – 40 %: Ausfall einzelner Muskelgruppen

04.10 Epilepsie

04.10.01 Leichte Formen mit sehr seltenen Anfällen 20 – 40 %

20 %: Nach 3 Jahren Anfallsfreiheit unter antikonvulsiver Therapie

30 – 40 %: Sehr seltene generalisierte große und komplex-fokale Anfälle mit einem Intervall von mehr als einem Jahr

Kleine und einfache fokale Anfälle mehrmals jährlich mit einem Intervall von Monaten

04.10.02 Mittelschwere Formen mit seltenen bis mäßig gehäuften Anfällen 50 – 80 %

50 %: Seltene Anfälle

Generalisierte große und komplex-fokale Anfälle mehrmals jährlich mit einem Intervall von Monaten

Kleine und einfache fokale Anfälle mehrmals monatlich mit einem Intervall von Wochen

80 %: Mittelmäßig gehäuft Anfälle

Generalisierte große und komplex-fokale Anfälle mehrmals monatlich mit einem

Intervall von Wochen

Kleine und einfache fokale Anfälle mehrmals monatlich mit einem Intervall von Tagen

bei Kindern: zusätzlich mittelgradige Retardierung, umfassende Lernunterstützung“

Da in dem gegenständlichen fachärztlichen Sachverständigengutachten, das vom Bundesverwaltungsgericht als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei gewertet wurde, ein Grad der Behinderung von 50 v.H. festgestellt wurde, sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses erfüllt.

Daher war spruchgemäß zu entscheiden und der Beschwerde stattzugeben.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Ersatzentscheidung Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W166.2215584.1.00

Im RIS seit

11.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten