TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/11 W163 2206885-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.10.2021
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Entscheidungsdatum

11.10.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch


W163 2206885-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Daniel Leitner als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn XXXX , geboren am XXXX , StA. Nepal, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.08.2018, Zahl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Z 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 Asylgesetz 2005 idgF., § 9 BFA-Verfahrensgesetz idgF. und §§ 52, 55 Fremdenpolizeigesetz idgF. als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

I.1. Verfahrensgang

a)       Erster Antrag auf internationalen Schutz

1.       Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) reiste unrechtmäßig und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 10.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF.

2.       Am selben Tag fand die Erstbefragung des BF vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt.

3.       Am 04.05.2016 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen.

4.       Mit Bescheid des BFA vom 14.06.2016, Zahl XXXX wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 10.01.2016 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung des Antrags gemäß Art 22 Abs. 7 iVm 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 Kroatien zuständig sei (Spruchpunkt I.). Es wurde gemäß § 61 Abs. 1 FPG gegen den BF die Außerlandesbringung angeordnet und die Abschiebung nach Kroatien gemäß § 61 Abs. 2 FPG für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.).

5.       Gegen diesen rechtswirksam zugestellten Bescheid erhob der BF fristgerecht am 04.07.2016 vollinhaltlich Beschwerde.

6.       Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (im Folgenden: BVwG) vom 14.07.2016 wurde die Beschwerde des BF vom 04.07.2016 gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

7.       Mit Schreiben vom 05.10.2016 suchte der BF, da die sechsmonatige Überstellungsfrist im Dublin-Verfahren abgelaufen sei, um Zulassung zum Asylverfahren in Österreich an und stellte am 07.10.2016 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz.

b)              Zweiter Antrag auf internationalen Schutz und gegenständliches Verfahren

1.       Am 07.10.2016 fand eine Erstbefragung des BF vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt.

2.       Am 13.06.2017 wurde der BF vor dem BFA niederschriftlich einvernommen.

3.       Der BF brachte am 01.08.2017 eine Stellungnahme ein.

4.       Am 14.02.2018 wurde der Führerschein des BF mit der Nummer XXXX sichergestellt.

5.       Mit Schriftsatz vom 05.06.2018 legte der BF Unterlagen hinsichtlich seiner Integrationsbemühungen vor.

6.       Am 10.07.2018 übermittelte das Bundesministerium für Inneres einen Untersuchungsbericht hinsichtlich des am 14.02.2018 sichergestellten Führerscheins, demzufolge es sich bei dem Dokument um eine Totalfälschung handle.

7.       Mit im Spruch angeführten Bescheid des BFA vom 21.08.2018 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nepal (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem BF wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und weiters gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Nepal zulässig sei (Spruchpunkt V.). Nach § 55 Abs 1 bis 3 FPG wurde als Frist für seine freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.).

8.       Gegen diesen am 24.08.2018 rechtswirksam zugestellten Bescheid erhob der BF fristgerecht am 20.09.2018 vollinhaltlich Beschwerde.

9.       Das BFA legte die Beschwerde sowie die bezughabenden Verwaltungsakten dem BVwG am 03.10.2018 vor.

10.      Am 15.12.2018 erging gegen den BF ein Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien wegen § 82 Abs. 1 SPG und § 1 Abs. 1 Z 2 WLSG. Gegen ihn wurde eine Geldstrafe in Höhe von EUR 424,03 verhängt.

11.      Am 27.12.2018 meldete der BF das Gewerbe „Botendienst“ beim Magistrat der Stadt Wien an. Die Gewerbeberechtigung endete am 27.02.2019.

12.      Am 21.08.2020 erging ein Strafbescheid gegen den BF, da dieser eine Übertretung nach dem MeldeG begangen habe.

13.      Am 02.06.2021 erging ein Strafantrag der Finanzpolizei gegen Herrn XXXX , da dieser den BF entgegen der Bestimmungen der § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z 1 lit a AuslBG in seinem Restaurant unerlaubt beschäftigt habe.

14.      Am 01.09.2021 fand vor dem BVwG eine mündliche Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit des BF statt. Dieser verzichtete ausdrücklich auf die Teilnahme seiner rechtsfreundlichen Vertretung. Ein Behördenvertreter nahm an der Verhandlung nicht teil. Der BF legte in der Verhandlung Unterlagen hinsichtlich seiner Integrationsbemühungen vor.

15.      Am 02.09.2021 übermittelte das BVwG dem BF die Verhandlungsschrift der Beschwerdeverhandlung seiner ehemaligen Lebensgefährtin XXXX (GZ W163 2206881-1) und räumte ihm die Möglichkeit ein, binnen zwei Wochen dazu eine Stellungnahme abzugeben. Der BF wurde darauf hingewiesen, dass die Entscheidung in seiner Beschwerdesache unter Berücksichtigung der Angaben seiner ehemaligen Lebensgefährtin erfolgen werde, gab jedoch binnen der gesetzten Frist keine Stellungnahme ab.

I.2. Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (Sachverhalt)

Das BVwG geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgebenden Sachverhalt aus:

a) Zur Person der beschwerdeführenden Partei

1. Zur Person des Beschwerdeführers

Der BF führt den Namen XXXX und ist am XXXX im Dorf XXXX , Bezirk XXXX , Distrikt Dhading (Nepal) geboren. Er ist nepalesischer Staatsangehöriger, spricht muttersprachlich Nepali, gehört der Volksgruppe der XXXX an und bekennt sich zur Religionsgemeinschaft der Buddhisten. Er war in Besitz eines nepalesischen Führerscheins mit der Nummer XXXX , der in Österreich sichergestellt wurde und bei dem es sich um eine Totalfälschung handelte.

Der BF heiratete etwa 2014 in Nepal eine Frau namens XXXX , die der Kaste der XXXX angehört, in einem Tempel nach traditionellem Ritus, wobei dies keiner vor den nepalesischen Behörden anerkannten Eheschließung gleichzusetzen war. Die Ehe ist daher auch in Österreich nicht rechtsgültig. Er wohnte mit seiner Frau im Herkunftsstaat ca. ein Jahr im Dorf XXXX , Distrikt Chitwan und reiste, nachdem deren Haus vom Erdbeben im April 2015 zerstört wurde, gemeinsam mit ihr nach Österreich. Mittlerweile leben die beiden in Trennung. Der BF hat keine Kinder.

Im Herkunftsstaat leben noch die Eltern, die zwei Brüder und eine Schwester des BF sowie sechs Onkel und zwei Tanten. Ob er zu diesen noch Kontakt hat, konnte nicht festgestellt werden. In Österreich hat der BF hingegen keine Verwandten und verfügt auch sonst über keine nennenswerten sozialen Bindungen.

Der BF besuchte in Nepal etwa zehn bis zwölf Jahre die Grundschule und arbeitete nachher als Küchengehilfe. Er begann auch eine Ausbildung zum Koch, die er jedoch nicht abschloss. Überdies war er seit seiner Kindheit bis zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt in der familieneigenen Landwirtschaft tätig.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig.

Er verließ 2015 gemeinsam mit Frau XXXX seinen Herkunftsstaat und begab sich auf den Weg nach Europa, wo er etwa im Jänner 2016 unrechtmäßig und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet einreiste, am 10.01.2016 den ersten und am 07.10.2016 den verfahrensgegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz stellte.

2. Zur Rückkehrmöglichkeit nach Nepal

Festgestellt wird, dass der BF in seinem Herkunftsstaat weder vorbestraft ist noch jemals inhaftiert wurde und auch mit den Behörden des Herkunftsstaates weder auf Grund seines Religionsbekenntnisses, seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder aus politischen Gründen noch sonst irgendwelche Probleme hatte.

Der BF ist in Nepal keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt. Gründe, die eine Verfolgung oder sonstige Gefährdung des BF im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Nepal aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen, wurden vom BF nicht glaubhaft gemacht.

Sein Vorbringen zu den Gründen für seine Ausreise aus Nepal ist nicht glaubhaft. Der BF konnte nicht glaubwürdig darstellen, er sei aufgrund der Eheschließung mit einer Frau, die aus einer anderen Kaste als er stamme, einer Verfolgung durch seine bzw. ihre Familie ausgesetzt gewesen.

Es kann zudem nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nepal in seinem Recht auf Leben gefährdet wird, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wird oder eine Rückkehr für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

Festgestellt wird, dass die aktuell vorherrschende – Nepal, mit Stand 05.10.2021, von 797 000 Erkrankungen und 11 164 Todesfällen – COVID-19-Pandemie kein Rückkehrhindernis darstellt. Der BF ist grundsätzlich gesund und gehört mit Blick auf sein Alter und das Fehlen physischer (chronischer) Vorerkrankungen keiner spezifischen Risikogruppe betreffend COVID-19 an. Es besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der BF bei einer Rückkehr nach Nepal, sollte er überhaupt an COVID-19 erkranken, eine Infektion mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus erleiden würde.

3. Zur Situation des Beschwerdeführers in Österreich

Der BF befindet sich seit seiner unrechtmäßigen Einreise im Jänner 2016 durchgehend in Österreich.

Er besuchte bisher zwei Deutschkurse und verfügt über mäßige Deutschkenntnisse, sodass er sich im Alltag in einfachem Deutsch teilweise verständigen kann, absolvierte jedoch bisher keine Deutschprüfungen. Er ist Mitglied des in Österreich situierten nepalesischen Vereins XXXX , von dem er eine Bestätigung vorlegte, der zufolge er als Mitglied hilfsbereit sei und eine aktive Rolle in der Gestaltung des Vereins spiele. Er spielt in Österreich regelmäßig Volleyball und konnte ein Empfehlungsschreiben vorlegen, demzufolge er sehr motiviert, zielstrebig und fleißig sei. Das Schreiben enthielt auch eine Einstellungszusage im Restaurant XXXX , für den Fall, dass der BF eine Aufenthaltsberechtigung erhalte. Es wurden jedoch weder genauere Angaben zu Inhalt bzw. Ausmaß der Beschäftigung oder Gehalt angeführt noch ist es mit einem Datum versehen.

Der BF meldete am 27.12.2018 im Bundesgebiet das Gewerbe „Botendienst“ an, wobei die diesbezügliche Berechtigung am 27.02.2019 endete. Er arbeitete in Österreich 2021 in einem nicht feststellbaren Zeitraum als Koch in einem Restaurant, ohne dabei über die dafür erforderliche arbeitsmarktrechtliche Genehmigung zu verfügen und wurde am 27.05.2021 von der Finanzpolizei bei der Ausübung seiner Tätigkeit betreten. Es handelt sich dabei um dasselbe Restaurant, von dem der BF das Empfehlungsschreiben bzw. die Einstellungszusage erhielt.

Abgesehen von seiner Vereinsmitgliedschaft, seinen mäßigen Deutschkenntnissen und seiner illegalen Beschäftigung konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration in Österreich in wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

Der BF bezieht derzeit keine Leistungen aus der Grundversorgung und ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Er trat jedoch bereits verwaltungsstrafrechtlich in Erscheinung. So wurde gegen ihn mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom 25.12.2018 wegen der Erregung ungebührlicherweise störenden Lärms nach § 1 Abs. 1 Z 2 WLSG sowie aggressivem Verhalten gegenüber Organen der öffentlichen Aufsicht gemäß § 82 Abs. 1 SPG eine Geldstrafe in Höhe von EUR 424,03 verhängt. Weiters erging am 21.08.2020 ein Strafbescheid, weil der BF gegen Vorschriften des MeldeG verstieß.

b) Zur Lage im Herkunftsstaat

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Nepal, Gesamtaktualisierung am 10.02.2021:

Länderspezifische Anmerkungen

Politische Lage

Nach der neuen Verfassung von 2015 ist Nepal in sieben?Bundesstaaten gegliedert, die wiederum in insgesamt 75 Distrikte aufgeteilt sind (GIZ 1.2021). Die Hauptlandessprache ist Nepalesisch (CIA 5.2.2021). Regierungsform ist eine parlamentarische Mehrparteien-Demokratie (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 24.9.2020a), die nach dem zehnjährigen Bürgerkrieg (1996–2006) entstand (GIZ 1.2021). Staatsoberhaupt ist seit 28.10.2015 die Präsidentin Bidya Devi Bhandari (AA 24.9.2020a).

Nepal war 240 Jahre lang eine hinduistische Monarchie (GIZ 1.2021). Die heutige Verfassung Nepals sowie die innenpolitische Agenda sind Ergebnis des konfliktreichen Übergangs zur Republik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. 1991 sah sich die monarchische Regierung auf Druck der politischen Parteien gezwungen, eine Reform der Verfassung in Angriff zu nehmen und ein Mehrparteienparlament zu etablieren (GIZ 1.2021). Zwischen 1996 und 2006 gab es einen Bürgerkrieg, der von maoistischen Rebellen gegen die Sicherheitskräfte des Landes geführt wurde (CIA 5.2.2021). Er forderte im Verlauf von zehn Jahren rund 13.500 Todesopfer (LMD 9.3.2012). Mehr als 1.300 Menschen gelten noch immer als vermisst (IKRK 31.8.2018). Die Anfang April 2008 gewählte erste verfassungsgebende Versammlung erklärte in ihrer konstituierenden Sitzung Nepal zur Demokratischen Bundesrepublik, setzte den König ab und wählte den ersten Präsidenten des Landes (CIA 5.2.2021). Die zweite verfassungsgebende Versammlung wurde in allgemeinen Wahlen am 19. November 2013 gewählt (GIZ 1.2021). Instabile Koalitionsregierungen kamen und gingen und elf Premiers lösten einander seit dem Ende des Bürgerkrieges bis 2018 ab. Das verheerende Erdbeben von 2015 destabilisierte das Land, das ärmer ist als die in der Region liegenden Staaten Bhutan, Pakistan und Bangladesch, zusätzlich (DW 4.4.2018).

In den im November und Dezember 2017 abgehaltenen Parlaments- und Provinzwahlen erhielten die Vereinte Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (CPN-UML) und ihr Bündnispartner, die Kommunistisch-Maoistische Zentrumspartei (CPN-MC), 121 bzw. 53 Sitze im Unterhaus, welches über 275 Sitze verfügt. Bei der bislang stärksten Partei Nepali Congress (NC) verfehlten dagegen viele Politiker den Wiedereinzug ins Parlament. In der südlichen Provinz Nr. 2 erhielten zwei Parteien, welche die Minderheit der Madhesi vertreten, eine parlamentarische Mehrheit. Das linke Bündnis der Kommunisten verstärkte seine Position noch, indem es eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Senat erhielt. Nach dem überwältigenden Wahlsieg des linken Bündnisses hat der Führer der CPN-UML Khadga Prasad Sharma Oli das Amt des Premierministers Nepals als Nachfolger von Sher Bahadur Deuba angetreten (GIZ 1.2021; vgl. DS 14.2.2018).

Auf nationaler Ebene wird Nepal ein Bestehen von demokratischen Institutionen attestiert. Obwohl die Legitimität der allgemeinen Souveränität des Staates und die territorialen Ansprüche innerhalb seiner internationalen Grenzen prinzipiell unbestritten sind, steht die Beschaffenheit der internen Machtstrukturen des Staates - sowohl geografisch als auch politisch - zur Diskussion. Dies wurde durch die enge Beziehung zwischen Nepals ziviler Regierung und seinen Streitkräften verkompliziert, die sich mit der maoistischen politischen Partei (CPN-M und jetzt NCP) an der Macht und mit der Integration einer beträchtlichen Anzahl ehemaliger maoistischer Kämpfer in die nepalesische Armee (NA) von 2012 bis 2014 noch verstärkt hat (BS 29.4.2020). Geleitet wird die NCP vom langjährigen Führungspersonal der beiden Vorgängerparteien, das bestrebt ist, den eigenen Einfluss nicht zu verlieren (BS 18.1.2021).

Der seit 2006 andauernde, langsame und fragile Friedensprozess hat dazu beigetragen, dass das Gewaltmonopol des Staates in vielen Teilen des Landes gestärkt wurde (BS 29.4.2020). Eine Reihe von kompetitiven Wahlen wurde abgehalten und eine dauerhafte Verfassung verabschiedet (FH 4.3.2020).

Doch wurde Ende Dezember 2020 als Folge eines schwelenden Machtkampfes innerhalb der regierenden NCP durch Premierminister Oli überraschend das Parlament aufgelöst (BS 18.1.2021). Vorgezogene Neuwahlen sollen in zwei Wahlgängen Ende April und im Mai 2021 stattfinden und damit mehr als ein Jahr vor dem regulären Termin (BAMF 11.1.2021).

Gerüchte um eine Spaltung der 2018 geschlossenen Allianz der von Oli geführten CPN-UML und dem CPN-MC unter Pushpa Kamal Dahal haben schon länger bestanden. Als Gründe wurden wiederholt die Unzufriedenheit mit der Arbeit des Premiers in der COVID-Pandemie aufgeführt. Auch seine Annäherung an China, die zu Spannungen mit dem traditionellen nepalesischen Partner Indien geführt haben, werden kritisiert (BS 18.1.2021; vgl. BAMF 11.1.2021).

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage bleibt vor allem in urbanen Zentren wie Kathmandu und Pokhara angespannt (BMEIA 22.1.2021). Nach der erfolgreichen Durchführung der Parlaments- und Lokalwahlen sowie der Arbeitsaufnahme der neuen Amtsträger im Frühling 2018 befindet sich Nepal in einer Konsolidierungsphase. Die politische Lage bleibt fragil. Im ganzen Land, einschließlich Kathmandu, werden sporadisch Anschläge mit kleineren Sprengsätzen verübt. Sie verursachen vereinzelt Todesopfer und Verletzte sowie Sachschaden (EDA 21.12.2020). Es kommt vereinzelt zu kurzfristig ausgerufenen „Bandhs“ [Generalstreiks, welche von kommunalen Akteuren oder politische Parteien ausgerufen werden können]. Diese Protestaktionen können das öffentliche Leben empfindlich stören. Besonders in Terai ist mit Protestaktionen und gewaltsamen, unter Umständen gefährlichen Auseinandersetzungen zu rechnen (AA 12.1.2021).

Kriminelle Organisationen und andere Gruppierungen erpressen in vielen Landesteilen nationale und internationale Organisationen, Geschäftsleute und Einzelpersonen und setzen Forderungen teilweise mit Gewalt durch (AA 12.1.2021).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2019 insgesamt 13 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt. Im Jahr 2020 wurde eine Person durch terroristische Gewalt getötet. Im Jahr 2021 wurden bis zum zum 24.1.2021 keine Opfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 24.1.2021).

Während es in der Vergangenheit Anlass zur Besorgnis über Maßnahmen der Indischen Grenzsicherheitskräfte im unmittelbaren Grenzgebiet gegeben hat, haben sich diese vereinzelten Vorfälle in letzter Zeit nicht intensiviert. Jedoch haben die offensiven Tätigkeiten durch chinesische Grenztruppen entlang der nördlichen Grenze zur autonomen tibetischen Region Chinas zugenommen. Berichten zu Folge fanden grenzüberschreitende Aktionen durch chinesische militärische Kräfte statt (BS 29.4.2020).

Nepal und Indien:

Der Nachbar Indien spielt durch die geographische und kulturelle Nähe für Nepal traditionell eine große Rolle. Neu-Delhi unterstützte das Land auf dem Weg zur Mehrparteien-Demokratie und sendete 2015 als erstes große Mengen Hilfsgüter in die Erdbebenregion. Die Hilfe ist dabei nicht ganz selbstlos (DW 4.4.2018). Nepal ist mit seinem „großer Bruder“ sehr eng verbunden (GIZ 1.2021), auch wenn seit 2015 eine stetige Schwächung der Beziehungen zwischen Indien und Nepal stattfindet (GW 2021).

Nepal beansprucht strategisch wichtiges Terrain im Himalaya, das auch von Indien beansprucht wird. In dem betroffenen Gebiet sind seit Jahrzehnten indische Truppen stationiert. Nepal veröffentlichte 2020 eine neue Landkarte, die das beanspruchte Gebier Nepal zuordnet, nachdem Indien begonnen hatte, eine neue Straße durch das umstrittene Gebiet zu bauen. Einen Grenzvertrag, den das Land mit dem damaligen britischen Kolonialreich Indien 1816 geschlossen hatte, interpretieren beide Länder zu ihrem Vorteil. Indien ist auch mit China in Grenzstreitigkeiten verwickelt (DS 18.6.2020)

Nepal und China:

Die Beziehungen zwischen China und Nepal haben sich in den letzten Jahren intensiviert (BS 29.4.2020). Nepal wendet sich zunehmend an China als Partner und verstärkt die Investitions- und Handelsbeziehungen, einschließlich der Einbindung an Chinas „Belt and Road“-Initiative (HRW 13.1.2021).

Ein gemeinsames Projekt zwischen China und Nepal sieht derzeit den Bau einer Eisenbahnlinie vor, die die westliche Region Tibets mit Nepal verbinden soll. Dieses Projekt war eines von mehreren bilateralen Abkommen, die während des Besuchs des nepalesischen Premierministers Khadga Prasad Sharma Oli in Peking im Juni 2018 unterzeichnet wurden (BS 29.4.2020). Darüber hinaus wird kolportiert dass im Oktober 2019 Abkommen über ein „System zum Grenzmanagement“ und einem Abkommen zur „Gegenseitigen juristischen Hilfe bei Kriminalfällen“ zwischen den beiden Staaten ausgehandelt wurden (GSTF 21.2.2020; vgkl. HRW 13.1.2021). Andere Quellen berichten, dass zwischen Nepal und China kein solches Auslieferungsabkommen besteht, aber seit Oktober 2019 eine gemeinsame Erklärung zur Bekämpfung von Kriminalität existent ist (BAMF 13.1.2021; vgl. BW 16.10.2019).

Die geografische Lage Nepals erfordert eine Politik der guten Nachbarschaft und einen entsprechenden Ausgleich der Interessen des Binnenstaates gegenüber den beiden Großmächten (GIZ 21.2021b; vgl. ORF 31.7.2020).

Sicherheitsbehörden

Die Armee (einschließlich Luftgeschwader) wird für die Verteidigung des Landes gegen einen Angriff von außen eingesetzt. Die dem Innenministerium unterstehende der Nepal Police (NP) ist die Durchsetzung von Recht und Ordnung eingesetzt, während die Armed Police Force (APF) für die Terrorismusbekämpfung, die Gewährleistung der Sicherheit während Ausschreitungen und öffentlichen Unruhen, Unterstützungsleistungen bei Naturkatastrophen und für den Schutz wichtiger Infrastruktur zuständig ist. NP und APF verfügen jeweils über eine Menschenrechtsabteilung (HRS), die National Army (NA) über eine Menschenrechtsdirektion (HRD). Die Untersuchungen der NA waren nach Ansicht von Menschenrechts-NGOs nicht vollständig transparent (USDOS 11.3.2020; vgl. CIA 5.2.2021).

Von den Polizeikräften werden schwere Formen von Misshandlungen eingesetzt, um Geständnisse zu erzwingen (USDOS 11.3.2020; vgl. AI 10.2020). Im Zeitraum von Juni 2015 bis September 2020 wurden in den nepalesischen Massenmedien von mindestens 20 Todesfällen in Polizeigewahrsam berichtet (TW 22.6.2020; vgl. TH 14.9.2020). Eine genaue Anzahl der in Polizeigewahrsam verstorbenen Personen ist nicht verfügbar, da vom Department of Prison Management und dem nepalesischen Polizeipräsidium keine Aufzeichnungen über solche Vorfälle geführt werden (TKP 3.7.2020).

Zwar werden Vorwürfe gegen die Sicherheitskräfte untersucht, jedoch werden die Verantwortlichen nicht systematisch zur Verantwortung gezogen (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020). Sicherheitskräften, welchen vorgeworfen wird, in den letzten Jahren exzessive Gewalt angewendet zu haben, sehen sich, ebenso wenig wie die meisten Täter aus der Zeit des Bürgerkrieges [1996-2006], keiner nennenswerten Rechenschaftspflicht ausgesetzt (USDOS 11.3.2020; vgl. AI 10.2020). Es gibt keine Anzeichen einer Abkehr von der Praxis polizeilicher Misshandlungen (USDOS 11.3.2020).

Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassung verbietet Folter (USDOS 11.3.2020). Das neue Strafgesetz, welches durch das Parlament im August 2017 verabschiedet wurde, enthält Bestimmungen, welche Folter und andere Misshandlungen unter Strafe stellen und Verstöße dagegen, mit einer Höchststrafe von fünf Jahren ahnden (AI 10.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Ein eigenständiges Anti-Folter-Gesetz, welches im Parlament seit 2014 anhängig bleibt, entspricht bei weitem nicht den völkerrechtlichen Anforderungen (AI 10.2020).

Nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten und Rechtsexperten nutzt die Polizei dennoch schwerste Formen des Missbrauchs sowie Misshandlungen, um Geständnisse zu erzwingen (USDOS 11.3.2020; vgl. AI 10.2020, DFAT 1.3.2019).

Die lokale Menschenrechts-NGO Advocacy-Forum (AF) berichtet, dass tendenziell keine Anzeichen für größere Veränderungen des polizeilichen Missbrauchs im ganzen Land bestehen, weist aber darauf hin, dass die Polizei zunehmend der Forderung der Gerichte nach einer medizinischen Voruntersuchung der Häftlinge nachkommt. Die Terai Human Rights Defenders Alliance (THRDA), eine weitere lokale NGO, erklärt, dass Folteropfer oftmals aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen zögern, Beschwerden wegen polizeilicher oder anderer offizieller Einschüchterungen einzureichen. Laut THRDA haben die Gerichte viele Fälle von angeblicher Folter mangels glaubwürdiger Beweise, insbesondere medizinischer Unterlagen, abgewiesen. In Fällen, in denen Gerichte Entschädigung gewährten oder Disziplinarmaßnahmen gegen die Polizei anordneten, werden die Entscheidungen laut THRDA und anderen NGOs selten umgesetzt (USDOS 11.3.2020). Von Einsatz von Folter gegen Frauen und Kinder wird berichtet (DFAT 1.3.2021; vgl. HRCH 2019).

THRDA berichtet, dass 2017 34 Prozent der Häftlinge in Polizei-Haftanstalten im südlichen Terai-Gürtel des Landes körperlichem und/oder psychischem Missbrauch ausgesetzt waren. Nach Angaben der Nepal Police Human Rights Section (HRS) wurden viele dieser mutmaßliche Vorfälle von keiner Polizeibehörde offiziell gemeldet oder untersucht (USDOS 11.3.2020).

Es wurden keine Fälle von Foltervorwürfen in der Zeit des Bürgerkrieges an die Strafjustiz herangetragen (USDOS 11.3.2020).

Allgemeine Menschenrechtslage

Der ohnehin schwache Staatsapparat und die geringe Leistungsfähigkeit der Justiz sorgen dafür, dass Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechtsschutz auch weiterhin nicht verwirklicht werden. Aspekte der Verfassung von 2015 wie etwa ein uneingeschränktes Begnadigungsrecht des Präsidenten tragen dazu bei, dass die politische Elite nur selten mit Konsequenzen für illegale Handlungen rechnen muss (BS 29.4.2020). Es wurde versäumt, gut dokumentierte Fälle von Menschenrechtsverletzungen aus der Zeit des Bürgerkrieges strafrechtlich zu verfolgen (BS 29.4.2020; vgl. HRW 20.11.2020). Menschenrechtsorganisationen in Nepal fordern von der Regierung das Schicksal der im Bürgerkrieg verschwundenen, verschleppten und ermordeten Menschen aufzuklären (GIZ 1.2021b). Die beiden Übergangsjustizbehörden, die Wahrheits- und Versöhnungskommission (TRC) und die Commission of Investigation on Enforced Disappeared Persons (CIEDP), haben über 60.000 Beschwerden erhalten, aber keine der beiden Kommissionen hat irgendwelche der vorgebrachten Fälle abgeschlossen. Die Regierung hat es verabsäumt, auf Bedenken einzugehen, wonach es den beiden Kommissionen an Unabhängigkeit mangle. Im Januar [2021] wurden neue Kommissare für beide Gremien ernannt (HRW 13.1.2021).

Zu weiteren Menschenrechtsproblemen gehören unrechtmäßige oder willkürliche Tötungen, Folter, willkürliche Inhaftierung, Blockaden von Internet-Seiten, Verleumdung, Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigung, übermäßig restriktive Gesetze gegenüber Nichtregierungsorganisationen (NGO), Korruption, Menschenhandel, frühe und erzwungene Heirat, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen, insbesondere von gebietsansässigen Tibetern, sowie der Einsatz von Zwangs-, Pflicht- und Kinderarbeit (USDOS 11.3.2020; vgl. AI 10.2020).

Jegliche Diskriminierung auf der Basis der Kastenzugehörigkeit ist von der nepalesischen Verfassung verboten. Trotzdem werden Angehörige „unberührbarer Kasten“ (Dalits) vielfach ausgegrenzt (GIZ 1.2021; vgl. AI 10.2020). Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Kaste, der sozialen Klasse, der Ethnie, der sexuellen Orientierung oder der Religion sind weit verbreitet (USDOS 11.3.2020; vgl. IHR 17.8.2019). Zuverlässige Daten über die Diskriminierung von sexuellen Minderheiten liegen nicht vor, doch wird über Benachteiligungen Angehöriger sexueller Minderheiten berichtet (USDOS 11.3.2020). Nepal hat es verabsäumt, wichtige Verpflichtungen zum Schutz der Menschenrechte und der Bekämpfung anhaltender Diskriminierung umzusetzen (AI 10.2020).

Die Durchsetzung der geltenden Gesetze gegen Zwangsarbeit ist uneinheitlich und die soziale Wiedereingliederung der Opfer bleibt schwierig. Die Ressourcen, Inspektionen und Abhilfemaßnahmen stellen sich ungenügend dar und die Strafen bei Rechtsverletzungen sind nicht ausreichend, um Verstößen vorzubeugen (USDOS 11.3.2020).

Hunderttausende Menschen, fast 70 Prozent der Betroffenen des Erdbebens von 2015, leben noch immer in Notunterkünften. Die Regierung hat einen Nachweis des Grundbesitzes als Bedingung für den Erhalt einer Wiederaufbauförderung festgelegt. Da jedoch bis zu 25 Prozent der Bevölkerung dieses Kriterium nicht erfüllt haben, sind zehntausende Betroffene nicht förderfähig. Die Situation betrifft vor allem marginalisierte und benachteiligte Gruppen, darunter Frauen, Dalits, wie auch andere ethnische Minderheiten und Kasten (AI 22.2.2018).

Religionsfreiheit

Die Verfassung legt das Land als „säkularen Staat“ fest (USDOS 10.6.2020; vgl. GIZ 1.2021b), definiert aber Säkularismus als „Schutz der uralten Religion und Kultur und religiöse und kulturelle Freiheit" (USDOS 10.6.2020). Die Verfassung bezieht sich dabei auf die besondere Schutzwürdigkeit von „Sanatana" (einem Sanskrit-Ausdruck), der den Hinduismus bezeichnet (BS 29.4.2019).

Die Religion ist Grundlage der traditionellen Kultur in Nepal. Nicht nur religiöse Praktiken, sondern auch Feste und Feiern, Literatur, Kunst und Architektur, Sitten und Bräuche, oder auch der Ablauf des täglichen Lebens, sind von der Religion geprägt. Die wechselvolle Geschichte des Landes hat entscheidend auch die Religion beeinflusst und die besondere Beziehung zwischen Hinduismus und Buddhismus in Nepal bewirkt (GIZ 1.2021b). Hinduismus und Buddhismus sind mit dem Tantrismus, sowie Resten animistischer Urreligionen, welche sämtliche Dinge mit einer Vielzahl von guten und bösen Geistern als beseelt betrachten, miteinander verwoben. Viele Feste werden gemeinsam, teils mit unterschiedlichen Inhalten, gefeiert. Buddhistische und hinduistische Kultstätten stehen nebeneinander oder werden auch gemeinsam genutzt (GIZ 1.2021b; vgl. DFAT 1.3.2019).

Das religiöse Weltbild besteht aus einem Nebeneinander religiöser Richtungen, Schulen und Theorien. Diese Art von Synkretismus macht die Einteilung in Religionsgruppen nur bedingt möglich: Dem letzten Zensus (2011) nach bekennen sich rund 80 Prozent der Gesamtbevölkerung zur ehemaligen Staatsreligion, dem Hinduismus, rund ein Zehntel sind Anhänger des Buddhismus, Muslime bilden vier Prozent und Kirati drei Prozent der Bevölkerung. Christen, Sikhs, Jainas und Bön bilden kleine religiöse Minderheiten mit etwa 0,4 Prozent (GIZ 1.2021b).

Die Verfassung legt fest, dass jede Person das Recht hat, ihre Religion zu bekennen, auszuüben und zu schützen. Während der Ausübung dieses Rechts verbietet die Verfassung Einzelpersonen, sich an Handlungen zu beteiligen, die „gegen die öffentliche Gesundheit, den Anstand und die Moral“ verstoßen oder die „die öffentliche Rechts- und Ordnungslage beeinträchtigen.“ Es ist verboten, andere Personen von einer Religion zu einer anderen zu bekehren oder die Religiosität anderer zu stören. Zuwiderhandlungen stehen unter Strafe (USDOS 10.6.2020; vgl. DFAT 1.3.2019).

Von lokalen Vorfällen zwischen religiösen Gruppen und Diskriminierungen wird berichtet (DFAT 1.3.2019).

Buddhisten

Buddhisten machen offiziell nur etwa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung Nepals aus. Allerdings betrachten sich viele Nepalis sowohl als Hindu als auch als Buddhisten und teilen sich oft Tempel und Rituale der Anbetung (GIZ 1.2021b; vgl. DFAT 1.3.2019). Die größte Konzentration von Buddhisten findet sich in den östlichen Hügeln, im Kathmandutal und im zentralen Terai. Buddhas Geburtsort in Lumbini (im Süden Nepals) ist ein bedeutender Pilgerort. Die seit langem bestehende Stellung des Buddhismus in der nepalesischen Gesellschaft, zusammen mit den engen Verbindungen zwischen Buddhisten und Hindus, bedingen, dass Buddhisten selten von gesellschaftlicher Diskriminierung oder Gewalt bedroht sind (DFAT 1.3.2019).

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz sieht Bewegungs- und Reisefreiheit, aber auch das Recht auf Emigration und Rückkehr vor. Eine Ausnahme bilden Flüchtlinge; diese müssen bezüglich ihrer Bewegungsfreiheit oft gesetzlich geregelte Einschränkungen hinnehmen, die aber nicht einheitlich durchgesetzt werden. Die Regierung stellt seit 20 Jahren keine Ausweisdokumente für tibetische Flüchtlinge mehr aus. Es gibt Berichte über Vertriebene aus Tibet, die aufgrund fehlender Personaldokumente an Kontrollpunkten von der Polizei schikaniert oder zurückgeschickt werden (USDOS 11.3.2020). Es gibt zehn formale Ein- und Ausreisepunkte, von denen der Flughafen Kathmandu der einzige internationale Flughafen ist (DFAT 1.3.2019).

In Folge der schweren Erdbeben im Jahr 2015 gibt es im ganzen Land weiterhin Schäden an der Infrastruktur und unpassierbare Straßen. In Nepal kommt es vereinzelt zu kurzfristig ausgerufenen „Bandhs“ (Zwangsstreiks), mit Blockaden bzw. Straßensperren (AA 12.1.2021).

Grundversorgung und Wirtschaft

Mit einem Pro-Kopf-Einkommen von 1.034 US-Dollar pro Jahr ist Nepal eines der ärmsten Länder der Welt. Die instabile politische Situation, der Mangel an ausgebildeten Arbeitskräften und die schwache Infrastruktur behindern die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Eine anhaltend hohe Inflation vermindert die Kaufkraft der Bevölkerung. Im Index of Economic Freedom 2020 nimmt Nepal den 139. Platz unter 180 Ländern ein (GIZ 1.2021c).

Mit dem 2006 eingeleiteten Friedensprozess haben sich die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft Nepals zwar insgesamt verbessert, das Investitionsklima leidet aber unter gesetzlicher Überregulierung. Der defizitäre Staatshaushalt und der steigende Schuldendienst geben weiter Anlass zur Sorge. Das gesamtwirtschaftliche Wachstum bewegte sich in den letzten Jahren zwischen zwei und vier Prozent und war damit zu niedrig, um die Armut substanziell zu reduzieren. Wirtschaftliche Reformagenda und Armutsbekämpfung stellen große Herausforderungen an die junge Republik. Die instabile politische Lage hemmt wichtige Investitionen der öffentlichen Hand und wirkt sich negativ auf das Geschäftsklima aus. Die Entwicklung Nepals wird durch immer Naturkatastrophen - wie Überschwemmungen und Erdrutsche - gebremst. Das Erdbeben vom April 2015 hat die Infrastruktur im Kathmandu-Tal und anderen betroffenen Landesteilen schwer beschädigt (GIZ 1.2021c). Etwa 20 Prozent aller Gebäude, die 2015 beschädigt wurden, sind der Hilfsorganisation Plan International zufolge bis heute nicht repariert. Geldmangel und administrative Hürden erschweren den Wiederaufbau (SZ 24.4.2020).

Neben den Folgen des verheerenden Erdbebens brachten Blockaden wichtiger Handelsrouten die Wirtschaft zum Erliegen. Die Parteien und politische Gruppierungen unterschiedlichster Ausrichtung rufen immer wieder zu Streiks auf. Diese wirken sich negativ auf alle wirtschaftlichen Sektoren aus, von der Großindustrie bis hin zu kleinen und mittelständischen Unternehmen. Bürokratie und unzureichende Infrastruktur beeinträchtigen das Investitionsklima und damit die wirtschaftliche Entwicklung (GIZ 1.2021c).

Die wirtschaftliche Entwicklung Nepals ist schwer von der Coronakrise getroffen. Eine strenge Ausgangssperre hat vier Monate lang das öffentliche Leben in Nepal weitgehend lahmgelegt. Zahlreiche Menschen kamen in eine finanzielle Notlage. Zwei wichtige Einnahmequellen brechen dem Staat weg: Die Überweisungen nepalesischer Arbeitsmigranten, die geschätzt zwischen 26 und 30 Prozent des BIP ausmachen, und die Einnahmen aus dem Tourismussektor (GIZ 1.2021c).

Es existieren keine zuverlässigen Erhebungen zur Arbeitslosigkeit. Die offizielle Erwerbslosenquote ist relativ niedrig (2019: 1,4 Prozent) (WKO 10.2020). Die politische Instabilität und die schwere wirtschaftliche Krise treiben weiterhin Massen von jungen Nepalesen ins Ausland. Wegen der offenen Grenzen ist die Migration ins Ausland nicht dokumentiert. Schätzungen gehen davon aus, dass heute vier bis fünf Millionen Nepalesen im Ausland arbeiten. Rund die Hälfte davon dürfte sich in Indien aufhalten. Der Rest vor allem in Malaysia und den Golfstaaten (GIZ 1.2021c). Mit der zunehmenden Emigration ist die Rekrutierung von Arbeitskräften zu einem lukrativen Geschäft geworden. Über 800 sogenannte „Manpower Companies“ werben über lokale Agenten Arbeitswillige in den Dörfern an und organisieren Reise, Ausreisepapiere und Verträge mit den Arbeitgebern in den Zielländern. Die große Mehrheit der Arbeitsmigranten sind junge Männer. Der Anteil der Frauen hat mit der steigenden Nachfrage nach Hausangestellten in den Golfstaaten im letzten Jahrzehnt zwar zugenommen, Frauen machen aber erst etwa 10 Prozent der Arbeitskräfte im Ausland aus (GIZ 1.2021b).

Nepal verfügt außer den familiären sozialen Netzwerken über kein Wohlfahrtssystem. In bestimmten Fällen sind NGOs bemüht, diese Lücke zu füllen, aber deren Tätigkeit ist sehr stark vom jeweiligen Standort und von internationalen Spenden abhängig, somit können nicht die gleichen Leistungen im ganzen Land angeboten werden. Es gibt nur vereinzelt Privatinitiativen; die öffentlichen Sozialdienste sind rückständig und unzureichend (BS 29.4.2020).

Kinderarbeit ist nach wie vor ein weit verbreitetes Problem in Nepal (UNHRC 4.1.2021).

Rückkehr

Das Gesetz gewährt nepalesischen Staatsbürgern Reisefreiheit im Inland, Auslandsreisen, Auswanderung und Rückkehr (USDOS 11.3.2020).

Ausgenommen von diesen Rechten sind die meisten Flüchtlinge, deren Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes durch entsprechende Gesetze eingeschränkt ist. Die Beschränkungen der Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen im Land werden nicht einheitlich durchgesetzt. Die Regierung arbeitete mit dem Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) und anderen humanitären Organisationen zusammen (USDOS 11.3.2020).

Auszug aus einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Nepal: Kasten Pandit, Kami, Bishwokarma, kastenübergreifende Paare, 13. April 2017:

Der Human Rights Council berichtet, dass Nepals Regierung seit 2009 die Initiative ergriffen hat, Anreize für kastenübergreifende Eheschließungen zu schaffen. Sie hat diese als ein gutes Mittel zur Förderung der Angleichung und Verringerung kastenbasierter Diskriminierung in der Gesellschaft erkannt.

In vielen Fällen werden Paare, die unabhängig von ihrer Kaste heiraten, körperlich angegriffen, gesellschaftlich boykottiert und sind unmenschlicher Behandlung in der Gesellschaft ausgesetzt. Kastenübergreifenden Ehepaare und ihre Familien werden sozial diskriminiert, vertrieben, ermordet oder von der Gemeinschaft zu Geldstrafen verurteilt.

Die Himalayan Times, eine englischsprachige Tageszeitung in Nepal, berichtet von einem Paar, Ganesh Chadara Sunar und Jyoti Shah aus dem Bezirk Jajarot, das aus ihrer Gemeinde vertrieben wurde, nachdem es nach einer jahrelangen Beziehung geheiratet hat. Die Familie der Braut akzeptierte das kastenübergreifende Paar nicht.

Sunar berichtete, dass die Ortsbevölkerung sogar drohte ihn zu töten, sollte er in das Dorf zurückkehren. Auch seine gesamte Familie war gezwungen das Dorf zu verlassen.

Es gibt viele Personen im Bezrik, die das Schicksal von Sunars Familie teilen.

Nachdem Dilli Bahadur Bohara vor einigen Jahren Kamala Sunar ehelichte, wurde er aus seinem Haus ausgesperrt. Seine Mutter drohte vor Polizisten, dass sie niemals eine Dalit in ihrem Haus zulassen würde.

Der Leiter der Bezirkspolizeistation, DSP Dan Bahadur Malla, berichtet, dass die Polizei das Paar bewacht, seit dessen Sicherheitsherausforderungen bekannt wurden. Er fügt hinzu, dass die Polizei versucht ihnen zu helfen in das Dorf zurückzukehren.

Die Kathmandu Post, berichtet, dass wegen der Heirat eines Mannes mit einer Frau aus einer höheren Kaste, ihre Eltern und Verwandte das Paar und den Bruder des Bräutigams verjagt hätten. Die Mutter des Ehemanns beklagt, dass es ihrem Sohn nicht mehr erlaubt ist das Dorf zu betreten.

Dieser berichtete, dass sie Angst hätten den Markt zu besuchen und ihnen angedroht wurde sie mithilfe von Schlägern umbringen zu lassen.

Ein Onkel der Braut hat die Anschuldigungen von Drohungen gegen die Brüder abgestritten und festgestellt, dass sie im Dorf leben können.

Die Kathmandu Post berichtet, dass sich ein kastenübergreifendes Paar, vermutlich wegen der gesellschaftlichen Ablehnung ihrer Beziehung, gemeinsam umgebracht hat.

Ortsansäßige vermuten, dass der Mann aus einer höheren Kaste stammte, während das Mädchen einer niederen Kaste angehörte.

Zur COVID-19 Pandemie

Nepal ist von COVID-19 weiterhin betroffen und das nepalesische Gesundheitssystem ist überlastet. Der bislang nahezu landesweit geltende Lockdown wurde aber faktisch aufgehoben, wobei den Anweisungen der Polizei weiterhin unbedingt Folge zu leisten ist. Im öffentlichen Raum gelten weiterhin Abstands- und Hygieneregeln sowie Mundschutzpflicht. Der internationale kommerzielle Flugverkehr unterliegt keinen Einschränkungen mehr, ist jedoch noch nicht wieder auf dem Stand vor der Coronapandemie angelangt, auch aufgrund der noch geltenden Reisebeschränkungen einzelner Länder.

II. Beweiswürdigung

Der Beweiswürdigung liegen folgende maßgebende Erwägungen zugrunde:

II.1. Zum Verfahrensgang

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des Gerichtsaktes des BVwG.

II.2. Zur Person und zum Vorbringen des Beschwerdeführers

1.       Zur Person des Beschwerdeführers

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zum Personenstand des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den Angaben des BF vor der belangten Behörde und vor dem BVwG (vgl. zuletzt Protokoll der mV. S. 4 f). Dasselbe gilt für die Feststellungen zur Herkunft, zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppenzugehörigkeit, zum Glauben und zum Heimatort (vgl. zuletzt Protokoll der mV. S. 4).

Dass der BF Nepali sowie ein wenig Deutsch spricht, war seinen glaubwürdigen Aussagen im Verfahren sowie dem Umstand zu entnehmen, dass seine Einvernahmen unter Beiziehung eines Dolmetschers für Nepali stattgefunden haben. Hinsichtlich seiner Deutschkenntnisse wird auf die Ausführungen in II.2.3. verwiesen.

Der BF legte keine unbedenklichen Dokumente zu seiner Identität vor, weshalb die Feststellungen ausschließlich für die Identifizierung seiner Person im Asylverfahren gelten. Dass der BF über einen nepalesischen Führerschein verfügte, bei dem es sich um eine Totalfälschung handelte, ist einem Sicherstellungs- und Untersuchungsbericht des Bundesministeriums für Inneres vom 10.07.2018 zu entnehmen. Nicht glaubwürdig waren die Angaben des BF in der Beschwerdeverhandlung, er habe nicht gewusst, dass der Führerschein gefälscht gewesen sei, da laut Untersuchungsbericht urkundentechnische Sicherheitsmerkmale sowie eine Laminierfolie gefehlt hätten und das darauf abgedruckte Geburtsdatum nicht mit dem von ihm angegebenen korrespondiert habe. Es ist aufgrund dieser Merkmale lebensfremd, dass der BF nichts von der Fälschung gewusst habe.

Der BF gab im Verfahren konsistent an, er habe etwa 2014, wobei er das genaue Datum nicht kenne, Frau XXXX , die der Kaste der XXXX angehöre, in einem Tempel im Distrikt Chitwan geheiratet. Die beiden hätten sich von einem Priester nach traditionellem Ritus trauen lassen, weshalb die Eheschließung von den nepalesischen Behörden nicht anerkannt worden sei. Die beiden seien auch nicht im Besitz etwaiger Dokumente, die ihre Eheschließung bezeugen würden. Da die Ehe somit nicht in der in Nepal ortsüblichen Form geschlossen wurde, ist diese auch in Österreich nicht rechtsgültig. Unabhängig davon leben die beiden nach glaubwürdigen Angaben des BF in der Beschwerdeverhandlung zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung in Trennung. Dass er keine Kinder hat, gab er im Verfahren gleichbleibend an. Dasselbe gilt für die Behauptung, sein Haus sei vom Erdbeben im April 2015 zerstört worden, weshalb dies festzustellen war.

Die Feststellungen zu den noch im Herkunftsstaat lebenden Verwandten waren anhand der diesbezüglich glaubwürdigen Aussagen des BF zu treffen. Es konnte jedoch nicht festgestellt werden, ob er noch Kontakt zu diesen hat, weil er dazu widersprüchliche Angaben machte. Während er vor dem BFA behauptete, der Kontakt sei bereits ein Jahr vor seiner Ausreise (also 2014) abgebrochen, meinte er in der Beschwerdeverhandlung, er habe zuletzt 2016 Kontakt zu ihnen gehabt. In Österreich habe der BF eigenen Angaben zufolge keine Verwandten oder Familienangehörige, und es sind im Verfahren auch sonst keine engen sozialen Bindungen im Bundesgebiet hervorgekommen, weshalb dies festzustellen war.

Der BF gab vor dem BFA an, er habe im Herkunftsstaat zehn Jahre die Schule besucht, vor dem BVwG meinte er, er habe die zwölfte Klasse der Schule abgeschlossen, weshalb festzustellen war, dass er etwa zehn bis zwölf Jahre die Schule besuchte. Dass er nach der Schule als Küchengehilfe gearbeitet und eine Ausbildung als Koch begonnen, jedoch nicht abgeschlossen habe, war aufgrund seiner diesbezüglich glaubwürdigen Angaben in der Beschwerdeverhandlung festzustellen. Der BF schilderte weiters glaubwürdig, dass er seit seiner Kindheit in der familieneigenen Landwirtschaft gearbeitet habe. Es konnte nicht festgestellt werden, bis zu welchem Zeitpunkt er in der Landwirtschaft tätig gewesen sei, weil er zwar glaubwürdig aussagte, er sei aus seinem Heimatdorf fortgegangen, jedoch diesbezüglich keinen konkreten Zeitpunkt angab.

Dass der BF gesund ist, war seinen unbedenklichen Aussagen zu entnehmen. Da er gesund ist und an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten leidet, war die Feststellung zu treffen, dass er arbeitsfähig ist. Darüber hinaus gab er dies in der mündlichen Beschwerdeverhandlung auch an (vgl. Protokoll der mV. S. 3) und war er sowohl im Herkunftsstaat als auch in Österreich bereits erwerbstätig.

Der BF ist wie konstatiert unrechtmäßig nach Österreich eingereist, was sich aus seinen eigenen Angaben im Verfahren sowie der Tatsache ergibt, dass er ohne die erforderlichen Dokumente in Österreich einreiste.

2.       Zur Rückkehrmöglichkeit des Beschwerdeführers

Die Feststellung, dass der BF im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat keiner Verfolgung ausgesetzt ist und er sein Fluchtvorbringen nicht glaubhaft gemacht hat, ergibt sich aus seinen Angaben in der Erstbefragung, in der Einvernahme vor dem BFA sowie in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG, dies aus folgenden Erwägungen:

Wie sich aus dem Verfahren ergibt, hatte der BF ausreichend Zeit und Gelegenheit, seine Fluchtgründe umfassend und im Detail darzulegen sowie allfällige Beweismittel vorzulegen. Im Übrigen wurde er von der belangten Behörde sowie vom BVwG auch zur umfassenden und detaillierten Angabe von Fluchtgründen und zur Vorlage allfälliger Beweismittel aufgefordert sowie über die Folgen unrichtiger Angaben belehrt.

Dabei ist festzuhalten, dass auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung davon ausgegangen werden kann, dass der BF grundsätzlich in der Lage sein muss, umfassende und inhaltlich übereinstimmende Angaben zu den konkreten Umständen und dem Grund der Ausreise aus dem Herkunftsstaat zu machen, zumal eine Person, die aus Furcht vor Verfolgung ihren Herkunftsstaat verlassen hat auf konkrete Befragung zu ihrer Flucht die ihr gebotene Möglichkeit wohl kaum ungenützt lassen wird, die Umstände und Gründe ihrer Flucht in umfassender und in sich konsistenter Weise darzulegen, um den beantragen Schutz vor Verfolgung auch möglichst rasch erhalten zu können. Es entspricht auch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass eine mit Vernunft begabte Person, die behauptet, aus Furcht vor Verfolgung aus ihrem Herkunftsstaat geflüchtet zu sein, über wesentliche Ereignisse im Zusammenhang mit ihrer Flucht, die sich im Bewusstsein dieser Person einprägen, selbst nach einem längeren Zeitraum noch ausreichend konkrete, widerspruchfreie und nachvollziehbare Angaben machen kann.

Dem BF ist es nicht gelungen, eine konkrete gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgungsgefahr im gesamten Staatsgebiet aus einem der in der GFK abschließend genannten Verfolgungsgründen glaubhaft zu machen. Abgesehen davon, dass seinem Vorbringen zum Verlassen des Herkunftsstaates und zur Furcht vor Verfolgung im Fall der Rückkehr nach Nepal auf Grund der teils vagen und widersprüchlichen Aussagen die Glaubhaftigkeit zu versagen war, handelte es sich dabei nicht um iSd GFK anerkannte Fluchtgründe.

Der BF brachte im Verfahren im Wesentlichen als Fluchtgrund vor, er habe in seinem Herkunftsstaat etwa 2014 eine Frau namens XXXX kennengelernt und geheiratet, die aus einer anderen Kaste als er stamme. Ihre Familien hätten dies nicht akzeptiert, weshalb der BF nicht mehr nach Hause kommen habe dürfen und mit seiner Frau in den Distrikt Chitwan gezogen sei. Als dort ihr Haus vom Erdbeben im April 2015 zerstört worden sei, und die beiden keine Unterkunft mehr gehabt hätten, seien sie ausgereist. Der BF habe auch keine finanzielle Hilfe erhalten, da ihn aufgrund der kastenübergreifenden Ehe seine Nachbarn gehasst und seine Verwandten nicht akzeptiert hätten.

Der BF konnte zwar wie bereits erörtert glaubhaft machen, dass er in Nepal Frau XXXX in einem Tempel nach traditionellem Ritus geheiratet habe, die von ihm angedeutete, dadurch verursachte Verfolgung durch die beiden Familien war jedoch nicht glaubwürdig. So sprach der BF vor dem BFA, befragt zu seinen Fluchtgründen, vorwiegend davon, er sei mit seiner Frau ausgereist, da das Erdbeben 2015 ihr Haus zerstört habe und sie keine Unterkunft mehr gehabt hätten. Auf die Nachfrage, ob er noch weitere Fluchtgründe habe, antwortete er ausdrücklich mit „Nein, habe ich nicht.“. Es sei in Nepal kein Platz mehr gewesen, wo er wohnen habe können, was der Auslöser seiner Flucht gewesen sei. Dass ihn seine Familie aufgrund der kastenübergreifenden Ehe nicht akzeptiert und seine Nachbarn ihn gehasst hätten, erwähnte der BF beiläufig. Überhaupt schilderte er keine konkreten Verfolgungshandlungen oder Bedrohungssituationen durch die Familien.

Auch in der Beschwerdeverhandlung brachte der BF vor, er habe aufgrund der Eheschließung mit seiner Familie Probleme gehabt und sei der Kontakt zu dieser abgebrochen, er behauptete jedoch nicht explizit, dass diese ihn verfolgt oder bedroht habe. Auf die konkrete Nachfrage, welche Probleme ihm seine Familie verursacht habe, meinte der BF, er habe nicht mehr nach Hause kommen dürfen und sei deswegen woanders hingezogen. Es mag zwar sein, dass die Familie des BF die Eheschließung nicht akzeptiert und in gewissem Maße deswegen den Kontakt zu ihm abgebrochen habe, dies ist allerdings nicht mit einer Verfolgung iSd GFK gleichzusetzen.

Gegen die Glaubwürdigkeit des Vorbringens, der BF werde im Heimatstaat von seiner bzw. der Familie von XXXX verfolgt spricht weiters, dass im Verfahren nicht hervorgekommen ist, dass in dem Jahr, in dem er mit dieser noch in Nepal gelebt habe, jegliche Verfolgungshandlungen gegen ihn gesetzt worden seien. Auch seine Angaben auf die Nachfrage vor dem BFA, wie es möglich gewesen sei, dass die beiden ein Jahr ohne Probleme in Nepal gelebt hätten, waren nicht stimmig, zumal er behauptete, dass die Familien nicht gewusst hätten, wo er mit seiner Frau gewohnt habe. Wenn die Familien ohnehin nicht den Aufenthaltsort der beiden gekannt hätten, hätten sie sie auch nicht verfolgen können.

Befragt zu seinen Rückkehrbefürchtungen gab der BF vor dem BFA und in der Beschwerdeverhandlung an, er habe von einem Freund, der in Japan lebe, erfahren, dass er im Herkunftsstaat von der Familie von XXXX nach wie vor bedroht werde und es eine Anzeige gegen ihn gebe, weil er diese mitgenommen, ins Ausland gebracht und dort ausgesetzt habe. Während er vor dem BFA angab, er habe etwa 2016 zu dem besagten Freund in Japan Kontakt gehabt, meinte er in der Beschwerdeverhandlung, er habe im Juli 2021 davon erfahren. Abgesehen von diesem Widerspruch konnte der BF nicht beantworten, wie sein Freund aus Japan von den Bedrohungen gewusst habe. Zuerst behauptete er, er wisse gar nicht, wie dieser davon erfahren habe, dann meinte er vage, sein Freund lebe mit jemandem zusammen, der aus demselben Heimatdorf wie Frau XXXX stamme. Deren Familie habe vermutlich von der Trennung erfahren, weil Frau XXXX es ihr erzählt habe. Diese Aussagen stimmen jedoch nicht mit den Angaben, die XXXX in ihrer Beschwerdeverhandlung machte, überein. Diese schilderte weder konkret gegen sie oder den BF gerichtete Drohungen oder Verfolgungshandlungen seitens ihrer Familie noch behauptete sie, ihrer Familie von der Trennung erzählt zu haben. Sie meinte hingegen, sie habe seit der Ausreise keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie. Die diesbezügliche Verhandlungsschrift vom 01.09.2021 wurde dem BF am 02.09.2021 mit der Möglichkeit zur Stellungnahme übermittelt, von der der BF jedoch nicht Gebrauch machte.

Überdies ist allein aufgrund der Tatsache, dass er, wie sich aus dem Ermittlungsverfahren ergeben hat, schon vor seiner Ausreise nicht von den Familien verfolgt wurde, nicht davon auszugehen, dass bei einer Rückkehr eine Verfolgungsgefahr besteht, zumal er zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung von Frau XXXX getrennt lebt.

Selbst unter der Annahme der Glaubhaftigkeit des angeführten Vorbringens des BF zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates ist festzuhalten, dass dieses Vorbringen keine Furcht vor Verfolgung aus den in der GFK genannten (asylrelevanten) Gründen darstellt, die von staatlichen Organen ausgehen würde oder dem Herkunftsstaat sonst zurechenbar wäre. Konkrete Anhaltspunkte dahingehend, dass die staatlichen Institutionen im Hinblick auf eine mögliche Verfolgung durch Privatpersonen tatsächlich weder schutzfähig noch schutzwillig wären, sind weder aus dem Vorbringen noch aus den herkunftsstaatsbezogenen Informationen ersichtlich.

Zu kastenübergreifenden Eheschließungen in Nepal ist zwar generell festzuhalten, dass einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Nepal: Kasten Pandit, Kami, Bishwokarma, kastenübergreifende Paare vom 13.04.2017 zufolge Menschen, die kastenübergreifende Beziehungen führen, zum Teil angegriffen, verfolgt und vertrieben würden, diese Berichte betreffen jedoch vorwiegend Paare aus Kasten verschiedenen Ranges. Da XXXX in ihrer Beschwerdeverhandlung schilderte, dass die Kasten, aus der sie und der BF stammen würden, gleichen Ranges seien, kann nicht angenommen werden, dass die beiden derselben Verfolgungsgefahr ausgesetzt seien, wie Paare, die aus nicht-gleichrangigen Kasten stammen würden. Die Behauptungen des BF in der Beschwerdeverhandlung, seine Familie meine, die Kaste der XXXX sei höheren Ranges, und die Familie von XXXX behaupte das Gegenteil, sind unsubstantiiert und waren nicht glaubwürdig. Überdies lebte der BF wie selbst angegeben ein Jahr mit seiner Frau in Nepal im Distrikt Chitwan und habe er nicht behauptet, in diesem Zeitraum konkret gegen ihn gerichteten Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen zu sein. Vielmehr behauptete der BF, die Familien hätten nicht gewusst, wo die beiden in Nepal gelebt hätten. Er brachte auch nicht vor, sie seien aus Chitwan aufgrund ihrer kastenübergreifenden Beziehung vertrieben worden, zumal er zwar angab, seine Nachbarn hätten ihn gehasst, dies jedoch nicht mit einer Vertreibung gleichzusetzten ist. Aus dem Vorbringen des BF geht vielmehr hervor, er habe Nepal mit seiner Frau aufgrund des Erdbebens im April 2015 und finanzieller Schwierigkeiten verlassen. Dazu kommt, dass die beiden mittlerweile getrennt leben und demnach kein Grund mehr für eine Verfolgung besteht.

Wie bereits ausgeführt machte der BF glaubhaft, dass sein Haus beim Erdbeben im April 2015 zerstört worden sei und er danach keine Unterkunft mehr gehabt habe. Er deutete im Verfahren gleichbleibend an, dass er mit seiner Frau vorwiegend deswegen Nepal verlass

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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