TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/12 W218 2193446-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.10.2021
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Entscheidungsdatum

12.10.2021

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28

Spruch


W218 2193446-1/ 19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Benedikta TAURER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, vom 22.03.2018, Zl XXXX jeweils wegen §§ 3, 8, 10, 57, AsylG und §§ 46, 52, 55 FPG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.02.2021, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen den ersten Teil des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides vom 22.03.2018 wird gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. In Erledigung der Beschwerde gegen den zweiten Teil des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides vom 22.03.2018 wird dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 12.10.2021 erteilt.

IV. Die Spruchpunkte II. bis IV. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste illegal in Österreich ein und stellte am 25.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. In der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer am 25.06.2016 an, Staatsangehöriger von Afghanistan, ledig, Angehöriger der Volksgruppe der Usbeken, mit muslimischem Glaubensbekenntnis, am XXXX geboren und in der Provinz Badakhshan, Afghanistan wohnhaft gewesen zu sein. Seine Eltern und seine Schwester seien bereits verstorben, der Aufenthaltsort seines Bruders sei ihm unbekannt.

Er habe die Grenze zum Iran zu Fuß überquert und sei anschließend schlepperunterstützt bis nach Österreich gelangt.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, dass seine Schwester 12 Jahre lang verheiratet gewesen sei und eine Affäre mit einem anderen Mann gehabt habe. Sie sei von ihrem Schwiegervater erwischt worden. Der Schwiegervater habe sie daraufhin aus dem Haus geworfen. Der Beschwerdeführer habe sie aufgenommen. Nach zirka sechs Monaten sei sie getötet worden und der Mord sei ihm angehängt worden. Er sei 13 Tage im Gefängnis gewesen, dann sei er wieder freigelassen worden, nachdem seine Unschuld bewiesen worden sei. Nach einiger Zeit habe er wieder zur Staatsanwaltschaft kommen müssen und habe gewusst, dass die Familie des Ehemannes der getöteten Schwester ihn beschuldigen würde. Da er sonst niemanden gehabt habe, habe er beschlossen, das Land zu verlassen. Er habe Angst unschuldig ins Gefängnis zu kommen.

3. Ein vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl veranlasstes medizinisches Sachverständigengutachten zur Altersfeststellung vom 13.02.2017 hat ergeben, dass das spätmöglichste „fiktive“ Geburtsdatum des Beschwerdeführers der XXXX sei.

4. Im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 27.03.2017 gab der Beschwerdeführer unter anderem an, dass er einmal mit dem Rad gestürzt sei und Medikamente nehme, wenn er Kopfschmerzen habe. Er leide an keinen schwerwiegenden Erkrankungen. Des Weiteren gab er an, dass er einen Bruder in Schweden habe. Sie würden alle zwei Wochen telefonieren.

5. Im Rahmen einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 16.02.2018 gab der Beschwerdeführer an, dass er gesund sei. Er sei in der Provinz Badakhshan geboren, sei 10 Jahre in die Schule gegangen und habe in der Landwirtschaft gearbeitet. Seine Eltern hätten Grundstücke gehabt, sie seien bereits verstorben. Seine Schwester und sein älterer Bruder seien ebenso bereits verstorben. Das Elternhaus sei im Besitz des Beschwerdeführers. Er habe einen Onkel mütterlicherseits in Afghanistan und Kontakt zu diesem. Sein Onkel kümmere sich um die Grundstücke und um das Haus. Die finanzielle Situation sei gut gewesen. Sein Onkel habe die Reise nach Europa bezahlt. Er habe noch drei Tanten mütterlicherseits sowie drei Onkel und eine Tante väterlicherseits in Afghanistan.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, dass seine Schwester vor 14 Jahren geheiratet habe. Sie habe eine Beziehung zu einem anderen Mann gehabt. Der Schwiegervater seiner Schwester habe die beiden erwischt. Seine Schwester sei daraufhin geflüchtet. Der Schwiegervater habe den Beschwerdeführer angerufen und ihm von dem Vorfall erzählt. Sie hätten zum Beschwerdeführer gesagt, dass er der Hauptschuldige sei, da der andere Mann ein guter Freund von ihm gewesen sei. Er habe jedoch von der Beziehung nichts gewusst. Die Dorfältesten hätten ihn beschuldigt, dass er von diesem Mann Geld bekommen habe, um eine Beziehung mit seiner Schwester zu ermöglichen. Sie sollte gemäß der Sharia gesteinigt werden. Er habe das nicht akzeptiert, da es seine Schwester gewesen sei. Der Prozess sei bis zu den Gerichten weitergegangen. Seine Schwester sei bei den „Menschenrechten“ untergekommen. Ihre Kinder habe sie nicht sehen dürfen. Danach sei sie zum Beschwerdeführer gezogen. Er habe Angst vor dem Schwiegervater der Schwester gehabt, dieser sei ein Nachbar gewesen. Seine Schwester sei getötet worden, als er nicht zuhause gewesen sei. Bei der Polizei hätten sie gesagt, dass der Fall untersucht werde. Der Schwiegervater habe ihn beschuldigt seine Schwester getötet zu habe. Er sei daraufhin verhaftet worden und 13 Tage in Haft gewesen. Er hätte einen Anwalt gehabt und habe seine Unschuld beweisen können, woraufhin er entlassen worden sei. Der Schwiegervater seiner Schwester sei später 14 oder 15 Tage inhaftiert gewesen. Da er sei jedoch vermögend und Einflussreich gewesen sei, wäre er bald freigelassen worden. Die Polizei habe daraufhin wieder den Beschwerdeführer beschuldigt und wollte ihn verhaftet. Der Anwalt des Beschwerdeführers habe ihm geraten, zu fliehen.

6. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

7. Gegen diesen ordnungsgemäß zugestellten Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Darin wurde zusammengefasst ausgeführt, dass sein Fluchtvorbringen glaubhaft sei und die Behörde zu dem Ergebnis kommen hätte müssen, dass ihm der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen sei. Des Weiteren sei die Sicherheitslage in Afghanistan sehr schlecht. Diese stelle sich, vor allem in Kabul, als derart gefährlich dar, dass eine Abschiebung nach Afghanistan eine ernsthafte Bedrohung seines Lebens bedeuten würde. Dazu verwies er auf Medienberichte. Schlussendlich weise er auf seine Integration in Österreich hin. Er sei derzeit Schüler eines BG und BRG und habe bereits viele Freunde gefunden. Er wolle nach dem Hauptschulabschluss Mechaniker oder Tischler werden. Der Beschwerdeführer legte Integrationsunterlagen vor.

8. Mit Eingabe vom 09.10.2018 legte der Beschwerdeführer weitere Integrationsunterlagen vor.

9. Mit den Eingaben vom 22.02.2021, vom 24.06.2021 und vom 13.08.2021 legte der Beschwerdeführer weitere Integrationsunterlagen vor und gab sein Vertreter eine ergänzende Stellungnahme zur Integration des Beschwerdeführers ab.

10. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die eingebrachte Beschwerde am 25.02.2021 eine öffentliche, mündliche Verhandlung durchgeführt. Im Zuge dieser Verhandlung wurde Beweis erhoben durch Parteienvernehmung des Beschwerdeführers.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Usbeken. Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest. Er lebte bis zu seiner Ausreise in der Provinz Badakhshan, im Distrikt XXXX , im Ort XXXX . Seine Muttersprache ist Usbekisch, er spricht auch Dari und Deutsch. Er ist ledig und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer besuchte zehn Jahre die Schule in Afghanistan, verfügt jedoch über keine Berufsausbildung; er arbeitete in der Landwirtschaft der Familie.

Seine Eltern sind bereits verstorben. Es kann nicht festgestellt werden, ob sein Bruder und seine Schwester noch leben oder bereits verstorben sind. Die Behauptung des Beschwerdeführers, dass er einen Bruder in Schweden habe, ist nicht glaubhaft. Es wird festgestellt, dass nicht festgestellt werden kann, dass XXXX sein Bruder ist.

Der Beschwerdeführer erbte das Elternhaus und Grundstücke. Er hat einen Onkel und drei Tanten mütterlicherseits sowie drei Onkel und eine Tante väterlicherseits in Afghanistan. Sein Onkel mütterlicherseits kümmert sich um die Grundstücke und um das Haus des Beschwerdeführers.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer war in Afghanistan keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt und wurden von ihm asylrelevante Gründe für das Verlassen des Heimatstaates nicht glaubhaft dargetan. Es ist nicht glaubhaft, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung Verfolgung droht.

Der Beschwerdeführer hatte keine Probleme mit den Behörden oder sonst jemandem im Heimatland.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu den Fluchtgründen sind nicht glaubhaft und werden dem Verfahren nicht zugrunde gelegt.

Insbesondere sind die Verfolgungsbehauptungen, dass die Schwester des Beschwerdeführers eine Affäre gehabt hätte und getötet worden wäre, und der Beschwerdeführer fälschlicherweise des Mordes an seiner Schwester beschuldigt worden sei sowie, dass er bereits in Haft gewesen, freigesprochen und abermals des Mordes beschuldigt worden sei, widersprüchlich, nicht nachvollziehbar und schon von Grund auf nicht glaubhaft.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan weder vorbestraft ist noch jemals dort inhaftiert wurde und er auch mit den Behörden des Herkunftsstaates keine Probleme hatte. Er war in Afghanistan nie politisch tätig und gehörte dort keiner politischen Partei an. Eine politisch motivierte Verfolgung wird daher ausgeschlossen.

1.3. Zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer war bereits von Mai 2020 bis Oktober 2020 als Saisonarbeiter in der Landwirtschaft tätig, seit 19.06.2021 ist er wieder als Saisonarbeiter in der Landwirtschaft beschäftigt und lebt nicht mehr von der Grundversorgung.

Er besuchte einige Deutschkurse und kann sich problemlos und fließend auf Deutsch verständigen. Am 24.06.2021 absolvierte er die Integrationsprüfung des Österreichischen Integrationsfonds auf dem Sprachniveau A2.

Seit vier Jahren betreibt er eine Facebook Gruppe, in der er regelmäßig einen Online Unterricht für Deutsch anbietet. Der Gruppe sind bereits mehr als 53.000 Mitglieder beigetreten. In einem nicht kommerziellen Community TV-Sender engagiert sich der Beschwerdeführer zudem ehrenamtlich als Sendungsmacher und hält dort einen wöchentlichen Deutschkurs ab.

Er nahm im Jahr 2017 am Werte- und Orientierungskurs des Österreichischen Integrationsfonds teil. Im Schuljahr 2017/2018 besuchte er die Übergangsstufe eines Bundes- und Bundesrealgymnasiums. In den Jahren 2017 und 2018 leistete er Gartenarbeit. Im Schuljahr 2018/2019 besuchte er eine Höhere Bundeslehranstalt/Bundesfachschule für wirtschaftliche Berufe, schloss die 9. Schulstufe jedoch teilweise negativ ab. Im Zuge dessen nahm er an den „Berufspraktischen Tagen“ teil, wo er in einem Bezirksseniorenzentrum arbeitete. Im Zeitraum vom 08.01.2019 bis 05.02.2019 absolvierte er den oberösterreichischen Finanzführerschein „BASIC“. Am 06.03.2019 absolvierte er den e-learning Kurs „Verkaufstricks“ im Zuge eines Projekts der Schuldnerhilfe. Seit 01.01.2020 ist er freiwillig als Dolmetscher für das oberösterreichische Rote Kreuz zuständig. Seit Juli 2020 nimmt er regelmäßig an einem Projekt von „ XXXX “ teil, wo Jugendliche und junge Erwachsene bei der Entwicklung schulischer und beruflicher Perspektiven unterstützt werden. Er beteiligte sich regelmäßig an den Aktivitäten des Vereins „ XXXX “ und besuchte wöchentlich ein Weltcafé. Einen Teil der Pflichtschulabschlussprüfungen konnte er bereits im Jahr 2018 positiv absolvieren.

Er führt seit zwei Jahren eine Beziehung, lebt mit seiner Freundin jedoch nicht im gemeinsamen Haushalt. Er hat viele soziale Kontakte in Österreich, verfügt aber über keinerlei Familienangehörige in Österreich.

Es wurden zahlreiche positive Unterstützungsschreiben für den Beschwerdeführer vorgelegt.

Der Beschwerdeführer ist körperlich gesund und arbeitsfähig. Er bringt vor, an Schlaflosigkeit zu leiden und möchte sich demnächst in medizinische Behandlung begeben.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

1.4. Zur Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan

Der Beschwerdeführer ist ein junger, körperlich gesunder, arbeitsfähiger Mann, der zwei der Landessprachen Afghanistans, Usbekisch auf muttersprachlichem Niveau und Dari spricht. Der Beschwerdeführer war neun Jahre in einer Schule in Afghanistan und arbeitete in der Landwirtschaft seiner Familie. Auch wenn diese Tätigkeit in jungen Jahren erfolgte, so kann dennoch davon ausgegangen werden, dass er mit der Arbeitswelt vertraut ist und er sich aufgrund seines nun nicht mehr jugendlichen Alters in der Arbeitswelt zurechtfinden wird. Er besitzt Grundstücke und das ehemalige Haus seiner Eltern in Afghanistan. Die finanzielle Situation in Afghanistan vor seiner Ausreise war gut. Ein Onkel und drei Tanten mütterlicherseits sowie drei Onkel und eine Tante väterlicherseits leben nach wie vor in Afghanistan, er hat Kontakt zu seinem Onkel mütterlicherseits und kann auch Unterstützung von diesem erhalten. Er ist in Afghanistan aufgewachsen und kennt dadurch die Sitten und Gebräuche seines Herkunftsstaats. Es ist daher davon auszugehen, dass er in Afghanistan Anschluss finden, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft befriedigen wird können, und, dass er in keine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation geraten wird. Festgestellt wird, dass die aktuell vorherrschende Pandemie aufgrund des Corona-Viruses kein Rückkehrhindernis darstellt. Der Beschwerdeführer gehört mit Blick auf sein Alter und das Fehlen (chronischer) physischer Vorerkrankungen keiner spezifischen Risikogruppe betreffend COVID-19 an. Es besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine COVID-19-Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus erleiden würde.

Wie sich aus den aktuellen Länderinformationen sowie aus der täglichen Berichterstattung in den Medien zu Afghanistan ergibt, hat sich mittlerweile die dortige allgemeine Sicherheitslage dramatisch verschlechtert. Der internationale Flughafen in Kabul kann nicht angeflogen werden, auch sind die bis vor kurzem als relativ sicher bewerteten Städte wie Herat und Mazar-e Sharif an die Taliban übergeben worden, wodurch derzeit keine sichere Erreichbarkeit der größeren Städte in Afghanistan mehr gegeben ist. Eine innerstaatliche Fluchtalternative steht aktuell nicht zur Verfügung. Auch UNHCR geht nicht von der Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative aus. Eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan würde somit derzeit eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK darstellen.

Dem Beschwerdeführer könnte bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund der dort herrschenden allgemeinen schlechten Sicherheits- und Versorgungslage ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen

Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass IOM aufgrund der aktuellen Sicherheitslage in Afghanistan die Unterstützung der freiwilligen Rückkehr und Reintegration für Afghanistan mit sofortiger Wirkung weltweit aussetzen musste.

1.5. Zur relevanten Situation in Afghanistan:

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Länderberichte. Im Hinblick auf die rezenten sicherheitsrelevanten Ereignisse wurde die Letztversion des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation vom 16.09.2021 herangezogen.

Die den Feststellungen zugrundeliegenden Länderberichte sind in Bezug auf die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan aktuell, wobei nicht verkannt wird, dass sich die Lage in Afghanistan derzeit volatil und ungewiss darstellt.

Ergänzend wird Folgendes festgestellt:

Aktuelle Ereignisse

Länderinformationsblatt vom 16.09.2021

COVID-19

Bezüglich der aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf folgende Website der WHO: https:// www.who.int/ emergencies/ diseases/novel-coronavirus-2019/ situation-reports oder der Johns-Hopkins-Universität: https:// gisanddata.maps.arcgis.com/apps/ opsdashboard/index.html#/ bda7594740fd40299423467b48e9ecf6 mit täglich aktualisierten Zahlen zu kontaktieren.

Über die Auswirkungen der Machtübernahme der Taliban auf medizinische Versorgung, Impfraten und Maßnahmen gegen COVID-19 sind noch keine validen Informationen bekannt.

Entwicklung der COVID-19 Pandemie in Afghanistan

Der erste offizielle Fall einer COVID-19 Infektion in Afghanistan wurde am 24.2.2020 in Herat festgestellt (RW 9.2020; vgl UNOCHA 19.12.2020). Die Zahl der täglich neu bestätigten COVID-19-Fälle in Afghanistan ist in den Wochen nach dem Eid al-Fitr-Fest Mitte Mai 2021 stark angestiegen und übertrifft die Spitzenwerte, die zu Beginn des Ausbruchs in dem Land verzeichnet wurden. Die gestiegene Zahl der Fälle belastet das Gesundheitssystem weiter. Gesundheitseinrichtungen berichten von Engpässen bei medizinischem Material, Sauerstoff und Betten für Patienten mit COVID-19 und anderen Krankheiten (USAID 11.6.2021).

Laut Meldungen von Ende Mai 2021 haben afghanische Ärzte Befürchtungen geäußert, dass sich die erstmals in Indien entdeckte COVID-19-Variante nun auch in Afghanistan verbreiten könnte. Viele der schwerkranken Fälle im zentralen Krankenhaus für COVID-Fälle in Kabul, wo alle 100 Betten belegt seien, seien erst kürzlich aus Indien zurückgekehrte Personen (BAMF 31.5.2021; vgl. UNOCHA 3.6.2021). Seit Ende des Ramadans und einige Wochen nach den Festlichkeiten zu Eid al-Fitr konnte wieder ein Anstieg der COVID-19 Fälle verzeichnet werden. Es wird vom Beginn einer dritten Welle gesprochen (UNOCHA 3.6.2021; vgl. TG 25.5.2021). Waren die [Anm.: offiziellen] Zahlen zwischen Februar und März relativ niedrig, so stieg die Anzahl zunächst mit April und dann mit Ende Mai deutlich an (WHO 4.6.2021; vgl. TN 3.6.2021, UNOCHA 3.6.2021). Es gibt in Afghanistan keine landeseigenen Einrichtungen, um auf die aus Indien stammende Variante zu testen (UNOCHA 3.6.2021; vgl. TG 25.5.2021).

Die Lücken in der COVID-19-Testung und Überwachung bleiben bestehen, da es an Laborreagenzien für die Tests mangelt und die Dienste aufgrund der jüngsten Unsicherheit möglicherweise nur wenig in Anspruch genommen werden. Der Mangel an Testmaterial in den öffentlichen Labors kann erst behoben werden, wenn die Lieferung von 50.000 Testkits von der WHO im Land eintrifft (WHO 28.8.2021). Mit Stand 4.9.2021 wurden 153.534 COVID-19 Fälle offiziell bestätigt (WHO 6.9.2021). Aufgrund begrenzter Ressourcen des öffentlichen Gesundheitswesens und der Testkapazitäten, der Testkriterien, des Mangels an Personen, die sich für Tests melden, sowie wegen des Fehlens eines nationalen Sterberegisters werden bestätigte Fälle von und Todesfälle durch COVID-19 in Afghanistan wahrscheinlich insgesamt unterrepräsentiert (HRW 13.1.2021; vgl. UNOCHA 18.2.2021, RFE/RL 23.2.2021a). Maßnahmen der ehemaligen Regierung und der Taliban Das vormalige afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) hatte verschiedene Maßnahmen zur Vorbereitung und Reaktion auf COVID-19 ergriffen. „Rapid Response Teams“ (RRTs) besuchten Verdachtsfälle zu Hause. Die Anzahl der aktiven RRTs ist von Provinz zu Provinz unterschiedlich, da ihre Größe und ihr Umfang von der COVID-19-Situation in der jeweiligen Provinz abhängt. Sogenannte „Fix-Teams“ waren in Krankenhäusern stationiert, untersuchen verdächtige COVID-19-Patienten vor Ort und stehen in jedem öffentlichen Krankenhaus zur Verfügung. Ein weiterer Teil der COVID-19-Patienten befindet sich in häuslicher Pflege (Isolation). Allerdings ist die häusliche Pflege und Isolation für die meisten Patienten sehr schwierig bis unmöglich, da die räumlichen Lebensbedingungen in Afghanistan sehr begrenzt sind (IOM 23.9.2020). Zu den Sensibilisierungsbemühungen gehört die Verbreitung von Informationen über soziale Medien, Plakate, Flugblätter sowie die Ältesten in den Gemeinden (IOM 18.3.2021; vgl. WB 28.6.2020). Allerdings berichteten undokumentierte Rückkehrer immer noch von einem insgesamt sehr geringen Bewusstsein für die mit COVID-19 verbundenen Einschränkungen sowie dem Glauben an weitverbreitete Verschwörungen rund um COVID-19 (IOM 18.3.2021; vgl. IDW 17.6.2021).

Indien hat inzwischen zugesagt, 500.000 Dosen seines eigenen Impfstoffs zu spenden, erste Lieferungen sind bereits angekommen. 100.000 weitere Dosen sollen über COVAX (COVID-19 Vaccines Global Access) verteilt werden. Weitere Gespräche über Spenden laufen mit China (BAMF 8.2.2021; vgl. RFE/RL 23.2.2021a).

Die Taliban erlaubten den Zugang für medizinische Helfer in Gebieten unter ihrer Kontrolle im Zusammenhang mit dem Kampf gegen COVID-19 (NH 3.6.2020; vgl. TG 2.5.2020) und gaben im Januar 2021 ihre Unterstützung für eine COVID-19-Impfkampagne in Afghanistan bekannt, die vom COVAX-Programm der Weltgesundheitsorganisation mit 112 Millionen Dollar unterstützt wird. Nach Angaben des Taliban-Sprechers Zabihullah Mudschahid würde die Gruppe die über Gesundheitszentren durchgeführte Impfaktion „unterstützen und erleichtern“ (REU 26.1.2021; vgl. ABC News 27.1.2021), wenn der Impfstoff in Abstimmung mit ihrer Gesundheitskommission und in Übereinstimmung mit deren Grundsätzen eingesetzt wird (NH 3.6.2020).

Mit Stand 2.6.2021 wurden insgesamt 626.290 Impfdosen verabreicht (WHO 4.6.2021; vgl UNOCHA 3.6.2021). Etwa 11% der Geimpften haben beide Dosen des COVID-19-Impfstoffs erhalten. Insgesamt gibt es nach wie vor große Bedenken hinsichtlich des gerechten Zugangs zu Impfstoffen für Afghanen, insbesondere für gefährdete Gruppen wie Binnenvertriebene, Rückkehrer und nomadische Bevölkerungsgruppen sowie Menschen, die in schwer zugänglichen Gebieten leben (UNOCHA 3.6.2021).

Gesundheitssystem und medizinische Versorgung

Krankenhäuser und Kliniken haben nach wie vor Probleme bei der Aufrechterhaltung oder Erweiterung der Kapazität ihrer Einrichtungen zur Behandlung von Patienten mit COVID-19 sowie bei der Aufrechterhaltung wesentlicher Gesundheitsdienste, insbesondere in Gebieten mit aktiven Konflikten. Gesundheitseinrichtungen im ganzen Land berichten nach wie vor über Defizite bei persönlicher Schutzausrüstung, Sauerstoff, medizinischem Material und Geräten zur Behandlung von COVID-19 (USAID 11.6.2021; vgl. UNOCHA 3.6.2021, HRW 13.1.2021). Bei etwa 8% der bestätigten COVID-19-Fälle handelt es sich um Mitarbeiter im Gesundheitswesen (BAMF 8.2.2021). Mit Mai 2021 wird vor allem von einem starken Mangel an Sauerstoff berichtet (TN 3.6.2021; vgl. TG 25.5.2021). In den 18 öffentlichen Krankenhäusern in Kabul gibt es insgesamt 180 Betten auf Intensivstationen. Die Provinzkrankenhäuser haben jeweils mindestens zehn Betten auf Intensivstationen. Private Krankenhäuser verfügen insgesamt über 8.000 Betten, davon wurden 800 für die Intensivpflege ausgerüstet. Sowohl in Kabul als auch in den Provinzen stehen für 10% der Betten auf der Intensivstation Beatmungsgeräte zur Verfügung. Das als Reaktion auf COVID-19 eingestellte Personal wurde zu Beginn der Pandemie von der Regierung und Organisationen geschult (IOM 23.9.2020). UNOCHA berichtet mit Verweis auf Quellen aus dem Gesundheitssektor, dass die niedrige Anzahl an Personen die Gesundheitseinrichtungen aufsuchen auch an der Angst der Menschen vor einer Ansteckung mit dem Virus geschuldet ist (UNOCHA 15.10.2020) wobei auch die Stigmatisierung, die mit einer Infizierung einhergeht, hierbei eine Rolle spielt (IOM 18.3.2021; vgl. UNOCHA 3.6.2021, USAID 11.6.2021). Durch die COVID-19 Pandemie hat sich der Zugang der Bevölkerung zu medizinischer Behandlung verringert (AAN 1.1.2020). Dem IOM Afghanistan COVID-19 Protection Monitoring Report zufolge haben 53 % der Bevölkerung nach wie vor keinen realistischen Zugang zu Gesundheitsdiensten. Ferner berichteten 23 % der durch IOM Befragten, dass sie sich die gewünschten Präventivmaßnahmen, wie den Kauf von Gesichtsmasken, nicht leisten können. Etwa ein Drittel der befragten Rückkehrer berichtete, dass sie keinen Zugang zu Handwascheinrichtungen (30%) oder zu Seife/Desinfektionsmitteln (35%) haben (IOM 23.9.2020).

Sozioökonomische Auswirkungen und Arbeitsmarkt

Die ohnehin schlechte wirtschaftliche Lage wurde durch die Auswirkungen der Pandemie noch verstärkt (AA 15.7.2021). COVID-19 trägt zu einem erheblichen Anstieg der akuten Ernährungsunsicherheit im ganzen Land bei (USAID 11.6.2021; vgl. UNOCHA 3.6.2021). Die kürzlich veröffentlichte IPC-Analyse schätzt, dass sich im April 2021 12,2 Millionen Menschen – mehr als ein Drittel der Bevölkerung - in einem Krisen- oder Notfall-Niveau der Ernährungsunsicherheit befinden (UNOCHA 3.6.2021; vgl. IPC 22.4.2021). In der ersten Hälfte des Jahres 2020 kam es zu einem deutlichen Anstieg der Lebensmittelpreise, die im April 2020 im Jahresvergleich um rund 17% stiegen, nachdem in den wichtigsten städtischen Zentren Grenzkontrollen und Lockdown-Maßnahmen eingeführt worden waren. Der Zugang zu Trinkwasser war jedoch nicht beeinträchtigt, da viele der Haushalte entweder über einen Brunnen im Haus verfügen oder Trinkwasser über einen zentralen Wasserverteilungskanal erhalten. Die Auswirkungen der Handelsunterbrechungen auf die Preise für grundlegende Haushaltsgüter haben bisher die Auswirkungen der niedrigeren Preise für wichtige Importe wie Öl deutlich überkompensiert. Die Preisanstiege scheinen seit April 2020 nach der Verteilung von Weizen aus strategischen Getreidereserven, der Durchsetzung von Anti-Preismanipulationsregelungen und der Wiederöffnung der Grenzen für Nahrungsmittelimporte nachgelassen zu haben (IOM 23.9.2020; vgl. WHO 7.2020), wobei gemäß dem WFP (World Food Program) zwischen März und November 2020 die Preise für einzelne Lebensmittel (Zucker, Öl, Reis…) um 18-31% gestiegen sind (UNOCHA 12.11.2020). Die Auswirkungen von COVID-19 auf den Landwirtschaftssektor waren bisher gering. Bei günstigen Witterungsbedingungen während der Aussaat wird erwartet, dass sich die Weizenproduktion nach der Dürre von 2018 weiter erholen wird. Lockdown-Maßnahmen hatten bisher nur begrenzte Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion und blieben in ländlichen Gebieten nicht durchgesetzt. Die Produktion von Obst und Nüssen für die Verarbeitung und den Export wird jedoch durch Unterbrechung der Lieferketten und Schließung der Exportwege negativ beeinflusst (IOM 18.3.2021). Die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen, die durch die COVID-19-Pandemie geschaffen wurden, haben auch die Risiken für vulnerable Familien erhöht, von denen viele bereits durch lang anhaltende Konflikte oder wiederkehrende Naturkatastrophen ihre begrenzten finanziellen, psychischen und sozialen Bewältigungskapazitäten aufgebraucht hatten (UNOCHA 19.12.2020). Die tiefgreifenden und anhaltenden Auswirkungen der COVID-19-Krise auf die afghanische Wirtschaft bedeuten, dass die Armutsquoten für 2021 voraussichtlich hoch bleiben werden. Es wird erwartet, dass das BIP im Jahr 2021 um mehr als 5% geschrumpft sein wird (IWF). Bis Ende 2021 ist die Arbeitslosenquote in Afghanistan auf 37,9% gestiegen, gegenüber 23,9% im Jahr 2019 (IOM 18.3.2021).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.7.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Mai 2021), https://www.ecoi.net/en/document/2057829.html , Zugriff 8.9.2021

AAN - Afghan Analyst Network (25.7.2021): Schools reopen in Afghanistan after months of COVID-19 closure, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/schools-reopen-in-afghanistan-after-months-ofcovid-19-closure/2313635 , Zugriff am 8.9.2021

AAN - Afghanistan Analysts Network (1.10.2020): Covid-19 in Afghanistan (7): The effects of the pandemic on the private lives and safety of women at home, https://www.afghanistan-analysts.org /en/reports/economy-development-environment/covid-19-in-afghanistan-7-the-effects-of-the-pandemic-on-the-private-lives-and-safety-of-women-at-home/ , Zugriff 8.9.2021

ABC News (27.1.2021): Afghanistan prepares to vaccinate citizens against coronavirus amid ongoing violence, https://www.abc.net.au/news/2021-01-27/afghanistan-prepares-for-vaccine-rolloutamid-ongoing-violence/13096290 , Zugriff 8.9.2021

ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation (25.5.2021): Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Gewalt gegen Kinder und etwaige Veränderungen durch die Covid-19-Pandemie; Zugang zu Bildungseinrichtungen im Zusammenhang mit Pandemie, insb. in Kabul und Mazar-e-Sharif, https://www.ecoi.net/en/document/2052138.html , Zugriff 8.9.2021

AI - Amnesty International (3.2021): Report on impact of the COVID-19 pandemic and food shortage on IDPs, https://www.ecoi.net/en/document/2048184.html, Zugriff 8.9.2021

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (31.5.2021): Briefing Notes, https://www.ecoi.net/en/document/2052716.html , Zugriff 8.9.2021

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (8.2.2021): Briefing Notes, https://www.ecoi.net/en/document/2045120.html , Zugriff 8.9.2021

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Politische Lage

Letzte Änderung: 16.09.2021

Afghanistan war [vor der Machtübernahme der Taliban] ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind (AA 1.3.2021). Auf einer Fläche von 652.860 Quadratkilometern leben ca. 32,9 Millionen (NSIA 1.6.2020) bis 39 Millionen Menschen (WoM o.D.). Nachdem der bisherige Präsident Ashraf Ghani am 15.8.2021 aus Afghanistan geflohen war, nahmen die Taliban die Hauptstadt Kabul als die letzte aller großen afghanischen Städte ein (TAG 15.8.2021; vgl. JS 7.9.2021). Ghani gab auf seiner Facebook-Seite eine Erklärung ab, in der er den Sieg der Taliban vor Ort anerkannte (JS 7.9.2021; vgl. UNGASC 2.9.2021). Diese Erklärung wurde weithin als Rücktritt interpretiert, obwohl nicht klar ist, ob die Erklärung die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Rücktritt des Präsidenten erfüllt. Amrullah Saleh, der erste Vizepräsident Afghanistans unter Ghani, beanspruchte in der Folgezeit das Amt des Übergangspräsidenten für sich (JS 7.9.2021; vgl. UNGASC 2.9.2021). Er ist Teil des Widerstands gegen die Taliban im Panjshir-Tal (REU 8.9.2021). Ein so genannter Koordinationsrat unter Beteiligung des früheren Präsidenten Hamid Karzai, Abdullah Abdullah (dem früheren Außenminister und Leiter der Delegation der vorigen Regierung bei den letztendlich erfolglosen Friedensverhandlungen) und Gulbuddin Hekmatyar führte mit den Taliban informelle Gespräche über eine Regierungsbeteiligung (FP 23.8.2021), die schließlich nicht zustande kam (TD 10.9.2021). Denn unabhängig davon, wer nach der afghanischen Verfassung das Präsidentenamt innehat, kontrollieren die Taliban den größten Teil des afghanischen Staatsgebiets (JS 7.9.2021; vgl. UNGASC 2.9.2021). Sie haben das Islamische Emirat Afghanistan ausgerufen und am 7.9.2021 eine neue Regierung angekündigt, die sich größtenteils aus bekannten Taliban-Figuren zusammensetzt (JS 7.9.2021). Die Taliban lehnen die Demokratie und ihren wichtigsten Bestandteil, die Wahlen, generell ab (AJ 24.8.2021; vgl. AJ 23.8.2021). Sie tun dies oftmals mit Verweis auf die Mängel des demokratischen Systems und der Wahlen in Afghanistan in den letzten 20 Jahren, wie auch unter dem Aspekt, dass Wahlen und Demokratie in der vormodernen Periode des islamischen Denkens, der Periode, die sie als am authentischsten „islamisch“ ansehen, keine Vorläufer haben. Sie halten einige Methoden zur Auswahl von Herrschern in der vormodernen muslimischen Welt für authentisch islamisch - zum Beispiel die Shura Ahl al-Hall wa’l-Aqd, den Rat derjenigen, die qualifiziert sind, einen Kalifen im Namen der muslimischen Gemeinschaft zu wählen oder abzusetzen (AJ 24.8.2021). Ende August 2021 kündigten die Taliban an, eine Verfassung auszuarbeiten (FA 23.8.2021), jedoch haben sie sich zu den Einzelheiten des Staates, den ihre Führung in Afghanistan errichten möchte, bislang bedeckt gehalten (AJ 24.8.2021; vgl. ICG 24.8.2021, AJ 23.8.2021). Im September 2021 kündigten sie die Bildung einer „Übergangsregierung“ an. Entgegen früherer Aussagen handelt es sich dabei nicht um eine „inklusive“ Regierung unter Beteiligung unterschiedlicher Akteure, sondern um eine reine Talibanregierung. Darin vertreten sind Mitglieder der alten Talibanelite, die schon in den 1990er Jahren zentrale Rollen besetzte, ergänzt mit Taliban-Führern, die im ersten Emirat noch zu jung waren, um zu regieren. Die allermeisten sind Paschtunen. Angeführt wird die neue Regierung von Mohammad Hassan Akhund. Er ist

Vorsitzender der Minister, eine Art Premierminister. Akhund ist ein wenig bekanntes Mitglied des höchsten Taliban-Führungszirkels, der sogenannten Rahbari-Shura, besser bekannt als Quetta- Shura (NZZ 7.9.2021; vgl. BBC 8.9.2021a). Einer seiner Stellvertreter ist Abdul Ghani Baradar, der bisher das politische Büro der Taliban in Doha geleitet hat und so etwas wie das öffentliche Gesicht der Taliban war (NZZ 7.9.2021), ein weiterer Stellvertreter ist Abdul Salam Hanafi, der ebenfalls im politischen Büro in Doha tätig war (ORF 7.9.2021). Mohammad Yakub, Sohn des Taliban-Gründers Mullah Omar und einer der Stellvertreter des Taliban-Führers Haibatullah Akhundzada (RFE/RL 6.8.2021), ist neuer Verteidigungsminister. Sirajuddin Haqqani, der Leiter des Haqqani-Netzwerks, wurde zum Innenminister ernannt. Das Haqqani-Netzwerk wird von den USA als Terrororganisation eingestuft. Der neue Innenminister steht auf der Fahndungsliste des FBI und auch der Vorsitzende der Minister, Akhund, befindet sich auf einer Sanktionsliste des UN-Sicherheitsrates (NZZ 7.9.2021).

Ein Frauenministerium findet sich nicht unter den bislang angekündigten Ministerien, auch wurden keine Frauen zu Ministerinnen ernannt [Anm.: Stand 7.9.2021]. Dafür wurde ein Ministerium für „Einladung, Führung, Laster und Tugend“ eingeführt, das die Afghanen vom Namen her an das Ministerium „für die Förderung der Tugend und die Verhütung des Lasters“ erinnern dürfte.

Diese Behörde hatte während der ersten Taliban-Herrschaft von 1996 bis 2001 Menschen zum Gebet gezwungen oder Männer dafür bestraft, wenn sie keinen Bart trugen (ORF 7.9.2021; vgl. BBC 8.9.2021a). Die höchste Instanz der Taliban in religiösen, politischen und militärischen Angelegenheiten (RFE/RL 6.8.2021), der „Amir al Muminin“ oder „Emir der Gläubigen“ Mullah Haibatullah Akhundzada (FR 18.8.2021) wird sich als „Oberster Führer“ Afghanistans auf religiöse Angelegenheiten und die Regierungsführung im Rahmen des Islam konzentrieren (NZZ 8.9.2021). Er kündigte an, dass alle Regierungsangelegenheiten und das Leben in Afghanistan den Gesetzen der Scharia unterworfen werden (ORF 7.9.2021). Bezüglich der Verwaltung haben die Taliban Mitte August 2021 nach und nach die Behörden und Ministerien übernommen. Sie riefen die bisherigen Beamten und Regierungsmitarbeiter dazu auf, wieder in den Dienst zurückzukehren, ein Aufruf, dem manche von ihnen auch folgten (AZ 17.8.2021; vgl. ICG 24.8.2021). Es gibt Anzeichen dafür, dass einige Anführer der Gruppe die Grenzen ihrer Fähigkeit erkennen, den Regierungsapparat in technisch anspruchsvolleren Bereichen zu bedienen. Zwar haben die Taliban seit ihrem Erstarken in den vergangenen zwei Jahrzehnten in einigen ländlichen Gebieten Afghanistans eine so genannte Schattenregierung ausgeübt, doch war diese rudimentär und von begrenztem Umfang, und in Bereichen wie Gesundheit und Bildung haben sie im Wesentlichen die Dienstleistungen des afghanischen Staates und von Nichtregierungsorganisationen übernommen (ICG 24.8.2021). Bis zum Sturz der alten Regierung wurden ca. 75% (ICG 24.8.2021) bis 80% des afghanischen Staatsbudgets von Hilfsorganisationen bereitgestellt (BBC 8.9.2021a), Finanzierungsquellen, die zumindest für einen längeren Zeitraum ausgesetzt sein werden, während die Geber die Entwicklung beobachten (ICG 24.8.2021). So haben die EU und mehrere ihrer Mitgliedsstaaten in der Vergangenheit mit der Einstellung von Hilfszahlungen gedroht, falls die Taliban die Macht übernehmen und ein islamisches Emirat ausrufen sollten, oder Menschen- und Frauenrechte verletzen sollten. Die USA haben rund 9,5 Milliarden US-Dollar an Reserven der afghanischen Zentralbank sofort [nach der Machtübernahme der Taliban in Kabul] eingefroren, Zahlungen des IWF und der EU wurden ausgesetzt (CH 24.8.2021). Die Taliban verfügen weiterhin über die Einnahmequellen, die ihren Aufstand finanzierten, sowie über den Zugang zu den Zolleinnahmen, auf die sich die frühere Regierung für den Teil ihres Haushalts, den sie im Inland aufbrachte, stark verließ. Ob neue Geber einspringen werden, um einen Teil des Defizits auszugleichen, ist noch nicht klar (ICG 24.8.2021).

Die USA zeigten sich angesichts der Regierungsbeteiligung von Personen, die mit Angriffen auf US-Streitkräfte in Verbindung gebracht werden, besorgt und die EU erklärte, die islamistische Gruppe habe ihr Versprechen gebrochen, die Regierung „integrativ und repräsentativ“ zu machen (BBC 8.9.2021b). Deutschland und die USA haben eine baldige Anerkennung der von den militant-islamistischen Taliban verkündeten Übergangsregierung Anfang September 2021 ausgeschlossen (BZ 8.9.2021). China und Russland haben ihre Botschaften auch nach dem Machtwechsel offen gehalten (NYT 1.9.2021).

Vertreter der National Resistance Front (NRF) haben die internationale Gemeinschaft darum gebeten, die Taliban-Regierung nicht anzuerkennen (BBC 8.9.2021b). Ahmad Massoud, einer der Anführer der NRF, kündigte an, nach Absprachen mit anderen Politikern eine Parallelregierung zu der von ihm als illegitim bezeichneten Talibanregierung bilden zu wollen (IT 8.9.2021).

Quellen:

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Friedensverhandlungen, Abzug der internationalen Truppen und Machtübernahme der Taliban

Letzte Änderung: 16.09.2021

2020 fanden die ersten ernsthaften Verhandlungen zwischen allen Parteien des Afghanistan- Konflikts zur Beendigung des Krieges statt (HRW 13.1.2021). Das lang erwartete Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten und den Taliban wurde Ende Februar 2020 unterzeichnet (AJ 7.5.2020; vgl. NPR 6.5.2020, EASO 8.2020a) - die damalige afghanische Regierung war an dem Abkommen weder beteiligt, noch unterzeichnete sie dieses (EASO 8.2020a). Das Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten und den Taliban enthielt das Versprechen der US-Amerikaner, ihre noch rund 13.000 Armeeangehörigen in Afghanistan innerhalb von 14 Monaten abzuziehen. Auch die verbliebenen nicht-amerikanischen NATO-Truppen sollten abgezogen werden (NZZ 20.4.2020; vgl. USDOS 29.2.2020; REU 6.10.2020). Dafür hatten die Taliban beispielsweise zugesichert, zu verhindern, dass „irgendeiner ihrer Mitglieder, andere Individuen oder Gruppierungen, einschließlich Al-Qaida, den Boden Afghanistans nutzt, um die Sicherheit der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten zu bedrohen“ (USDOS 29.2.2020).

Die Verhandlungen mit den USA lösten bei den Taliban ein Gefühl des Triumphs aus. Indem sie mit den Taliban verhandelten, haben die USA sie offiziell als politische Gruppe und nicht mehr als Terroristen anerkannt [Anm.: das mit den Taliban verbundene Haqqani-Netzwerk wird von den USA mit Stand 7.9.2021 weiterhin als Terrororganisation eingestuft (NZZ 7.9.2021)]. Gleichzeitig unterminierten die Verhandlungen aber auch die damalige afghanische Regierung, die von den Gesprächen zwischen den Taliban und den USA ausgeschlossen wurde (VIDC 26.4.2021).

Im September 2020 starteten die Friedensgespräche zwischen der damaligen afghanischen Regierung und den Taliban in Katar (REU 6.10.2020; vgl. AJ 5.10.2020, BBC 22.9.2020). Der Regierungsdelegation gehörten nur wenige Frauen an, aufseiten der Taliban war keine einzige Frau an den Gesprächen beteiligt. Auch Opfer des bewaffneten Konflikts waren nicht vertreten, obwohl Menschenrechtsgruppen dies gefordert hatten (AI 7.4.2021).

Die Gewalt ließ jedoch nicht nach, selbst als afghanische Unterhändler zum ersten Mal in direkte Gespräche verwickelt wurden (AJ 5.10.2020; vgl. AI 7.4.2021). Insbesondere im Süden, herrscht trotz des Beginns der Friedensverhandlungen weiterhin ein hohes Maß an Gewalt, was weiterhin zu einer hohen Zahl von Opfern unter der Zivilbevölkerung führt (UNGASC 9.12.2020; vgl. AI 7.4.2021).

Mitte Juli 2021 kam es zu einem weiteren Treffen zwischen der ehemaligen afghanischen Regierung und den Vertretern der Taliban in Katar (DW 18.7.2021). In einer Erklärung, die nach zweitägigen Gesprächen veröffentlicht wurde, erklärten beide Seiten, dass sie das Leben der Zivilbevölkerung, die Infrastruktur und die Dienstleistungen schützen wollen (AAN 19.7.2021). Ein Waffenstillstand wurde allerdings nicht beschlossen (DW 18.7.2021; vgl. AAN 19.7.2021).

Abzug der Internationalen Truppen

Im April 2021 kündigte US-Präsident Joe Biden den Abzug der verbleibenden Truppen (WH 14.4.2021; vgl. RFE/RL 19.5.2021) - etwa 2.500-3.500 US-Soldaten und etwa 7.000 NATOTruppen - bis zum 11.9.2021 an, nach zwei Jahrzehnten US-Militärpräsenz in Afghanistan (RFE/RL 19.5.2021). Er erklärte weiter, die USA würden weiterhin „terroristische Bedrohungen“ überwachen und bekämpfen sowie „die Regierung Afghanistans“ und „die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte weiterhin unterstützen“ (WH 14.4.2021), allerdings ist nicht klar, wie die USA auf wahrgenommene Bedrohungen zu reagieren gedenken, sobald ihre Truppen abziehen (AAN 1.5.2021). Die Taliban zeigten sich von der Ankündigung eines vollständigen und bedingungslosen Abzugs nicht besänftigt, sondern äußerten sich empört über die Verzögerung, da im Doha-Abkommen der 30.4.2021 als Datum für den Abzug der internationalen Truppen festgelegt worden war. In einer am 15.4.2021 veröffentlichten Erklärung wurden Drohungen angedeutet: Der „Bruch“ des Doha-Abkommens „öffnet den Mudschaheddin des Islamischen Emirats den Weg, jede notwendige Gegenmaßnahme zu ergreifen, daher wird die amerikanische Seite für alle zukünftigen Konsequenzen verantwortlich gemacht werden, und nicht das Islamische Emirat“ (AAN 1.5.2021). Am 31.8.2021 zog schließlich der letzte US-amerikanische Soldat aus Afghanistan ab (DP 31.8.2021). Schon zuvor verließ der bis dahin amtierende afghanische Präsident Ashraf Ghani das Land und die Taliban übernahmen die Hauptstadt Kabul am 15.8.2021 kampflos (AAN 17.8.2021).

US-amerikanische, britische und deutsche Beamte sowie internationale NGOs wie Human Rights Watch (HRW) äußerten sich besorgt über die Sicherheit von ehemaligen Mitarbeitern der internationalen Streitkräfte (RFE/RL 19.5.2021; BAMF 17.5.2021; BBC 27.4.2021; HRW 8.6.2021), während die Taliban angaben, nicht gegen (ehemalige) Mitarbeiter der internationalen Truppen vorgehen zu wollen. Die Taliban behaupteten in der Erklärung, dass Afghanen, die für die ausländischen „Besatzungstruppen“ gearbeitet hätten, „irregeführt“ worden seien und „Reue“ für ihre vergangenen Handlungen zeigen sollten, da diese einem „Verrat“ am Islam und an Afghanistan gleichkämen (VOA 7.6.2021; vgl. MENAFN 7.6.2021, DZ 7.6.2021, HRW 8.6.2021).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.7.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Mai 2021), https://www.ecoi.net/en/document/2057829.html , Zugriff 3.9.2021

AAN - Afghanistan Analysts Network (17.8.2021): Afghanistan Has a New Government: The country wonders what the new normal will look like, https://www.afghanistan-analysts.org/en/reports/warand-peace/afghanistan-has-a-new-government-the-country-wonders-what-the-new-normal-will-look-like/ , Zugriff 14.9.2021

AAN - Afghanistan Analysts Network (19.7.2021): Afghan-Taliban peace talks fail to reach breakthrough, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/afghan-taliban-peace-talks-fail-to-reach-breakthrough/2308518; Zugriff 3.9.2021

AAN - Afghanistan Analysts Network (1.5.2021): As US troops withdraw, what next for war and peace in Afghanistan?, https://www.afghanistan-analysts.org/en/reports/war-and-peace/as-us-troops-withdraw-what-next-for-war-and-peace-in-afghanistan/ , Zugriff 3.9.2021

AI - Amnesty International (7.4.2021): Afghanistan - Report on the human rights situation covering 2020, https://www.ecoi.net/en/document/2048577.html , Zugriff 3.9.2021

AJ - Al-Jazeera (5.10.2020): Afghan president Ghani arrives in Qatar as peace talks drag on, https://www.aljazeera.com/news/2020/10/5/afghan-president-ghani-arrives-in-qatar-as-peace-talks-drag-on , Zugriff 3.9.2021

AJ - Al Jazeera (7.5.2020): US Afghan envoy to meet Taliban in Qatar in new efforts for peace, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (17.5.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw20-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=2 , Zugriff 3.9.2021

BBC - British Broadcasting Corporation (27.4.2021): Afghan interpreters rejected for resettlement fear death after UK exit, https://www.bbc.com/news/world-asia-56831875 , Zugriff 3.9.2021

BBC - British Broadcasting Corporation (23.4.2021): Afghanistan: Have things improved since the Taliban?, https://www.bbc.com/news/56779160 , Zugriff 3.9.2021

BBC - British Broadcasting Corporation (15.4.2021): Afghanistan: ’We have won the war, America has lost’, say Taliban, https://www.bbc.com/news/world-asia-56747158 , Zugriff 3.9.2021

BBC - British Broadcasting Corporation (22.9.2020): Afghan-Taliban peace talks: What’s next?, https://www.bbc.com/news/world-asia-54255862 , Zugriff 3.9.2021

DP - Die Presse (31.8.2021): US-Truppenabzug aus Afghanistan abgeschlossen, https://www.diepresse.com/6027490/us-truppenabzug-aus-afghanistan-abgeschlossen , Zugriff 8.9.2021

DW - Deutsche Welle (18.7.2021): Afghan government, Taliban agree to further peace talks, https: //www.dw.com/en/afghan-governme

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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