TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/18 W254 2247062-1

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Veröffentlicht am 18.10.2021
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Entscheidungsdatum

18.10.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
B-VG Art14 Abs7a
SchPflG 1985 §1 Abs1
SchPflG 1985 §11 Abs2
SchPflG 1985 §11 Abs3
SchPflG 1985 §11 Abs4
SchPflG 1985 §2
SchPflG 1985 §3
SchPflG 1985 §5 Abs1
StGG Art17

Spruch


W254 2247062-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr.in Tatjana CARDONA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX als Erziehungsberechtigte der mj. XXXX , geb. XXXX , vertreten durch die Beneder Rechtsanwalts GmbH, gegen den Bescheid der Bildungsdirektion Wien vom 16.09.2021, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 11 Schulpflichtgesetz als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Bildungsdirektion Wien nahm die am 24.08.2020 erfolgte Anzeige der Teilnahme der schulpflichtigen Tochter der Beschwerdeführerin (in Folge: BF), XXXX , geb. am XXXX , am häuslichen Unterricht für die 2. Schulstufe zur Kenntnis.

XXXX trat vor Schulschluss nicht zu einer Externistenprüfung über die 2. Schulstufe an.

2. Am 28.07.2021 zeigten die BF und XXXX die Teilnahme ihrer Tochter am häuslichem Unterricht im Schuljahr 2021/2022 für die 2. Schulstufe an. Der Anzeige wurde ein Externistenprüfungszeugnis der privaten Volksschule XXXX vom 08.06.2020 für die 1. Schulstufe beigefügt.

3. Mit angefochtenen Bescheid vom 16.09.2021 wurde die Teilnahme von XXXX an häuslichem Unterricht untersagt (Spruchpunkt 1.) und wurde ausgesprochen, dass sie die Schulpflicht durch den Besuch einer öffentlichen oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Volksschule zu erfüllen hätte (Spruchpunkt 2.). Es wurde festgehalten, dass die Erziehungsberechtigten BF und XXXX verpflichtet seien, fortan für die Erfüllung der Schulpflicht von XXXX an einer öffentlichen oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule zu sorgen (Spruchpunkt 3.) und wurde einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt 4.).

Begründend führte die Bildungsdirektion im Wesentlichen aus, dass der Nachweis des zureichenden Erfolgs des häuslichen Unterrichts vor Schulschluss nicht erbracht worden sei.

In der Rechtsmittelbelehrung wurde unter anderem ausgeführt, dass eine Beschwerde gegen den Bescheid innerhalb von vier Wochen möglich sei.

4. Dagegen erhob die BF fristgerecht Beschwerde, in der sie zusammengefasst Folgendes vorbringt: XXXX hätte das Schuljahr der zweiten Schulstufe im Schuljahr 2021/22 aus Eigenem wiederholen sollen. Es sei den Erziehungsberechtigten bei der Abgabe der Anmeldung zum häuslichen Unterricht von Seiten der belangten Behörde mitgeteilt worden, dass der Antrag „vielleicht durchgehen werde“. Gemäß § 11 Abs. 2 Schulpflichtgesetz könne die Schulpflicht auch durch Teilnahme am häuslichen Unterricht erfolgen. Dass dies erfolgreich möglich sei, beweise schon das Externistenprüfungszeugnis für die erste Schulstufe der Volkschule (das betreffende Zeugnis wurde durch Beilage ./A dargetan). Die Bescheidzustellung am 22.09.2021 sei unzulässig und verspätet. Es sei unzulässig, nach Beginn des Schuljahres die BF vor vollendete Tatsachen zu stellen. Das Nichtantreten zur Externistenprüfung für die zweite Schulstufe sei coronabedingt gewesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die schulpflichtige XXXX erfüllte im Schuljahr 2020/21 ihre Schulpflicht (2. Schulstufe) durch die Teilnahme am häuslichen Unterricht.

Ein Nachweis über den zureichenden Erfolg des häuslichen Unterrichtes im Schuljahr 2020/21 in Form eines positiven Externistenprüfungszeugnisses wurde nicht vorgelegt.

Die Erziehungsberechtigten BF und XXXX haben die Teilnahme von XXXX am häuslichen Unterricht für das Schuljahr 2021/22 und daher für das Wiederholen der 2. Schulstufe angezeigt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde und der Beschwerde.

Dass die BF und XXXX die Teilnahme am häuslichen Unterricht für die 2. Schulstufe und damit für das Wiederholen der bereits besuchten Schulstufe angezeigt haben, ergibt sich aus dem ausgefüllten Formblatt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu A)

3.1.1. Zur Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 27 Abs. 2 Schulpflichtgesetz beträgt in den Fällen des § 11 Abs. 3 Schulpflichtgesetz die Frist zur Erhebung der Beschwerde beim Verwaltungsgericht fünf Tage. In der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides ist jedoch fälschlicherweise eine Beschwerdefrist von vier Wochen angeführt.

§ 61 Abs. 3 AVG regelt für den Fall, dass im Bescheid eine längere als die gesetzliche Frist angegeben ist, dass das innerhalb der angegebenen Frist eingebrachte Rechtsmittel als rechtzeitig gilt.

Die Beschwerde vom 27.09.2021 ist jedenfalls rechtzeitig eingebracht worden.

3.1.2.  Die im gegenständlichen Fall maßgeblichen Bestimmungen lauten wie folgt:

Gemäß § 1 Abs. 1 Schulpflichtgesetz 1985 besteht für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, allgemeine Schulpflicht nach Maßgabe dieses Abschnittes.

Gemäß § 2 Schulpflichtgesetz 1985 beginnt die allgemeine Schulpflicht mit dem auf die Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden 1. September.

Gemäß § 3 Schulpflichtgesetz 1985 dauert die allgemeine Schulpflicht neun Jahre.

Gemäß § 5 Abs. 1 Schulpflichtgesetz 1985 ist die allgemeine Schulpflicht durch den Besuch von allgemein bildenden Pflichtschulen sowie von mittleren oder höheren Schulen zu erfüllen.

Gemäß § 11 Abs. 2 Schulpflichtgesetz 1985 kann die allgemeine Schulpflicht ferner durch die Teilnahme am häuslichen Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. haben die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten die Teilnahme ihres Kindes an einem im Abs. 1 oder 2 genannten Unterricht der Bildungsdirektion jeweils vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen. Die Bildungsdirektion kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die im Abs. 1 oder 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist oder wenn gemäß Abs. 2a eine öffentliche Schule oder eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu besuchen ist.

Gemäß § 11 Abs. 4 Schulpflichtgesetz 1985 ist der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes jährlich vor Schulschluss durch eine Prüfung an einer im § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, so hat die Bildungsdirektion anzuordnen, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat.

3.1.3.  Die Freiheit des häuslichen Unterrichts beschränkt nicht die in Art. 14 Abs. 7a B-VG verankerte Schulpflicht und kann daher entsprechenden Regelungen, die der Sicherung des Ausbildungserfolges von schulpflichtigen Schülern dienen, nicht entgegengehalten werden. Art. 17 StGG garantiert also nicht die Möglichkeit, die Schulpflicht durch häuslichen Unterricht zu erfüllen (siehe VfGH 06.03.2019, G377/2018).

Es besteht ein großes öffentliches Interesse an der ausreichenden Beschulung von schulpflichtigen Kindern entsprechend dem österreichischen Schulpflichtgesetz (vgl. VwGH vom 04.09.2012, AW 2012/10/0046).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus § 11 Abs. 4 SchPflG, wonach für den Fall, dass der zureichende Erfolg dieses Unterrichts für eine Schulstufe nicht nachgewiesen wird, die Erfüllung der Schulpflicht im Sinne des § 5 leg. cit. anzuordnen ist, und somit der weitere Besuch einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht bzw. die Teilnahme am häuslichen Unterricht nicht mehr in Betracht kommt, dass der Gesetzgeber die Wiederholung einer Schulstufe im Rahmen der Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht oder an häuslichem Unterricht nicht vorgesehen hat (siehe VwGH 29.05.2020, Ro 2020/10/0007, m.w.N.).

3.1.4. Mit dem Beschwerdevorbringen ist es der BF nicht gelungen, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Aus der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich, dass der Gesetzgeber die Wiederholung einer Schulstufe im Rahmen der Teilnahme an häuslichem Unterricht nicht vorgesehen hat. Folglich ist ein Wiederholen einer Schulstufe nur im Rahmen eines Schulbesuches an einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schulen zulässig.

Die BF und XXXX haben die Teilnahme von XXXX am häuslichen Unterricht der bereits in Form von häuslichen Unterricht besuchten 2. Schulstufe angezeigt. Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich jedoch, dass die Wiederholung einer Schulstufe im Rahmen des häuslichen Unterrichts nicht zulässig ist.

Vor diesem Hintergrund ist der Bildungsdirektion Wien zunächst nicht entgegenzutreten, wenn sie den ihr von der BF angezeigten Unterricht von vornherein für unzulässig erachtete und daher – unter Anordnung der Erfüllung der Schulpflicht an einer der in § 5 SchPflG genannten Schulen – untersagt hat.

In Bezug auf das Vorbringen, wonach die Erziehungsberechtigten von XXXX bei der Abgabe des Antrages eine Beratung im Hinblick auf ein anderes Verfahrensergebnis erhalten hätten, ist eingangs auszuführen, dass schon die belangte Behörde richtigerweise in der Beschwerdevorlage darauf hinwies, dass eine (falsche) Rechtsauskunft einer Behörde kein subjektives Recht auf das zugesicherte behördliche Verhalten begründet (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 13a [Stand 1.1.2014, rdb.at] Rz 9 mwN). Überdies ist darauf zu verweisen, dass eine Belehrungspflicht nach § 13a AVG, nur Verfahrenshandlungen betrifft, nicht aber Anleitungen materiell-rechtlicher Art (VwGH 30.06.2010, 2008/12/0139; vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 13a [Stand 1.1.2014, rdb.at] Rz 6).

Weiters ist im gegenständlichen Fall nicht strittig, dass der „Nachweis des zureichenden Erfolges am Unterricht“ im Sinne des § 11 Abs. 4 Schulpflichtgesetz 1985 durch eine entsprechend den Bestimmungen über die Externistenprüfung abgelegte Prüfung nicht erbracht worden ist.

Eine Überprüfung des Unterrichtserfolges durch andere Methoden als die der Durchführung einer Externistenprüfung an einer entsprechenden Schule ist nicht vorgesehen. Vom Nachweis des zureichenden Erfolges im Sinne des § 11 Abs. 4 Schulpflichtgesetz 1985 kann nur dann gesprochen werden, wenn die Externistenprüfung bestanden wurde (VwGH vom 27.03.2014, 2012/10/0154).

Festzuhalten ist auch, dass es nicht maßgeblich ist, aus welchem Grund eine – gesetzlich vorgesehene – Externistenprüfung nicht absolviert wurde (vgl. bereits BVwG vom 15.11.2019, W203 2224327-1). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es ausgeschlossen, dass der zureichende Erfolg des Unterrichts, wenn die vorgeschriebene Prüfung nicht abgelegt oder nicht bestanden wurde, durch anderweitige Ermittlungsmethoden geprüft und in anderer Form nachgewiesen werden könnte (VwSlg 14.669 A/1997).

Da – unstrittig – kein „Nachweis des zureichenden Erfolges am Unterricht“ vorgelegt wurde, hat die belangte Behörde ohnehin schon unter diesem Gesichtspunkt zurecht angeordnet, dass XXXX fortan ihre Schulpflicht durch den Besuch einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule zu erfüllen hat.

Folgerichtig hielt die belangte Behörde fest, dass die Erziehungsberechtigten gemäß §§ 5 und 24 Schulpflichtgesetz verpflichtet sind, fortan für die Erfüllung der Schulpflicht von XXXX an einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule iSd § 5 leg. cit. Zu sorgen.

Der angefochtene Bescheid erweist sich demnach als rechtmäßig und es war seitens des Bundesverwaltungsgerichtes spruchgemäß zu entscheiden.

3.1.5. Zum Vorbringen, dass die Bescheidzustellung unzulässig und verspätet sei:

§ 11 Abs. 3 Schulpflichtgesetz vor der Fassung BGBl. I Nr. 35/2018 enthielt noch die Anordnung, dass der damals zuständige Landesschulrat die Teilnahme am häuslichen Unterricht innerhalb eines Monates ab dem Einlangen der Anzeige untersagen kann. Diese Frist wurde jedoch durch BGBl. I Nr. 35/2018 als bewusste Entscheidung des Gesetzgebers aus der Rechtsgrundlage entfernt. In den Materialien heißt es dazu: „Im Sinne des Kindeswohls muss es als Notwendigkeit angesehen werden, auftretende Missstände im Rahmen des häuslichen Unterrichts, deren zu Folge mit großer Wahrscheinlichkeit eine Gleichwertigkeit des Unterrichts nicht gegeben sein wird, auch während des Unterrichtsjahres zum Anlass zu nehmen, den häuslichen Unterricht behördlich zu untersagen.“ (vgl. RV 107 XXVI GP S. 11). § 11 Abs. 3 Schulpflichtgesetz knüpft daher die Untersagung der Teilnahme am Häuslichen Unterricht an keine Frist mehr. Daher ist der belangten Behörde beizupflichten, dass die Behörde gemäß § 11 Abs. 3 Schulpflichtgesetz nicht verpflichtet ist, das Verfahren zur Untersagung der Teilnahme am Häuslichen Unterricht bis zum Beginn des Schuljahres zu untersagen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auch erweisen sich die gegenständlich anzuwendenden gesetzlichen Regelungen als klar und eindeutig.

Schlagworte

allgemeine Schulpflicht Externistenprüfung häuslicher Unterricht Nachweismangel Unterrichtserfolg Untersagung Wiederholen einer Schulstufe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W254.2247062.1.00

Im RIS seit

11.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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