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19/05 Menschenrechte;Norm
AufG 1992 §13 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des O in M, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. April 1995, Zl. 100.027/4-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer reiste im September 1991 aufgrund eines gültigen türkischen Reisepasses mit einem gültigen Sichtvermerk der Schweiz mit der Geltungsdauer vom 23. September 1991 bis zum 31. Dezember 1991 in das Bundesgebiet ein und hält sich seither in Österreich auf. Er beantragte am 9. Dezember 1991 vom Inland aus bei der Bezirkshauptmannschaft Bregenz die Erteilung eines Sichtvermerkes. Dieser Antrag wurde nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes (AufG) mit 1. Juli 1993 in Anwendung der Bestimmung des § 7 Abs. 7 des Fremdengesetzes (FrG) als Antrag gemäß § 6 Abs. 1 AufG gewertet.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. April 1995 wurde dieser Antrag - unter anderem - gemäß § 6 Abs. 2 und § 13 AufG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 13 Abs. 1 AufG könnten Fremde, die sich beim Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten, mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften beantragen. Gemäß § 6 Abs. 2 AufG sei der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag auf Verlängerung könne auch vom Inland aus gestellt werden. Der Beschwerdeführer habe sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes nicht rechtmäßig im Bundesland aufgehalten. Die Ausnahmebestimmung des § 13 Abs. 1 AufG sei auf ihn nicht anwendbar. Er wäre verpflichtet gewesen, einen Erstantrag gemäß § 6 Abs. 2 AufG vom Ausland aus zu stellen.
Durch den Aufenthalt der Familie des Beschwerdeführers im Bundesgebiet bestünden unabsprechbare private und familiäre Beziehungen in Österreich. Bei Abwägung zwischen den öffentlichen Interessen und den privaten Interessen des Beschwerdeführers im Rahmen der Art. 8 MRK überwögen im Hinblick auf seinen seit 1992 unerlaubten Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die nach ihrer Ablehnung durch den Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach ständiger Judikatur ist für die Beurteilung der in § 6 Abs. 2 AufG umschriebenen Erfolgsvoraussetzung der Antragstellung vom Ausland aus ungeachtet des Zeitpunktes der Antragstellung die Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung maßgeblich (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/19/1272). Demnach hatte die belangte Behörde im vorliegenden Fall im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides am 5. Mai 1995 § 6 Abs. 2 AufG in der Fassung vor der AufG-Novelle BGBl. Nr. 351/1995 anzuwenden. Dieser ordnet an, daß der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen ist. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt zu dieser Bestimmung in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß ein vor Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes gestellter, gemäß § 7 Abs. 7 FrG als Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz zu wertender Antrag nur dann zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung führen kann, wenn er vor der Einreise des Fremden in das Bundesgebiet vom Ausland aus gestellt wurde (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. April 1995, Zl. 94/18/1081, und vom 12. Juli 1995, Zl. 95/21/0045). Auf die Entscheidungsgründe dieser Erkenntnisse wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
Der Beschwerdeführer tritt der Anwendung des § 6 Abs. 2 AufG unter diesem Aspekt auch nicht entgegen. Er verweist zu diesem Versagungsgrund lediglich auf seine familiären Interessen in Österreich sowie darauf, daß die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung von unrichtigen Voraussetzungen ausgegangen sei. Zunächst sei sein Aufenthalt nicht - wie von der belangten Behörde angenommen - schon seit 1. Jänner 1992, sondern erst ab 1. April 1992 unrechtmäßig geworden. Bis zu dem letztgenannten Zeitpunkt sei er nämlich aufgrund des Notenwechsels zwischen der österreichischen Gesandtschaft in der Türkei und dem türkischen Außenministerium über die Aufhebung des Sichtvermerkszwanges, BGBl. Nr. 194/1955, berechtigt gewesen, sich auch ohne Aufenthaltserlaubnis in Österreich aufzuhalten.
Dieser Argumentation ist zunächst zu entgegnen, daß das in Rede stehende Abkommen in Ansehung von Inhabern gewöhnlicher Reisepässe zuletzt mit Wirkung vom 17. April 1990 bis auf weiteres ausgesetzt wurde (vgl. die Kundmachung des Bundeskanzlers vom 24. April 1990 betreffend die Verlängerung der teilweisen Aufhebung des Abkommens zwischen der österreichischen Bundesregierung und der türkischen Regierung über die Aufhebung des Sichtvermerkszwanges, BGBl. Nr. 222/1990). Der Beschwerdeführer war daher lediglich aus dem Grunde des § 1 Z. 1 der Verordnung des Bundesministers für Inneres vom 9. Februar 1990 über eine Ausnahme von der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 95a/1990, von der Sichtvermerkspflicht befreit. Diese Verordnung erging aufgrund des § 23 Abs. 3 des Paßgesetzes 1969, BGBl. Nr. 422, nach welcher Bestimmung Fremde, die aufgrund einer solchen Verordnung einreisen, berechtigt sind, sich drei Monate im Bundesgebiet aufzuhalten. Nach seinem eigenen Vorbringen ist der Beschwerdeführer im September 1991 eingereist und war daher nicht länger als bis 31. Dezember 1991 zum Aufenthalt im Inland berechtigt.
Dem Beschwerdeführer, der auf seine privaten und - aus der Anwesenheit seiner Eltern und Geschwister im Bundesgebiet schon im Zeitpunkt seiner Einreise abgeleiteten - familiären Interessen in Österreich verweist, ist beizupflichten, daß bei einer auf § 6 Abs. 2 a.F. AufG gestützten Entscheidung grundsätzlich auf die durch Art. 8 MRK geschützten Rechte des Fremden Bedacht zu nehmen ist. In diesem Zusammenhang sind nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntis vom 16. Juni 1995, B 1611-1614/94), der sich der Verwaltungsgerichtshof angeschlossen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Februar 1996, Zl. 95/18/0759), solche Fremde geschützt, die sich seit vielen Jahren bzw. sogar seit der Geburt rechtmäßig in Österreich aufgehalten haben. Davon kann beim Beschwerdeführer, der sich aufgrund des § 23 Abs. 3 des Paßgesetzes lediglich für einen Zeitraum von etwa drei Monaten rechtmäßig in Österreich aufgehalten hat, keine Rede sein. Eine Einschränkung des - allenfalls - durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützten Rechtes auf FamilienNACHZUG durch die in Rede stehende Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG erscheint aus dem Gesichtspunkt der öffentlichen Ordnung und des damit verbundenen Rechtes des Staates auf Regelung der Neuzuwanderung im Fall des Beschwerdeführers gemäß Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt (vgl. hiezu die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG, etwa das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/0362).
Insoweit sich der Beschwerdeführer schließlich auf seine behaupteten Rechte aus dem Assoziationsabkommen zwischen der EWG und der Türkei und den darauf beruhenden Beschlüssen des Assoziationsrates beruft, ist er darauf zu verweisen, daß in seine Rechte aus diesem Abkommen durch den angefochtenen Bescheid nicht eingegriffen würde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/0424). In diesem Zusammenhang sei noch angemerkt, daß ein im Sinne des Art. 8 Abs. 1 MRK geschützter langdauernder rechtmäßiger Aufenthalt des Beschwerdeführers selbst dann nicht vorläge, wenn er seit 1. Jänner 1995 tatsächlich ein Aufenthaltsrecht aufgrund der erwähnten Normen des Gemeinschaftsrechtes besäße. Diesfalls könnte er auch sein Privat- und Familienleben schon aufgrund DIESES Aufenthaltsrechtes ausüben, weshalb ein Eingriff in die durch Art. 8 MRK geschützten Rechte durch den angefochtenen Bescheid auch aus diesem Grunde nicht in Frage käme (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. September 1996,
Zlen. 95/19/0207 bis 95/19/0209).
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1
VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung wurde aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen, zumal nach dem Inhalt der Schriftsätze der Parteien und der dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens eine weitere Klärung der Rechtssache durch eine mündliche Erörterung nicht zu erwarten ist.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995190578.X00Im RIS seit
06.08.2001