Entscheidungsdatum
22.10.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W261 2244924-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und die Richterin Mag.a Karin RETTENHABER-LAGLER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzerin und als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX , vom 14.06.2021, betreffend die Zurückweisung und Abweisung von Anträgen auf Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG)
A)
zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wegen der Zurückweisung des Antrages auf Gewährung von Hilfeleistungen in Form von Kostenübernahme für eine Krisenintervention nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG) wird als unbegründet abgewiesen.
und den Beschluss gefasst:
II. In Erledigung der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wegen der Abweisung des Antrages auf Gewährung von Hilfeleistungen in Form von Ersatz des Verdienstentganges und Plegezulage nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG) wird dieser Spruchpunkt aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheids an das Sozialministeriumservice zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe und Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Eingabe vom 28.09.2020, eingelangt am 29.09.2020, stellte der Beschwerdeführer beim Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX (in der Folge belangte Behörde) einen Antrag auf Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG). Darin brachte er zusammengefasst vor, in der Volks- und Hauptschule XXXX seien ihm von der 1. bis zur 8. Schulstufe Dechant Pater XXXX und Schwester XXXX als Religionslehrer zugeteilt gewesen. Schwester XXXX habe ihn zusammen mit seiner Klassenlehrerin XXXX mit Zwang von Links- auf Rechtsschreibung umgelernt. Seit dieser Zeit sei er in seiner Handhabung und Unterscheidung von links und rechts verwirrt. Das zwangsweise Umlernen des Schreibstils hinterlasse in vielen Fällen einen Dauerschaden im Gehirn.
Von Dechant Pater XXXX sei er ab Ende der 1. Klasse oder Beginn der 2. Klasse Volksschule häufig am Nachhauseweg „aufgefischt“ und zur Mitfahrt in seinem Pkw eingeladen worden. Bereits während der ersten Fahrt habe ihm dieser auf die Innenseite des Oberschenkels gegriffen. In den Jahren darauf sei er vom Dechant bei Fahrten in dessen Auto häufig sexuell missbraucht worden, oft auf uneinsichtigen Waldwegen. Die Handlungen hätten hauptsächlich im Streicheln seiner Genitalien und Oralverkehr bestanden, anal habe sich dieser mit den Fingern und auch mit seinem Penis an ihm vergangen. Der Dechant habe ihm gesagt, dass das alles ein „Spiel“ sei, was er ihm jahrelang geglaubt habe. Einmal habe der Dechant ihn während einer Feier auf der Toilette missbraucht. Ab der 5./6. Klasse bzw. ab einem Alter von 12/13 Jahren habe er mit dem Dechant nichts mehr zu tun haben wollen und sich von ihm ferngehalten, sei aber in der Folge von diesem gestalkt worden. Auch im Rahmen der Beichte habe der Dechant ihm und anderen Buben unangemessene und sexuelle Fragen gestellt. In der Bevölkerung hätten viele von den Neigungen des Dechants gewusst und er sei wegen seiner Übergriffe auch immer wieder vom Stift XXXX strafversetzt worden. Wirklich „aufgeflogen“ sei das Ganze aber erst Jahre nach dessen Tod.
In der 3. und 4. Klasse Volksschule habe der Beschwerdeführer zusätzlich noch ein Problem mit einem psychopathischen und sadistischen Lehrer namens XXXX gehabt. Dieser habe ihn wie einen Sklaven behandelt und ihm beinahe täglich mit seinem Siegelring auf den Kopf geschlagen, wobei auch Blut geflossen sei, ihm Ohrfeigen verpasst, ihn an den Haaren gerissen, an den Ohren gezogen, verbal niedergemacht und häufig tagelang in den Abstellraum neben der Klasse gesperrt. Erniedrigungen und andere sadistische Handlungen vielerlei Art seien an der Tagesordnung gestanden. Der Lehrer XXXX habe es geschafft, ihn „völlig zu brechen“, die 4. Klasse Volksschule habe er wiederholen müssen. Von den Schlägen mit dem Siegelring habe er eine Wunde davongetragen, die sich entzündet habe. Nach Jahren habe sich an dieser Stelle ein Gewächs gebildet, das er chirurgisch entfernen habe lasse. Für ihn sei die Schule „eine Art Kinder-KZ“ gewesen. Auch XXXX sei mittlerweile verstorben.
Er sei zunächst ein relativ guter Schüler gewesen, aber mit der Pubertät hätten die Folgen des zwangsweisen Umlernens von links auf rechts und des jahrelangen sexuellen Missbrauchs eingesetzt. Lernen und Konzentration seien ihm immer schwerer gefallen. In den folgenden Jahren habe es auch Suizidgedanken und -versuche aufgrund der Misshandlungen in der Volksschule und vor allem des sexuellen Missbrauchs gegeben. Auch beruflich habe er nichts mehr geschafft. Zunächst habe er Künstler werden wollen, dies habe er aber ebenso aufgeben müssen wie spätere Lehren als Bürokaufmann und Kellner. Seit Jahrzehnten sei er nun traumatisiert. Auch die Folgen eines Unfalls mit schwerer Behinderung und ME/CFS-Krankheit würden ihm zusetzen. Im Dezember 2019 habe er sich erstmals an die Diözese XXXX gewandt und über die Vorfälle gesprochen. Danach sei er in ein tiefes Loch gefallen und habe einen „Totalabsturz“ mit wochenlangen Panikattacken durchgemacht. Inzwischen sei er aber von der Stiftung XXXX als Opfer anerkannt worden.
Der Beschwerdeführer leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung mit bereits kontinuierlichen und langandauernden Beschwerden wie ständiger Nervosität, Zittern, Muskelspannung, Schwitzen, schwerer Erschöpfung, Benommenheit, Herzklopfen, Schwindel, wiederholtem Erleben des Traumas, Gefühlen von Betäubung und emotionaler Stumpfheit, Gleichgültigkeit und Teilnahmslosigkeit, einem Zustand vegetativer Übererregbarkeit, Verwirrtheit in der Handhabung der linken und rechten Hand, immer wieder depressiven Episoden mittelgroßen Ausmaßes sowie Suizidgedanken. Diese Schäden seien verbrechenskausal. Für die Kausalität spreche bereits die allgemeine psychologische Erfahrung mit Missbrauchsopfern und den Folgen jahrelangen sexuellen Missbrauchs und körperlicher Misshandlungen. Die belangte Behörde habe bereits 2004 die Kausalität zwischen den Straftaten und seinen heutigen gesundheitlichen Schäden bejaht, auch ein Gutachter habe diese festgestellt. Aus zwei näher genannten Gutachten ergebe sich auch, dass die durch die Straftaten verursachte schwere psychische Schädigung immer wieder zur Unterbrechung seiner Berufstätigkeit geführt habe. Dies habe sich schon frühzeitig gezeigt, als er seine Lehren als Bürokaufmann und Kellner durch Stress nicht abschließen habe können und es zu vielen Krankenständen wegen Erschöpfung, Migräne und Angstzuständen gekommen sei. Berücksichtige man all dies, sei davon auszugehen, dass er heute jedenfalls als kaufmännischer Angestellter tätig wäre. Derzeit lebe er von der Berufsunfähigkeitspension, die ihm 2008 gewährt worden sei.
Mit dem Antrag legte der Beschwerdeführer Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt vom Jänner 2020, der XXXX vom 26.06.2020, der Stiftung XXXX vom 01.07.2020, eine Falldokumentation der Ombudsstelle der Diözese XXXX vom 23.01.2020, ein neurologisch-psychiatrisches Fachgutachten von Dr. XXXX vom 19.12.2003, einen Befund von Dr. XXXX vom 25.09.2019 und einen E-Mail-Verkehr mit diesem, eine Kopie seines Behindertenpasses, seiner Geburtsurkunde, eines Staatsbürgerschaftsnachweises, eine Meldebestätigung, eine Tauglichkeitsbescheinigung und einen Laborbefund vor.
2. Mit E-Mail vom 21.10.2020 ersuchte die belangte Behörde den Beschwerdeführer, das zugleich übermittelte Antragsformular für die Gewährung von Hilfeleistungen nach dem VOG ausgefüllt zu retournieren, da aus seinem Antrag nicht eindeutig hervorgehe, welche Leistungen beantragt würden.
3. Mit E-Mail vom 21.10.2020 reichte der Beschwerdeführer das von ihm ausgefüllte Antragsformular nach, in dem er als Hilfeleistungen nach dem VOG konkret Ersatz des Verdienstentganges, Kostenübernahme einer Krisenintervention, orthopädische Versorgung und eine Pflegezulage beantragte. Das Verbrechen betreffend, das sich von 1974 bis 1982 ereignet habe, verwies er auf seine ausführlichen Angaben in der Eingabe vom 28.09.2020. Er habe bei der Tat eine posttraumatische Belastungsstörung, eine Depression, „Suizid“, Panikattacken mit Körperschmerzen, Verwirrtsein, Angst, Nichtbelastbarkeit, Energielosigkeit, Erschöpfung, Brainfog, Migräneschübe, Augentrübung, Albträume „uvm.“ erlitten.
4. Mit Schreiben vom 28.12.2020 ersuchte die belangte Behörde das Landesgericht XXXX um Übermittlung des Aktes zur Zl. XXXX . Der Beschwerdeführer habe angegeben, dass dieses Verfahren Bezug zum antragsgegenständlichen Sachverhalt habe.
5. Mit Schreiben vom 04.01.2021, eingelangt am 11.01.2021, übermittelte das Landesgericht XXXX die Aktenbestandteile des Verfahrens Zl. XXXX , bei dem es sich um eine Sozialrechtssache wegen einer vom Beschwerdeführer bei der Pensionsversicherungsanstalt beantragten Heimopferrente handelt.
6. Mit Schreiben vom 15.01.2021 ersuchte die belangte Behörde die Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle XXXX , um Übermittlung von Unterlagen, die Auskunft über die Gründe und Höhe der vom Beschwerdeführer bezogenen Berufsunfähigkeitspension sowie darüber, ob dieser jemals Pflegegeld beantragt oder bezogen habe, geben.
7. Mit Schreiben vom 18.01.2021 ersuchte die belangte Behörde das Landesgericht XXXX um Auskunft, ob – soweit bekannt – gegen den mittlerweile verstorbenen Pater XXXX , bürgerlich XXXX , jemals Strafverfahren geführt bzw. Verurteilungen ausgesprochen worden seien.
8. Mit Schreiben vom 18.01.2021 ersuchte die belangte Behörde die Stiftung XXXX um Auskunft, ob dieser im Rahmen ihrer Ermittlungen zu den Missbrauchsvorwürfen des Beschwerdeführers bekannt geworden sei, dass strafrechtlich relevante Handlungen durch Pater XXXX zulasten des Beschwerdeführers oder anderen vorgenommen worden seien.
9. Mit Schreiben vom 04.02.2021, eingelangt am 10.02.2021, übermittelte die Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle XXXX , (jeweils den Beschwerdeführer betreffend) einen Pflegegeld-Bescheid vom 13.08.2004, ein Pflegegeld-Gutachten vom 04.70.2003, den letzten Bescheid bezüglich Berufsunfähigkeitspension vom 27.02.2008, das letzte Gutachten für die dauernde Zuerkennung der Berufsunfähigkeitspension, den Bescheid der erstmaligen Zuerkennung der Berufsunfähigkeitspension vom 15.06.2004 und ein neurologisch-psychiatrisches Fachgutachten vom 19.12.2003. Zugleich wurde mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer ab Jänner 2021 monatlich EUR 1.037,32 Berufsunfähigkeitspension beziehe.
10. Mit E-Mail vom 11.02.2021 erkundigte sich der Beschwerdeführer nach dem Verfahrensstand.
Mit E-Mail vom 12.02.2021 teilte ihm die belangte Behörde mit, dass derzeit das Ermittlungsverfahren geführt und noch auf Rückmeldungen von diversen Behörden und Institutionen gewartet werde.
11. Mit Schreiben vom 05.02.2021, eingelangt am 12.02.2021, teilte die Staatsanwaltschaft XXXX mit, dass gegen Pater XXXX im Zuständigkeitsbereich dieser Staatsanwaltschaft – soweit ersichtlich – zu keiner Zeit Strafverfahren geführt und sohin auch nie Verurteilungen ausgesprochen worden seien.
12. Mit Schreiben jeweils vom 24.02.2021 ersuchte die belangte Behörde das Kommunikationsbüro der Diözese XXXX und die Ombudsstelle und Kommission gegen Missbrauch und Gewalt der Diözese um Auskunft, ob dieser bekannt sei, dass strafrechtlich relevante Handlungen durch Pater XXXX zulasten des Beschwerdeführers oder anderen Personen vorgefallen seien bzw. ob jemals diesbezügliche Ermittlungen welcher Art auch immer gegen den genannten Geistlichen geführt worden seien.
13. Mit E-Mail vom 10.03.2021 teilte die Ombudsstelle gegen Missbrauch und Gewalt der Diözese XXXX mit, dass Pater XXXX am XXXX verstorben sei. Da Vorfälle durch Betroffene erst später vorgebracht worden seien, habe es kein kirchenrechtliches Verfahren und auch keine kanonische Voruntersuchung gegen diesen gegeben. Der Beschwerdeführer habe am 04.12.2019 eine Eingabe bei der Ombudsstelle mit Vorwürfen gegen Pater XXXX eingebracht. Diese sei positiv bearbeitet worden. Es werde gebeten, Details dazu beim Beschwerdeführer anzufragen.
14. Mit E-Mail vom 17.03.2021 ersuchte die belangte Behörde die Stiftung XXXX erneut um Auskunft, ob dieser im Rahmen ihrer Ermittlungen zu den Missbrauchsvorwürfen des Beschwerdeführers bekannt geworden sei, dass strafrechtlich relevante Handlungen durch Pater XXXX zulasten des Beschwerdeführers oder anderen vorgenommen worden seien.
15. Mit Schreiben vom 24.03.2021, eingelangt am 26.03.2021, teilte die Stiftung XXXX mit, dass bei dieser die angefragten Detailinformationen nicht aufliegen würden. Die darüber auskunftsfähige Stelle sei die zuständige Ombudsstelle der Diözese XXXX , auf deren Auskunft vom 10.03.2021 verwiesen werde. Darüber hinaus könne die Stiftung XXXX keine Informationen erteilen.
16. Mit E-Mail vom 30.03.2021 legte der Beschwerdeführer das Urteil des Landesgerichts XXXX als Arbeits- und Sozialgericht vom 11.02.2021, Zl. XXXX , mit dem seine Klage auf Gewährung einer Heimopferrente abgewiesen wurde, das Verhandlungsprotokoll in dieser Sache, mehrere Medienberichte zu Missbrauch durch Pater XXXX und einen Bericht zu einem Klassentreffen von ehemaligen Schülern der Volksschule XXXX vor.
17. Mit Schreiben vom 08.04.2021 ersuchte die belangte Behörde den Beschwerdeführer nach Darlegung bisheriger Ermittlungsergebnisse um Schilderung und Konkretisierung der strafbaren Handlungen, die ihm durch Pater XXXX widerfahren seien (konkreter Handlungsablauf mit Zeit/Datumsangabe, welche Handlungen, wie oft, etc.), Nennung von Zeugen, welche die Behörde zu diesen Handlungen befragen könne, und Übermittlung sonstiger Beweise, welche diese Handlungen belegen könnten.
18. Mit E-Mail vom 08.04.2021 teilte der Beschwerdeführer zusammengefasst mit, dass er im September sämtliche Berichte bei der belangten Behörde abgegeben habe, auf die er hinsichtlich näherer Details zu den sexuellen Übergriffen, Vergewaltigungen und Psychoterror verweise. Dechant XXXX sei ein bekannter Pädophiler gewesen, und dies sei ihm auch von einer Mitarbeiterin der Ombudsstelle und vom Abt des Stifts XXXX bestätigt worden. Details zu Pater XXXX erfrage die Behörde am besten im Stift XXXX oder in der Marktgemeinde XXXX . In der Gemeinde und den Nachbargemeinden würden die Namen Pater XXXX und Pater XXXX „sauer“ aufstoßen, vor allem bei der älteren Generation, wie auch der Name des Volksschullehrers XXXX . Auch betreffend die Misshandlungen durch diesen Lehrer könne sich die Behörde in XXXX bzw. am Gemeindeamt erkundigen. Die Annahme der Behörde, er könne betreffend den Missbrauch Datum, Jahr, Uhrzeit oder Zeugen nennen, entbehre jeder Grundlage und sei in Anbetracht der Umstände pietätlos. Ein pädophiler Mensch werde seine Taten nicht öffentlich begehen, und er als Bub werde nicht darüber Tagebuch schreiben. Der sexuelle Missbrauch, anal und oral, habe sich über fünfeinhalb bis sechs Jahre erstreckt. Sein Hauptzeuge habe sich kurz nach Austritt aus dieser Schule das Leben genommen, auch dieser sei ein Missbrauchsopfer des Paters gewesen. Er gehe davon aus, dass die Falldokumentation vom 19.12.2019 Beweis genug sei. Da erst nach dem Tod von Dechant XXXX die ersten Opfer den Mut gefasst hätten, zu reden, könne es nicht verwundern, dass dieser zu Lebzeiten nicht angezeigt und nicht verurteilt worden sei. Er habe zu jener Zeit auch keine Möglichkeit gehabt, sich an eine Vertrauensperson zu wenden, und den Missbrauch jahrzehntelang verdrängt. Laut Urteil vom Februar 2021 sei er anerkanntes Opfer von sexueller Gewalt der XXXX . Er verweise auch auf den Bericht eines weiteren Opfers von Pater XXXX vom 12.10.2010, der ihm unlängst zugespielt worden sei.
Mit weiterer E-Mail vom 08.04.2021 ergänzte der Beschwerdeführer Details zu den Orten und zum Ablauf des sexuellen Missbrauchs durch Pater XXXX . Die Treffen hätten sehr häufig, zumindest ein- bis zweimal die Woche, über fünfeinhalb bis sechs Jahre lang stattgefunden. Genauere Zeitangaben oder Zahlen könne er nicht nennen. Dann habe der Psychoterror begonnen, welcher mit Beendigung der Schule im Sommer 1982 geendet habe.
19. Mit Schreiben vom 12.04.2021 ersuchte die belangte Behörde den Beschwerdeführer um Auskunft, ob er betreffend seine Angabe, dass die Namen Pater XXXX , Pater XXXX und der des Lehrers XXXX in der Gemeinde XXXX und den Nachbargemeinden vor allem bei der älteren Generation „sauer“ aufstoßen würden, noch Personen nennen könne, welche die Behörde hierzu befragen könne. Dies würde das Ermittlungsverfahren beschleunigen. Zugleich wurde der Beschwerdeführer ersucht, darzulegen, inwiefern er orthopädische Versorgung benötige bzw. benötigt habe, und weshalb die geschilderten Handlungen dafür kausal (gewesen) seien.
20. Mit E-Mail vom 12.04.2021 teilte der Beschwerdeführer mit, dass er keine weiteren Zeugen außer jenen habe, welche die Behörde wie zuletzt mitgeteilt vor Ort erfragen könne. Zu der schlechten Nachrede der genannten Personen seien in den letzten Jahren einige Informationen an ihn gelangt. Er habe aber seit seinem Schulabschluss vor fast 40 Jahren aus bekannten Gründen keinen Kontakt mehr zu seinen Mitschülern gehabt.
Mit weiterer E-Mail vom 12.04.2021 zog der Beschwerdeführer den Antrag auf orthopädische Versorgung zurück.
21. Mit Schreiben vom 13.04.2021 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass die Zurückziehung des Antrages auf Hilfeleistung in Form von orthopädischer Versorgung zur Kenntnis genommen werde und von diesem Begehren keine Ansprüche mehr abgeleitet werden könnten. Es stehe ihm jedoch frei, zu einem späteren Zeitpunkt neuerlich Hilfeleistungen nach dem VOG zu beantragen.
22. Mit Schreiben jeweils vom 13.04.2021 teilte die belangte Behörde der Volksschule XXXX , der Marktgemeinde XXXX und der Pfarre XXXX mit, dass ein ehemaliger Gemeindebürger angegeben habe, in den 1970er Jahren in XXXX von Pater XXXX sexuell missbraucht und von einem Lehrer namens XXXX psychisch und physisch in der Schule misshandelt worden zu sein. Diese Neigungen bzw. Vorfälle wären jeweils ortsbekannt gewesen. Es werde um Auskunft ersucht, ob bekannt sei, dass derartige oder ähnliche Handlungen von den genannten Personen getätigt worden seien bzw. ob es derartige Vorwürfe oder Vermutungen im Gemeindegebiet gebe oder gegeben habe.
23. Mit E-Mail vom 14.04.2021 legte der Beschwerdeführer einen Medienbericht vom Dezember 2012 vor, in dem über die Volksschule XXXX und die Misshandlungen durch XXXX berichtet worden sei. In der Folge hätten sich weitere Opfer bei der Gemeinde gemeldet.
24. Mit Schreiben vom 21.04.2021, eingelangt am 22.04.2021, teilte der Abt des Stiftes XXXX und Pfarrer von XXXX Abt Dr. XXXX zusammengefasst mit, dass durch Pater XXXX Grenzverletzungen und sexuelle Übergriffe stattgefunden hätten, vor allem in Zusammenhang mit Fahrten in Hallenbäder und bei Saunabesuchen, zu denen dieser Buben eingeladen habe. In einigen Fällen habe es schon Entschädigungszahlungen an Betroffene gegeben. Der Vorwurf eines jahrelangen sexuellen Missbrauchs sei aber etwas, das ihnen zum ersten Mal zu Ohren gekommen sei. Er habe davon in den mehr als 30 Jahren, in denen er Seelsorger in XXXX sei, sonst nie gehört. Da Pater XXXX nicht mehr am Leben sei, könne er nicht mehr dazu befragt werden. Was ihnen bleibe, sei, dem Opfer zu glauben. Es sei erschütternd, wie das damalige soziale Milieu von Kirche, Schule und Politik offensichtlich blind gewesen sei für derartige Verfehlungen bzw. Täter auch bewusst gedeckt habe. Das gelte auch für die Verfehlungen des Lehrers XXXX , dessen Brutalität und Sadismus allgemein bekannt gewesen seien.
25. Mit Schreiben vom 22.04.2021 ersuchte die belangte Behörde Abt. Dr. XXXX ergänzend um Auskunft, worauf er seine Feststellung zu den erwähnten sexuellen Übergriffen stützten könne, und ob es zu diesen eine Ermittlung oder gesicherte Beweise gegeben habe bzw. gebe, sowie ob ihm bekannt sei, ob auch konkret der Beschwerdeführer Opfer von sexuellen Übergriffen durch Pater XXXX bzw. Misshandlungen von XXXX geworden sei und welche Beweise dafür vorlägen.
26. Mit Schreiben vom 22.04.2021, eingelangt am 23.04.2021, teilte die Marktgemeinde XXXX mit, dass die sexuellen Missbräuche durch Pater XXXX seitens der Gemeinde nicht nachweislich bestätigt werden könnten. Laut Gerüchten von Gemeindebürgern soll es zu derartigen Handlungen gekommen sein. Die physische und psychische Misshandlung durch Lehrer XXXX könne durchaus bestätigt werden, zumal auch Gemeindemitarbeiter in dieser Zeit die Volksschule besucht hätten. Weitere Angaben zu diesen Vorfällen könne die Gemeinde nicht machen.
27. Mit Schreiben vom 23.04.2021 teilte die Volksschule XXXX mit, dass den heute an der Schule tätigen Lehrkräften zu den Vorwürfen betreffend Pater XXXX nichts bekannt sei. Zu den Vorwürfen betreffend Lehrer XXXX könne die Schulleiterin aus eigener Erfahrung als dessen Schülerin im Schuljahr 1983/84 diese Vorwürfe bestätigen und auch, dass es diese Vorwürfe für die Jahre davor gegeben habe. Den restlichen heute an der Schule tätigen Lehrkräften seien diese Vorwürfe nicht bekannt.
28. Mit Schreiben vom 28.04.2021 teilte Abt Dr. XXXX in Beantwortung der Fragen mit, dass betreffend Pater XXXX alles, was er habe, Schilderungen von einzelnen Betroffenen seien, die dessen Verhalten im Zusammenhang mit diesen Badefahrten als übergriffig (Blicke, gelegentliche Berührungen) empfunden hätten. Das treffe aber bei weitem nicht auf alle zu, die Pater XXXX dazu eingeladen habe. Zu dem, was der Beschwerdeführer erzähle, gebe es keine Beweise. Es sei sonst niemand dabei gewesen. Wie schon geschrieben sei es für ihn die einzige Schilderung nicht nur von Übergriffen, sondern von schwerem Missbrauch, die ihm bis jetzt zu Ohren gekommen sei. Auch betreffend den Lehrer XXXX sei er auf die Schilderungen des Beschwerdeführers angewiesen. Er habe aber schon von sehr vielen Menschen in XXXX gehört, wie sadistisch dessen Methoden gewesen seien (verbal und physisch).
29. Mit Schreiben vom 28.04.2021 ersuchte die belangte Behörde den Beschwerdeführer um Auskunft, ob es jemanden (beispielsweise seine Eltern) gebe, der bestätigen könne, dass er damals von Dechant XXXX mit dem Auto „aufgefischt“ worden und mitgefahren sei bzw. auch wie oft dies der Fall gewesen sei. Diese Personen könnte man seitens der Behörde noch ergänzend befragen, falls er damit einverstanden wäre.
30. Mit E-Mail vom 28.04.2021 teilte der Beschwerdeführer mit, dass sich die Behörde bezüglich ihrer Anfrage an die Gemeinde, die Schule, das Pfarramt oder das Stift XXXX wenden müsse. Ebenso bestünde die Möglichkeit, in der Umgebung außerhalb des Ortes Erkundigungen einzuholen. In seinem Bericht habe er bereits ausführlich mitgeteilt, wie der Missbrauch jeweils organisiert und durchgeführt worden sei. Seine Eltern seien damals wie heute nicht informiert (worden). Nach Abschluss der Pflichtschule habe er sich so gut es ging von dieser Gemeinde und ehemaligen Schulkollegen ferngehalten.
31. Mit Schreiben vom 18.05.2021 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer im Rahmen eines Parteiengehörs gemäß § 45 AVG nach Zusammenfassung seiner Angaben, Wiedergabe der anzuwendenden Rechtsvorschriften und Darstellung des Verfahrensganges im Wesentlichen mit, dass (erstens) das Umlernen des Schreibstils von links auf rechts in den 1970er Jahren üblich gewesen sei. In dieser Praktik, so schmerzvoll sie auch gewesen sein möge, lasse sich kein strafrechtlich relevantes Delikt erkennen. Sollte daraus eine Gesundheitsschädigung entstanden sein, mangle es insbesondere auch am subjektiven Vorsatz. Zu (zweitens) den Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs durch Pater XXXX sei festzustellen, dass es gegen diesen zu Lebzeiten und posthum verschiedene Anschuldigungen sexueller Übergriffe gebe und gegeben habe. Die Anschuldigungen des Beschwerdeführers seien die bisher gravierendsten und stünden bis dato in dieser Intensität alleine da. Die Stiftung XXXX habe ihm aufgrund der von ihm subjektiv geschilderten Erlebnisse Entschädigungsleistungen gewährt. Von den Befragten habe niemand konkrete Angaben zu den von ihm vorgebrachten Erlebnissen machen können bzw. habe er keine Personen genannt, die dazu fähig wären. Zu (drittens) den Vorwürfen der körperlichen und psychischen Misshandlung durch Volksschullehrer XXXX sei zu sagen, dass dessen Brutalität und Sadismus allgemein bekannt gewesen seien. Auch bezüglich dieses Punktes könne die Behörde aber nicht mehr feststellen, ob bzw. welche Misshandlungen durch den Lehrer zu Lasten des Beschwerdeführers getätigt worden seien. Es gebe keine Zeugen, die konkrete objektivierbare Straftaten, die ihn getroffen hätten, bestätigen könnten. Es gebe hier wiederum nur Indizien, dass dieser Lehrer sadistische und brutale Handlungen an Schülern vorgenommen habe. Welche genau, und ob diese auch Straftaten dargestellt hätten, sei leider aufgrund mangelnder Beweise nicht mehr feststellbar.
Hinsichtlich des Antrages auf Krisenintervention sei festzuhalten, dass die gegenständlichen Straftaten in den 1970er und 80er Jahren passiert sein sollen. § 4a VOG sei erst mit 01.03.2013 in Kraft getreten, weshalb gemäß § 16 Abs. 13 VOG eine Anwendung auf Straftaten, die vor diesem Datum lägen, nicht in Frage komme. Hinsichtlich des Antrages auf Pflegezulage sei festzuhalten, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf Pflegegeld mit Bescheid der PVA vom 13.08.2004 abgelehnt worden sei, weil laut Gutachten alle maßgeblichen Verrichtungen durch ihn selbst zumutbar gewesen seien.
Hinsichtlich des Antrages auf Verdienstentgang könne ergänzt werden, dass dem Beschwerdeführer erstmalig mit Bescheid vom 15.06.2004 eine Berufsunfähigkeitspension zuerkannt worden sei. Laut ärztlichem Gutachten seien die Ursachen für die Minderung der Erwerbsfähigkeit körperliche Beschwerden (Folgen eines Fahrradunfalles) gewesen. Mit Bescheid vom 02.07.2008 sei ihm die Berufsunfähigkeit unbefristet weitergewährt worden, im Gutachten seien dabei nunmehr psychische Ursachen für die Minderung der Erwerbsfähigkeit angeführt worden. Dieses Gutachten nehme unter anderem Bezug auf das gerichtliche Sachverständigengutachten Dr. XXXX vom 19.12.2003 zu XXXX . Dort habe der Beschwerdeführer unter anderem angegeben, „ein geschlagenes Kind" zu sein, er sei von der Mutter fast jeden Tag und vom Vater etwas weniger geschlagen worden. Außerdem sei er beim Lernen mit Lederriemen am Sessel angebunden worden, geschlagen worden, wenn er etwas nicht gekonnt habe, es sei ihm der Kopf unter das kalte Wasser gehalten worden, er hätte niedrige Tätigkeiten machen müssen, er sei eine Frühgeburt gewesen und fast an seiner Nabelschnur erstickt, er hätte nach dem Auszug von Zuhause keinen Anschluss ans weibliche Geschlecht gefunden, aufgrund der vielen Verkehrsunfälle hätte er seinen Traumberuf Tänzer nicht verwirklichen können. Mit 16 Jahren hätte er das Gefühl gehabt, eine Frau zu sein, im Alter von 17 Jahren sei er einmal von einem Mann vergewaltigt worden, was ihm natürlich noch nachhänge. Gegenüber dem Gutachter Dr. XXXX im Behindertenpassverfahren habe er von tragischen Todesfällen in der Familie gesprochen, die ihn offensichtlich belastet hätten, und von einer schweren Kindheit mit vielen Schlägen und Nötigungen. Weiters habe er gegenüber der belangten Behörde angegeben, dass er unter ME/CFS („Chronic fatigue syndrome“) leide. Laut den Unterlagen von Dr. XXXX sei dies keine psychosomatische Krankheit. Vermutlich entstehe die Krankheit aus körperlichen Ursachen. Grundsätzlich seien die Ursachen aber weitgehend ungeklärt.
Dieses Ergebnis des Ermittlungsverfahrens werde der Entscheidung zugrunde gelegt. Dem Beschwerdeführer werde Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Schreibens dazu eine Stellungnahme abzugeben.
32. Mit E-Mail vom 21.05.2021 erstattete der Beschwerdeführer eine Stellungnahme, in der er im Wesentlichen ausführte, dass er mit dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht einverstanden sei. Die Behörde verlange von ihm Zeugen, welche ihn mit dem Dechant in dessen Auto gesichtet hätten. Es sei nicht seine Aufgabe, diese zu finden oder zu suchen, sondern es obliege seinen wahrheitsgemäßen Angaben. Augenzeugen für die Fahrten kenne er nicht, da sich diese, wie bereits mitgeteilt, hauptsächlich außerhalb des Ortsgebietes abgespielt hätten. Sein verstorbener Freund habe auf den Fahrten mit dem Dechant ähnliches erlebt. Die Angabe von Abt XXXX , es gäbe einen Unterschied zwischen den sexuellen Handlungen mit anderen Buben und mit ihm, sei eine nicht nachvollziehbare Unterstellung. Er frage sich, weshalb die Behörde nicht die anderen von ihr erwähnten Opfer des Dechants bzw. diesbezügliche Zeugen ausfindig gemacht habe. Als Zeugen für den Missbrauch verweise er auf die Stiftung XXXX (Mag. XXXX und Pater XXXX ), die Unabhängige Opferschutzanwaltschaft ( XXXX ), die Diözese XXXX (Mag. XXXX ), das Stift XXXX , die Pfarre XXXX und die Gemeinde XXXX .
Auch betreffend die Misshandlung durch den Volksschullehrer XXXX sei die Behörde seinen Hinweisen auf Zeugen offenbar nicht nachgegangen. Die Behörde hätte eine Klassenliste aus jener Zeit eruieren und sich bei seinen ehemaligen Mitschülern erkundigen können, habe dies aber zu seinem Nachteil nicht getan. Er verwiese diesbezüglich auch auf einen weiteren Medienbericht. Als Zeugen für diese Misshandlung verweise er auf die Gemeinde und Volksschule XXXX , ein Interview mit dem ehemaligen Bürgermeister im Dezember 2012, den ehemaligen Hauptschullehrer XXXX , und ehemalige Klassenkameraden sowie Mitschüler vor und nach ihm.
Die Behauptung, dass die Umschulung von links auf rechts keinerlei negative Auswirkungen auf seine Entwicklung gehabt habe, entbehre jeder Grundlage. Es gebe hierfür genügend Beweise, welche er bereits mit seinem Antrag vorgelegt habe. Richtig sei, dass er 1985 im Alter von 18 Jahren Opfer eines weiteren sexuellen Übergriffs in XXXX geworden sei. Dieser Übergriff habe nichts mit der „Akte Klerus“ zu tun. Seine privaten familiären Umstände zu jener Zeit ab 2004 hätten mit dem VOG nichts zu tun, ebenso wenig die Folgen des Unfalls vom 14.08.2000. Die ME/CFS-Erkrankung sei im September 2019 von Dr. XXXX diagnostiziert worden und sei Folge von zwei Herpes-Zoster-Erkrankungen, welche er sich bei Operationen im Herbst 2003 und Frühling 2008 aufgrund der Unfallfolgen geholt habe.
33. Mit E-Mail vom 14.06.2021 ersuchte die belangte Behörde den Beschwerdeführer um Mitteilung, ob die in der Stellungnahme angegeben Vergewaltigung im Alter von 18 Jahren polizeilich bzw. gerichtlich angezeigt worden sei.
Mit E-Mail vom selben Tag teilte der Beschwerdeführer mit, dass keine Anzeige erfolgt sei.
34. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 14.06.2021, zugestellt am 21.06.2021, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 29.09.2020 auf Hilfeleistungen nach dem VOG in Form der Kostenübernahme einer Krisenintervention gemäß § 1 Abs. 1, § 2 Z 2a, § 4a und § 16 Abs. 13 VOG zurück (Spruchpunkt I.) und den Antrag des Beschwerdeführers vom 29.09.2020 auf Hilfeleistungen nach dem VOG in Form von Ersatz des Verdienstentganges und Pflegezulage gemäß § 1 Abs. 1 VOG ab (Spruchpunkt II.).
Begründend führte die Behörde neben Zusammenfassung der Angaben des Beschwerdeführers, Wiedergabe der anzuwendenden Rechtsvorschriften und Darstellung des Verfahrensganges im Wesentlichen aus, dass – zu Spruchpunkt I. – hinsichtlich des Antrages auf Krisenintervention festzuhalten sei, dass die gegenständlichen Straftaten in den 1970er und 80er Jahren passiert sein sollen. § 4a VOG sei erst mit 01.03.2013 in Kraft getreten, weshalb gemäß § 16 Abs. 13 VOG eine Anwendung auf Straftaten, die vor diesem Datum lägen, nicht in Frage komme.
Zu Spruchpunkt II. wurden im Wesentlichen zunächst die Ausführungen im Parteiengehör vom 18.05.2021 wiederholt. Die dagegen erhobenen Einwendungen des Beschwerdeführers seien nicht im Stande gewesen, das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zu ändern. Die von ihm angeführten und als „Beweis“ bezeichneten Unterlagen würden leider „nur“ dazu dienen, einen Eindruck von den von ihm beschuldigten Personen zu erhalten. Eine konkrete Glaubhaftmachung, dass er persönlich missbraucht bzw. misshandelt worden sei, habe die Behörde darin nicht erkennen können, insbesondere beim (Medien-)Bericht über den sadistischen Lehrer, weil ja er selbst die darin zitierte die Aussage über die erlittenen Straftaten abgegeben habe. Gleichermaßen verhalte es sich bei den von ihm angegebenen Zeugen. Diese seien seitens der Behörde (großteils) befragt worden und hätten die konkret behaupteten Vorfälle nicht glaubhaft belegen können, weil sie diese eben nur aufgrund seiner Behauptungen beurteilten oder nur allgemeine Informationen über die beschuldigten Personen erteilen hätten können. Bezüglich Zeugen sei der Beschwerdeführer mehrfach befragt worden, ob er konkrete Personen nennen könne, welche die strafbaren Handlungen bezeugen könnten. Er habe den Volksschullehrer betreffend lediglich die Volksschule selbst genannt, bei der die Behörde auch nachgefragt habe. Konkrete Klassenkolleglnnen habe er bis dato nicht genannt. Die Einholung einer Klassenliste (aus den 1970er Jahren) und folgende Befragung aller seiner Mitschüler würden die Grenzen des vom Verfahrenszweck her gebotenen und zumutbaren Aufwands jedenfalls sprengen, dies falle nicht mehr unter die amtswegige Ermittlungspflicht. Vielmehr wäre der Beschwerdeführer aufgrund seiner Mitwirkungspflicht gehalten gewesen, konkrete Mitschüler als Zeugen zu nennen. Auch eine Befragung der weiteren (kirchlich anerkannten) Opfer des Geistlichen würden den Rahmen des Ermittlungsverfahrens sprengen bzw. könne der Behörde keine weitergehenden Aufschlüsse über die von ihm persönlich (und alleine) erlebten Übergriffe geben.
Die Feststellungen dazu, dass ein etwaiger Verdienstentgang durch viele andere Schicksalsschläge und körperliche und psychische Leiden (mit)bedingt sei, hätten vom Beschwerdeführer im Parteiengehör sogar bestätigt werden können („…haben mit dem VOG nichts zu tun, …“). Da bezüglich des sexuellen Übergriffes, den er im Alter von 18 Jahren erlitten hätte, keine Anzeige erstatten worden sei, wäre ein auf diesen Vorfall gestützter Antrag nach dem Verbrechensopfergesetz jedenfalls gemäß § 8 Abs. 1 Z 4 VOG abzuweisen. Im Übrigen habe der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt behauptet, dass sich sein Antrag auch auf diese oder andere als oben angeführten Straftaten stütze und seien derartige Anhaltspunkte nur durch Einholung von Unterlagen aus anderen Verfahren zu Tage gekommen. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass außer seinen Angaben keine auf die von ihm konkret behaupteten Straftaten hindeutenden Elemente erhoben werden hätten können, aus denen mit Wahrscheinlichkeit eine rechtswidrige und vorsätzliche Handlung zu seinem Nachteil abgeleitet werden hätte können. Es seien daher die grundsätzlichen Anspruchsvoraussetzungen nach § 1 Abs. 1 VOG, wonach mit Wahrscheinlichkeit eine mit mehr als sechsmonatiger Freiheitsstrafe bedrohte, rechtswidrige und vorsätzliche Handlung vorliegen müsse, nicht gegeben.
35. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit E-Mail vom 27.07.2021 fristgerecht die gegenständliche Beschwerde in allen Spruchpunkten. Begründend führte er aus, dass alle seine vormaligen Informationen und Korrespondenzen, welche der belangten Behörde ab 2020 vorlägen, insbesondere wie zuletzt am 21.05.2021, als Beweise für seine Beschwerde dienen sollen.
36. Mit E-Mail vom 29.07.2021 wiederholte der Beschwerdeführer in Ergänzung seiner Beschwerde die Ausführungen aus der Stellungnahme vom 21.05.2021.
37. Mit Schreiben vom 30.07.2021, eingelangt am 02.08.2021, legte die belangte Behörde die Beschwerde und den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Mit Eingabe vom 29.09.2020 beantragte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde als Hilfeleistung nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG) unter anderem die Kostenübernahme bei Krisenintervention nach § 4a VOG.
Alle vom Beschwerdeführer antragsbegründend vorgebrachten oder sonst im Verfahren hervorgekommenen strafbaren Handlungen sind auch bei Wahrunterstellung seiner Angaben in den 1970er und 1980er Jahren, jedenfalls vor dem 01.04.2013, begangen worden.
2. Beweiswürdigung:
Das Datum der Einbringung und der Inhalt des gegenständlichen Antrages ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und sind unstrittig.
Auch die Feststellung zu den Tatzeitpunkten der gegenständlichen strafbaren Handlungen basiert auf dem Akteninhalt und ist unstrittig. Der Beschwerdeführer hat im gesamten Verfahren keine Handlungen vorgebracht, die sich später als in den 1970er und 1980er Jahren ereignet hätten, noch sind solche im Verfahren auf sonstige Weise hervorgekommen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Verbrechensopfergesetzes lauten auszugsweise:
„Kreis der Anspruchsberechtigten
§ 1. (1) Anspruch auf Hilfe haben österreichische Staatsbürger, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie
1. durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohten rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben oder […]
und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert ist. […]
(2) Hilfe ist auch dann zu leisten, wenn
1. die mit Strafe bedrohte Handlung im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit begangen worden ist oder der Täter in entschuldigendem Notstand gehandelt hat,
2. die strafgerichtliche Verfolgung des Täters wegen seines Todes, wegen Verjährung oder aus einem anderen Grund unzulässig ist oder
3. der Täter nicht bekannt ist oder wegen seiner Abwesenheit nicht verfolgt werden kann. […]
Hilfeleistungen
§ 2. Als Hilfeleistungen sind vorgesehen:
1. Ersatz des Verdienst- oder Unterhaltsentganges;
[…]
2a. Kostenübernahme bei Krisenintervention durch klinische Psychologen und Gesundheitspsychologen sowie Psychotherapeuten;
[…]
7. Pflegezulagen, Blindenzulagen; […]
Ersatz des Verdienst- oder Unterhaltsentganges
§ 3. (1) Hilfe nach § 2 Z 1 ist monatlich jeweils in Höhe des Betrages zu erbringen, der dem Opfer durch die erlittene Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (§ 1 Abs. 3) als Verdienst oder den Hinterbliebenen durch den Tod des Unterhaltspflichtigen als Unterhalt entgangen ist oder künftighin entgeht. […]
(2) Als Einkommen gelten alle tatsächlich erzielten und erzielbaren Einkünfte in Geld oder Güterform einschließlich allfälliger Erträgnisse vom Vermögen, soweit sie ohne Schmälerung der Substanz erzielt werden können, sowie allfälliger Unterhaltsleistungen, soweit sie auf einer Verpflichtung beruhen. […]
Kostenübernahme bei Krisenintervention durch klinische Psychologen und Gesundheitspsychologen sowie Psychotherapeuten
§ 4a. Die Kosten einer Krisenintervention (klinisch-psychologische und gesundheitspsychologische Behandlung durch klinische Psychologen und Gesundheitspsychologen und Behandlung durch Psychotherapeuten) in Notfällen, die Opfer oder Hinterbliebene infolge einer Handlung nach § 1 Abs. 1 zu tragen haben, sind pro Sitzung bis zur Höhe des vierfachen Betrages des Kostenzuschusses nach § 4 Abs. 5 des zuständigen Trägers der Krankenversicherung zu übernehmen. Eine Kostenübernahme gebührt für höchstens zehn Sitzungen.
Pflegezulagen und Blindenzulagen
§ 6. Ist ein Opfer infolge einer Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 so hilflos, dass es für lebenswichtige Verrichtungen der Hilfe einer anderen Person bedarf, so ist ihm nach Maßgabe des § 18 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 eine Pflegezulage zu gewähren. Ist ein Opfer infolge einer Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 erblindet, so ist ihm nach Maßgabe des § 19 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 eine Blindenzulage zu gewähren. Hiebei ist eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 einer Dienstbeschädigung im Sinne des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 gleichzuhalten.
Ausschlußbestimmungen
§ 8. (1) Von den Hilfeleistungen sind Opfer ausgeschlossen, wenn sie
[…]
4. es schuldhaft unterlassen haben, zur Aufklärung der Tat, zur Ausforschung des Täters oder zur Feststellung des Schadens beizutragen. […]
Inkrafttreten
§ 16. […]
(13) Die §§ 1 Abs. 1 Z 1 bis 3 und Abs. 7, 2 Z 2a, 3 Abs. 1 erster Satz, 3a zweiter Satz, 4 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 2 Z 1, Abs. 2a, Abs. 4 und Abs. 5 erster Satz, 4a samt Überschrift, 5 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 3 und Abs. 4, 5a Abs. 1, 6 erster und zweiter Satz, 6a, 7 erster und zweiter Satz, 7a Abs. 1 zweiter Satz, 8 Abs. 1, Abs. 2 Z 1 und 2 und Abs. 5, 9 Abs. 4 zweiter Satz, 10 Abs. 1, 13 Abs. 1 und § 14b samt Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 58/2013 treten mit 1. April 2013 in Kraft. Die §§ 4a, 6a und 7 erster und zweiter Satz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 58/2013 sind auf Handlungen im Sinne des § 1 Abs. 1 anzuwenden, die ab dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes begangen wurden. […]“
Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides: Zurückweisung des Antrages auf Kostenübernahme einer Krisenintervention:
Wie bereits im angefochtenen Bescheid ausgeführt, ist § 4a VOG idF BGBl. I Nr. 58/2013, der die Kostenübernahme bei Krisenintervention vorsieht, gemäß § 16 Abs. 13 zweiter Satz leg. cit. (nur) auf Handlungen iSd § 1 Abs. 1 anzuwenden, die ab dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes begangen wurden.
Das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 58/2013 trat mit 01.04.2013 in Kraft. Alle vom Beschwerdeführer vorgebrachten oder sonst hervorgekommenen strafbaren Handlungen hätten sich wie festgestellt auch bei Wahrunterstellung seiner Angaben in den 1970er und 1980er Jahren ereignet, somit jedenfalls vor Inkrafttreten der genannten Novelle, ereignet.
§ 4a VOG ist daher auf die verfahrensgegenständlichen Handlungen nicht anzuwenden, weswegen die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers diesbezüglich zu Recht zurückgewiesen hat.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war somit als unbegründet abzuweisen.
Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides: Abweisung des Antrages auf Ersatz des Verdienstentganges und Pflegezulage:
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Nach § 28 Abs. 2 leg. cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11).
§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, wenn „die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen“ hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet (vgl. auch VwGH 30.06.2015, Ra 2014/03/0054):
Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht kommt nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.
Der Verfassungsgesetzgeber hat sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.
Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg. cit. bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 leg. cit. verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das in § 28 leg. cit. insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer „Delegierung“ der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).
Der angefochtene Bescheid erweist sich vor diesem Hintergrund in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:
Grundsätzliche Voraussetzung für die Gewährung von Versorgungsleistungen für Gesundheitsschädigungen nach dem Verbrechensopfergesetz ist, dass mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass der Antragsteller durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten hat und das schädigende Ereignis in ursächlichem Zusammenhang (Kausalzusammenhang) mit der Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung steht.
Die belangte Behörde begründete gegenständlich die Abweisung des Antrages – bezüglich Ersatz des Verdienstentganges und Pflegezulage – zusammengefasst damit, dass nicht mit Wahrscheinlichkeit vom Vorliegen strafbarer Handlungen ausgegangen werden könne, weil der Beschwerdeführer den vorgebrachten sexuellen Missbrauch durch einen Geistlichen und die vorgebrachte körperliche und psychische Misshandlung durch einen Volksschullehrer nicht, etwa durch Namhaftmachung von Zeugen, beweisen habe können.
Dabei übersieht die Behörde, dass der Anspruch auf eine Leistung nach dem VOG gerade nicht einen Beweis zur Voraussetzung hat, sondern lediglich die Annahme der „Wahrscheinlichkeit“, dass der Anspruchswerber durch eine mit mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten hat und ihm dadurch Heilungskosten oder eine Minderung der Erwerbsfähigkeit entstanden sind (vgl. OGH 28.06.1994, 5 Ob 527/94). Eine ausreichende Wahrscheinlichkeit iSd § 1 Abs. 1 VOG ist gegeben, wenn erheblich mehr für als gegen das Vorliegen einer Vorsatztat spricht (vgl. VwGH 06.03.2014, 2013/11/0219, mwN).
Im Ermittlungsverfahren der belangten Behörde sind zahlreiche Umstände hervorgekommen, die, sowohl betreffend den sexuellen Missbrauch durch einen Geistlichen als auch betreffend die Misshandlungen durch einen Lehrer, in diesem Sinne für das Vorliegen von strafbaren Handlungen sprechen.
Zunächst beschrieb der Beschwerdeführer die vorgebrachten Straftaten bereits in seinem verfahrenseinleitenden Antrag sowie in weiteren Eingaben (vgl. AS 1-8, 225-229) sehr ausführlich und schilderte lebensnah den Ablauf und Begleitumstände der Taten. Angesichts der langen Tatzeiträume von jeweils mehreren Jahren, des jungen Alters des Beschwerdeführers von ca. 6 bis 13 Jahren und des Umstands, dass die Taten nunmehr über 40 Jahre zurückliegen, ist es zugleich absolut nachvollziehbar, dass dieser nicht mehr die exakte Zahl oder die exakten Daten einzelner Tathandlungen nennen konnte.
Die Schilderungen des Beschwerdeführers betreffend den sexuellen Missbrauch wurden von der Ombudsstelle der Diözese XXXX nach Aufnahme einer ausführlichen Falldokumentation für glaubhaft erachtet (vgl. AS 13-18). Auch die XXXX traf nach Prüfung der vorliegenden Unterlagen eine positive Entscheidung (vgl. AS 11), woraufhin dem Beschwerdeführer von der Stiftung XXXX als „anerkanntes Opfer“ unter anderem eine finanzielle Hilfe von 25.000 Euro gewährt wurde (vgl. AS 12, 73). Die Argumentation im angefochtenen Bescheid, dem Beschwerdeführer seien die Entschädigungsleistungen (nur) „aufgrund der von ihm subjektiv geschilderten Erlebnisse“ gewährt worden, ist damit zumindest unvollständig. Die beteiligten Gremien haben seine Angaben sehr wohl auf ihre Nachvollziehbarkeit und Plausibilität überprüft. Daneben wurde auch sozialgerichtlichen Urteil des Landesgerichts XXXX vom 11.02.2021, Zl. XXXX , als unstrittig festgestellt, dass der Beschwerdeführer „in seiner Schulzeit unbegreifliche Qualen durch sexuellen Missbrauch sowie durch seelische und körperliche Misshandlungen erlitten hat“ (vgl. AS 206), was von der Pensionsversicherungsanstalt zuvor außer Streit gestellt worden war (vgl. AS 89).
Des Weiteren stützen auch mehrere vom Beschwerdeführer vorgelegte Medienberichte aus dem Jahr 2010, wonach es schon in den 1950er Jahren, als Pater XXXX Präfekt des Stiftsgymnasiums XXXX war, Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegen diesen gegeben habe (vgl. AS 213-220), sein Vorbringen. Aus den Berichten geht hervor, dass der Geistliche in der Folge zwar wiederholt versetzt, aber niemals zur Verantwortung gezogen wurde, wie es der Beschwerdeführer bereits im einleitenden Antrag beschrieb.
Insbesondere aber sprechen die Auskünfte des heutigen Abtes des Stiftes XXXX und Pfarrers von XXXX , Abt Dr. XXXX , mehr für als – wie von der Behörde offenbar angenommen – gegen das Vorliegen der vorgebrachten Straftaten. Dieser bestätigte zunächst, dass durch Pater XXXX Grenzverletzungen und sexuelle Übergriffe stattgefunden hätten, vor allem in Zusammenhang mit Fahrten in Hallenbäder und bei Saunabesuchen, zu denen dieser Buben eingeladen habe. In einigen Fällen habe es schon Entschädigungszahlungen gegeben. Vom Vorwurf eines jahrelangen sexuellen Missbrauchs höre er in seinen mehr als 30 Jahren als Seelsorger in XXXX aber zum ersten Mal. Da Pater XXXX nicht mehr am Leben sei, könne er dazu nicht mehr befragt werden. Was bleibe, sei, dem Opfer zu glauben. Es sei erschütternd, wie das damalige soziale Milieu von Kirche, Schule und Politik offensichtlich blind für derartige Verfehlungen gewesen sei bzw. Täter auch bewusst gedeckt habe (vgl. AS 252). Auf ergänzende Fragen der Behörde nach Belegen bzw. Beweisen teilte Abt Dr. XXXX mit, dass er nur auf Schilderungen von einzelnen Betroffenen verweisen könne, die das Verhalten des Geistlichen in Zusammenhang mit diesen Badefahrten als übergriffig (Blicke, gelegentliche Berührungen) empfunden hätten. Das treffe aber bei weitem nicht auf alle zu, die dieser dazu eingeladen habe. Zu dem, was der Beschwerdeführer erzähle, gebe es keine Beweise. Es sei sonst niemand dabei gewesen. Wie schon geschrieben sei es für ihn die einzige Schilderung nicht nur von Übergriffen, sondern von schwerem Missbrauch, die ihm bis jetzt zu Ohren gekommen sei (vgl. AS 256).
Die belangte Behörde gab diese Angaben im Bescheid wieder, leitete daraus aber nur ab, dass es gegen Pater XXXX zu Lebzeiten und posthum verschiedene Anschuldigungen sexueller Übergriffe gegeben habe und gebe. Die Anschuldigungen des Beschwerdeführers seien die bisher gravierendsten und stünden bis dato in dieser Intensität alleine da. Aus welchen Gründen dieser Umstand der Glaubhaftigkeit seines Vorbringens aber abträglich sein sollte, erläuterte die Behörde nicht. Da auch der Beschwerdeführer seine Vorwürfe erst nach rund 40 Jahren vorbrachte, ist keineswegs auszuschließen, dass andere Opfer von Pater XXXX dies bis heute nicht getan haben. Auch dass der Beschwerdeführer tatsächlich als einziger oder einer von nur sehr wenigen „in dieser Intensität“ missbraucht wurde, ist denkbar. Ein weiteres Missbrauchsopfer hat sich nach seinen Angaben kurz nach dem Schulaustritt das Leben genommen (vgl. AS 226). Dass es, wie Abt Dr. XXXX angibt, zu den Vorwürfen des Beschwerdeführers keine Beweise gebe, weil sonst niemand dabei gewesen sei, entspricht dessen Schilderungen, wonach der Missbrauch im Auto auf abgelegenen Waldwegen oder sonst außerhalb des Ortsgebietes stattgefunden habe. Zugleich stützen die Angaben des Abtes zu weiteren, wenn auch weniger „schwerwiegenden“ sexuellen Übergriffen des Geistlichen das Vorbringen des Beschwerdeführers ganz wesentlich. Dass es offenbar immer wieder zu gegen Buben gerichteten sexuellen Übergriffen unterschiedlicher Art durch Pater XXXX gekommen ist, lässt es durchaus naheliegend erscheinen, dass dieser auch den Beschwerdeführer missbraucht hat. Der Vollständigkeit wegen ist in diesem Zusammenhang auch die Auskunft der Marktgemeinde XXXX zu erwähnen, dass es laut „Gerüchten von Gemeindebürgern“ zu sexuellem Missbrauch durch Pater XXXX gekommen sein soll, was aber nicht nachweislich bestätigt werden könne (vgl. AS 258).
Umstände, die – betreffend den sexuellen Missbrauch – gegen das Vorliegen der behaupteten Straftat sprechen, sind im Verfahren hingegen nicht hervorgekommen. Im angefochtenen Bescheid wird einerseits ausgeführt, dass der Beschwerdeführer über Aufforderung der Behörde keine Person benannt habe, die bestätigen könne, dass er mit dem Geistlichen tatsächlich mitgefahren sei. Auch von den Befragten habe niemand eine konkrete Angabe über die von ihm vorgebrachten persönlichen Erlebnisse machen können bzw. habe wiederum der Beschwerdeführer gegenüber der Behörde keine Personen genannt, die dazu fähig wären. Wie oben bereits ausgeführt ist es angesichts des beschriebenen Ablaufs der Missbrauchshandlungen aber absolut plausibel, dass diese (oder auch nur die Anbahnung dazu) von niemandem direkt beobachtet wurden. Zugleich ist es schon aufgrund des über 40 Jahre zurückliegenden Tatzeitraums nicht realistisch, dass der Beschwerdeführer diesbezügliche Zeugen namhaft machen könnte. Er hat nach seinem Vorbringen in seiner Kindheit mit niemandem, auch nicht mit seinen Eltern, über die Vorfälle gesprochen. Aufgrund des durch die Ombudsstelle der Diözese XXXX (vgl. AS 198) bestätigten Umstands, dass auch andere Betroffene ihre Vorwürfe gegen Pater XXXX erst nach dessen Tod erhoben haben, spricht es schließlich nicht gegen das Vorliegen einer Straftat, dass es in dessen Fall nie strafrechtliche oder kirchenrechtliche Ermittlungen gegeben hat.
Auch bezüglich der körperlichen und psychischen Misshandlungen durch einen Volksschullehrer erstattete der Beschwerdeführer bereits in seinem einleitenden Antrag umfangreiche und detaillierte Angaben. Zudem verwies er darauf, dass er diese Vorwürfe bereits 2012 (anonym) in einem Radiobericht geäußert habe, den er später ebenfalls vorlegte (vgl. AS 277). Die weiteren Ermittlungsschritte der belangten Behörde zu diesem Aspekt scheinen das Vorbringen des Beschwerdeführers einhellig zu stützen. So gab Abt Dr. XXXX an, dass „Brutalität und Sadismus“ des Lehrers XXXX allgemein bekannt gewesen seien (vgl. AS 252). Er habe schon von sehr vielen Menschen in XXXX gehört, wie sadistisch dessen Methoden gewesen seien, verbal und physisch (vgl. AS 256). Die Marktgemeinde XXXX führte aus, dass die physische und psychische Misshandlung durch diesen Lehrer durchaus bestätigt werden könne, zumal auch Gemeindemitarbeiter in dieser Zeit die Volksschule besucht hätten (vgl. AS 258). Und die Volksschule XXXX teilte mit, dass die Schulleiterin aus eigener Erfahrung und Beobachtung als Schülerin des genannten Lehrers im Schuljahr 1983/84 diese Vorwürfe bestätigen könne und auch, dass es diese Vorwürfe für die Jahre davor gegeben habe (vgl. AS 260). Überdies legte der Beschwerdeführer eine Internetmeldung über ein Klassentreffen von ehemaligen Schülern der Volksschule XXXX , in der von „umstrittenen Lehrmethoden“ des Lehrers XXXX die Rede ist (vgl. AS 221).
Die belangte Behörde argumentiert im angefochtenen Bescheid dennoch, dass nicht mehr festgestellt werden könne, welche Misshandlungen durch den Lehrer zulasten des Beschwerdeführers getätigt worden seien. Es gebe keine Zeugen, die konkrete objektivierbare Straftaten, die ihn getroffen hätten, bestätigen könnten, sondern nur Indizien, dass der genannte Lehrer sadistische und brutale Handlungen an Schülern vorgenommen habe. Welche genau, und ob diese auch Straftaten dargestellt hätten, sei leider aufgrund mangelnder Beweise nicht mehr feststellbar. Auch in dieser Begründung wird deutlich, dass die belangte Behörde das im Bereich des VOG anzuwendende Beweismaß der „Wahrscheinlichkeit“ verkennt. Aufgrund der eben dargestellten Ermittlungsergebnisse ist evident, dass erheblich mehr für als gegen das Vorliegen der behaupteten Vorsatztat