Entscheidungsdatum
27.10.2021Norm
AuslBG §12aSpruch
W209 2245633-1/3E
W209 2245907-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Reinhard Seitz als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes PFLUG und Philipp KUHLMANN als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX , XXXX , und des XXXX , geb. XXXX , beide vertreten durch die Leitner Rechtsanwalt GmbH, Julius-Raab-Platz 4, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz vom 29.04.2021, GZ: ABB-Nr: 4114655, betreffend Nichtzulassung des Zweitbeschwerdeführers zu einer Beschäftigung als Fachkraft gemäß § 12a Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) nach Beschwerdevorentscheidung vom 29.07.2021 zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben, die Beschwerdevorentscheidung vom 29.07.2021 ersatzlos behoben und dem Amt der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, über Ersuchen vom 12.03.2021, GZ: MA35-9/3026892-06, gemäß § 20d Abs. 1 Z 2 AuslBG mitgeteilt, dass XXXX , geb. XXXX , die Voraussetzungen für die Zulassung als Fachkraft gemäß § 12a AuslBG bei der Arbeitgeberin XXXX , XXXX , erfüllt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. XXXX (im Folgenden: Zweitbeschwerdeführer), ein am XXXX geborener kosovarischer Staatsangehöriger, stellte am 08.03.2021 beim Amt der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, einen Antrag auf eine Rot-Weiß-Rot-Karte als Fachkraft gemäß § 12a AuslBG. Laut der dem Antrag angeschlossenen Arbeitgebererklärung soll er von der Firma XXXX , (im Folgenden: Erstbeschwerdeführerin) als "Schwarzdecker" mit einer monatlichen Bruttoentlohnung von € 2.690,00 im Ausmaß von 39 Wochenstunden unbefristet beschäftigt werden.
Dem Antrag angeschlossen waren u.a. ein Empfehlungsschreiben des aktuellen Arbeitgebers des Zweitbeschwerdeführers vom 08.02.2021, ein Zertifikat über den Besuch eines Dachdeckerkurses im Kosovo am 22.08.2019, ein Abschlusszeugnis einer technischen Mittelschule im Kosovo vom 22.08.2013, ein Abschlusszeugnis eines Lehrganges des WIFI OÖ zum IFB-Bauwerksabdichter vom 20.01.2021, eine Studienbesuchsbestätigung für das Fach Betriebswirtschaft vom 21.08.2013 der staatlichen Universität "Haxhi Zeka" in XXXX , Kosovo, ein ÖSD Zertifikat auf dem Niveau A2 vom 08.10.2020, ein Referenzschreiben über die Tätigkeit des Zweitbeschwerdeführers in einer Isolationsfirma von 02.01.2012 bis 15.08.2014 und von 15.07.2019 bis 30.12.2019 sowie eine Reisepasskopie des Zweitbeschwerdeführers.
Im Begleitschreiben brachte der bevollmächtigte Rechtsvertreter der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, dass der Zweitbeschwerdeführer Kenntnisse und Fähigkeiten des Schwarzdeckens und Isolierens als Ausbildung erworben habe, zugleich wesentliche Berufserfahrung auf diesem Gebiet gesammelt habe und somit aufgrund der Berufserfahrung sowie der absolvierten Kurse über eine abgeschlossene Berufsausbildung im Mangelberuf „Schwarzdecker“ verfüge. Für die einschlägige Berufserfahrung bei der Firma XXXX seien ihm weitere sechs Punkte anzurechnen. Weiters verfüge der Zweitbeschwerdeführer über die Universitätsreife (30 Punkte), Deutschkenntnisse zumindest auf dem Niveau A2 (10 Punkte) und über einen Schulabschluss im Kosovo an der technischen Mittelschule (Matura-Niveau mit Studienberechtigung), in dem er das Fach „Englisch" erfolgreich abgelegt habe, was zumindest dem A2 Niveau des internationalen Referenzrahmens entspreche. Für das Alter unter 30 Jahren stünden dem Zweitbeschwerdeführer weitere 15 Punkte zu, wodurch er somit insgesamt 66 Punkte (von 55 erforderlichen Punkten) erreiche.
2. Mit Schreiben vom 12.03.2021, GZ: MA35-9/3026892-06, übermittelte die Magistratsabteilung 35 den Antrag der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien mit dem Ersuchen um schriftliche Mitteilung, ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte als Fachkraft gemäß § 12a AuslBG vorliegen.
3. Am 19.03.2021 informierte die belangte Behörde (im Folgenden: AMS) die Erstbeschwerdeführerin darüber, dass dem Zweitbeschwerdeführer 20 Punkte für seine Ausbildung, zwei Punkte für seine Berufserfahrung, zehn Punkte für seine Sprachkenntnisse und 15 Punkte für sein Alter, sohin insgesamt 47 Punkte nach den Kriterien der Anlage B zu §12a AuslBG angerechnet werden könnten. Zur Berufserfahrung lägen keine hinreichenden Nachweise vor, somit seien die Voraussetzungen gemäß § 12a AuslBG nicht gegeben. Der Erstbeschwerdeführerin wurde eine Frist bis zum 31.03.2021 zur Vorlage der geforderten Nachweise sowie für allfällige Einwände gewährt
4. Mit erneutem Parteiengehör vom 07.04.2021 teilte das AMS der Erstbeschwerdeführerin mit, dass für die Berufserfahrung keine Punkte angerechnet werden könnten, da keine abgeschlossene Berufsausbildung für die beabsichtigte Beschäftigung als Schwarzdecker vorhanden sei. Eine abgeschlossene Berufsausbildung liege vor, wenn der Antragsteller über ein Zeugnis verfüge, das seine Qualifikation für die beabsichtigte Beschäftigung zweifelsfrei nachweise. Es sei keine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung für den Beruf "Schwarzdecker" nachgewiesen worden. Der Erstbeschwerdeführerin wurde eine Frist bis zum 21.04.2021 zur Vorlage der geforderten Nachweise sowie für allfällige Einwände gewährt.
5. Mit Stellungahme vom 21.04.2021 brachte der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, dass mangels gesetzlich geregelter und konkreter Ausbildung für Schwarzdecker das AMS Berufslexikon auf die Erlangung von Kenntnissen und Fertigkeiten als Schwarzdecker ausschließlich auf betriebsinterne Ausbildungen oder Kurzausbildungen verweise. In Ergänzung mit Berufserfahrung im Baubereich sei diese Ausbildung ausreichend, um den Beruf des Schwarzdeckers nachzugehen. Entgegen der Ansicht des AMS habe der Zweitbeschwerdeführer den vom WIFI OÖ in Zusammenarbeit mit Büsscher & Hoffmann veranstalteten "Lehrgang zum geprüften IFB-Bauwerksabdichter" – wie vom AMS Berufslexikon vorgesehen – im Ausmaß von 24 Trainingseinheiten erfolgreich durchlaufen und somit die im AMS Berufslexikon angeführte Grundausbildung in Theorie und Praxis zum Flachdach- und Bauwerksabdichter absolviert. Der Zweitbeschwerdeführer verfüge daher über eine abgeschlossene berufliche Ausbildung im Mangelberuf "Schwarzdecker". Diese sei gemäß dem Kriterienkatalog der Anlage B zu § 12a AuslBG mit 20 von 30 Punkten zu bewerten. Zusätzlich zum IFB-Kurszertifikat habe der Zweitbeschwerdeführer sowohl einschlägige betriebsinterne Ausbildungen als auch Berufserfahrung. Bei der Firma XXXX , Kosovo, welche auf Isolation spezialisiert sei, habe er gemäß Referenzschreiben vom 01.06.2020 im Zeitraum vom 02.01.2012 bis 15.08.2014, sohin über zweieinhalb Jahre gearbeitet und Fertigkeiten sowie Kenntnisse zur Isolation erlangt; weiters habe er bei der Firma XXXX , im Zeitraum vom 15.07.2019 bis 30.12.2019 als Meister und Leiter der Isolation gearbeitet; bei der Fa. XXXX , Slowenien, sei er gemäß Referenzschreiben vom 08.02.2021 seit Januar 2020, daher rund eineinhalb Jahre, in der Position als "Schwarzdecker/Isolierer" eingesetzt und bringe laut Schreiben sowohl die fachliche als auch die nötige berufliche Erfahrung mit. Zusammengefasst seien dies rund viereinhalb Jahre einschlägiger Berufserfahrung als Isolierer und Schwarzdecker und seien für die einschlägige Berufserfahrung im Ausland gemäß dem Kriterienkatalog der Anlage B zu § 12a AuslBG acht Punkte anzurechnen. Unter Berücksichtigung der seitens der Behörde anerkannten Punkte für die Sprachkenntnisse im Ausmaß von zehn Punkten, dem Alter im Ausmaß von 15 Punkten sowie der hinzutretenden Punktezahl von 30 Punkten für die Universitätsreife und abgeschlossene Berufsausbildung sowie die einschlägige Berufserfahrung erreiche der Zweitbeschwerdeführer 63 von mindestens 55 Punkten nach dem Kriterienkatalog der Anlage B zu § 12a AuslBG.
6. Mit beschwerdegegenständlichem Bescheid vom 29.04.2021 wurde die Zulassung des Zweitbeschwerdeführers zu einer Beschäftigung als Fachkraft bei der Zweitbeschwerdeführerin nach Anhörung des Regionalbeirats mit der Begründung abgelehnt, dass für den Zweitbeschwerdeführer statt der erforderlichen Mindestpunkteanzahl von 55 nur 25 Punkte angerechnet werden könnten. Eine einschlägig abgeschlossene Berufsausbildung für den Beruf "Schwarzdecker" sei nicht nachgewiesen worden.
7. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer durch ihren bevollmächtigten Rechtsvertreter binnen offener Rechtsmittelfrist Beschwerde, die im Wesentlichen damit begründet wurde, dass das AMS die Abweisung damit begründet habe, dass der Zweitbeschwerdeführer nicht über die nötige Berufsausbildung verfüge, zugleich aber selbst darauf hinweise, dass es keine gesetzlichen Regelungen für eine Berufsausbildung des Schwarzdeckers in Österreich gebe. Die belangte Behörde widerspreche sich in der rechtlichen Begründung der Abweisung und in der Beweiswürdigung, indem sie die von ihr im AMS Berufslexikon angeführte Ausbildung zum Schwarzdecker in Österreich, insbesondere des IFB Instituts, außer Acht lasse und nicht entsprechend würdige. Es bedürfe für die Ausübung des Berufes des Schwarzdeckers keiner eigenständigen Gewerbeberechtigung; es handle sich hierbei um eine Neben- bzw. Hilfstätigkeit, die im Rahmen anderer Gewerbeberechtigungen – des Dachdeckers und des Wärme-, Kälte-, Schall- und Branddämmer – mitumfasst sei. Die Anforderungen an die fachliche Qualifikation und abgeschlossene Ausbildung für die Tätigkeit des Schwarzdeckers müssten folglich viel niedriger sein, als jene für die angeführten reglementierten Gewerbeberufe. Mangels gesetzlich geregelter und konkreter Ausbildung für Schwarzdecker verweise das AMS Berufslexikon auf die Erlangung von Kenntnissen und Fertigkeiten als Schwarzdecker ausschließlich in betriebsinternen oder Kurzausbildungen. In Ergänzung mit Berufserfahrung im Baubereich sei diese Ausbildung ausreichend um den Beruf des Schwarzdeckers nachzugehen. Als Kurzausbildung werde im AMS Berufslexikon die vom Institut für Flachdachbau und Bauwerksabdichtung (IFB) angebotene "Grundausbildung zum Bauwerksabdichter" in der Dauer von 24 Lehreinheiten angeführt. Der Zweitbeschwerdeführer habe im Jahr 2021 am IFB das erste Grundmodul zur Personenqualifizierung erfolgreich absolviert. Die Personenqualifizierung sei in Österreich einer Berufsausbildung auf dem zweiten Bildungsweg gleichzusetzen und berechtige auch das Gewerbe des Bauwerksabdichters anzumelden. Entgegen den Feststellungen der Behörde habe der Zweitbeschwerdeführer beim IFB den vom WIFI OÖ in Zusammenarbeit mit Büsscher & Hoffmann, Enns, veranstalteten "Lehrgang zum geprüften IFB-Bauwerksabdichter", und zwar "im Ausmaß von 24 Trainingseinheiten" – wie vom AMS Berufslexikon vorgesehen – besucht und vor der Prüfungskommission des IFB die Prüfung mit Erfolg abgelegt. Das IFB Zertifikat sei als ein Zeugnis zu qualifizieren, das die Qualifikation des Zweitbeschwerdeführers für die beabsichtigte Beschäftigung als Schwarzdecker zweifelsfrei nachweise. Hinzu käme ein eintägiger Kurs der Arbeitsagentur der Republik Kosovo am 22.08.2019 mit den Modulen Einführung in den Beruf "vom Gravur im Dach, Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, Werkzeuge, Geräte und Arbeitsmittel sowie Abdichtungsarbeiten". Der Zweitbeschwerdeführer verfüge daher über eine abgeschlossene berufliche Ausbildung im Mangelberuf des Schwarzdeckers und sei diese gemäß dem Kriterienkatalog der Anlage B zu § 12a AuslBG mit 20 von 30 Punkten anzurechnen. Für die einschlägige Berufserfahrung von viereinhalb Jahren im Ausland seien gemäß dem Kriterienkatalog der Anlage B zu § 12a AuslBG weitere acht Punkte anzurechnen. Die Erstbeschwerdeführerin möchte hervorheben, dass sie bereits zwei Jahre auf der Suche nach einem Schwarzdecker sei und ihr von der belangten Behörde bislang niemand vermittelt werden habe können. Es handle sich hierbei um einen bundesweiten Mangelberuf, weshalb ein Bedarf nach ausländischen Fachkräften bestehe. Dies werde durch die offenen Stellenbeschreibungen für Schwarzdecker im eJob-Room des AMS Österreich für das Gebiet Wien unterstrichen. Zum Stichtag 21.04.2021 fänden sich darin 18 Stellenausschreibungen seitens Arbeitgebern, die auf der Suche nach Schwarzdeckern und Isolierern seien. Bei den Stellenausschreibungen handle es sich um Wiener Firmen, die nach der Beschreibung ihrer Tätigkeit genau in jenem Segment wie die vorangegangenen Arbeitgeber des Zweitbeschwerdeführers tätig seien. Es würden von den suchenden Arbeitgebern meist keine abgeschlossene Ausbildung oder Pflichtschule gefordert und habe der Zweitbeschwerdeführer eine höhere technische Ausbildung, verfüge über die Universitätsreife, habe einschlägigen zertifizierten IFB Kurs samt Prüfung absolviert und rund viereinhalb Jahre Berufserfahrung.
8. Mit Stellungnahme vom 06.07.2021 brachten die Beschwerdeführer zusammengefasst vor, dass – mit Verweis auf die hg. Erkenntnisse W167 2208039-1/7E vom 26.11.2019 und W178 2227320-1/13E, W178 2227322-1/13E vom 17.02.2021 – für das gegenständliche Verfahren rechtlich abzuleiten sei, dass eine abgeschlossene Berufsausbildung im Beruf des Schwarz-
deckers bereits dann vorliege, wenn eine einem Lehrabschluss in Österreich vergleichbare Ausbildung nachgewiesen werden könne. Nicht ausschlaggebend sei, wie und wo diese Ausbildung absolviert worden sei, sondern die Vergleichbarkeit mit einem Lehrberuf und damit die Sicherstellung, dass der Antragsteller für die zur Ausübung des Berufes erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse verfüge. Dabei verweise das Bundesverwaltungsgericht selbst auf das AMS Berufslexikon und darauf, dass "die nötigen Fertigkeiten und Kenntnisse betriebsintern angeeignet oder in Lehrgängen erworben" werden können. Das AMS gehe bei der rechtlichen Beurteilung fälschlicher Weise davon aus, dass der Zweitbeschwerdeführer sich beim Nachweis der einschlägigen Ausbildung ausschließlich auf die "dreitätige Ausbildung des WIFI OÖ/IFB Lehrgangs" stützen würde. Vielmehr werde der Nachweis auf die gesamte berufliche Tätigkeit im Ausland und alle absolvierten Kurse gestützt. Dies entspreche auch dem Wesen eines Lehrberufes in Österreich, welcher durch die Beschäftigung in einem Ausbildungsbetrieb und zusätzliche theoretische Ausbildung erlernt werde und in der Regel eine zwei bis dreijährige Ausbildung umfasse. Der Zweitbeschwerdeführer habe gemäß dem Bescheid des AMS eine mehrjährige einschlägige Berufserfahrung im Ausmaß von rund viereinhalb Jahren vorzuweisen, einschlägige Zusatzkurse besucht sowie eine einschlägige Prüfung in Österreich abgelegt. Richtig sei, dass der Zweitbeschwerdeführer keine verwandte Ausbildung wie die eines Dachdeckers absolviert habe, jedoch sei nach der Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts die Lehre eines Dachdeckers keine notwendige Voraussetzung für die Ausübung des Berufs des Schwarzdeckers. Die mehrjährige einschlägige hauptberufliche Erfahrung – welche die Berufserfahrung im zitierten Erkenntnis um rund das dreifache übersteige – sowie die von ihm absolvierten einschlägigen Zusatzkurse in Österreich und die abgelegte Prüfung würden das Kriterium einer "einschlägigen abgeschlossenen Berufsausbildung" iSd § 12a Z 1 AuslBG erfüllen, sodass er für die Ausübung des Mangelberufs des Schwarzdeckers in Österreich zuzulassen sei.
9. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 29.07.2021 wies das AMS die Beschwerde ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass im Hinblick auf den Wortlaut des § 12a AuslBG in einem Mangelberuf als Fachkraft jedenfalls eine abgeschlossene einschlägige Berufsausbildung erforderlich sei. Da auch in Österreich keine gesetzlich geregelte Ausbildung für Schwarzdecker bestehe, wäre zumindest eine Ausbildung in einem verwandten Beruf wie beispielsweise Dachdecker oder Bauspengler (plus Zusatzausbildung) nachzuweisen. Im Beschwerdefall verfüge der Zweitbeschwerdeführer über den Abschluss einer höheren Berufsmittelschule im Fachgebiet Wirtschaft (Fachrichtung: Zollbeamter). Hinsichtlich der 3-monatigen Ausbildung des Zweitbeschwerdeführers als Schwarzdecker neben seinem Schulbesuch bestehe schon aufgrund der sehr kurzen Ausbildung entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer keine Vergleichbarkeit mit einem Lehrabschluss nach mehrjähriger Ausbildung in Österreich. Somit liege jedenfalls keine einem österreichischen Lehrabschluss vergleichbare Ausbildung (auch in keinem verwandten Beruf) vor und könnten nach Ansicht des AMS in der Kategorie "Qualifikation" daher keine Punkte vergeben werden.
Auch wenn der Einwand des Rechtsvertreters berücksichtigt werde und für die Ausbildung zum Schwarzdecker in Verbindung mit der Universitätsreife 25 Punkte vergeben würde, erreiche der Antragsteller maximal 50 Punkte. Auch unter der Prämisse, dass der Antragsteller von 2012 bis 2014 eine Ausbildung zum Schwarzdecker absolviert habe, könne ihm für ein volles Jahr Berufserfahrung nur zwei Punkte vergeben werden. Wenn der Antragsteller tatsächlich noch laufend bei der Firma XXXX beschäftigt sei und alle Beschäftigungszeiten von 2019 bis 2021 zusammengerechnet würden, könnte der Antragsteller maximal vier Punkte für zwei Jahre ausbildungsadäquate Beschäftigung bekommen und würde damit maximal 54 Punkte erreichen. Damit werde die erforderliche Mindestpunkteanzahl von 55 nicht erreicht. Die Voraussetzungen gemäß § 12a AuslBG für die Zulassung des Zweitbeschwerdeführers als Fachkraft in einem Mangelberuf lägen daher nicht vor.
10. Aufgrund des rechtzeitig erstatteten Vorlageantrages legte das AMS die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens am 20.08.2021 einlangend dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Entscheidung wird folgender Sachverhalt zugrunde gelegt:
Der Zweitbeschwerdeführer, ein am XXXX geborener kosovarischer Staatsangehöriger, stellte am 08.03.2021 beim Amt der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, einen Antrag auf eine Rot-Weiß-Rot-Karte als Fachkraft gemäß § 12a AuslBG.
Der Zweitbeschwerdeführer soll für die Erstbeschwerdeführerin im Vollzeitausmaß als Schwarzdecker tätig werden und dafür eine Entlohnung von € 2.690,00 brutto monatlich erhalten.
Der Zweitbeschwerdeführer verfügt über Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 und nach Abschluss einer technischen Mittelschule in XXXX , Kosovo, über die Universitätsreife.
Der Zweitbeschwerdeführer hat im Zuge seines Schulabschlusses das Fach Englisch als Fremdsprache absolviert.
Der Zweitbeschwerdeführer war von 02.01.2012 bis 15.08.2014 bei der Firma XXXX , Kosovo, welche auf Isolation spezialisiert ist, beschäftigt. Von 15.07.2019 bis 30.12.2019 hat der Zweitbeschwerdeführer für die Firma XXXX „als Meister und Leiter der Isolation“ gearbeitet. Insgesamt war der Zweitbeschwerdeführer sohin 36 Monate für die Firma XXXX tätig.
Der Zweitbeschwerdeführer ist seit Januar 2020 bis laufend bei der Firma XXXX , Slowenien, somit zum Zeitpunkt der Entscheidung 21 volle Monate als "Schwarzdecker, Isolierer" beschäftigt. Laut Referenzschreiben seines aktuellen Arbeitgebers bringt der Zweitbeschwerdeführer sowohl "die fachliche als auch die nötige berufliche Erfahrung mit".
Insgesamt kann der Zweitbeschwerdeführer vier Jahre und 9 Monate an einschlägiger Berufserfahrung in Hinblick auf die beantragte Beschäftigung als Schwarzdecker vorweisen.
Der Zweitbeschwerdeführer verfügt über keinen Lehrabschluss in einem verwandten Beruf (wie etwa des Dachdeckers oder Isoliermonteurs), in dessen Rahmen die vom Zweitbeschwerdeführer absolvierte Ausbildung als Schwarzdecker eine Zusatzqualifikation darstellen würde.
Der Zweitbeschwerdeführer hat einen dreitägigen Lehrgang des WIFI OÖ als IFB-Bauwerksabdichter vom 18.01.2021 bis 20.01.2021 im Ausmaß von 24 Trainingseinheiten absolviert.
Der Zweitbeschwerdeführer hat am 03.10.2019 einen eintägigen Kurs als Dachdecker in einem regionalen Berufsausbildungszentrum im Kosovo absolviert.
2. Beweiswürdigung:
Der o.a. Sachverhalt steht, was die Antragstellung, die beabsichtigte Beschäftigung bei der Erstbeschwerdeführerin sowie die vom Zweitbeschwerdeführer absolvierten Ausbildungen und dessen Berufserfahrung betrifft, aufgrund der Aktenlage als unstrittig fest.
Die Feststellung, dass es sich bei den vom Zweitbeschwerdeführer ausgeübten Beschäftigungen um einschlägige Berufserfahrung in Hinblick auf die beantragte Beschäftigung als Schwarzdecker handelt, ergibt sich aus den jeweiligen Tätigkeitsprofilen der entsprechenden Unternehmen bzw. des Zweitbeschwerdeführers selbst, welche sich aus den vorgelegten unbedenklichen Referenzschreiben ableiten lassen.
Die Deutschkenntnisse und die Universitätsreife des Zweitbeschwerdeführers wurden durch die Vorlage entsprechender Zeugnisse nachgewiesen und waren bereits im bisherigen Verfahren unstrittig.
Die Feststellung zum Abschluss des Schulfaches Englisch ergeht aus der vorgelegten beglaubigten Übersetzung des Schulabschlusszeugnisses der technischen Mittelschule " XXXX " in XXXX , Kosovo, vom 22.08.2013.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 20g Abs. 1 AuslBG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide der regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice, die in Angelegenheiten des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ergangen sind, das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer, angehören.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
Die im vorliegenden Fall anzuwendenden maßgebenden Bestimmungen des AuslBG lauten:
§ 12a in der Fassung BGBl. I Nr. 25/2011:
„Fachkräfte in Mangelberufen
§ 12a. Ausländer werden in einem in der Fachkräfteverordnung (§ 13) festgelegten Mangelberuf zu einer Beschäftigung als Fachkraft zugelassen, wenn sie
1.eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung nachweisen können,
2.die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage B angeführten Kriterien erreichen,
3.für die beabsichtigte Beschäftigung das ihnen nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehende Mindestentgelt zuzüglich einer betriebsüblichen Überzahlung erhalten und sinngemäß die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 mit Ausnahme der Z 1 erfüllt sind. Die Arbeitsmarktprüfung im Einzelfall entfällt.“
Anlage B in der Fassung BGBl. I Nr. 94/2018:
„Anlage B
Zulassungskriterien für Fachkräfte in Mangelberufen gemäß § 12a
Kriterien
Punkte
Qualifikation
maximal anrechenbare Punkte: 30
abgeschlossene Berufsausbildung im Mangelberuf
20
allgemeine Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120
25
Abschluss eines Studiums an einer tertiären Bildungseinrichtung mit dreijähriger Mindestdauer
30
ausbildungsadäquate Berufserfahrung
maximal anrechenbare Punkte: 20
Berufserfahrung (pro Jahr)
Berufserfahrung in Österreich (pro Jahr)
2
4
Sprachkenntnisse Deutsch
maximal anrechenbare Punkte: 15
Deutschkenntnisse zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau (A 1)
Deutschkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung (A 2)
Deutschkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B 1)
5
10
15
Sprachkenntnisse Englisch
maximal anrechenbare Punkte: 10
Englischkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung (A 2)
Englischkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B 1)
5
10
Alter
maximal anrechenbare Punkte: 15
bis 30 Jahre
bis 40 Jahre
15
10
Summe der maximal anrechenbaren Punkte
90
erforderliche Mindestpunkteanzahl
55
§ 20d in der Fassung BGBl. I Nr. 94/2018:
„Zulassungsverfahren für besonders Hochqualifizierte, Fachkräfte,
sonstige Schlüsselkräfte, Studienabsolventen und Künstler
§ 20d. (1) Besonders Hochqualifizierte, Fachkräfte sowie sonstige Schlüsselkräfte und Studienabsolventen haben den Antrag auf eine „Rot-Weiß-Rot – Karte“, Schlüsselkräfte gemäß § 12c den Antrag auf eine „Blaue Karte EU“ und ausländische Künstler den Antrag auf eine „Niederlassungsbewilligung – Künstler“ gemeinsam mit einer schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers, die im Antrag angegebenen Beschäftigungsbedingungen einzuhalten, bei der nach dem NAG zuständigen Behörde einzubringen. Der Antrag kann auch vom Arbeitgeber für den Ausländer im Inland eingebracht werden. Die nach dem NAG zuständige Behörde hat den Antrag, sofern er nicht gemäß § 41 Abs. 3 Z 1 oder 2 NAG zurück- oder abzuweisen ist, unverzüglich an die nach dem Betriebssitz des Arbeitgebers zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Prüfung der jeweiligen Zulassungsvoraussetzungen zu übermitteln. Die regionale Geschäftsstelle hat den Regionalbeirat anzuhören und binnen vier Wochen der nach dem NAG zuständigen Behörde – je nach Antrag – schriftlich zu bestätigen, dass die Voraussetzungen für die Zulassung
1.als besonders Hochqualifizierter gemäß § 12
2.als Fachkraft gemäß § 12a,
3.als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1,
4.als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 2 (Studienabsolvent),
5.als Schlüsselkraft gemäß § 12c (Anwärter auf eine „Blaue Karte EU“) oder
6.als Künstler gemäß § 14
erfüllt sind. Die nach dem NAG zuständige Behörde hat die regionale Geschäftsstelle über die Erteilung des jeweiligen Aufenthaltstitels unter Angabe der Geltungsdauer zu verständigen. Bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen hat die regionale Geschäftsstelle die Zulassung zu versagen und den diesbezüglichen Bescheid unverzüglich der nach dem NAG zuständigen Behörde zur Zustellung an den Arbeitgeber und den Ausländer zu übermitteln.
(2) Die Zulassung gemäß Abs. 1 gilt für die Beschäftigung bei dem im Antrag angegebenen Arbeitgeber im gesamten Bundesgebiet. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat unverzüglich nach Beginn der Beschäftigung die Anmeldung zur Sozialversicherung zu überprüfen. Entspricht diese nicht den für die Zulassung maßgeblichen Voraussetzungen, ist die nach dem NAG zuständige Behörde zu verständigen (§ 28 Abs. 6 NAG). Bei einem Arbeitgeberwechsel vor Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ (§ 41a NAG) ist Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
(3) bis (5) …“
Die Fachkräfteverordnung 2021, BGBl. II Nr. 595/2020, lautet (auszugsweise):
„§ 1. (1) Für das Jahr 2021 werden folgende Mangelberufe festgelegt, in denen Ausländerinnen und Ausländer als Fachkräfte gemäß § 12a AuslBG für eine Beschäftigung im gesamten Bundesgebiet zugelassen werden können:
1. bis 3. …
4. Schwarzdecker/innen
5. bis 45. …
(2) Die Bezeichnung der im § 1 genannten Berufe folgt der Berufssystematik des Arbeitsmarktservice.
(3) Diese Verordnung tritt mit 1. Jänner 2021 in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2021 außer Kraft. Vor Ablauf des 31. Dezember 2021 eingebrachte Anträge gemäß § 20d Abs. 1 Z 2 AuslBG sind nach dieser Verordnung zu erledigen.“
§ 23 des Berufsausbildungsgesetzes in der Fassung BGBl. I Nr. 18/2020, lautet (auszugsweise):
„Zulassung zur Lehrabschlußprüfung
§ 23 (1) bis (4) …
(5) Nach Wahl des Antragstellers hat die nach dem Arbeitsort oder dem Wohnort örtlich zuständige Lehrlingsstelle ausnahmsweise einen Prüfungswerber auch ohne Nachweis der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 und Abs. 3 lit. a und b zur Lehrabschlussprüfung zuzulassen,
a) wenn dieser das 18. Lebensjahr vollendet hat und glaubhaft macht, dass er auf eine andere Weise die im betreffenden Lehrberuf erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse, beispielsweise durch eine entsprechend lange und einschlägige Anlerntätigkeit oder sonstige praktische Tätigkeit oder durch den Besuch entsprechender Kursveranstaltungen erworben hat; oder
b) ….
(6) bi (11) …“
Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:
Der Zweitbeschwerdeführer wurde im Mangelberuf "Schwarzdecker/innen" der Fachkräfteverordnung 2021 beantragt.
Gemäß § 12a Z 1 AuslBG ist es – unabhängig vom Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – erforderlich, dass der Antragsteller eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung im beantragten Mangelberuf nachweisen kann (vgl. VwGH 25.01.2013, 2012/09/0068; 13.12.2016, Ra 2016/09/0104).
Die Erläuterungen (1077 Blg.NR 24. GP S 12) zum Erfordernis einer "einschlägigen abgeschlossenen Berufsausbildung" des § 12a Z 1 AuslBG führen dazu aus: "Es können somit nur Fachkräfte zugelassen werden, die eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem solchen Mangelberuf nachweisen, die einem Lehrabschluss vergleichbar ist. Als abgeschlossene Berufsausbildung gilt auch der erfolgreiche Abschluss einer schulischen Ausbildung, die dem Abschluss einer Berufsbildenden Höheren Schule (BHS) in Österreich entspricht. Dementsprechend hoch ist die Qualifikation auch im Kriterienkatalog der Anlage B bewertet."
Der Gesetzgeber sieht somit als Mindestanforderung für eine abgeschlossene Berufsausbildung iSd § 12a Z 1 AuslBG einen österreichischen Lehrabschluss oder eine vergleichbare Ausbildung vor.
Als Vergleichsmaßstab kann das Berufsausbildungsgesetz (BAG) herangezogen werden. Gemäß § 5 Abs. 1 lit. c BAG ist ein Lehrberuf eine Tätigkeit (neben anderen Erfordernissen), deren sachgemäße Erlernung mindestens zwei Jahre erfordert. Gemäß § 6 Abs. 1 BAG beträgt die Dauer der Lehrzeit in einem Lehrberuf in der Regel drei Jahre (vgl. erneut VwGH 25.01.2013, 2012/09/0068).
Wie der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 26.02.2021, Ra 2020/09/0046, weiters klargestellt hat, kann – unabhängig davon, ob ein formeller Lehrabschluss erlangt wurde – auch eine dreijährige einschlägige Berufstätigkeit eine einem Lehrabschluss vergleichbare Ausbildung darstellen, sofern der Antragsteller nach der "Lehrzeit" befähigt war, als Facharbeiter zu arbeiten und dies auch tat.
Nach dem AMS Berufslexikon gibt es zudem gar keine gesetzlich geregelte Ausbildung für den Beruf des Schwarzdeckers. Die nötigen Kenntnisse und Fertigkeiten werden demnach meist betriebsintern oder in Kurzausbildungen erworben. Weiters verweist das AMS Berufslexikon in diesem Zusammenhang auf Kurzausbildungen wie etwa die vom WIFI angebotene "Ausbildung zum/zur Bauwerksabdichter/-in - Basismodul" im Ausmaß von 24 Lehreinheiten, welche der Zweitbeschwerdeführer absolviert hat.
Wie bereits im hg. Erkenntnis vom 13.01.2020, GZ: W209 2226502-1/3E, ausgeführt, wäre im Hinblick auf die Tatsache, dass in Österreich der Lehrberuf des Schwarzdeckers nicht existiert, zumindest eine einem österreichischen Lehrabschluss vergleichbare Berufsausbildung in einem verwandten Beruf, in deren Rahmen die vom Erstbeschwerdeführer absolvierte Ausbildung als Bauwerksabdichter (bzw. Schwarzdecker) eine Zusatzqualifikation darstellt, oder eine einschlägige mehrjährige Berufserfahrung, die zusammen mit dem absolvierten Kurs in der Fachrichtung Bauwerksabdichtung iSd § 23 Abs. 5 lit. a BAG als Berufsausbildung zum Schwarzdecker gewertet werden könnte, erforderlich.
Seit 01.08.2019 gibt es eine Lehre als Bauwerksabdichtungstechniker/in (https://www.berufslexikon.at/berufe/350) welche mit BGBl. II Nr. 186/2019 "Änderung der Lehrberufsliste" geschaffen wurde. Aus den Angaben im Berufslexikon lässt sich ableiten, dass der Beruf des Schwarzdeckers mit dem nunmehr bestehenden Lehrberuf des Bauwerksabdichtungstechnikers jedenfalls abgedeckt wird. Nach der Lehrberufsliste sind als verwandte Lehrberufe Dachdecker/in, Spengler/in und Wärme-, Kälte-, Schall- und Brandschutztechniker/in angeführt. Auch diese kämen somit als Grundlage für eine Berufsausbildung für den – durch Zusatzqualifikation – erlernten Beruf des Schwarzdeckens in Frage.
Zwar verfügt der Zweitbeschwerdeführer über keinen Lehrabschluss in einem solchen verwandten Beruf, doch kann er wie festgestellt insgesamt vier Jahre und 9 Monate an einschlägiger Berufserfahrung in Hinblick auf die beantragte Beschäftigung als Schwarzdecker vorweisen.
Vor diesem Hintergrund ist einerseits die vorliegende einschlägige Berufserfahrung im Ausmaß von vier Jahren und 9 Monaten, welche die Dauer einer in der Regel dreijährigen Lehre übersteigt, und insbesondere auch der Umstand, dass der Zweitbeschwerdeführer bereits als "Meister und Leiter der Isolation" tätig war und darüber hinaus seit Januar 2020 bei seinem aktuellen Arbeitgeber als Schwarzdecker tätig ist (und laut diesem auch die nötige fachliche und berufliche Erfahrung mitbringt), zu berücksichtigen. Zusammen mit der vom Zweitbeschwerdeführer erfolgreich absolvierten Zusatzausbildung zum IFB-Bauwerksabdichter ist daher davon auszugehen, dass er über eine einem Lehrabschlusses vergleichbare Berufsausbildung im beantragten Mangelberuf des Schwarzdeckers verfügt und somit das Erfordernis einer einschlägigen abgeschlossenen Berufsausbildung gemäß § 12a Z 1 AuslBG erfüllt ist.
Gemäß § 12a Z 2 AuslBG müssen Ausländer, die in einem in der Fachkräfteverordnung (§ 13) festgelegten Mangelberuf zu einer Beschäftigung als Fachkraft zugelassen werden wollen, zudem die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage B zum AuslBG angeführten Kriterien erreichen.
Unstrittig ist, dass dem Zweitbeschwerdeführer aufgrund der vorliegenden allgemeinen Universitätsreife 25 Punkte gemäß der Anlage B zum AuslBG gebühren.
Hinsichtlich des Kriteriums der ausbildungsadäquaten Berufserfahrung in der Anlage B ist festzuhalten, dass eine solche – schon dem Wortsinn nach – erst nach Abschluss der fallgegenständlich aus der vorliegenden Berufserfahrung hergeleiteten "Lehrzeit" von drei Jahren als ausbildungsadäquate Berufstätigkeit zu werten und nach dem Punkteschema zu berücksichtigen ist (vgl. erneut VwGH 26.02.2021, Ra 2020/09/0046).
Nach dem klaren Wortlaut der Anlage B werden für eine solche (also ausbildungsadäquate) Berufserfahrung pro Jahr die angeführten Punkte angerechnet; die Zuerkennung aliquoter Punkteanteile für unterjährige Zeiten ist nicht vorgesehen (vgl. VwGH 22.09.2021, Ro 2021/09/0016).
Unter Abzug dreier voller Jahre Berufserfahrung für die – trotz Nichtvorliegens eines einschlägigen formalen Lehrabschlusses – anerkannte Ausbildung im beantragten Mangelberuf können dem Zweitbeschwerdeführer somit ein Jahr und 9 Monate an ausbildungsadäquater Berufserfahrung im Ausland angerechnet werden. Hierfür sind ihm mit Verweis auf die rezente Judikatur des VwGH weitere zwei Punkte anzurechnen.
Einschließlich seiner Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 (10 Punkte) und seines Alters (15 Punkte) erreicht der Zweitbeschwerdeführer daher vorerst nur 52 von 55 erforderlichen Punkten.
Im Verwaltungsverfahren wurde jedoch nicht berücksichtigt, dass der Zweitbeschwerdeführer im Rahmen seines Mittelschulabschlusses auch das Fach Englisch (als einzig angeführte Fremdsprache) absolviert hat. Die Hochschulreife gilt im kosovarischen Bildungssystem als Abschluss des Sekundarbereichs, was im Wesentlichen der österreichischen Matura entspricht (https://www.bq-portal.de/db/L%C3%A4nder-und-Berufsprofile/kosovo). Die österreichische Matura sieht für die erste lebende Fremdsprache (Englisch) das Erreichen des Kompetenzniveaus B2 vor (vgl. https://www.matura.gv.at/srdp/lebende-fremdsprachen). Es ist daher davon auszugehen, dass der Zweitbeschwerdeführer durch den im vorgelegten Abschlusszeugnis vom 22.08.2013 nachgewiesenen Abschluss im Fach Englisch auf Sekundarebene zumindest das Sprachniveau A2 beherrscht.
Zu den oben angeführten 52 Punkten sind somit weitere fünf Punkte für die Englischkenntnisse des Zweitbeschwerdeführers auf dem Niveau A2 anzurechnen, sodass er insgesamt 57 Punkte und damit die erforderliche Mindestpunktzahl von 55 Punkten nach der Anlage B erreicht.
Anhaltspunkte für das Vorliegen von Ausschlussgründen gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 bis 11 AuslBG, welche der Zulassung entgegenstehen, sind nicht evident.
Damit ist die angefochtene Beschwerdevorentscheidung ersatzlos zu beheben und der zuständigen Behörde nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz gemäß § 20d Abs. 1 Z 2 AuslBG iVm § 17 VwGVG mitzuteilen, dass die Voraussetzungen für die Zulassung des Zweitbeschwerdeführers als Fachkraft in einem Mangelberuf gemäß § 12a AuslBG im vorliegenden Fall erfüllt sind.
Entfall der mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Die Beschwerdeführer haben einen solchen Antrag gestellt. Der erkennende Senat erachtete die Durchführung einer mündlichen Verhandlung jedoch nicht für erforderlich, weil der festgestellte Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt erschien und daher durch die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war.
Da auch keine Fragen der Beweiswürdigung auftraten, welche die Durchführung einer mündlichen Verhandlung notwendig gemacht hätten, stehen dem Entfall der Verhandlung auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen (vgl. u.a. VwGH 07.08.2017, Ra 2016/08/0140).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Ausländerbeschäftigung Berufsausbildung Berufserfahrung Fachkräfteverordnung Punktevergabe Rot-Weiß-Rot-Karte SprachkenntnisseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W209.2245633.1.00Im RIS seit
11.11.2021Zuletzt aktualisiert am
11.11.2021