TE Vwgh Beschluss 2021/10/7 Ra 2020/21/0370

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Veröffentlicht am 07.10.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
B-VG Art133 Abs9
FrPolG 2005 §53 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher sowie die Hofräte Dr. Pfiel und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des L K, vertreten durch Rast & Musliu, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Alser Straße 23/14, gegen das am 9. Juli 2020 mündlich verkündete und mit 24. Juli 2020 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, W282 2226300-1/11E, betreffend Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen und eines befristeten Einreiseverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der 1991 geborene Revisionswerber, ein kosovarischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise am 5. September 2012 einen Antrag auf internationalen Schutz, der - in Verbindung mit einer Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Kosovo - vollinhaltlich abgewiesen wurde. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 26. September 2012 ab. Infolge der kurz darauf vorgenommenen Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin wurde dem Revisionswerber zunächst ein befristeter Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ sowie - nach der Scheidung der Ehe im Jahr 2015 und beantragter Zweckänderung - ein Aufenthaltstitel „Rot Weiß-Rot - Karte plus“ erteilt, der zuletzt bis 9. Dezember 2018 befristet war und dessen Verlängerung der Revisionswerber rechtzeitig beantragte.

2        Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 19. Februar 2019 wurde der Revisionswerber wegen des Verbrechens des (teilweise versuchten) schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 5, 129 Abs. 1 Z 1 und 2, 130 Abs. 2; § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünfzehn Monaten (davon zehn Monate bedingt nachgesehen) verurteilt, deren unbedingten Teil der Revisionswerber unter Anrechnung der Vorhaft bis zu seiner Entlassung am 12. April 2019 verbüßte. Dem Schuldspruch lag zugrunde, der Revisionswerber sei im Juli 2016, im Juli 2017, im März 2018 und im April 2018 mit Komplizen in Gebäude, Lagerplätze und Baustellen eingebrochen bzw. habe Baucontainer aufgebrochen und Werkzeug in einem 5.000 € übersteigenden Wert gestohlen bzw. zu stehlen versucht.

3        Angesichts dessen erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 30. Oktober 2019 gegen den Revisionswerber gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung und verband damit gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot. Des Weiteren stellte das BFA gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers in den Kosovo zulässig sei, und räumte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise ein.

4        Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen, nach mündlicher Verhandlung am 9. Juli 2020 mündlich verkündeten und mit 24. Juli 2021 schriftlich ausgefertigten Erkenntnis insoweit statt, als es die Frist für die freiwillige Ausreise auf sechs Wochen ab Rechtskraft des Erkenntnisses verlängerte und die Dauer des Einreiseverbotes auf drei Jahre herabsetzte. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG als unzulässig erweist.

6        Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

7        An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

8        Unter diesem Gesichtspunkt wendet sich die Revision gegen die nach § 53 Abs. 3 FPG erstellte Gefährdungsprognose und die Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG. Das BVwG habe sich mit den Tathandlungen des Revisionswerbers, seinem „Nachtatverhalten“ und den im Strafurteil erwähnten Milderungsgründen nicht auseinandergesetzt. Bei Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des Revisionswerbers sowie auf den in der Verhandlung entstandenen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber hätte das BVwG zum Ergebnis gelangen müssen, dass eine aufenthaltsbeendende Maßnahme unverhältnismäßig sei.

9        Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung judiziert, dass die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist. Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und für die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbotes (vgl. VwGH 8.4.2021, Ra 2021/21/0059, Rn. 12, mwN).

10       Entgegen dem Revisionsvorbringen hat sich das BVwG im Rahmen seiner Gefährdungsprognose mit dem ordentlichen Lebenswandel des Revisionswerbers bis zur Straffälligkeit, den von ihm verübten Straftaten und den vom Strafgericht herangezogenen Milderungsgründen ausreichend befasst. Die lange Dauer der Unbescholtenheit und die in der Verhandlung gezeigte Tateinsicht bzw. Reue des Revisionswerbers haben das BVwG auch zur angemessenen Herabsetzung der Dauer des Einreiseverbotes veranlasst. In diesem Zusammenhang wies das BVwG aber auch zutreffend darauf hin, dass der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. etwa VwGH 19.8.2021, Ra 2021/21/0068, Rn. 14, mwN). Infolgedessen ist die Einschätzung des BVwG, dass der Zeitraum seit der Haftentlassung noch zu kurz für die Annahme eines nachhaltigen Gesinnungswandels beim Revisionswerber sei, angesichts des vom BVwG hervorgehobenen langen Tatzeitraums und des Umstands, dass sich der Revisionswerber mit den Straftaten ein (Zusatz-)Einkommen habe verschaffen wollen, jedenfalls vertretbar.

11       Im Rahmen seiner Interessenabwägung berücksichtigte das BVwG die relativ lange Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes des Revisionswerbers im Bundesgebiet, seine langjährige Erwerbstätigkeit beim selben Arbeitgeber als Baggerfahrer und seine intensive Beziehung zu seinen in Österreich lebenden Cousins, mit denen er jedoch nicht in einem gemeinsamen Haushalt wohne. Davon ausgehend erachtete das BVwG die Integration des Revisionswerbers im Hinblick auf seine Erwerbstätigkeit als in wirtschaftlicher Hinsicht erfolgreich, beurteilte die Integration in sozialer Hinsicht jedoch als „eher unterdurchschnittlich ausgeprägt“. Der Revisionswerber übe keine nennenswerten sozial-integrativen Aktivitäten aus, habe nach der zur Erlangung seines Aufenthaltstitels erforderlichen Deutschprüfung auf dem Niveau A2 im Jahr 2014 keine weiteren Schritte zur Erweiterung seiner Kenntnisse der deutschen Sprache gesetzt und habe lediglich einen Freundeskreis im Bereich der Arbeitskollegen. Ferner verfüge der Revisionswerber nach wie vor über starke Bindungen zum Kosovo, wo er aufgewachsen sei und seine Schwester, seine Eltern und seine (nunmehrige, nach der Scheidung geheiratete) Ehefrau leben. Die Revision vermag nicht darzulegen, welche maßgeblichen Aspekte noch einzubeziehen gewesen wären und in welcher Hinsicht der in der mündlichen Verhandlung vom Revisionswerber gewonnene persönliche Eindruck vom BVwG unberücksichtigt gelassen worden sei. Vor dem dargestellten Hintergrund durfte das BVwG aber jedenfalls vertretbar davon ausgehen, dass die privaten Interessen des Revisionswerbers an der Aufrechterhaltung seines Privatlebens im Bundesgebiet nicht ausreichen, um die durch seine Straffälligkeit deutlich erhöhten öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung zu überwiegen. Eine solche einzelfallbezogene und vertretbar vorgenommene Beurteilung steht aber - wie in Rn. 9 bereits dargelegt - nach ständiger Rechtsprechung der Zulässigkeit einer Revision entgegen.

12       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 7. Oktober 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020210370.L00

Im RIS seit

11.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.11.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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