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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
COVID-19-VwBG 2020 §2 Abs1 Z1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser, die Hofräte Dr. Pürgy, Dr. Faber und Dr. Chvosta sowie die Hofrätin Dr. Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Seiler, in der Revisionssache des E N in W, vertreten durch Mag. Roman Tobeiner, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Hagenberggasse 36, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Oktober 2019, W264 2193304-1/12E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 1. Dezember 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) - in Bestätigung eines entsprechenden Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 20. März 2018 - zur Gänze abgewiesen wurde.
2 Die zur Erhebung einer außerordentlichen Revision gegen dieses Erkenntnis vom Revisionswerber fristgerecht beantragte Verfahrenshilfe wurde mit hg. Beschluss vom 23. Dezember 2019, Ra 2019/19/0548-2, bewilligt. Mit Bescheid der Rechtsanwaltskammer Wien vom 14. Jänner 2020, GZ. VZ0050/2020, zugestellt am 11. Februar 2020, wurde der Verfahrenshelfer als Rechtsvertreter bestellt.
3 Mit Schriftsatz vom 12. Juni 2020, der am selben Tag beim Verwaltungsgerichtshof im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs eingebracht wurde, erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision. Zur Rechtzeitigkeit führte er aus, dass - nachdem die sechswöchige Revisionsfrist am 22. März 2020 noch nicht abgelaufen gewesen sei - diese auf Grund des 2. COVID-19-Gesetzes, BGBl. I Nr. 16/2020, bis zum Ablauf des 30. April 2020 unterbrochen gewesen sei und am 1. Mai 2020 neu zu laufen begonnen habe. Die gegenständliche außerordentliche Revision sei daher rechtzeitig erhoben worden.
4 Mit Eingabe vom 29. Juni 2021 äußerte sich der Revisionswerber über Vorhalt des Verwaltungsgerichtshofes noch einmal zur Rechtzeitigkeit der Revision und brachte vor, dass es sich im gegenständlichen Fall - anders als bei VwGH 17.3.2021, Ra 2020/11/0098 - um ein Verfahren handle, das im Zeitpunkt der Erhebung der Revision bereits anhängig gewesen sei, weil bereits am 10. Dezember 2019 ein Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof gestellt worden sei. Mit Beschluss vom 23. Dezember 2019 habe der Verwaltungsgerichtshof im anhängigen Verfahren auch eine „erste Entscheidung“ getroffen und die Verfahrenshilfe bewilligt. Dieser Entscheidung sei nicht nur die Prüfung der Einkommens- und Vermögenslage des Revisionswerbers vorangegangen, sondern auch eine inhaltliche Prüfung des Verwaltungsgerichtshofes, ob der beabsichtigten außerordentlichen Revision eine Erfolgsaussicht zukomme. Da die Erhebung der außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegenständlich in einem bei diesem bereits anhängigen Verfahren erfolgt sei, gelange die Fristunterbrechung des § 1 COVID-19-VwBG zur Anwendung. Eine bloße Hemmung der Revisionsfrist widerspreche dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut, weshalb die außerordentliche Revision im konkreten Fall als rechtzeitig anzusehen sei.
5 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 17. März 2021, Ra 2020/11/0098, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen wird, ausgesprochen, dass zwar gemäß § 1 COVID-19-VwBG in „anhängigen“ behördlichen Verfahren vor Verwaltungsbehörden (und somit gemäß § 6 Abs. 2 leg. cit. auch in anhängigen Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof) - unter weiteren Voraussetzungen - alle (verfahrensrechtlichen) Fristen bis zum Ablauf des 30. April 2020 unterbrochen wurden. Die Fristunterbrechung des § 1 COVID-19-VwBG kam im konkreten Fall jedoch nicht zur Anwendung, weil die Erhebung der dem Verfahren zugrundeliegenden Revision nicht in einem beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahren erfolgt war. Vielmehr war die Revisionsfrist in diesem Fall als Frist für einen „verfahrenseinleitenden“ Antrag im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 1 iVm. § 6 Abs. 2 COVID-19-VwBG anzusehen und wurde nach dieser Bestimmung daher für die dort genannte Dauer nur gehemmt. Daran vermochte - so der Verwaltungsgerichtshof - auch die der Revision vorausgegangene Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG nichts zu ändern, weil diese nicht zu einem anhängigen Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof geführt hat, sondern die Revision nach der Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof - mit der die Revisionsfrist gemäß § 26 Abs. 4 VwGG zu laufen begann - „neu und erstmals“ eingebracht wurde.
6 Nichts Anderes kann in jenen Fällen gelten, in denen vor Einbringung der Revision ein Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe gestellt wurde. Auch wenn ein solcher Antrag beim Verwaltungsgerichtshof zu stellen ist und dieser über die Gewährung von Verfahrenshilfe entscheidet, ändert das nichts daran, dass erst mit der Einbringung der Revision das Revisionsverfahren eingeleitet wird. Mit dem über den Verfahrenshilfeantrag ergehenden Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verfahren über die Verfahrenshilfe abgeschlossen. Wird in der Folge (etwa nach Abweisung des Verfahrenshilfeantrages) keine Revision erhoben, gibt es kein Revisionsverfahren und kann auch nicht von einem „anhängigen Verfahren“ vor dem Verwaltungsgerichtshof die Rede sein. Die (auch) nach einer stattgebenden Entscheidung über einen Verfahrenshilfeantrag erhobene Revision unterscheidet sich nur in Hinblick auf den abweichenden Beginn der Revisionsfrist von der ohne vorherigen Verfahrenshilfeantrag eingebrachten Revision, sodass auch in diesem Fall nicht von einem „anhängigen Verfahren“ gesprochen werden kann.
Ausgehend davon ist die vorliegende Revision an den Verwaltungsgerichtshof als verfahrenseinleitender Antrag im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 1 iVm. § 6 Abs. 2 COVID-19-VwBG anzusehen.
7 Im gegenständlichen Fall begann die Revisionsfrist am 11. Februar 2020 (somit noch vor Inkrafttreten des COVID-19-VwBG am 22. März 2020) zu laufen und war folglich für die Zeit vom 22. März 2020 bis 30. April 2020 gehemmt.
8 Ausgehend vom Beginn der Revisionsfrist hätte die sechswöchige Frist des § 26 Abs. 1 VwGG mit Ablauf des 24. März 2020 geendet. Unter Hinzurechnung der 40-tägigen Fristhemmung vom 22. März 2020 bis 30. April 2020 endete die Revisionsfrist im vorliegenden Fall (unter Berücksichtigung des § 33 Abs. 2 AVG) jedoch erst mit Ablauf des 4. Mai 2020.
9 Die am 12. Juni 2020 mittels elektronischem Rechtsverkehr erfolgte Einbringung der Revision erweist sich daher nicht als fristwahrend.
Die Revision war somit - vorliegend in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 34 Abs. 1 VwGG als verspätet zurückzuweisen.
Wien, am 14. Oktober 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019190548.L00Im RIS seit
11.11.2021Zuletzt aktualisiert am
11.11.2021