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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AVG §52Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision der M A A in I, vertreten durch Dr. Christian Schöffthaler, Rechtsanwalt in 6460 Imst, Franz-Xaver-Renn-Straße 4 / Top 30, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 23. Jänner 2019, Zl. LVwG-2018/32/1634-15, betreffend Feststellung der individuellen Befähigung nach § 19 GewO 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Imst), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Mit Bescheid vom 15. Juni 2018 stellte die Bezirkshauptmannschaft Imst (belangte Behörde) gemäß § 19 GewO 1994 fest, dass die Revisionswerberin die individuelle Befähigung zur Ausübung des Gewerbes „Kosmetik (Schönheitspflege) gemäß § 94 Z 42 GewO 1994, ausgenommen Piercen und Tätowieren“ und „Fußpflege gemäß § 94 Z 23 GewO 1994“ nicht besitze.
2 2.1. Die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (Verwaltungsgericht) als unbegründet ab und erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für unzulässig.
3 2.2. In der Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, dass die Revisionswerberin Ausbildungen für das reglementierte Gewerbe „Kosmetik“ in einem Umfang von 318 Unterrichtseinheiten absolviert habe, die das Ausbildungsziel in gleicher Weise verwirklichten wie die gegenständlichen Zugangsvoraussetzungen. Im Vergleich hierzu umfasse eine Grundschulung für Kosmetik auf Lehrabschlussniveau am WIFI Innsbruck 464 Unterrichtseinheiten. Hinsichtlich der anrechenbaren Praxisnachweise sei festzuhalten, dass jene des Hotels P und jene des Hotels R nicht angerechnet werden könnten, weil diese Hotels nicht über die dementsprechenden Gewerbeberechtigungen verfügten. Zudem seien näher bezeichnete Zeiträume nicht berücksichtigt worden, weil die Revisionswerberin seit 16. Februar 2015 bis laufend entweder arbeitslos bzw. selbstversichert gewesen sei und damit keiner dieser Praxiszeiten von einer gewerberechtlichen Geschäftsführerin hätten bestätigt werden können. Bezüglich des Hotels L ergäben sich anrechenbare Praxiszeiten in einem Umfang von circa 22 Monaten, davon tatsächlich anzurechnende Behandlungszeiten von 97.885 Minuten.
4 Bei einer Gegenüberstellung der in der Verordnung über die Zugangsvoraussetzungen für das reglementierte Gewerbe der Kosmetik (Kosmetik-Verordnung) normierten Voraussetzungen mit den von der Revisionswerberin vorgelegten Beweismitteln ergebe sich eine - insbesondere hinsichtlich der mangelnden fachlich einschlägigen theoretischen Kenntnisse - erhebliche Diskrepanz. Auch könne die Revisionswerberin in diesem Zusammenhang keine abgelegte Befähigungsprüfung oder eben eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung, etwa eine Lehrabschlussprüfung, nachweisen. Aus den vorgelegten Beweismitteln ergebe sich daher nicht das Vorliegen von Kenntnissen und Fähigkeiten, die gemessen am Maßstab der einschlägigen Verordnung als ausreichend anzusehen seien.
5 Sonstige Nachweise, die zu einer Gleichwertigkeit der Befähigung zu einem individuellen Befähigungsnachweis führen könnten, habe die Revisionswerberin nicht erbringen können. Allein der Umstand, dass die Revisionswerberin über einen relativ langen Zeitraum hinweg bei diversen Betrieben zweckdienliche Kenntnisse für den späteren Betrieb eines Kosmetik-Gewerbes erworben habe, könne fachlich einschlägige, theoretische Kenntnisse im Sinn der Kosmetik-Verordnung nicht ersetzen.
6 Hinsichtlich des reglementierten Gewerbes Fußpflege verwies das Verwaltungsgericht darauf, dass die Revisionswerberin Ausbildungen in einem Umfang von circa 400 Unterrichtseinheiten absolviert habe, die das Ausbildungsziel in gleicher Weise verwirklichten wie die gegenständlichen Zugangsvoraussetzungen. Das Gesamtausmaß der festgesetzten Lehrgänge im Sinn der Verordnung über die Zugangsvoraussetzungen für das reglementierte Gewerbe der Fußpflege (Fußpflege-Verordnung) umfasse jedoch in Summe ein Mindestausmaß von 510 Lehrstunden. Hinsichtlich der anrechenbaren Praxisnachweise sei auf die Ausführungen zum Gewerbe „Kosmetik“ zu verweisen. Auch hier ergebe sich bei einer Gegenüberstellung der in der Fußpflege-Verordnung normierten Voraussetzungen mit den von der Revisionswerberin vorgelegten Beweismitteln eine erhebliche Diskrepanz hinsichtlich der mangelnden fachlich einschlägigen theoretischen Kenntnisse. Die Revisionswerberin könne hier auch weder einen erfolgreichen Abschluss eines entsprechenden Studienganges noch die erfolgreiche Ablegung der Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Fußpflege oder eine erfolgreiche Ablegung der Befähigungsprüfung nachweisen. Durch die vorgelegten Beweismittel würden daher nicht Kenntnisse und Fähigkeiten nachgewiesen, die gemessen am Maßstab der Fußpflege-Verordnung als ausreichend anzusehen seien. Ebenso habe die Revisionswerberin keine sonstigen Nachweise erbracht, die zu einer Gleichwertigkeit der Befähigung zu einem individuellen Befähigungsnachweis führen könnten.
7 Dem Vorbringen der Revisionswerberin, die vom Verwaltungsgericht beigezogene Sachverständige A W sei befangen, weil diese bereits im Vorfeld als Innungsmeisterin der betroffenen Landesinnung mit dem gegenständlichen Fall betraut gewesen sei und sich negativ zum Anliegen der Revisionswerberin geäußert habe, hielt das Verwaltungsgericht entgegen, dass sich der Befangenheitsgrund des § 7 Abs. 1 Z 4 AVG lediglich auf zur Entscheidung berufene Organwalter beziehe und nur die unmittelbare Mitwirkung dieser Organwalter an der Bescheiderlassung in unterer Instanz diesen Ausschließungsgrund begründe. Zudem könnten mit dem Vorbringen, die Sachverständige habe sich bereits unterinstanzlich negativ zum Anliegen der Revisionswerberin geäußert, und das Gutachten sei unschlüssig und unbegründet, keine Umstände im Sinn des § 53 AVG glaubhaft gemacht werden, die die Unbefangenheit oder die Fachkunde der Sachverständigen in Zweifel zögen. Diese Vorbringen der Revisionswerberin würden somit ins Leere gehen.
8 3. Mit Beschluss vom 11. Juni 2019, E 867/2019-6, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
9 Daraufhin erhob die Revisionswerberin die vorliegende außerordentliche Revision.
10 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 5.1. In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorgebracht, es fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, inwiefern bei der Beurteilung der Befähigung in Bezug auf die Ausübung eines Gewerbes als Amtssachverständige die Innungsmeisterin des betreffenden Gewerbes herangezogen werden dürfe bzw. eine derartige Situation Befangenheit hervorrufe und einen Verfahrensmangel darstelle. Da eine Innung eine Interessenvertretung sei, scheine aus Sicht der Revisionswerberin nicht von vornherein völlige Unbefangenheit vorzuliegen wie etwa bei einem gerichtlich beeideten unabhängigen Sachverständigen. Demgemäß wäre ein unabhängiger Sachverständiger, der den Sachverständigeneid abgelegt habe, einzusetzen gewesen. Dieser Rechtsfrage komme erhebliche Bedeutung für die Rechtsentwicklung zu.
14 5.2. Mit diesem Vorbringen übersieht die Revision, dass die von ihr als befangen erachtete Sachverständige A W nicht als Amtssachverständige dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren beigezogen wurde. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht A W mit Beschluss vom 10. August 2018 zur nichtamtlichen Sachverständigen bestellt und dies damit begründet, dass dem Verwaltungsgericht keine Amtssachverständigen aus dem betreffenden Fachbereich zur Verfügung stünden und A W als - allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte - Sachverständige für Schönheitspflege und Fußpflege über die erforderlichen Kenntnisse verfüge.
15 Darüber hinaus ist dem Vorbringen der Revision, wonach in einem Verfahren über die individuelle Befähigung nach § 19 GewO 1994 eine als Sachverständige bestellte Funktionärin der vorliegend maßgeblichen Innung der Wirtschaftskammer von vornherein nicht völlig unbefangen erscheine, entgegenzuhalten, dass in den Gesetzesmaterialien zur Gewerberechtsnovelle 2002 (BGBl. I Nr. 111/2002) hier ausdrücklich auf die Möglichkeit der Einholung eines Gutachtens der zuständigen Wirtschaftskammergliederung zur Frage der Erbringung des Befähigungsnachweises hingewiesen wird (vgl. RV 1117 BlgNR 21. GP 88; sowie dazu bereits auch VwGH 18.3.2015, Ra 2015/04/0005, mwN).
16 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vermag auch der Umstand allein, dass sich ein Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung auf die gutachterlichen Ausführungen eines im verwaltungsbehördlichen Verfahren beigezogenen (Amts-)Sachverständigen gestützt hat, noch keine Bedenken gegen dessen volle Unbefangenheit zu begründen (vgl. VwGH 29.6.2017, Ra 2016/06/0150).
17 6.1. Die Revision macht im Rahmen der Zulässigkeitsbegründung zudem die Verletzung eines sich aus dem Unionsrecht ergebenden subjektiven Rechts der Revisionswerberin geltend, das im bisherigen Verfahren praktisch gar nicht beachtet worden sei. Auch hier stelle es sich als „erheblich für die Entwicklung des österreichischen aber auch des europäischen Rechtes dar, ob tatsächlich die Beschränkung der Zugangsvoraussetzungen über ein exklusiv innerstaatliches Institut einen Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit darstellt bzw. inländerdiskriminierend ist“. Auch deswegen erweise sich die außerordentliche Revision als zulässig.
18 6.2. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. für viele VwGH 20.12.2019, Ra 2019/01/0431 bis 0433, mwN).
19 Ausgehend davon vermag die Revision mit ihrem allgemein gehaltenen Vorbringen und dem behaupteten Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit in Bezug auf den vorliegenden - nicht grenzüberschreitenden - Sachverhalt keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen und sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch nicht dazu veranlasst, ein von der Revision angeregtes Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu richten.
20 7. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 14. Oktober 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019040105.L00Im RIS seit
11.11.2021Zuletzt aktualisiert am
30.11.2021