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19/05 Menschenrechte;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Juni 1995, Zl. 106.879/3-III/11/94, betreffend Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Juni 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer vom Jugendgerichtshof Wien wegen §§ 127, 129/1 iVm § 15 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten mit einer Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig am 28. Oktober 1994, verurteilt worden sei. Damit liege ein zwingender Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG (Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit durch den Aufenthalt des Antragstellers) vor, weshalb keine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden könne. Die öffentlichen Interessen würden die privaten Interessen überwiegen.
Der Beschwerdeführer bringt dagegen vor, daß die belangte Behörde zu dem erstmals im angefochtenen Bescheid herangezogenen Sichtvermerksversagungsgrund kein Parteiengehör gewährt habe. Deshalb sei seine persönliche Situation in keiner Weise gewürdigt worden. Es sei unberücksichtigt geblieben, daß er seit vier Jahren in Österreich lebe, hier verlobt sei und in allernächster Zeit heiraten werde, immer in Österreich gearbeitet habe, dabei monatlich S 12.000,-- bis S 13.000,-- netto verdiene, eine Arbeitsbewilligung gültig bis 19. April 1996 besitze, sein zwischenzeitig verstorbener Vater 22 Jahre in Österreich gelebt habe und in Österreich noch sein Bruder lebe, sodaß er erhebliche familiäre Beziehungen zu Österreich habe. Die Verurteilung des Jugendgerichtes Wien sei nur deshalb erfolgt, weil er an einem Autoeinbruch am Rande beteiligt gewesen sei, er sei in einen schlechten Freundeskreis geraten und habe sich zu dieser Tat hinreißen lassen. Somit sei die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit in keiner Weise gefährdet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Dem Beschwerdeführer ist zunächst grundsätzlich dahingehend Recht zu geben, daß durch den erstmals im angefochtenen Bescheid herangezogenen Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG aufgrund der während des Berufungsverfahrens erfolgten rechtskräftigen Verurteilung, wegen der nicht ermöglichten Gelegenheit, hiezu Stellung zu nehmen, das Parteiengehör verletzt wurde. Gemäß der ständigen hg. Judikatur kann aber eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung der Verfahrensvorschrift des § 45 Abs. 3 AVG dann nicht herbeigeführt werden, wenn der Beschwerdeführer zwar die dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegten tatsächlichen Feststellungen bekämpft und darlegt, was er vorgebracht hätte, wenn ihm Gelegenheit zur Stellungnahme geboten worden wäre, dieses Beschwerdevorbringen jedoch die Relevanz des Verfahrensmangels nicht aufzeigt (vgl. die in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, Seite 337 f, zitierte
hg. Rechtsprechung).
Die Frage, ob dem Beschwerdeführer laut § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz eine Bewilligung erteilt werden durfte, war zunächst danach zu beurteilen, ob dem ein Ausschließungsgrund im Sinne dieser Gesetzesstelle entgegenstand oder nicht (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 19. Mai 1994, Zl. 94/18/0104, und vom 29. September 1994, Zl. 94/18/0593).
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie im Hinblick auf die der rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers zugrundeliegenden strafbaren Handlungen - aus dem Verwaltungsakt sind mehrere mit Komplizen verübte Diebstähle durch Einschlagen der Fensterscheibe aus Autos im Zeitraum 15. Juli 1994 bis 21. Juli 1994 zu ersehen - (§§ 15, 127 StGB = versuchter Diebstahl; §§ 15, 129 StGB = versuchter Einbruchsdiebstahl - Straftaten, die durch die Schuldform des Vorsatzes gekennzeichnet sind) zum Ergebnis gelangt ist, daß sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden würde (§ 10 Abs. 1 Z. 4 FrG). Die Taten liegen erst relativ kurz zurück, und der Beschwerdeführer hat gar nicht behauptet, daß er sich aus dem "schlechten Freundeskreis", durch welchen er sich zu dieser Tat hatte "hinreißen lassen", etwa zurückgezogen hätte, weshalb die Annahme einer Gefährdung nicht als rechtswidrig zu erkennen ist. Auch der Hinweis, daß der Beschwerdeführer "immer in Österreich gearbeitet" habe, kann daran nichts ändern, hat er doch die der rechtskräftigen Verurteilung zugrundeliegenden strafbaren Handlungen - dieser Angabe folgend - zu einem Zeitpunkt gesetzt, in welchem er berufstätig war, sodaß kein Schluß auf künftiges Wohlverhalten gezogen werden kann. Auch die bloße Tatsache der Verlobung und Heiratsabsicht läßt keinen ausreichend sicheren Schluß auf ein künftiges Wohlverhalten des Beschwerdeführers zu.
Der Beschwerdeführer ist insoweit im Recht, als die Behörde bei Anwendung des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG auf die privaten und familiären Interessen des Fremden Bedacht zu nehmen hat, und zwar derart, daß sie zu prüfen hat, ob ein Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit derart gefährden würde, daß die im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben rechtfertigen (vgl. aus der insoweit übereinstimmenden Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. Juni 1993, B 302/93, und das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Jänner 1994, Zl. 93/18/0317).
Die sich in den der rechtskräftigen Veurteilung des Beschwerdeführers zugrundeliegenden strafbaren Handlungen manifestierende Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen (Schutz des Eigentums) ist jedoch von solchem Gewicht, daß zur Wahrung der öffentlichen Ordnung, zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Rechte anderer (Art. 8 Abs. 2 MRK) die durch die Nichterteilung der Aufenthaltsberechtigung tangierten, in der Beschwerde eingewendeten familiären Interessen (Verlobung, Aufenthalt seit vier Jahren und Arbeit in Österreich, Bruder, nicht hingegen der VERSTORBENE Vater) des Beschwerdeführers zurückzustehen haben.
Somit konnte die belangte Behörde selbst unter Vermeidung des Verfahrensmangels des nicht erteilten Parteiengehörs zu keinem anderen Ergebnis gelangen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995190469.X00Im RIS seit
02.05.2001