TE Lvwg Erkenntnis 2021/5/26 LVwG-AV-767/001-2021

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.05.2021
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Entscheidungsdatum

26.05.2021

Norm

BAO §212 Abs2
BAO §323c Abs16

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Hofrat Mag. Röper als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn A, ***, ***, vom 4. März 2021 gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 1. Februar 2021, ohne Zahl, mit welchem die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 21. Dezember 2020 betreffend Festsetzung von Stundungszinsen als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid vollinhaltlich bestätigt worden war, zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) teilweise Folge gegeben und der Spruch des angefochtenen Bescheides dahingehend abgeändert, dass die im erstinstanzlichen Bescheid vorgenommene Vorschreibung der Stundungszinsen für den Zeitraum vom 9. Juli 2010 bis
31. Oktober 2020 (auf Basis eines Ausgangsbetrages von € 5.000,04) erfolgt und der Zinsbetrag mit € 116,50 festgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

2.   Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1.       Sachverhalt:

1.1. Grundsätzliche Feststellungen:

Herr A (in der Folge: Beschwerdeführer) ist grundbücherlicher Eigentümer des Grundstückes Nr. *** EZ *** KG ***, das topographisch in der Liegenschaft mit der Anschrift ***, ***, zusammengefasst ist.

1.2. Abgabenbehördliches Verfahren:

1.2.1.

Mit Schreiben vom 14. Mai 2019 suchte der Beschwerdeführer hinsichtlich des auf seinem Abgabenkonto befindlichen Rückstandes in der Höhe von € 7.826,90 (Wasser- und Kanalabgaben) um Zahlungserleichterung (Ratenzahlung) an und schlug folgenden Zahlungsplan vor:

Anzahlung bis zum 30.06.2019                             € 2.826,86

12 Raten ab 07/2019  a € 416,67                             € 5.000,04

Summe                                                          € 7.826,90

1.2.2.

Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 2. Juli 2019 wurde die Bewilligung erteilt, die fälligen Ergänzungsabgaben zu Kanal- und Wasseranschlußabgabe im Gesamtbetrag von € 5.000,04 in Teilbeträgen/Raten wie folgt zu entrichten:

1. Rate in Höhe von € 416,67 Spätester Zahlungstermin: 31.07.2019

2. Rate in Höhe von € 416,67 Spätester Zahlungstermin: 31.08.2019

3. Rate in Höhe von € 416.67 Spätester Zahlungstermin: 30.09.2019

4. Rate in Höhe von € 416,67 Spätester Zahlungstermin: 31.10.2019

5. Rate in Höhe von € 416,67 Spätester Zahlungstermin: 30.11.2019

6. Rate in Höhe von € 416,67 Spätester Zahlungstermin: 31.12.2019

7. Rate in Höhe von € 416,67 Spätester Zahlungstermin: 31.01.2020

8. Rate in Höhe von € 416,67 Spätester Zahlungstermin: 29.02.2020

9. Rate in Höhe von € 416,67 Spätester Zahlungstermin: 31.03.2020

10. Rate in Höhe von € 416,67 Spätester Zahlungstermin: 31.08.2020

11. Rate in Höhe Von € 416,67 Spätester Zahlungstermin: 30.04.2020

12. Rate in Höhe von € 416,67 Spätester Zahlungstermin: 31.05.2020

Die Zustellung dieses Bescheides erfolgte am 9. Juli 2019.

Auf Grund eines Anrufes des Beschwerdeführers vom 3. April 2020, in dem er die Covid 19-bedingte Beeinträchtigung des Fremdenverkehrs in der Steiermark darlegte, wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 29. April 2020 der Zahlungsaufschiebung Folge gegeben und der Spruch des Zahlungsbewilligungsbescheides vom 2. Juli 2019 dahingehend abgeändert, dass es hinsichtlich der Ratenzahlung wie folgt zu lauten habe:

9. Rate in Höhe von € 416,67 Spätester Zahlungstermin: 31.07.2020

10. Rate in Höhe von €416,67 Spätester Zahlungstermin: 31.08.2020

11. Rate in Höhe von € 416 67 Spätester' Zahlungstermin: 30.09.2020

12. Rate in Höhe von € 416 67 Spätester Zahlungstermin: 31.10.2020

1.2.3.

Mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 24. November 2020 wurde gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß §§ 212 und 212b BAO für den Zeitraum von 3. Juli 2019 bis 31. Mai 2020 für den mit Bescheid vom 2. Juli 2020 bewilligten Zahlungsaufschub Stundungszinsen im Betrag von € 278,33 festgesetzt.

Mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 21. Dezember 2020 wurde auf seinen telefonischen Antrag hin der Spruch des Abgabenbescheids 24. November 2020 über die Festsetzung von Stundungszinsen dahingehend abgeändert, dass er wie folgt zu lauten habe:

Gemäß §§ 212 und 212b der Bundesabgabenordnung (BAO) werden für das Jahr 2019/2020 (Zeitraum von 26.Mai 2019 bis 3.November 2020) für den mit Bescheid des Gemeindevorstandes vom 2. Juli 2020 bewilligten Zahlungsaufschub Stundungszinsen im Betrag von € 170,82 festgesetzt.

Begründend wird ausgeführt, dass bei der Berechnung der Stundungszinsen der Anfangsbestand der Abgabenschuldigkelt mit einem Zinssatz von 6 % für 334 Tage berechnet, ohne hierbei die Anzahlung sowie die monatlichen Ratenzahlungen des Abgabenpflichtigen in die Berechnung einfließen zu lassen. Es handle sich dabei um einen im Bescheid unterlaufenen Rechenfehler im Sinne des § 293 BAO. Richtigerweise seien die Stundungszinsen gemäß §§ 212 und 212a der BAO wie folgt festzusetzen gewesen:

Zeitraum

Tage

Betrag

Stundungszinsen

Zinsen Betrag

von

bis

 

 

 

 

26.05.2019

02.07.2019

38

7.826,90 €

6 %

49,57 €

03.07.2019

02.08.2019

31

5.000,04 €

6 %

25,83 €

03.08.2019

03.09.2019

32

4.583,37 €

6 %

24,44 €

04.09.2019

01.10.2019

28

4.166,70 €

6 %

19,44 €

02.10.2019

30.10.2019

29

3.750,03 €

6 %

18,13 €

01.11.2019

03.12.2019

33

3.333,36 €

6 %

18,33 €

04.12.2019

03.01.2020

31

2.916,69 €

6 %

15.07 €

04.01.2020

03.02.2020

31

2.500,02 €

6 %

12,92 €

04.02.2020

02.03.2020

28

2.083,35 €

6 %

9,72 €

03.03.2020

03.08.2020

154

1.666,68 €

6 %

42,78 €

04.08.2020

01.09.2020

29

1.250,01 €

6 %

6,04 €

02.09.2020

06.10.2020

35

833,34 €

6 %

4,86 €

07.10.2020

03.11.2020

28

416,67 €

6 %

1,94 €

 

 

 

 

 

 

Summe Zinsen

 

 

 

170,82 €

Stundungszinsen                                                                           EUR 170,82

1.2.4.

Mit Schreiben vom 22. Dezember 2020 erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Berufung und begründete diese im Wesentlichen damit, dass im Rahmen des Telefonates am 3. April 2020 bezüglich der Aufschiebung der Zahlungserleichterung aufgrund der Corona Krise ihm daraus keine Mehrkosten entstehen sollten. Somit sei die Berechnung in der Liste für den Zeitraum vom 3. März 2020 bis 3. August 2020 richtig zu stellen.

1.2.5.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde ***vom 1. Februar 2021, ohne Zahl, wurde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid vollinhaltlich bestätigt. Begründend wird nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens und der als maßgeblich erachteten Rechtsvorschriften ausgeführt, dass bei der bescheidmäßigen Anforderung von Stundungszinsen die Berechnung kontokorrentmäßig tageweise erfolge. Die Zinsen würden vom jeweils aushaftenden (geschuldeten) Betrag tageweise berechnet. Der Abgabenbehörde sei beim Vollzug der Bestimmung des § 212 Abs. 2 BAO kein Ermessen eingeräumt. Nach dem bekämpften (korrigierten) Bescheid sei bei der Berechnung der Stundungszinsen der Anfangsbestand der Abgabenschuldigkeiten unter Beachtung der Anzahlung und der monatlichen Ratenzahlungen mit einem Zinssatz von 6 % für 334 Tage kontokorrentmäßig berücksichtigt worden, sodass sich Stundungszinsen im Betrag von € 170,82 ergäben.

1.3. Beschwerdevorbringen:

Mit Schreiben vom 4. März 2021 erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich und begründete diese im Wesentlichen damit, dass der ursprünglich erste Bescheid vom 24. November 2020 die Stundungszinsen bis 31. Mai 2020 rechne. Nach einem Telefonat am 3. April 2020 sei ihm auf Grund der Corona-Situation ein Aufschub für 4 Raten zu je € 416,67 bis 31. Oktober 2020 ohne Mehrkostenberechnung gewährt worden. Er ersuche nun dieses Versprechen bei der Zinsberechnung zu berücksichtigen.

1.4. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Mit Schreiben vom 20. April 2021 legte die Marktgemeinde *** dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt (samt Einladungskurrende und Sitzungsprotokoll der maßgeblichen Sitzung des Gemeindevorstandes) vor.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in diesen Akt der Marktgemeinde *** sowie durch Einsichtnahme in das öffentliche Grundbuch.

1.5. Beweiswürdigung:

Im Wesentlichen ist der Sachverhalt als unstrittig zu beurteilen und ergibt sich dieser aus dem unbedenklichen Akteninhalt in Verbindung mit dem bekämpften Bescheid, sowie aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, soweit dieses den Feststellungen der belangten Behörde nicht entgegentritt.

2.       Anzuwendende Rechtsvorschriften:

2.1. Bundesabgabenordnung - BAO:

§ 1. (1) Die Bestimmungen der BAO gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.

§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden

§ 4. (1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.

§ 212. (1) Auf Ansuchen des Abgabepflichtigen kann die Abgabenbehörde für Abgaben, hinsichtlich derer ihm gegenüber auf Grund eines Rückstandsausweises (§ 229) Einbringungsmaßnahmen für den Fall des bereits erfolgten oder späteren Eintrittes aller Voraussetzungen hiezu in Betracht kommen, den Zeitpunkt der Entrichtung der Abgaben hinausschieben (Stundung) oder die Entrichtung in Raten bewilligen, wenn die sofortige oder die sofortige volle Entrichtung der Abgaben für den Abgabepflichtigen mit erheblichen Härten verbunden wäre und die Einbringlichkeit der Abgaben durch den Aufschub nicht gefährdet wird. Eine vom Ansuchen abweichende Bewilligung von Zahlungserleichterungen kann sich auch auf Abgaben, deren Gebarung mit jener der den Gegenstand des Ansuchens bildenden Abgaben zusammengefaßt verbucht wird (§ 213), erstrecken.

(2) Für Abgabenschuldigkeiten, die den Betrag von insgesamt 750 Euro übersteigen, sind,

         a)       solange auf Grund eines Ansuchens um Zahlungserleichterungen, über das noch nicht entschieden wurde, Einbringungsmaßnahmen weder eingeleitet noch fortgesetzt werden dürfen (§ 230 Abs. 3) oder

         b)       soweit infolge einer gemäß Abs. 1 erteilten Bewilligung von Zahlungserleichterungen ein Zahlungsaufschub eintritt,

Stundungszinsen in Höhe von viereinhalb Prozent über dem jeweils geltenden Basiszinssatz pro Jahr zu entrichten; Im Fall eines Terminverlustes gilt der Zahlungsaufschub im Sinn dieser Bestimmung erst im Zeitpunkt der Ausstellung des Rückstandsausweises (§ 229) als beendet. Im Fall der nachträglichen Herabsetzung einer Abgabenschuld hat die Berechnung der Stundungszinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen. Stundungszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen.

§ 212a. (1) Die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, ist auf Antrag des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Bescheidbeschwerde die Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochten wird.

(2) Die Aussetzung der Einhebung ist nicht zu bewilligen,

a) soweit die Beschwerde nach Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheint, oder

b) soweit mit der Bescheidbeschwerde ein Bescheid in Punkten angefochten wird, in denen er nicht von einem Anbringen des Abgabepflichtigen abweicht, oder

c) wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet ist.

§ 212b. Für Landes- und Gemeindeabgaben gilt Folgendes:

         1.       Abweichend von § 212 Abs. 2 erster Satz sind Stundungszinsen für Abgabenschuldigkeiten, die den Betrag von insgesamt 200 Euro übersteigen, in Höhe von sechs Prozent pro Jahr zu entrichten. Stundungszinsen, die den Betrag von zehn Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen.

         2.       Abweichend von § 212 Abs. 2 letzter Satz hat im Fall der nachträglichen Herabsetzung einer Abgabenschuld die Berechnung der Stundungszinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages von Amts wegen zu erfolgen.

§ 230.

(2) Während einer gesetzlich zustehenden oder durch Bescheid zuerkannten Zahlungsfrist dürfen Einbringungsmaßnahmen nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden.

(3) Wurde ein Ansuchen um Zahlungserleichterungen (§ 212 Abs. 1) vor dem Ablauf der für die Entrichtung einer Abgabe zur Verfügung stehenden Frist oder während der Dauer eines diese Abgabe betreffenden Zahlungsaufschubes im Sinn des § 212 Abs. 2 zweiter Satz eingebracht, so dürfen Einbringungsmaßnahmen bis zur Erledigung des Ansuchens nicht eingeleitet werden; dies gilt nicht, wenn es sich bei der Zahlungsfrist um eine Nachfrist gemäß § 212 Abs. 3 erster oder zweiter Satz handelt.

(4) Wurde ein Ansuchen um Zahlungserleichterungen nach dem im Abs. 3 bezeichneten Zeitpunkt eingebracht, so kann die Abgabenbehörde dem Ansuchen aufschiebende Wirkung hinsichtlich der Maßnahmen zur Einbringung zuerkennen; …

§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

(3) Im Verfahren betreffend Bescheide, die Erkenntnisse (Abs. 1) abändern, aufheben oder ersetzen, sind die Abgabenbehörden an die für das Erkenntnis maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn das Erkenntnis einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.

Sonderregelungen aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung von COVID-19

§ 323c. (1) In anhängigen behördlichen Verfahren der Abgabenbehörden werden alle im ordentlichen Rechtsmittelverfahren (7. Abschnitt Unterabschnitt A) vorgesehenen Fristen, deren fristauslösendes Ereignis in die Zeit nach dem 16. März 2020 fällt, sowie Fristen, die bis zum 16. März noch nicht abgelaufen sind, bis zum Ablauf des 30. April 2020 unterbrochen. Sie beginnen mit 1. Mai 2020 neu zu laufen. …

(11) Stundungen gemäß § 212 Abs. 1, die nach dem 15. März 2020 bewilligt worden sind und deren Stundungsfrist am 30. September oder am 1. Oktober 2020 endet, bleiben bis 15. Jänner 2021 unter Einbeziehung jener Abgaben aufrecht, welche bis spätestens 25. September 2020, im Falle von Vorauszahlungen gemäß § 45 EStG 1988 bis spätestens 27. November 2020, auf dem Abgabenkonto verbucht wurden.

(11a) Stundungen gemäß Abs. 11 bleiben bis 30. Juni 2021 aufrecht. Abgaben, die auf dem selben Abgabenkonto gebucht werden und die zwischen dem 26. September 2020 und dem 31. Mai 2021 2021 fällig werden, sind bis zum 30. Juni 2021 zu entrichten. Die Stundung sowie die gesetzliche Zahlungsfrist enden mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Abgabenschuldners.

(11b) Stundungen, die zwischen dem 1. Oktober 2020 und dem 31. Mai 2021 2021 beantragt werden, sind abweichend von den Voraussetzungen des § 212 Abs. 1 bis 30. Juni 2021 zu bewilligen. Abgaben, die zwischen dem 1. Oktober 2020 und dem 31. Mai 2021 2021 fällig werden, sind bis zum 30. Juni 2021 zu entrichten. Die Stundung sowie die gesetzliche Zahlungsfrist enden mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Abgabenschuldners.

(12) Die Abgabenbehörde hat auf Antrag des Abgabepflichtigen die Entrichtung von Abgaben im Sinne des § 212 Abs. 1 in zwölf angemessenen Monatsraten zu bewilligen, wenn vor der Antragstellung kein Terminverlust (§ 230 Abs. 5) hinsichtlich einer bereits zuvor bewilligten Ratenzahlung nach diesem Absatz eingetreten ist und der Antrag bis zum Ende der Stundungsfrist, spätestens jedoch am 30. September 2020, eingebracht wird. Sofern hinsichtlich dieser Ratenbewilligung kein Terminverlust eintritt, hat die Abgabenbehörde, wenn die sofortige oder sofortige volle Entrichtung des verbleibenden Abgabenbetrages für den Abgabepflichtigen mit erheblichen Härten verbunden wäre, auf Antrag die Entrichtung in angemessenen Raten für weitere sechs Monate zu gewähren.

(13) Unbeschadet aller sonstigen Vorschriften des § 212 Abs. 2 sind ab 15. März 2020 bis 30. Juni 2021 keine Stundungszinsen vorzuschreiben. Ab 1. Juli 2021 bis 30. Juni 2024 betragen die Stundungszinsen zwei Prozent über dem jeweils geltenden Basiszinssatz pro Jahr.

(14) Hinsichtlich

1. vor dem 15. März 2020 bewilligter Zahlungserleichterungen, für die gemäß § 212 Abs. 2 nach dem 15. März 2020 bis zum 30. Juni 2021 Stundungszinsen festzusetzen wären sowie

2. Anspruchszinsen betreffend Nachforderungen (§ 205), die für den Veranlagungszeitraum 2019 oder 2020 festzusetzen wären, ist von der Vorschreibung abzusehen.

(15) Für Abgaben mit Fälligkeit zwischen dem 15. März 2020 und 30. Juni 2021 sind abweichend von § 217 Abs. 2 und 3 keine Säumniszuschläge zu entrichten.

(16) Die Abs. 11 bis 15 gelten nicht für Landes- und Gemeindeabgaben.

2.2. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG:

§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

(2) Eine Revision ist nicht zulässig gegen:

         1.       Beschlüsse gemäß § 30a Abs. 1, 3, 8 und 9;

         2.       Beschlüsse gemäß § 30b Abs. 3;

         3.       Beschlüsse gemäß § 61 Abs. 2.

(3) Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision nicht zulässig. Sie können erst in der Revision gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden. …

(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

3.       Würdigung:

3.1. Zu Spruchpunkt 1:

Die Beschwerde ist zum Teil begründet.

3.1.1.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde vom Gemeindevorstand der Marktgemeinde *** einer Berufung gegen einen Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 21. Dezember 2020 betreffend die Vorschreibung von Stundungszinsen keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Fraglich ist aufgrund der gegenständlichen Beschwerde, ob die Vorschreibung von Stundungszinsen für den Zeitraum von 3. März 2020 bis 3. August 2020 dem Grunde (und der Höhe) nach zu Recht erfolgte.

3.1.2.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Nebengebühren (Säumniszuschlag, Stundungs- und Aussetzungszinsen) setzt die Pflicht zur Erhebung dieser Nebengebühren nicht den Bestand einer sachlich richtigen oder gar rechtskräftigen, sondern einer formellen Abgabenschuld voraus (vgl. VwGH 95/13/0130 und VwGH 2002/16/0256). Bei festgesetzten Abgaben besteht eine allfällige Verpflichtung zur Entrichtung von Nebengebühren (Säumniszuschlag, Stundungs- und Aussetzungszinsen) ohne Rücksicht auf die sachliche Richtigkeit der Vorschreibung (vgl. VwGH 95/13/0130).

Eine formelle Abgabenzahlungsschuld besteht im konkreten Fall aufgrund der Abgabenbescheide des Bürgermeisters der Marktgemeinde ***, mit welchen – insoweit unstrittig - Wasser- und Kanalabgaben vorgeschrieben worden war. Diese Bescheide gehören dem Rechtsbestand an und sind in Rechtskraft erwachsen. Allein der Bestand dieser Vorschreibungen rechtfertigt im Falle eines Zahlungsaufschubes bereits die Vorschreibung von Stundungszinsen.

3.1.3.

Gemäß § 212 Abs. 2 erster Satz lit. b BAO sind Stundungszinsen für die Zeit eines infolge einer erteilten Bewilligung einer Zahlungserleichterung eingetretenen Zahlungsaufschubes zu entrichten. Eine entsprechende Zahlungserleichterung) wurde mit dem Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 29. April 2020 für den Zeitraum von 26. Mai 2019 bis 31. Oktober 2020 bewilligt. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer nachweislich zugestellt. Auch dieser Bescheid gehört dem Rechtsbestand an und ist in Rechtskraft erwachsen. Auch der Bestand dieser bewilligten Zahlungserleichterung begründet die Zinsenpflicht für den damit eingetretenen Zahlungsaufschub, mag dieser Bescheid nun inhaltlich richtig sein oder nicht.

Gemäß § 212 Abs. 2 erster Satz lit. a BAO sind Stundungszinsen bereits für die Zeit der Hemmung der Einbringung nach § 230 Abs. 3 BAO zu entrichten. Rechtzeitig (somit vor der Fälligkeit bzw. vor einem sonstigen Zahlungstermin) eingebrachte Zahlungserleichterungsansuchen haben die Hemmung der Einbringung (den Zahlungsaufschub) der betroffenen Abgabenschuld zur Folge. Nicht rechtzeitig eingebrachte Zahlungserleichterungsansuchen haben diese Rechtsfolge nicht, es sei denn die Abgabenbehörde hätte dem Ansuchen (zufolge § 92 Abs. 1 lit. a BAO) die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Nicht rechtzeitig eingebrachte Zahlungserleichterungsansuchen lösen somit keine Ansprüche auf Stundungszinsen aus.

3.1.4.

Stundungszinsen dürfen erst für die Zeit ab Wirksamkeit der Stundungsbewilligung (Bescheidzustellung) unter der Voraussetzung des tatsächlichen Hinausschiebens einer Zahlungsverpflichtung auf die Dauer der Zufristung verlangt werden. Der Zeitraum, für den Stundungszinsen zu entrichten sind, beginnt mit dem Tag der Bewilligung und endet mit dem festgesetzten Zahlungstag. (vgl. VwGH 90/16/0067).

Stundungszinsen waren daher dem Grunde nach ab Erlassung des Bescheides des Gemeindevorstandes vom 2. Juli 2019 zu entrichten gewesen. Die Zustellung dieses Bescheides erfolgte am 9. Juli 2019. Zinsen sind nun im vorliegenden Fall (grundsätzlich) für den bewilligten Zahlungsaufschub ab 9. Juli 2019 (Zustellung des die Stundung bewilligenden Bescheides) bis zum 31. Oktober 2020 (Ende der im Bescheid verfügten Stundung) zu entrichten gewesen.

Bei der bescheidmäßigen Anforderung von Stundungszinsen erfolgt die Berechnung kontokorrentmäßig, tageweise (vgl. VwGH 90/16/0067). Das heißt, die Zinsen werden vom jeweils aushaftenden (geschuldeten) Betrag tageweise berechnet. Gemäß § 212b Z.1 BAO beträgt der Zinssatz für Gemeindeabgaben für Abgabenschuldigkeiten, die den Betrag von insgesamt € 200,-- übersteigen, sechs Prozent pro Jahr.

3.1.5.

Der Anspruch auf Stundungszinsen setzt die Erlassung eines Bescheides über Zahlungserleichterungen (unter der Verpflichtung zur Leistung von Stundungszinsen) sowie die tatsächliche Inanspruchnahme des bewilligten Zahlungsaufschubes (vgl. Stoll, BAO-Handbuch, S. 517; sowie VwGH 90/16/0067) voraus. Der Stundungszinsenanspruch selbst entsteht laufend während jener Zeit, in der der Abgabepflichtige den Zahlungsaufschub in Anspruch nimmt (vgl. VwGH 92/17/0166).

3.1.6.

Im Lichte dieser Ausführungen hatte eine Neuberechnung der Stundungszinsen zu erfolgen. Auf Basis einer (damals) aushaftenden Abgabenschuld im Betrag von nur mehr € 5.000,04 (erste Rate von € 2.826,86 war am 9. Juli 2019 bereits bezahlt), eines Zinssatzes von 6 % p.a. und eines - bereinigten - Zeitraumes von 9. Juli 2019 bis 31. Oktober 2020 (9. Juli 2010 bis 2. August 2019 mit 25 Tagen und Zinsen von
€ 20,83 sowie 7. Oktober 2020 bis 31. Oktober 2020 mit 25 Tagen und Zinsen von
€ 1,74) ergibt sich nunmehr ein Betrag von € 116,05.

Stundungszinsen bilden den wirtschaftlichen Ausgleich für den Zinsenverlust, den der Abgabengläubiger dadurch erleidet, dass er die geschuldete Abgabenleistung nicht bereits am Tag der Fälligkeit erhält (vgl. VwGH 90/13/0239, 0240). Entscheidend ist lediglich, ob die festgesetzten Abgaben unberichtigt aushaften. Gegenstand des konkreten Verfahrens ist eben lediglich die Anforderung von Stundungszinsen und weder die (mit gesondertem Bescheid erfolgte und rechtskräftige) Vorschreibung der Wasser- und Kanalabgabe noch die (ebenfalls mit gesondertem Bescheid erfolgte und rechtskräftige) Bewilligung der Zahlungserleichterung. Die Vorschreibung der Stundungszinsen liegt nicht im Ermessen der Abgabenbehörden, sondern ist die gesetzliche Folge eines Zahlungsaufschubes.

In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass sich für die vom Beschwerdeführer gewünschte Nichtvorschreibung von Stundungszinsen für den Zeitraum von 3. März 2020 bis 3. August 2020 in § 323c BAO kein Raum findet, da die in den Absätzen 11 bis 15 vorgesehenen Erleichterungen gemäß § 323c Abs. 16 ausdrücklich nicht für Gemeindeabgaben gelten. Die Abgabenbehörden der mitbeteiligten Gemeinden waren daher angehalten, auch für den Zeitraum von 3. März 2020 bis 3. August 2020 Stundungszinsen vorzuschreiben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.1.7.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 274 BAO unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde von den Beschwerdeführern auch nicht beantragt. Auch aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ist ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, zumal im vorliegenden Fall ausschließlich Rechtsfragen zu erörtern waren (vgl. EGMR vom 5. September 2002, 42057/98, Speil/Austria).

3.2.    Zu Spruchpunkt 2 - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß
Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht und eine gesicherte und einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, die unter Punkt 3.1. auch dargelegt wird.

Schlagworte

Finanzrecht; Stundung; Stundungszinsen; Berechnung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.767.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.11.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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