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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
GewO 1994 §74 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der X-Gesellschaft m.b.H. in Wien, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 14. Dezember 1995, Zl. MA 63-P 260/94, betreffend Verfahren gemäß § 79 GewO 1994, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchteil B.) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Spruchteil A.) des Bescheides des Landeshauptmannes von Wien vom 14. Dezember 1994 wurde der nach § 79 GewO 1973 ergangene Bescheid des Magistratischen Bezirksamtes für den
16. Bezirk vom 8. Juni 1993 gemäß § 66 Abs. 4 AVG (ersatzlos) behoben. Mit Spruchpunkt B.) dieses Bescheides wurden der Beschwerdeführerin in Ansehung ihrer an einem näher bezeichneten Standort befindlichen gewerblichen Betriebsanlage gemäß § 79 GewO 1994 folgende Auflagen vorgeschrieben:
"1.) Die durch chlorierte Kohlenwasserstoffe kontaminierten Bodenbereiche beim Entfetter in der Werkstatt (einschließlich der zugehörigen CKW-Lagerbereiche bei der Rampe sowie neben dem Entfetter in der Werkstatt), im "Hof 1" zur G-Gasse und im "Hof 2" zur P-Gasse (Parkplatz und Manipulationsfläche) sind durch Bodenluftabsaugung oder technisch gleichwertige Verfahren soweit zu sanieren, daß der Wert von 10 mg CKW/m3 abgesaugter Bodenluft in diesen Bodenbereichen nicht überschritten wird.
2.) Die Sanierung ist von einem befugten Fachmann bzw. -unternehmen, der Inhaber einer Erlaubnis nach § 15 des Abfallwirtschaftsgesetzes, BGBl. Nr. 325/1990 in der geltenden Fassung, ist, durchführen zu lassen. Der Name bzw. die Firma des beauftragten Rechtsträgers ist dem Magistratischen Bezirksamt für den 16. Bezirk vor Beginn der Sanierungsarbeiten zur Kenntnis zu bringen. Ferner ist jeder Wechsel des mit der Sanierung beauftragten Rechtsträgers unverzüglich dem Magistratischen Bezirksamt für den 16. Bezirk bekanntzugeben.
3.) Nach Abschluß der Sanierung ist dem Magistratischen Bezirksamt für den 16. Bezirk durch Vorlage eines Attestes eines befugten Fachkundigen die Einhaltung des im Punkt 1 angegebenen Grenzwertes binnen vier Wochen nachzuweisen. Ferner ist dem Bezirksamt eine Dokumentation vorzulegen, die zumindest folgenden Inhalt aufweisen muß:
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alle Meßergebnisse samt planlicher Darstellung der für die Projektierung der Sanierung herangezogenen Meßpunkte
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Angaben über die Beschaffenheit des Bodens
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Darstellung des zeitlichen Verlaufs der Sanierung
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Beschreibung des angewendeten Sanierungsverfahrens und der verwendeten Anlagen."
Zur Begründung des Spruchpunktes B.) führte der Landeshauptmann im wesentlichen aus, an dem in Rede stehenden Standort seien nach der Aktenlage seit dem Jahre 1910 u.a. eine Mechanikerwerkstatt und eine Maschinenschlosserei, ein Waschpulver- und Seifenerzeugungsunternehmen, eine Drechslerei sowie (ab 1932) eine Stahl- und Metallschleiferei betrieben worden. Den Genehmigungsbescheiden für diese Betriebsanlagen sei kein Hinweis auf die Verwendung chlorierter Kohlenwasserstoffe zu entnehmen. Damit sei aber nicht gesagt, daß eine solche nicht tatsächlich erfolgt sei. Die nunmehr verfahrensgegenständliche Betriebsanlage sei mit Bescheid vom 30. Jänner 1976 "gemäß § 74 GewO 1973" gewerbebehördlich neu genehmigt worden. Aus den Auflagen dieses Bescheides gehe hervor, daß zur Ausübung des Gewerbes "Werkzeugbau und Präzisionsteile" von Anfang an chlorierte Kohlenwasserstoffe bei der Entfettungsanlage zum Einsatz gelangt seien. Anläßlich gewerbebehördlicher Überprüfungen am 6. Februar 1990, am 1. Oktober 1991 und am 20. Jänner 1993 sei von den beigezogenen Amtssachverständigen festgestellt worden, daß zahlreiche, den Umgang mit Perchlorethylen betreffende Auflagen der Genehmigungsbescheide nicht eingehalten worden seien, wodurch chlorierte Kohlenwasserstoffe in den Boden der Betriebsanlage gelangt sein konnten. Von der Magistratsabteilung 45 im Jänner 1991 vorgenommene Messungen hätten Überschreitungen des im § 3 Abs. 4 der CKW-Anlagenverordnung, BGBl. Nr. 27/1990, festgelegten Sanierungsgrenzwertes im Bereich des Entfettungsraumes und des Lagerplatzes für CKW-Abfälle bei der Durchfahrt (Lagerplatz auf der Rampe) neben der Entfettungsanlage ergeben. Auch der von der Betriebsinhabung in Auftrag gegebene Meßbericht vom 11. Juli 1991 habe bestätigt, daß in weiten Bereichen des Betriebsgeländes (insbesondere bei der Entfettungsanlage und den zugehörigen CKW-Lagerflächen auf der daneben gelegenen Rampe im "Hof 1" zur G-Gasse und im "Hof 2" zur P-Gasse) sehr starke Verunreinigungen des Bodens durch chlorierte Kohlenwasserstoffe bestünden. Über Auftrag der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin sei von einem Ziviltechniker ein auf Untersuchungen von Bodenproben und Bodengasproben basierendes ausführliches Gutachten erstellt worden. Bei den Bodenuntersuchungen seien Tetrachlorethen (= Perchlorethylen) als Hauptkontaminent festgestellt worden, wobei deutliche Kontaminationsherde im "Hof 1" zur G-Gasse und im Bereich der Wasch- bzw. Teilereinigungsanlge in der Werkstätte festgestellt worden seien. Neben Perchlorethylen seien in tieferen Bodenschichten auch Tetrachlorkohlenstoffkontaminationen festgestellt worden. Die Bodenluftuntersuchungen hätten neben Perchlorethylen auch hohe 1,1,1-Trichlorethylen-Verunreinigungen des Bodens ergeben. In seinen gutächtlichen Ausführungen habe dieser Sachverständige zunächst darauf verwiesen, Tetrachlorkohlenstoff sei schon vor dem Jahre 1900 als Lösungsmittel eingesetzt worden. Ab ca. 1920 sei er durch die wesentlich ungiftigeren Per- und Trichlorethylene ersetzt worden. Erst in den vergangenen Jahren habe eine gewisse Verschiebung von den "herkömmlichen" Lösungsmitteln Tri- und Perchlorethylen zu den "moderneren" Stoffen 1,1,1-Trichlorethan und Dichlormethan stattgefunden. Zusammenfassend sei dieser Sachverständige zu dem Schluß gekommen, daß eine diffuse, flächenhafte Kontamination mit Perchlorethylen als Hauptkontaminent, daneben teilweise auch mit 1,1,1-Trichlorethan und fallweise, zumeist in den tieferen Schichten auch mit Tetrachlorkohlenstoff vorliege. Die punktuellen oberflächennahen Kontaminationsherde im Hof zur G-Gasse sowie im Bereich der Entfettungsanlage seien mit Sicherheit auf durch die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin verursachte "Neulasten" zurückzuführen, während die diffuse, flächenhafte Belastung auf weiter zurückliegende "Altlasten" hinweise. Es handle sich also um eine Überlagerung von "Altlasten" mit punktuellen Neulasten, welch letztere durch die gegenständliche Betriebsanlage verursacht worden seien. Zu einem gleichartigen Ergebnis komme auch ein diesem Gutachten beigelegter Bericht eines weiteren technischen Sachverständigen. Der von der belangten Behörde beigezogene Amtssachverständige habe das von der Beschwerdeführerin eingeholte Gutachten zunächst bekräftigt und dann zu den darin erwähnten "Altlasten" darauf hingewiesen, daß die in Rede stehende Betriebsanlage auch bereits über 20 Jahre hinweg zu einem fortdauernden Eintrag von chlorierten Kohlenwasserstoffen in den Boden geführt habe, weshalb es sich bei den als "Altlasten" bezeichneten Kontaminationen auch um betriebskausale Verunreinigungen handeln könne. Der technische Sachverständige habe die Sanierungskosten unter Zugrundelegung eines Sanierungszeitraumes von zwei bis drei Jahren größenordnungsmäßig mit etwa S 500.000,-- beziffert. Sollte die Sanierung nicht durchgeführt werden, werde es nach den - mit den Schlußfolgerungen des von der Betriebsinhabung beigezogenen Sachverständigen diesbezüglich übereinstimmenden - Ausführungen des Amtssachverständigen zu einem Absinken der Kontamination in tiefere Bodenschichten und durch Auswaschungsvorgänge zu einer verstärkten Kontamination des Grundwassers kommen. Der Amtssachverständige habe weiter ausgeführt, wenngleich sich im direkten Abstrombereich der Betriebsanlage kein Brunnen befinde, aus dem derzeit Trinkwasser entnommen werde, sei zu erwarten, daß die chlorierten Kohlenwasserstoffe auf Grund ihrer besonderen Eigenschaften (sie könnten sogar Beton durchdringen) durch sämtliche Bodenschichten zum Grundwasser gelangen könnten, mit welchem sie in Lösung gingen. Der Untergrund der gegenständlichen Betriebsanlage könne daher keinesfalls als "CKW-dicht" bezeichnet werden. Im Zusammenhang mit dem Schutz des Grundwassers müsse beachtet werden, daß der Bundesgesetzgeber alle Gewässer einschließlich des Grundwassers so reinhalten wolle, daß Grund- und Quellwasser als Trinkwasser verwendet werden könnten (§ 30 Abs. 1 WRG 1959). Dem Einwand der Beschwerdeführerin, die in Rede stehenden Auflagen seien wirtschaftlich nicht zumutbar, könne schon deshalb nicht Rechnung getragen werden, weil durch die Gewerberechtsnovelle 1988 die Prüfung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die mittels einer anhand von im Gesetz beispielsweise angeführten objektiven Kriterien durchzuführenden Interessenabwägung zu prüfen sei, ersetzt worden sei. Wenngleich derzeit noch keine Gefahr für die Gesundheit von Menschen durch mit chlorierten Kohlenwasserstoffen verunreinigtes Grundwasser gegeben sei, weil im unmittelbaren Abstrombereich der Betriebsanlage zur Zeit kein Trinkwasser aus Brunnen entnommen werde, stehe auf Grund sämtlicher im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten zweifelsfrei fest, daß die in der ungesättigen Bodenzone der Betriebsanlage (teilweise in äußerst hoher Konzentration) befindlichen chlorierten Kohlenwasserstoffe ins Grundwasser gelangen könnten und dort nach einer bestimmten Zeit zu einer erheblichen Grundwasserverunreinigung führen würden. Auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens stehe fest, daß die punktuellen, oberflächennahen Kontaminationsherde
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insbesondere im "Hof 1" zur G-Gasse sowie im Bereich der Entfettungsanlage in der Werkstatt (einschließlich der zugehörigen CKW-Lagerflächen) - durch den Betrieb der gegenständlichen (im Jahre 1976 genehmigten) Betriebsanlage verursacht worden seien. Die mit der Durchführung der erforderlichen Sanierungsmaßnahmen verbundenen Kosten in der geschätzten Höhe von rund S 500.000,-- müßten im Hinblick auf die hohen Konzentrationen und den räumlichen Umfang der
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offenbar auch durch einen sorglosen Umgang mit chlorierten
Kohlenwasserstoffen in der Betriebsanlage bedingten - betriebskausalen Kontaminationen und der dadurch auf Jahre hinaus zu befürchtenden verstärkten Grundwasserverunreinigung als verhältnismäßig bezeichnet werden. Da im vorliegenden Verfahren keine Prüfung zu erfolgen habe, ob diese Kosten für die Beschwerdeführerin wirtschaftlich zumutbar seien, sei auch ihr Einwand, die Erfüllung der Auflagen könnte ihre Insolvenz verursachen, nicht beachtlich. Die Auflagen seien nicht unmittelbar auf § 3 Abs. 4 der in den erstinstanzlichen Bescheiden zitierten CKW-Anlagen-Verordnung (bzw. § 5 der - im wesentlichen mit 1. Juni 1995 in Kraft getretenen - CKW-Anlagen-Verordnung 1994, BGBl. Nr. 865), sondern ausschließlich auf § 79 Abs. 1 GewO 1994 gestützt, weil die gegenständliche veraltete CKW-Anlage und die zugehörigen Lagerbereiche über gar keine Einrichtungen zur Absaugung von Luft aus der wasserungesättigten Bodenzone im Sinne des § 5 der CKW-Anlagen-Verordnung 1994 verfügten. Vielmehr gehe es im vorliegenden Verfahren um die Sanierung der durch verschiedene Betriebsvorgänge bereits eingetretenen Bodenverunreinigungen in mehreren Bereichen der Liegenschaft.
Gegen diesen Bescheid - inhaltlich jedoch nur gegen dessen Spruchpunkt B.) - erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte deren Behandlung mit Beschluß vom 17. Juni 1996, Zl. B 558/96-11, ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin nach ihrem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Unterbleiben der Vorschreibung von Auflagen nach § 79 GewO 1994 verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes macht sie zunächst geltend, Auflagen im Sinne des § 79 GewO 1994 müßten in einem Verhältnis der Akzessorietät zur Betriebsanlage stehen. Die Behörde könne auf Grund der Akzessorietät Auflagen nur im Rahmen des Antragsgegenstandes des seinerzeitigen Genehmigungsverfahrens erteilen und somit die Anlage nicht wesentlich modifizieren. Die gegenständlichen Auflagen beträfen ausschließlich die Sanierung des Erdreiches in bestimmten Teilen der Liegenschaft, auf der sich die Betriebsanlage befinde. Das Erdreich sei nicht Teil der Betriebsanlage. Es habe in keiner Form dem Betrieb der Betriebsanlage oder der Ausübung des Mechanikergewerbes gedient und diene dazu auch heute nicht. Es sei nie Antragsgegenstand der Genehmigungsverfahren gewesen und habe nicht mit dem Betrieb der Betriebsanlage zu tun. Die Bodenluftabsaugung sei eine Maßnahme, die dem Charakter der Betriebsanlage, zu deren Wahrung die Behörde gemäß § 79 GewO 1994 verpflichtet sei, völlig fremd sei. Dies werde auch durch folgende einfache funktionale Überlegung verdeutlicht: Stelle die Betriebsanlage augenblicklich ihre Tätigkeit ein und werde sie zur Gänze von der Liegenschaft entfernt, so würde, folge man den Ausführungen der Behörde, die Bodenverunreinigung dennoch langsam in das Grundwasser absinken und dort zu einer Grundwasserbeeinträchtigung führen. Zwischen der von der Behörde behaupteten Grundwassergefährdung und der Betriebsanlage der Beschwerdeführerin bestehe somit kein Zusammenhang mehr. Das, was die belangte Behörde hier tatsächlich anordne, sei somit keine Auflage, sondern eine nachträgliche Änderung der Betriebsanlage, zu der die Behörde nicht berechtigt sei. Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides dienten die in Rede stehenden Auflagen der Erhaltung des Grundwassers für Trinkwasserzwecke. Diesen Zweck zu erzielen, seien diese Auflagen schon deshalb nicht geeignet, weil nach den (näher dargestellten Aussagen) der im Verwaltungsverfahren beigezogenen Sachverständigen dem Grundwasser die Eignung als Trinkwasser ohnedies nicht mehr zukomme. Im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Auflage seien nicht nur das Verhältnis zwischen Aufwand für die Befolgung der Auflage und dem damit erzielbaren Erfolg, sondern auch die Auswirkungen der Auflage auf das betroffene Unternehmen zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang sei zu beachten, daß die Beschwerdeführerin die in Rede stehenden Bodenverunreinigungen schon deshalb nicht verursacht haben könne, weil sie die in Rede stehende Betriebsanlage erst am 17. Dezember 1993 von ihrer Rechtsvorgängerin gepachtet habe. Die von der Behörde vorgeschriebenen Auflagen seien daher Verpflichtungen im öffentlichen Interesse, die ohne Rücksicht auf das persönliche Verhalten der Beschwerdeführerin auferlegt worden seien. Es hätte daher in Befolgung des zu § 138 WRG 1959 ergangenen Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Oktober 1993, VfSlg. 13.587, die wirtschaftliche Zumutbarkeit der Auflagen geprüft werden müssen. Um eine vollständige Prüfung der Verhältnismäßigkeit der angeordneten Maßnahmen durchzuführen, sei zunächst auf den vorgesehenen Erfolg der Maßnahmen abzustellen. Zweck des bekämpften Bescheides sei der Gewässerschutz gemäß § 74 Abs. 2 Z. 5 GewO 1994. Wie bereits ausgeführt, sei es aus technischen Gründen nicht möglich, diesen Erfolg zu erreichen. Der Erfolg könne lediglich in einer punktuellen Verringerung von Verunreinigungen liegen, jedoch sicher nicht in der Wiederherstellung der längst verloren gegangenen Trinkwasserqualität. Der mit einem Betrag von S 500.000,-- geschätzte Aufwand für die in Rede stehenden Auflagen könne von der Beschwerdeführerin, die sich augenblicklich in einem Stadium der wirtschaftlichen Konsolidierung befinde, nicht getragen werden. Die Sanierung würde ihre wirtschaftliche Existenz im höchsten Maße gefährden; jedenfalls wäre sie in der weiteren Gewerbeausübung wesentlich behindert. Im Hinblick auf den absehbar geringen Erfolg der Sanierung und den extrem hohen Aufwand der Sanierungsmaßnahmen erschienen die vorgeschriebenen Auflagen unverhältnismäßig. Da die Maßnahmen die wirtschaftliche Eixstenz der Beschwerdeführerin bedrohten, seien sie überdies wirtschaftlich unzumutbar. Wegen der Unterlassung entsprechender Feststellungen sei der Bescheid auch mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensmängeln behaftet. Überdies habe sich die belangte Behörde mit Gutachten begnügt, die aus dem Jahr 1992 stammten, obwohl die Beschwerdeführerin erst im Jahre 1993 gegründet worden sei. Damit könne die Behörde im Berufungsverfahren auch nicht zwischen Altlasten und eventuellen Neulasten durch die Beschwerdeführerin unterscheiden. Überdies habe es die Behörde unterlassen, auf weiteren Nachbargrundstücken Bodenproben und Grundwasserproben zu entnehmen. Hätte sie dies getan, hätte sie festgestellt, daß es sich bei den gegenständlichen CKW-Kontaminationen um großflächige Verunreinigungen handle, die durch die Bodensanierung bloß einer Liegenschaft nicht behoben werden könnten. Die belangte Behörde stütze sich in ihrer Entscheidung wiederholt auf Stellungnahmen und Gutachten, die deshalb inhaltlich falsch und aktenwidrig seien, weil sie davon ausgingen, daß das Grundstück P-Gasse 34, auf welchem besonders hohe Verunreinigungen im Grundwasser entdeckt worden seien, abstromig liege und somit der Eindruck verursacht werde, die Verunreinigungen würden von der Betriebsanlage der Beschwerdeführerin auf dieses Grundstück geschwemmt. Auf Grund der Aktenlage sei jedoch klar, daß die Liegenschaft P-Gasse 34 nicht abstromig der Betriebsanlage der Beschwerdeführerin liege. Auch habe die belangte Behörde den Einwand der Beschwerdeführerin, Grundwasserverunreinigungen seien überhaupt erst durch den von der Behörde errichten Grundwasserpegel ins Grundwasser gelangt, ohne weitere Prüfung abgetan. Wäre sie darauf eingegangen, wäre sie zu dem Ergebnis gelangt, daß erst durch das Eingreifen der Behörde selbst CKW durch den Grundwasserpegel wie durch einen Trichter in das Grundwasser eingedrungen sei.
Gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde, wenn sich nach Genehmigung der Anlage ergibt, daß die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, die nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs. 1) vorzuschreiben. Die Behörde hat solche Auflagen nicht vorzuschreiben, wenn sie unverhältnismäßig sind, vor allem wenn der mit der Erfüllung der Auflagen verbunde Aufwand außer Verhältnis zu dem mit den Auflagen angestrebten Erfolg steht. Dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und die technischen Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, kommt dem Begriff der Auflage im § 79 GewO 1994 kein anderer Inhalt zu, als dem der Auflage nach § 77 Abs. 1 leg. cit. (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 1. Oktober 1985, Zl. 85/04/0041).
Das Wesen von Auflagen im Sinne der §§ 77 ff GewO 1994 besteht darin, daß die Verwaltungsbehörde in einem dem Hauptinhalt nach begünstigenden Bescheid belastende Gebote oder Verbote als Nebenbestimmungen aufnimmt, mit denen der Inhaber des Rechtes für den Fall der Gebrauchnahme zu einem bestimmten im Wege der Vollstreckung erzwingbaren Tun oder Unterlassen verpflichtet wird. Es handelt sich somit um "bedingte Polizeibefehle", die erst dann wirksam werden, wenn der Bewilligungswerber von der ihm erteilten Bewilligung Gebrauch macht. Erst im Fall der Gebrauchnahme werden die Auflagen zu unbedingten Aufträgen (vgl. die in Kobzina/Hrdlicka, Gewerbeordnung 1994, S. 264, zitierte hg. Judikatur). Ziel solcher Auflagen ist es, den Betrieb einer gewerblichen Betriebsanlage so zu gestalten, daß dadurch die im § 74 Abs. 2 GewO 1994 genannten Schutzzwecke gesichert werden. Dieses aus dem Gesetz abzuleitende Wesen einer Auflage verbietet es, eine solche mit dem Zweck vorzuschreiben, eine durch den Betrieb der Betriebsanlage bereits eingetretene Einwirkung auf die Umwelt nachträglich wieder rückgängig zu machen.
Wie die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausdrücklich festhielt, dienen die in Rede stehenden Auflagen nicht etwa dem Zweck, durch den weiteren Betrieb der gegenständlichen Betriebsanlage einen zusätzlichen Eintrag von chlorierten Kohlenwasserstoffen in den Boden zu vermeiden; vielmehr "geht es im vorliegenden Verfahren um die Sanierung der durch verschiebende Betriebsvorgänge bereits eingetretenen Bodenverunreinigungen in mehreren Bereichen der Liegenschaft". Zur Erreichung eines derartigen Zieles steht aber, wie soeben ausgeführt, das Rechtsinstitut der nachträglichen Vorschreibung von Auflagen nach § 79 Abs. 1 GewO 1994 nicht zur Verfügung.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Begehren auf Zuspruch von Umsatzsteuer zum Schriftsatzaufwand war im Hinblick auf die Pauschalierung des diesbezüglichen Aufwandersatzes abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996040151.X00Im RIS seit
11.07.2001